Ronald St ¨over SoSe 2008
Zusammenfassung:
Theoretische Grundlagen f ¨ ur gew ¨ ohnliche Differentialgleichungen
Unter einer gew ¨ohnlichen Differentialgleichung erster Ordnung versteht man eine Gleichung
˙
x(t) = f(t, x(t)),
wobei hier eine Funktion
f :I×D−→Rn mit I= [t0, T]Intervall,D⊂Rnoffen und zusammenh ¨angend gegeben und eine differenzierbare Funktion
x:I−→Rn
gesucht ist, sodass diese Differentialgleichung f ¨ur allet∈Ierf ¨ullt ist.
Die Kurvex(t)heißt auch Trajektorie. Man erh ¨alt eine ganze L ¨osungsschar (“Richtungsfeld”), in der man durch Vorgabe eines Anfangswertsx(t0) = x0eine bestimmte Trajektorie festlegt:
˙
x(t) = f(t, x(t)), x(t0) =x0 (1)
heißt dann Anfangswertproblem (AWP).
Beispiel: Lotka-Volterra-Differentialgleichung
˙
x(t) = αx(t)−βx(t)y(t)
˙
y(t) = −γy(t) +δx(t)y(t) x(0) = x0, y(0) =y0
mit Parameternα, β, γ, δ >0und Anfangswertenx0, y0 >0. Eine numerische L ¨osung:
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
0 0.5 1 1.5 2 2.5
3x 104 Beute
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
200 300 400 500 600 700 800
Raeuber
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3
x 104 200
300 400 500 600 700 800
Autonome Diff’gleichungen und Diff’gleichungen n -ter Ordnung
Setzt man
˜ x(t) :=
t
x(t)
, f˜(˜x(t)) :=
1
f(t, x(t))
, x˜0 :=
t0
x0
,
dann ist das AWP (1) ¨aquivalent zum autonomen Problem
˙˜
x= ˜f(˜x), x(t˜ 0) = ˜x0.
Eine skalare Differentialgleichungn-ter Ordnung
x(n) =f(t, x, . . . , x(n−1))
kann immer in ein ¨aquivalentes Differentialgleichungssystem erster Ordnung umgeformt werden, indem manyk :=x(k−1),k = 1, . . . , n, setzt:
˙
y1 = y2
... ...
˙
yn−1 = yn
˙
yn = f(t, y1, . . . , yn)
Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindel ¨ of (1890/94)
Die Funktionf sei stetig auf dem DefinitionsbereichI×Dund gen ¨ugef einer lokalen Lipschitz- Bedingung bez ¨uglich der zweiten Komponente, d.h.
∀(t, x)∈I×D ∃UmgebungU von(t, x)und∃L >0 :
kf(s, x1)−f(s, x2)k ≤L·kx1−x2k f ¨ur alle(s, x1),(s, x2)∈U . Dann existiert eine eindeutig bestimmte L ¨osungx:J−→Rn(mitJ⊂I) des AWP (1).
Beweis: siehe z.B. [1]
Fortsetzung von L ¨ osungen
Analog zu oben seif stetig auf dem (offenen) DefinitionsbereichI×Dund gen ¨uge einer lokalen Lipschitz-Bedingung bzgl.x. Dann hat jedes AWP (1) eine maximale (d.h. nicht weiter fortsetzba- re) L ¨osungφ. Diese kommt dem Rand vonI×Dbeliebig nahe, d.h.φexistiert auf einem Intervall [t0, tf)mittf ∈R∪ {∞}und es liegt einer der drei F ¨alle vor:
i) tf =∞
ii) tf <∞undlim supt→tf ||φ(t)||=∞
iii) tf <∞undlim inft→tf dist((t, φ(t)), ∂(I×D)) = 0 Beweis: siehe z.B. [1]
Fundamentallemma
SeixL ¨osung des autonomen Problems x˙ = f(x), x(t0) = x0 und seiy ∈ C1(I,Rn)so, dass Konstantenδ,ε,L >0existieren und folgende Absch ¨atzungen erf ¨ullt sind:
i) kx(t0)−y(t0)k ≤δ
ii) ky(t)˙ −f(t, y(t))k ≤εf ¨ur allet∈I
iii) kf(t, x(t))−f(t, y(t))k ≤Lkx(t)−y(t)kf ¨ur allet∈I Dann gilt
kx(t)−y(t)k ≤ δeL(t−t0)+Lε eL(t−t0)−1
f ¨ur allet∈I. Beweis: siehe Vorlesung
Damit sind AWP gut konditioniert, fallsL(T −t0)“klein” ist.
Variationsgleichung und ¨ Ubertragungsmatrizen
Seif stetig diff’bar undx=x(·;t0, x0)L ¨osung vonx˙ =f(x), x(t0) =x0. Das AWP
∂
∂tW(t, t0) = fx(x(t))W(t, t0) W(t0, t0) = I
heißt Variationsgleichung, die L ¨osung
W(·, t0) :I−→Rn×n
nennt man die zuxgeh ¨orige ¨Ubertragungsmatrix (auch Begleit-, Propagationsmatrix).
Eigenschaften: F ¨urt1, t2, t3 ∈Ibetrachtet man analogW(·, ti), dann gilt
W(t3, t2)·W(t2, t1) = W(t3, t1), W(t2, t1)−1 =W(t1, t2), W(t1, t1) =I .
Die L ¨osungx(·;t0, x0)ist diff’bar bzgl.t0undx0 mit
∂
∂x0x(t;t0, x0) =W(t, t0), ∂
∂t0x(t;t0, x0) =−W(t, t0)f(x0). Beweis: siehe z.B. [2]
Literatur
[1] Wolfgang Walter. Gew ¨ohnliche Differentialgleichungen. Springer, Berlin, 1996 (6. Auflage).
[2] Ernst Hairer, Syvert P. Nørsett, Gerhard Wanner. Solving Ordinary Differential Equations I:
Nonstiff Problems. Springer, Berlin, 1993 (2nd edition).