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Kartographische Methoden zur Darstellung der Veränderungen von Natur- und Kulturlandschaften

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Vortrag vom 14. Dezember 1989 in der Universität Basel, anlässlich des Festkolloquiums zum 60. Geburts- tag von Prof. Dr. Werner Gallusser. 24 S., 39 Abb.

Kartographische Methoden zur Darstellung der Veränderungen von Natur- und Kulturlandschaften

Ernst Spiess

Inhalt

1. Definitionen von Karte und Kartographie 2. Verschiedene Zweckbestimmungen

3. Datenbeschaffung für die Kartierung von Veränderungen 4. Methoden zur Darstellung von Veränderungen

4.1 Kartenserie mit mehreren Ständen und identischem Zeichenschlüssel 4.2 Karte mit dem ursprünglichen Stand und den darnach eingetretenen

Veränderungen

4.3 Karte mit dem heutigen Stand und eine Karte mit den erfolgten Veränderungen 4.4 Heutiger oder früherer Zustand als Hintergrundbild mit einem oder mehreren

Veränderungsbildern als Vordergrund auf einer Karte

4.5 Karte mit dem heutigen Stand als Primärinformation und der Veränderung als sekundärem Thema

4.6 Gliederung der Karte nach den drei Kriterien unverändert, verschwunden, neu entstanden

4.7 Mehrere Stände in einer Karte zusammengefasst Schlussbemerkungen

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Kartographische Methoden zur Darstellung der Veränderungen von Natur- und Kulturlandschaften

Vorwort

Das Thema des Vortrages nahm Bezug auf das Forschungsprogramm «Kulturlandschaftswandel» der Schweizerischen Geographischen Kommission, das anfangs der 70er Jahre initialisiert wurde und unter der Leitung von Werner Gallusser stand. Nach der Ersterfassung der Landnutzung und der Siedlungs-, Grundeigentums- und Parzellenstrukturen in 21 Gemeinden stellte sich das Problem der Darstellung der Veränderungen, sobald eine weitere Aufnahme zur Verfügung stehen würde. Mit welchen Methoden kann dem Kartenbenutzer im Überblick oder im Detail ein Bild des Wandels vermittelt werden.

Dabei habe ich mir erlaubt über diese enge Thematik der Veränderung eines Flächenmosaikes von Natur- und Kulturlandschaften hinauszugehen und das Problem der Darstellung von Veränderungen zu verall- gemeinern. So werden in Beispielen auch demographische und ökonomische Zeitreihen veranschaulicht.

Diese Statistiken erforden eine Darstellung des Wandels von quantitativen Daten.

Die Darlegungen wurden im Vortrag durch eine Serie von Diapositiven illustriert. Diese können hier zum Teil nur in Ausschnitten wiedergegeben werden. Die meisten Abbildungen sind den Publikationen des Instituts für Kartographie der ETH Zürich entnommen, so dem Atlas der Schweiz, dem Schweizer Welt- atlas und Praktikumsarbeiten der Studierenden.

Mit der Publikation in dieser Form hoffen wir, Anregungen zur Gestaltung von temporalen Veränderun- gen in Karten zu geben. Dabei wird nur am Rande auf die Nutzung der interaktiven Möglichkeiten bei der Analyse von Zeitreihen eingegangen.

Forch, den 11. März 2016 Ernst Spiess

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1. Definitionen von Karte und Kartographie

Einen umfassenden Ausgangspunkt für die Behandlung dieses Themas bieten die aktuellen Definitionen von Karte und Kartographie, wie sie von der ICA vorgeschlagen wurden:

«Karten sind eine ganzheitliche Darstellung und intellektuelle Abstraktion der geographischen Realität, die für einen bestimmten Zweck weitervermittelt werden soll,

wozu die relevanten geographischen Daten in ein Endprodukt umgewandelt werden, das visuell oder digital sein kann.»

«Unter Kartographie versteht man das Organisieren und Vermitteln von raum- bezogenen Informationen in graphischer oder digitaler Form; sie umfasst alle Phasen

ausgehend von der Datenbeschaffung bis zu deren Darstellung und Benützung.»

Indem wir Veränderungen der Natur- und Kulturlandschaft kartographisch darstellen, versuchen wir deshalb eine ganzheitliche Darstellung und intellektuelle Abstraktion dieser geographischen Realität zu kreieren. Wir wollen uns zuerst fragen, für welche Zwecke wir solche Veränderungen weitervermitteln wollen.

2. Verschiedene Zweckbestimmungen

Für das abschliessende Erscheinungsbild einer Karte ist die Festlegung des Kartenzwecks von ausschlagge- bender Bedeutung. Ob man von der Veränderung einer Flusslandschaft einen allgemeinen Eindruck über die durchgeführten Begradigungen vermitteln will, oder ob man für ein Regionalplanungsamt sämtliche ehemaligen Bäche und Flussläufe möglichst genau festhalten muss, da sie zum Teil im Rahmen der Land- schaftsgestaltung wieder aktiviert werden sollen, wie dies ein Projekt im Kanton Zürich vorsieht, sind zwei ganz verschiedene Ausgangslagen, die zu verschiedenen Produkten führen.

Die Darstellung früherer Zustände oder der erfolgten Veränderungen findet heute überall grosses Interes- se. Dies ist vielleicht ein Ausdruck der Nostalgiewelle. Man trauert der so genannten guten alten Zeit nach und findet die damalige Welt besser, unverdorbener, einfacher, überschaubarer. Man fragt sich gleichzei- tig, wie und warum es zu solchen drastischen Veränderungen kommen konnte. Gerade hier könnte eine Kartensequenz aufschlussreiche Einblicke in das Zeitgeschehen vermitteln. Sie hilft bei der Veranschauli- chung der Auswirkungen bestimmter Planungsmassnahmen oder demographischer Entwicklungen. Auf- nahmen in zeitlich genügendem Abstand sind auch ein vorzügliches Mittel, um schleichende Veränderun- gen sichtbar zu machen. In der Tat vergeht fast keine Woche, ohne dass man sich von irgendeiner Seite nach der Darstellung von Veränderungen oder früheren Zuständen erkundigt. Architekten suchen Unter- lagen zur Entwicklung von bestimmten Quartieren, Offiziere des Generalstabs nach Dokumentation über die wachsende Zahl von baulichen Hindernissen für taktische Beurteilung in ihren Operationsräumen.

Wirtschaftsfachleute möchten die Dezentralisations- oder Konzentrations-Tendenzen der verschiedenen Industriebranchen studieren. Historiker interessieren sich nach den früheren Standorten von Industriebe- trieben. Der Umweltschutz möchte Angaben über das Verschwinden von Hecken- und Obstbaumland- schaften. Kantonale Behörden wollen den seinerzeitigen Verlauf von Wasserscheiden bestimmt haben.

Glaziologen und Hydrologen befassen sich mit der Veränderung der Gletscherstände und die Forstleute mit denjenigen am Waldbestand. Futurologen schliesslich möchten von der bisherigen Entwicklung in die Zukunft extrapolieren.

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Diese Aspekte und die sich daraus ableitenden Einsichten spielen auch eine wichtige Rolle im Bildungs- prozess der heranwachsenden Jugend und sind also auch Gegenstand der Lehrpläne der Geographie.

Einige Stichworte wie Urbanisierungsprozess, Raumwirksamkeit politischer oder ökonomischer Massnah- men, die immer auch eine zeitliche Komponente haben, Entwicklungsstufen, Entwicklungsmöglichkeiten, Strukturwandel der Industrie etc. mögen als Hinweise genügen. Kartographische Darstellungen erstre- cken sich über die ganze Palette solcher Veränderungen.

3. Datenbeschaffung für die Kartierung von Veränderungen

Unter den Kartendokumenten, die zeitliche Veränderungen zeigen, sind in erster Linie die amtlichen Kar- tenwerke zu nennen. Bei der neuen Landeskarte gibt es inzwischen bis zu 5 Nachführungen der Erstaus- gabe in Serie, dies in Abständen von ca. 6 Jahren. Die Datenerhebung erfolgt bekanntlich blockweise, jedes Jahr für einen Sechstel des Landes, mit Luftbildern ca.

1:25 000, die ebenfalls als Quellenmaterial in Frage kommen. Dieser Nachführungsmodus, so fortschritt- lich er im Vergleich zu den Konzepten anderer Länder ist, bildet gelegentlich ein erschwerendes Hindernis für die Kartierung von Veränderungen. Im Rahmen des Atlas der Schweiz sollte ein Blatt 1:500’000 mit den seit 1960, dem Jahr der vollständigen Ausgabe der Karte 1:50’000, eingetretenen Veränderungen erstellt werden. Für die ganze Schweiz ist aber, wie aus dem oben dargelegten Nachführungskonzept hervorgeht, keine homogene Serie z.B. mit den Ständen 1960 und 1980 verfügbar, was die Vergleich- barkeit der verschiedenen Landesgegenden natürlich stark einschränkt. Ähnliche Probleme können auch an gewissen Blattschnittstellen der Karte 1:25’000 auftreten. Zu beachten ist auch, dass in verschiedenen Kartenblättern die Gletscherstände witterungsbedingt nicht dem Stand der übrigen Nachführung ent- sprechen, was nach einigen negativen Reaktionen dann dazu führte, dass heute das Datum der Gletscher- stände ebenfalls angegeben wird. Vorsicht muss man auch walten lassen, wenn man Landeskarten in Massstäben 1:50’000 oder kleiner miteinander vergleicht. Was nach einer offensichtlichen Veränderung aussieht, kann sich bei näherem Zusehen als eine blosse Generalisierung von einer Ausgabe zur nächsten erweisen. Generell aber ist die Vergleichbarkeit relativ gut, da seit der Erstausgabe mit wenigen Ausnah- men am Signaturenschlüssel und Darstellungskonzept eisern festgehalten wurde.

Diese Beurteilung fällt weniger günstig aus, wenn man die Siegfriedkarte (1870–1948) mit einbezieht.

Hierbei ist zu beachten, dass die Siegfriedkarte nicht auf derselben Kartenprojektion beruht wie die neue Landeskarte. Die Differenzen zwischen den beiden Netzen können bis zu 30 m betragen. Auch der Null- punkt weicht um ca. 50 m vom heute gültigen ab. Die Einpassung muss deshalb aufgrund von Situati- onspunkten erfolgen. Was sich aber für praktische Vergleiche viel gravierender auswirkt, ist die Tatsache, dass die Siegfriedkarte zum Teil grosse Lagefehler aufweist.

In den ersten Messtischaufnahmen in den Alpen sind Lagefehler von 300 - 400 m keine Seltenheit. Die feststellbaren Veränderungen gegenüber heutigen Aufnahmen sind deshalb zum mindesten teilweise durch grobe Aufnahmefehler bedingt und keine echten Veränderungen. Man wird diesen Aufnahmen der Ingenieure Dufours zugute halten müssen, dass sie bloss für die Erstellung einer Schraffenkarte in kleinerem Massstab disponiert waren.

Abb. 1: Von dieser Landeskarte sind 6 Stände verfügbar

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Andererseits sind manche Siegfriedblätter aus dem Mittelland und Jura durchaus mit heutigen Aufnah- men vergleichbar. Die Blätter des Gebiets des Kantons Zürich basieren beispielsweise auf den vorzüglichen Aufnahmen, die unter der Leitung von Johannes Wild gemacht wurden. Wir haben die Wildkarte kürz- lich für Volketswil als Vergleichsbasis beigezogen und dabei eine erstaunliche Übereinstimmung mit der Landeskarte festgestellt. Die Einpassung erfolgte auch hier über Situationspunkte. Die Aufnahme zeigt die Lageverschiebungen, die durch unterschiedlich gewählte Einpasspunkte entstehen. Diese kantonalen Aufnahmen aus der Zeit von 1830–1865 sind die älteste, geometrisch verlässliche Basis. Weiter zurückzu- gehen bringt ausser Schwierigkeiten wenig, erfordert aber ein wesentlich höheres Mass an Komplexität in der Interpretation. Wir haben beispielsweise versucht, die Gygerkarte des Kantons Zürich um 1650 in eine aktuelle Form umzusetzen, was mit Hilfe der Zwischenstufe der Wildkarte von 1850 machbar schien,

Abb. 2: Aktuelle Landeskarte 1:50’000 zum Vergleich mit .... Abb.3: Topographischer Atlas, Aufnahme 1859

Abb. 5: Gygerkarte um 1667 Abb. 6: Gygerkarte umgezeichnet zum Vergleich mit der Wildkarte um 1850 (Abb.7)

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aber doch mit verschiedenen Unsicherheiten behaftet war. Erstaunlich ist dabei das Beharrungsvermögen der alten Landstrassen bis in die heutige Zeit hinein. Diese Serie ist auch ein Beispiel dafür, dass man mit Namen vorsichtig umgehen muss. Wir wurden beispielsweise belehrt, dass Namen wie „Neumünster“

erst viel später entstanden sind.

Dieser Ausschnitt Sargans wurde aus der Eschmannkarte von 1845 umgearbeitet. Er kann nun direkt mit der heutigen Karte verglichen werden, die allerdings noch die gegenwärtige Landnutzung und anderes mehr als zusätzliche Elemente beinhaltet.

Abb. 8 : Sarganserland 1845 und 1978. Ausschnitte aus den beiden Karten des Schweizer Weltatlas, © EDK

Frühere Luftaufnahmen sind zum Teil schlecht zugänglich. Von den alten Glasplatten sind oft nur noch Papierkopien verfügbar. Zum Teil handelt es sich auch um konvergente Aufnahmen, die mit heutigen Analoginstrumenten nicht mehr ausgewertet werden können. Die modernen digitalen Auswerteverfah- ren sind in dieser Hinsicht ein neuer Lichtblick. Nicht unproblematisch ist auch die Interpretation. Ob eine Alpwiese gemäht oder nur beweidet wurde, lässt sich oft nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Auch Ver- änderungen im Wegnetz in bewaldeten Gebieten lassen sich nicht überall erkennen. Anderseits können oft unerwartete Tatsachen entdeckt werden, wie z.B. die gegenüber heute sehr lockere Bestockung im Gebiet von Ronco im Jahre 1930 (Abb. 9), aus dem die frühesten erhaltenen Aufnahmen stammten, die dem Vernehmen nach eine Folge der starken Beweidung mit Ziegen war. Die geometrische Einpassung alter Stereopaare auf die heutige Situation bereitet keine Schwierigkeiten, da genügend Einpasspunkte verfügbar sind. Auch die Erstellung von Orthophotos von solchen alten Aufnahmen mit Hilfe aktueller digitaler Geländemodelle bietet sich als eine elegante, wenn auch nicht ganz billige Variante an, wenn detaillierte Auswertungen durchgeführt werden müssen.

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Abb. 10: Anzère um 1936 und 1980; Mähwiesen (gelbgrün) und Weiden (blaugrün) aus Luftbildern ausgewertet. In Rot- und Blautönen neue Gebäude. Tafel 65a* des Atlas der Schweiz, 2. Ausg. 1981 (Ausschnitte)

Abb. 9: Ronco um 1930 und 1980; Vegetation aus Luftbildern ausgewertet. Der Wald weist 1939 noch wegen Ziegen und Holzfällen verschiedene Blössen auf. In Rot- und Blautönen neue Gebäude. Tafel 65a* des Atlas der Schweiz, 2. Ausg. 1981

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Abb.11: Vergleich der Betriebszählungen von 1965 (links) und 1985 (rechts); deutlich erkennbar ist die Rezession in der Uhren- industrie (hellblaue Sektoren). Tafeln 60 des Atlas der Schweiz, 1. Ausg. 1972 und Entwurf für die 3. Ausg.

In den Massstäben 1:5 000 und 1:10 000 des Übersichtsplanes ist die Verfügbarkeit von Planmaterial mit verschiedenen Ständen sehr beschränkt. Die verschiedenen Ausgaben wurden kaum systematisch gesam- melt. Bei den Grundbuchplänen (1:200 bis 1:2 000) hingegen sind die Akten von allen Veränderungen von Amts wegen bei Grundbuchverwaltern sichergestellt, dort allerdings relativ schwer zugänglich. Es kommt hinzu, dass über jede einzelne Veränderung ein eigenes Dokument besteht, das zu studieren und wieder zu kartieren ist, eine äusserst mühselige Arbeit, der sich im Moment eine Basler Geographin in ihrer Diplomarbeit für Teile der Gemeinde Lachen unterzieht. Diese Akten erlauben aber auch eine zeitlich sehr genaue Erfassung, indem z.B. für jedes Jahr die erfolgten Veränderungen erfasst werden können.

Von ganz anderer Art sind die zeitlichen Veränderungen, die aus offiziellen Statistiken abgeleitet werden können. Als Quelle kommen hier die periodischen Erhebungen der kantonalen oder Bundesbehörden in Frage, sofern sie regional genügend differenziert sind, also z.B. Beschäftigte in verschiedenen Branchen nach ihrem Arbeitsort. Typische Vertreter sind diese beiden Ausschnitte aus der Darstellung der Betriebs- zählungen von 1965 und 1975 (Abb. 11), aus denen man die Rezession in der Uhrenindustrie ablesen kann. Eine Reihe von Schwierigkeiten machen die Kartierung solcher Themen auch nicht zum ungetrübten Genuss: Allzu oft wurden die Erhebungsgrundlagen geändert, die Begriffe zwischen zwei Zahlungen neu definiert, wodurch die Vergleichbarkeit stark eingeschränkt oder zum Teil verunmöglicht wird. Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich durch Veränderungen in der administrativen Gliederung. Wie sollen z.B.

die Zahlenwerte auf die vier Gemeinden, in die die frühere Gemeinde Ostermundigen aufgeteilt wurde, verteilt werden. In grösserem Umfang ergeben sich solche Probleme beim Kanton Thurgau, wo die Muni- zipalgemeinden aufgelöst wurden. Im übrigen sind solche Änderungen glücklicherweise eher selten.

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4. Methoden zur Darstellung von Veränderungen

Die kartographische Darstellung sei eine ganzheitliche Abstraktion der geographischen Realität, heisst es in der Definition der Karte. Frühere, heute nicht mehr nachprüfbare geographische Realitäten werden abstrahiert. Man macht sich davon eine Modellvorstellung und bringt dieses Modell zur Darstellung.

Abb. 12: Sechs Methoden zur Darstellung von Veränderungen. Die Zustände folgen dem Prinzip «Je dunkler desto jünger.

Veränderungsdarstellungen sind weiss symbolisiert.

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Dieses Kartenpaar aus dem Atlas der Schweiz stellt das Gebiet von Arosa mit dem Stand von 1968 demje- nigen von 1850 gegenüber, als das Dorf noch aus einer Kirche und 14 Haushaltungen mit 56 Einwohnern bestand. Das Gewässernetz, der Wald und die beiden Seen erleichtern die Orientierung. Auf weitere Details soll hier nicht eingetreten werden.

4.1 Kartenserie mit mehreren Ständen und identischem Zeichenschlüssel

Abb. 13: Drei aufeinander folgende Stände (1966, 1972, 1984) der Landeskarte 1:25’000, je in einem Kartenbild dargestellt

Abb. 14: Dorf und Landschaft von Arosa im Jahre 1850 im Vergleich mit dem Fremdenverkehrsort Arosa im Jahre 1968; Aus- schnitt aus der Tafel 22 des Atlas der Schweiz, 1. Ausg. 1968

Entscheidend für die gute Vergleichbarkeit ist die Anwendung ein- und desselben Zeichenschlüssels für alle Karten. Ist dies nicht der Fall, so wird vom Kartenleser eine zusätzliche Anstrengung verlangt. Nun ist aber diese Interpretation an sich schon ziemlich anspruchsvoll. Es gilt verschiedenste Unterschiede festzu- stellen und sich zu merken. Dieser Vergleich wird erleichtert, wenn eine Anzahl Kartenelemente in allen Ständen identisch ist, z.B. eine Seefläche oder engabständige Netzlinien oder ein Relief in kleinmassstäbli- chen Karten. Man muss sich bewusst sein, dass ein Erfassen der Veränderungen auf einen Blick praktisch unmöglich ist. Das Auge wandert zwischen den beiden oder mehreren Karten hin und her. Diese Methode vermittelt aber anderseits ein einheitliches, geschlossenes Bild jedes einzelnen früheren Zustands.

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Die beiden Karten der afrikanischen Stadt Douala zeigen den Stand von 1943, resp. 1986. Auch in diesem Falle hilft die identische Legende bei der Interpretation. Im Vergleich mit dem vorigen Beispiel zeigt sich, dass es wesentlich schwieriger hält, veränderte Flächennutzungen zu erfassen, als punkt- oder linienbe- zogene Objekte.

Der grösste Erfolg unter allen Blättern des Atlas der Schweiz ist noch immer die Tafel «Die Schweiz zur letzten Eiszeit». Im Schulatlas haben wir versucht, diese Karte 1 : 500 000 in den wesentlich kleineren Massstab 1 : 2 Mio. umzusetzen. Dieser Karte wurde eine zusätzliche Karte eines Rückzugstadiums bei-

Abb. 15: Douala in den Jahren 1946 und 1983, die Legende gilt für beide Karten. Karten für die Neuausgabe des Schweizer Weltatlas © EDK, hier reduziert auf ca. 75 %

Abb. 16: Maximalstand und Rückzugsstadium der letzten Eiszeit. Kartenpaar aus dem Schweizer Weltatlas, Ausg. 1981, © EDK

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gefügt. Es ist anzumerken, dass die Umsetzung der Erkenntnisse der Quartärgeologen in ein solches Kar- tenbild nicht ohne beträchtliche Geburtswehen vor sich ging. Ein wesentliches Verdienst kommt auch den beteiligten Kartographen zu. Auf alle Fälle hat diese Karte die wissenschaftliche Diskussion sehr angeregt.

Fritz Müller etwa vertrat die Auffassung, die Gletscher müssten viel mehr Schutt zeigen. Man ist sich unter Fachleuten auch einig, dass die zeitliche Parallelität der dargestellten Rückzugstadien nicht gegeben ist.

Auch die Frage, wie stark die Felsstruktur der Alpen trotz des Eises sichtbar war, dürfte unterschiedlich beurteilt werden.

Im Schulatlas wird als grossmassstäblicher, aktueller Vergleich ein Kartenpaar des Tschierva- und des Ro- seggletschers mit den Gletscherständen von 1934 und 1979 beigegeben. Beiden Karten liegen stereo- photogrammetrische Auswertungen von Luftbildern zugrunde, die eine sehr detaillierte Erfassung der Veränderungen erlauben. So konnte in diesem Zusammenhang etwa festgestellt werden, dass die Sei- tenmoränen des Tschiervagletschers in diesem Zeitraum durch abrutschendes Material um je 20 m nach der Seite zurückgewichen sind. Auffallend ist natürlich auch der See, der von dieser Seitenmoräne abge- dämmt wurde.

Abb. 17: Veränderung der Gletscherstände des Roseg- und des Tschiervagletschers in der Berninagruppe von 1934 bis 1979. Der Gletscherstand von 1934 wurde dem Übersichtsplan des Kantons Graubünden entnommen, derjenige von 1979 ist eine eigene Auswertung von Luftbildern. Die übrigen Elemente wurden aus der Landeskarte 1:25’000 übernommen. Die beiden Reliefs sind neue Originalzeichnungen. Beides sind Kartenausschnitte aus dem Schweizer Weltatlas, Ausg. 1981.

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Die Methode, die verschiedene Stände nebeneinander zu stellen, kann auch auf thematische Inhalte angewendet werden. Ein Beispiel dazu ist die Darstellung der Beschäftigten in der Chemie in den Jahren 1965 und 1975. Es zeigt sich auch hier, dass ein identisches Hintergrundsbild unbedingt erforderlich ist.

Das Erkennen der Veränderungen ist sehr problematisch, vor allem wenn es sich um geringe Unterschiede handelt. Reduktion der Beschäftigtenzahlen unter 20 % können höchstens erahnt werden. Die einzelnen Karten haben als Zustandsrapport aber trotzdem ihre Bedeutung. Für die eindeutige Darstellung der Ver- änderungen ist jedoch eine zusätzliche Karte erforderlich.

Abb. 18: Vergleich der Zahl der Beschäftigten in der chemischen Industrie (Gelb) zwischen 1965 und 1975. Ausschnitte aus den Tafeln 60 und 60** , Ausg. 1972 und 1981 des Atlas der Schweiz.

Bei solchen Vergleichen zeigen sich natürlich dieselben Probleme wie innerhalb derselben Karte. Bei die- sen Karten über den Erdölimport der Schweiz in den Jahren 1968 und 1978 bereitete die Platzierung schon einige Probleme, die dank interaktiver Bearbeitung am Bildschirm noch in Schranken gehalten werden konnte. Schwierig ist für den Kartenleser die Abschätzung dieser Volumen.

Abb. 19: Vergleich der Erdölimporte der Schweiz von 1968 und 1978. Ausschnitte aus den Tafeln 67 und 67**, Ausg. 1970 und 1981 des Atlas der Schweiz, red. auf ca. 80%

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Abb. 20: Ausschnitt der Karte Volksdichte 1960. Tafel 23 des Atlas der Schweiz, 1. Ausg. 1965

4.2 Karte mit dem ursprünglichen Stand und den darnach eingetretenen Veränderungen Zum einen Kartenbild mit dem Ausgangszustand Z 1 werden eine oder mehrere weitere Karten mit den Veränderungen Z2 - Z1, Z3 - Z2 . . . beigegeben. Im Bereich der Naturlandschaften wird diese Methode eher selten angewendet, weil die früheren Stände oft nicht in der wünschbaren Qualität und Form zur Verfügung stehen. Typisch für diesen Fall ist, dass das Ausgangsbild und die Veränderungsbilder sehr unterschiedlicher Natur sind. Umso mehr gilt es in der für die Orientierung wichtigen Basiskarte die Ge- meinsamkeiten zu betonen. Das Veränderungsbild wird primär für sich interpretiert. Quervergleiche mit der Ausgangssituation werden erst in zweiter Linie angestellt, sind aber möglich und auch sinnvoll.

Die bekanntesten Beispiele finden sich im Bereich der Bevölkerungskarten. Einer Bevölkerungsdichtekarte von 1960 kann eine Karte mit der Zu- oder Abnahme der Bevölkerungsdichte von 1960 bis 1980 gegen- übergestellt werden. Identische Basiskarten erleichtern den Vergleich, wobei einschränkend zu bemerken ist, dass gelegentlich politische Umstrukturierungen einen Strich durch diese Rechnung machen . Neben der Dichte spielen auch die Absolutzahlen eine Rolle. Hierzu gilt dasselbe, was bereits für die Zahl der Be- schäftigten angeführt wurde. Eine Karte mit den Absolutzahlen ist eine wünschenswerte Ergänzung. Das Bundesamt für Statistik bietet in seinen Publikationen neben einer Karte Zu- oder Abnahme der Bevölke- rungsdichte eine solche der Absolutzahlen an, wobei aus ökonomischen Gründen die Quadratrasterme- thode gewählt und die Gemeinden nicht mehr erkennbar sind. Die beiden graphisch zum Verwechseln ähnlichen Legenden tragen nicht unbedingt zur Erleichterung der Interpretation bei. Die Ausbreitung der Veränderung der Absolutzahlen auf die Fläche ist zudem ein häufig gemachter Fehler, der leicht zu Fehl- interpretationen führen kann. Flächenmässig grosse Gemeinden dramatisieren die Aussage, wenn ihr nur kleine Bevölkerungszahlen zugrunde liegen. Die Proportionen werden besser gewahrt durch eine Abso- lutdarstellung mit Grössenpunkten, wie sie in der nächsten Lieferung des Atlas der Schweiz enthalten sein wird. Hierbei werden die Relationen unverfälscht wiedergegeben. Allerdings können dabei die kleinsten Zahlenwerte etwas zu kurz kommen.

Abb. 21: Ausschnitt der Karte Veränderung der Volksdich- te 1960–1980. Tafel 23** des Atlas der Schweiz, 2. Ausg.

1984

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4.3 Karte mit dem heutigen Stand und eine Karte mit den erfolgten Veränderungen

Diese Form lässt sich technisch leichter realisieren, weil vom neuesten Stand alle Grundlagen lückenlos erhältlich sind. Zum Kartenbild mit dem Zustand von heute (Zn) werden noch solche über die seit den frühesten oder letzten Stand eingetretenen Veränderungen beigefügt (Zn – (Zn-1)). So beabsichtigen wir beispielsweise für die nächste Lieferung des Atlas der Schweiz branchenweise ein Kärtchen mit den Beschäftigten von 1985 zu erstellen sowie ein solches mit der Zu- oder Abnahme der Beschäftigten im Zeitraum 1975 / 1985, sofern die erhobenen Zahlen solche Vergleiche überhaupt zulassen. Bezüglich der orientierenden Elemente gilt dasselbe wie oben.

Abb. 22: Beschäftigte in der Maschinenindustrie 1991, Ausschnitt aus der Tafel 62*** des Atlas der Schweiz, 3. Ausg. 1997.

Die Karte lag 1989 erst als Entwurf mit fiktiven Zahlen vor.

Abb. 23: Veränderung der Zahl der Beschäftigten in der Maschinenindustrie von 1985 bis 1991, Ausschnitt aus der Tafel 62***

des Atlas der Schweiz, 3. Ausg. 1997. Die Karte lag 1989 erst als Entwurf mit fiktiven Zahlen vor.

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4.4 Heutiger oder früherer Zustand als Hintergrundbild mit einem oder mehreren Verände- rungsbildern als Vordergrund auf einer Karte

Die Darstellungsabsicht besteht darin, vor dem Hintergrund des aktuellen Zustandes (Zn) die eingetrete- nen Veränderungen (Zn – {Zn- 1)} zu zeigen. Dem Vordergrundsbild kommt das Hauptgewicht zu; es hat erste Priorität. Der Hintergrund dient zudem der direkten räumlichen Einordnung der einzelnen Verände- rungen, die in diesem Falle relativ problemlos funktioniert.

Für eine solche Karte gelten die Regeln der Bildüberlagerung, also zum Beispiel kräftige Punkte oder Linien auf relativ hellem flächigen Hintergrund, oder gro- be Rasterstrukturen über fein strukturiertem Hintergrund usw. Diese Methode wurde von Klaus Ewald zur Darstellung des Landschaftswandels angewendet.

Relativ kräftige Signaturen überdecken das graue Basisbild, sind aber noch gut lokalisierbar.

Abb. 24: Ausschnitt aus einer Karte der Kartenserie zum Kulturlandschaftswandel von Klaus Ewald

Dass diese Überlagerung nicht immer unproblematisch ist, zeigt das Beispiel mit den Veränderungen an der Zunge des Aletschgletschers zwischen 1957 und 1987. Die Höhenkurven auf dem Gletscher von 1957 sind mit groben blauen, diejenigen des Standes von 1987 mit feinen schwarzen Linien dargestellt. Man kann aber die unten liegende heutige Zunge nur schwer erkennen. Die frühere Gletscheroberfläche wird dabei noch durch ein Relief unterstützt. In einem weiteren Versuch wurden die ehemaligen Gletscherhö- henkurven von 1957 als weisses Liniengitter in einem farbigen Orthophoto ausgespart. Die weissen Linien mussten etwas kräftiger gehalten werden. Der heutige Stand ist bei diesem Verfahren jedoch geometrisch nicht beschrieben. Interessant ist das Nachrücken der Vegetation nach dem Rückzug des Gletschers.

Abb. 25: Veränderung der Zunge des Aletschgletschers 1957–1987. 1957 Karte des Aletschgletscher des Bundesamtes für Landestopographie, © 1988; Auswertung des Standes von 1987 (E. Spiess) in Grau

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Auf dem Ausschnitt aus der Karte Ronco von 1968 (Abb. 9) ist die Bautätigkeit in vier Etappen durch kräf- tige aufgesetzte Strichfarben wiedergegeben. Das relativ detaillierte übrige Kartenbild erlaubt nicht mehr, auch die übrigen Veränderungen zur Darstellung zu bringen. Der frühere Zustand von 1930 wird deshalb in einer separaten Karte dargestellt.

Ein Beispiel, in dem der heutige Zustand zu einer reinen Orientierungshilfe degradiert wurde, ist diese Karte mit dem einstigen Wasserlauf der Linth ausgangs des 18. Jahrhunderts aus dem Atlas der Schweiz.

Das Gegenbeispiel ist diese Karte aus dem neuen Schulatlas mit einer sehr zurückhaltenden Eintragung des früheren Rhonelaufs und der ehemaligen Küstenlinie im dominierenden Bild des heutigen Standes.

Abb. 27: Aktuelle Karte der Rhonemündung mit den alten Flussläufen und Küstenlinien im Hintergrund. Ausschnitt aus dem Schweizer Weltatlas © EDK, Ausg. 1981

Abb. 26: Karte der Linthebene um 1800 mit dem damaligen Gewässernetz im Vordergrund und der aktuellen Landeskarte mit reduziertem Kontrast im Hintergrund. Ausschnitt aus dem Atlas der Schweiz, Tafel 57, 1. Ausg. 1968.

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Eine Variante, der man häufig begegnet ist diese Darstellung des Alters der Bauten auf einer Karte mit der heutigen Situation unter Verwendung einer nach Farbe und Helligkeit abgestuften Farbskala (Abb.28) nach dem Prinzip «je älter, desto dunkler». Dier Eröffnung der Bahnlinien in der Schweiz, farblich nach der Entstehungszeit gegliedert, ist ein Beispiel mit linearen Signaturen (Abb.29).

Abb. 30: Zahl der Erwerbstätigen 1960 und 1980. Ausschnitt einem Entwurf zu Tafel 31** des Atlas der Schweiz, Ausg. 1990 Abb. 28: Darstellung der Veränderung durch das Alter des Baubestandes

nach dem Prinzip «je älter, desto dunkler»

4.5 Karte mit dem heutigen Zustand als Primärinformation und der Veränderung als sekun- därem Thema

Diese Methode berücksichtigt die Veränderungen nur mit zweiter Priorität. Die dominierende Informa- tion betrifft den heutigen Zustand. Die Veränderungen sind mehr eine Beigabe und damit nicht immer problemlos zu dekodieren. Die drei folgenden Beispiele dazu stammen aus dem Atlas der Schweiz:

Abb. 29: Eröffnung der Bahnlinien, farbig abge- stuft (Attinger: Atlas der Schweiz, 1908)

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In der Karte «Erwerbstätige» (Abb.30) wird für die Jahre 1960 und 1980 je ein Halbkreisdiagramm reser- viert, also beide Stände von der Signaturform her gleich behandelt Einmal mehr zeigt sich aber auch hier die Dominanz der dunkleren, stärker hervortretenden Farbe für das Jahr 1980. Es hält nicht leicht, die Verteilung der 5 Strukturtypen für das Jahr 1960 nach Regionen abzugrenzen, was andererseits für das Jahr 1980 problemlos möglich ist

Bei der Karte über die Zahl der beförderten Passagiere in Bergbahnen (Abb. 31) tritt der Stand von 1978 mit dem feinen Kreis noch stärker in den Hintergrund. Er wird auch nur für diejenigen Orte eingetragen, in denen die Zahlen 10 Jahre später deutlich anders waren. Dies ist aus rein graphischen Gründen not- wendig, aber auch eine sinnvolle Beschränkung der Information auf das Wesentliche.

Ähnlich verhält es sich mit der Veränderung in der Zahl der Arbeitsstätten zwischen 1965 und 1975 (Abb.

32). Der Anteil der in diesem Zeitraum neu Hinzugekommenen oder Verschwundenen, wird durch ein schwarzes Quadrat über oder unter der Linie wiedergegeben. Dominant ist aber der Zustand von 1975.

Der Einsatz einer kräftigen Farbe für die Differenz erlaubt, in einem raschen Überblick Grössenvergleiche über die eingetretenen Veränderungen anzustellen.

Abb. 31: Vergleich der Zahl der Passagiere in den Jahren 1970 und 1978. Ausschnitt aus der Tafel 65a** des Atlas der Schweiz, Ausg. 1981

Abb. 32: Zunahme der Zahl der Arbeitsstätten von 1965 bis 1975 (schwarz). Ausschnitt aus der Tafel 63** des Atlas der Schweiz, Ausg. 1981. (Die roten Quadrate zeigen die Zahl der Beschäftigten im Jahr 1975, unterteilt nach Geschlecht.)

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4.6 Gliederung nach den drei Kategorien unverändert, verschwunden und neu entstanden

Abb. 33: Schema mit drei verschiedenen Ständen und den zugehörigen Veränderungen

Wie das Schema zeigt, entstehen durch die überlagernde Darstellung der Zustände Z2 und Z3 drei Teilbe- reiche, nämlich von Objekten, die a) schon im ersten Stand vorhanden waren und es auch noch im zweiten sind, b) inzwischen verschwunden sind und c) inzwischen neu hinzugekommen sind. Diese Formulierung eignet sich in dieser Form besonders für Objekte topographischer Karten. Sie lässt sich in etwas abgeän- derter Form aber auch für thematische Inhalte anwenden. Man könnte z.B. die Betriebe ausscheiden, die schon immer da waren, sodann diejenigen, die verschwunden und diejenigen die neu hinzugekommen sind. Diese drei Kategorien verlangen nach drei graphischen Bildebenen. Es gilt eine Kategorie in die höchste Priorität zu setzen und eine weitere so zurückhaltend zu behandeln, dass eine gute bildmässige Trennung realisiert werden kann. Graphisch bewegen wir uns bereits am Rande des Tragbaren. Besonders bei der Überlagerung von drei Flächen oder drei Liniennetzen kann das Bild unübersichtlich und mühsam zu interpretieren werden.

Bei der Kartenprobe Kloten (Abb . 34), die aus einem Praktikum mit den Studierenden hervorgegangen ist, dominiert der jüngste Zustand mit der kräftigen roten Farbe für die neu erstellten Bauten. Die verschie- denen Elemente sind relativ hell gehalten und belegen den Hintergrund. Ungünstig ist hierbei vielleicht die weitabständige grüne Schraffur für den gerodeten Wald. Ein Problem zeigt sich auch bei den drei Kategorien von Bächen, für die man von der blauen Farbe nicht abgehen möchte.

Verschiedene Varianten dieses Problems zeigen auch die Kartenproben Zihlkanal (Abb.35).

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Abb. 34: Veränderungen im Bereich des Flughafens Kloten von 1940 bis 1976: Praktikumsarbeit am Institut für Kartographie.

Abb. 35: Veränderungen im Bereich des Zihlkanals zwischen 1937 und 1987 in zwei Varianten, links als Praktikumsarbeit, rechts die Karte aus dem Schweizer Weltatlas © EDK, Ausg. 1981. Neubauten in Rot, verschwundene Objekte in Grau.

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4.7 Mehrere Stände in einer Karte zusammengefasst

Wie schon das Schema (Abb. 33) zeigt, wächst die Komplexität der Aussagen lawinenartig, sobald zu den ersten zwei Ständen weitere hinzukommen. Entweder wird man aus all den Möglichkeiten eine sehr beschränkte Auswahl des Darzustellenden treffen müssen, oder man muss Zuflucht zu einer Legende mit synthetisierten Umschreibungen suchen, oder anders ausgedrückt, die einzelnen Aussagen gruppenweise integrieren.

Als ein Beispiel für eine Legende mit integrierten Aussagen kann die Karte der Bevölkerungsveränderung aus dem Tübinger Atlas des Vorderen Orients gelten. Die einzelne Umschreibung fasst verbal mehrere Zeitphasen zusammen. Die graphische Umsetzung kann damit verhältnismässig einfach erfolgen. Die ein- zelnen, oft etwas langatmigen Umschreibungen können durch Farbunterschiede differenziert werden.

Abb.37: Flächenhaft dargestellte Nutzungsänderungen von 1820 bis 1939 (Wolfgang Scharfe)

Als Gegenbeispiel muss die Karte mit den Nutzungsveränderungen von Wolfgang Scharfe betrachtet werden, die das Unmögliche, nämlich die Veränderungen über zwei Zeiträume darzustellen, zu realisie- ren versucht. Der Legendenaufbau erscheint zwar bestechend einfach, aber in der Karte versagt dieser Ansatz.

Abb.36: Legende einer Karte über die Bevölkerungsveränderung aus dem Tübinger Atlas Vorderer Orient von 1985. Mit der Unterteilung in wenige Stufen wird eine grobe Übersicht erreicht.

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Als Beispiel zur Typisierung von Veränderungen über einen längeren Zeitraum soll die demnächst zur Veröffentlichung gelangende Karte «Bevölkerungsentwicklung 1900–1980» aus dem Atlas der Schweiz beschrieben werden (Abb. 38). Das Problem war, für alle 3024 Gemeinden die unterschiedlich verlau- fende Bevölkerungsentwicklung über acht Jahrzehnte graphisch so umzusetzen, dass sich Regionen mit ähnlicher Entwicklung abzeichnen. Diesen Kategorien waren nun integrale Beschreibungen spezifischer Entwicklungen zuzuordnen. Wie aber konnten die 3000 Gemeinden gruppenweise klassiert werden? Die Statistik bietet dafür das Verfahren der Clusteranalyse an. Nach anfänglich 25, dann nach 12 Klassen ge- lang es schliesslich nach Ausschaltung einiger Exoten, sich auf 8 Entwicklungstypen zu beschränken und mit ein paar wenigen Aussagen alle Gemeinden einer dieser 8 Klassen zuzuordnen. Mit Unterstützung der Zeichenanlage wurden in wesentlich grösserem Massstab für alle Gemeinden zusätzlich Stabsdiagramme ausgezeichnet und die berechnete Klassierung visuell (und mit zusätzlichen externen Kenntnissen) über- prüft und in etwa 1% aller Fälle noch angepasst. Die Stadt Basel fällt teilweise in die Kategorie «nach starkem Wachstum in den letzten Jahrzehnten Rückgang», wogegen die Vororte zur Gruppe der «Ge- meinden mit überdurchschnittlichem Wachstum in den letzten Jahrzehnten» angehören.

Abb.38: Typisierung der Veränderung der Bevölkerungszahl über einen längeren Zeitraum. Ausschnitt aus dem Entwurf zur Tafel 24d** des Atlas der Schweiz, Ausg. 1990

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Mit einem weiteren Streiflicht auf die potentiellen Möglichkeiten der digitalen Kartographie soll diese Auslegeordnung abgeschlossen werden. Wie wir gesehen haben, bereitet das Aufsuchen der einzelnen Veränderungen gewisse Schwierigkeiten. Zum mindesten ist es mit einem erheblichen Zeitaufwand ver- bunden. Deshalb liegt die Idee nahe, sich das bewegte Bild zunutze zu machen. Eine grössere Zahl von Ständen wird kurz nacheinander auf dem Bildschirm präsentiert. In der Überprüfung blinken diejenigen Stellen auf, an denen etwas Entscheidendes passiert. Solche Präsentationen segeln unter dem Namen

«Animated Cartography». Aus anderen Bereichen gibt es überzeugende Beispiele gelungener Videose- quenzen. Für unsere Aufgabenstellung sind noch eine Reihe von Problemen zu lösen: Die involvierten Da- tenmengen behindern den raschen Bildaufbau. Die Auflösung am Bildschirm ist bei weitem nicht so hoch wie diejenige einer Karte auf Papier. Ein Intensivstudium der einzelnen Teilbilder oder ihrer Kombination am Bildschirm empfiehlt sich nicht. Der Film muss relativ rasch ablaufen. Die aufgenommenen Eindrücke werden ganz anderer Art sein als beim konventionellen Kartenlesen. Die Reproduzierbarkeit ist eventuell geringer, aber die Attraktivität grösser und der Gesamteindruck nachhaltiger.

Eine Diplomandin hat in den vergangenen Wochen einen ersten Ansatz in dieser Richtung bearbeitet. Als Beispiel wählten wir die bauliche Entwicklung im Gebiet von Volketswil. Die folgende Serie zeigt Abb. 39) vorderhand noch in ungenügender Auflösung, den Ablauf des Wachstums in dieser Industriezone. Gra- phisch gelten am Bildschirm ganz andere Bedingungen als auf dem Papier. Diesem Gesichtspunkt war die- se Arbeit in erster Linie gewidmet. Der Kartenausschnitt ist relativ bescheiden. Der gesamte Aufwand ist aber doch beträchtlich, obwohl vorderhand noch auf den Einbezug der Siegfriedkarte verzichtet wurde.

Abb. 39c: Zustand im Jahre 1972 Abb. 39d: Detail aus dem Zustand 1984

Abb. 39: Darstellung des Landschaftswandels von Volketswil (Kt. Zürich) am Bildschirm aufgrund der Landeskarten. Diplomar- beit am Institut für Kartographie der ETH Zürich

Abb. 39a: Legende für die Erfassung der Ausgangsdaten Abb. 39b: Erfasste Konturen verschiedener Stände

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Schlussbemerkungen

In logischer Konsequenz der Kartengraphiklehre, wie wir sie vertreten, kann auch das Thema «Verände- rungen» analysiert und in Graphik umgesetzt werden, wobei je nach dem Kartenzweck den Komponen- ten unterschiedliche Prioritäten zugeordnet werden müssen. Die verfügbaren graphischen Darstellungs- mittel zu einer für den Kartenbenützer logischen Umsetzung solcher Zeitreihen wurden dargelegt und illustriert. Es handelt sich hier um einen ersten Ansatz. Die Systematik ist noch verbesserungsbedürftig und die Methoden müssen noch verfeinert werden. Es hat mir Spass gemacht, dieses Thema zu bear- beiten, und ich war selber erstaunt, wie viel Material allein aus unseren eigenen Aktivitäten zusammen gekommen ist. Ich möchte zum Schluss der Hoffnung Ausdruck geben, dass ich Ihnen einerseits einige Anregungen vermitteln, Ihnen anderseits aber auch die Grenzen der Darstellung von Veränderungen im Kartenbild veranschaulichen konnte.

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