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b 1. Januar werden Diagnosen nach der ICD-10-GM 2004 verschlüsselt („German Modifi- cation“ der WHO-Version der ICD-10, gültig ab 2004). Sie löst die im am- bulanten Bereich benutzte ICD-10- SGB-V 1.3 und die im stationären Be- reich verwendete ICD-10-SGB-V 2.0 ab. Gleichzeitig werden die bisherigen zwei Versionen 3.1 und 4.0 des ICD-10- Diagnosenthesaurus (IDT) durch den wesentlich erweiterten IDT 2004 er- setzt. Das macht die Diagnosenver- schlüsselung transparenter und gerade an den Schnittstellen von ambulant und stationär einfacher.Die ICD-10-GM ist unter anderem durch folgende Weiterentwicklungen gekennzeichnet:
>Die Dreisteller und viele Viersteller des Kapi- tels XXI (Z) für psycho- soziale Probleme, Kon- taktanlässe ohne spezielle Diagnose und so weiter sind vollständig berück- sichtigt.
>Der medizinische Ent- wicklungsstand, die Wün- sche der Ärzteschaft und die Erfordernisse des G- DRG-Systems sind bei der Aktualisierung beachtet worden.
>Die Version ist in Details wieder mehr an
die WHO-Fassung angeglichen. Neue WHO-Änderungsvorschläge sind ent- halten.
Das Bundesministerium für Gesund- heit und Soziale Sicherung hat in seiner ICD-Bekanntmachung vom 29. Sep- tember 2003 Vorschläge des Zentralin- stituts für die kassenärztliche Ver- sorgung (ZI), Köln, und der KBV zu
etwas unterschiedlichen Anwendungs- vorschriften für den ambulanten und stationären Bereich berücksichtigt:
>Im ambulanten Bereich wird zwar der „Minimalstandard“ abgeschafft, jedoch dürfen vierstellige Schlüssel- nummern im Gegensatz zum Kranken- haus auch dann verwendet werden, wenn sie fünfstellig unterteilt sind. (Zu- mindest den EDV-Anwendern ist jedoch zu empfehlen, von dieser Mög- lichkeit besser keinen Gebrauch zu machen, weil sie zu einer vergröbern- den Verschlüsselung führt und bei jeder Versionsumstellung erhebliche Proble- me verursachen kann.)
>Nur im ambulanten Sektor sind die Zusatzkennzeichen zur Diagnosensi-
cherheit erlaubt, und zwar nunmehr ob- ligatorisch: V (Verdacht), Z (Zustand nach), A (ausgeschlossene Diagnose) oder G (gesicherte Diagnose [neu ein- geführt!]).
>Beide Bereiche können die Zusatz- kennzeichen zur Seitenlokalisation wie bisher benutzen: R (rechts), L (links) oder B (beidseitig).
Die in ICD und IDT angegebenen Möglichkeiten der Doppelverschlüsse- lung bestimmter Diagnosen werden ausgeweitet und allmählich auch im ambulanten Bereich eingeführt.
Für den stationären Bereich sind die Verschlüsselungsvorschriften in den Deutschen Kodierrichtlinien zusam- mengefasst (für 2004 auf 235 Seiten).
Das Deutsche Institut für Medizini- sche Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, hat ICD und IDT am 15. August 2003 in Dateiform veröffent- licht und bald danach auch die Bücher angeboten (www.dimdi.de). Formal und inhaltlich nahezu identische Ausgaben wurden auch von anderen Verlagen ver- öffentlicht. Der Deutsche Ärzte-Verlag gibt mit Unterstützung des ZI bearbei- tete Buchausgaben exklusiv heraus, die sich zum Beispiel durch ein optimiertes Layout, die Auflösung der meisten Listen für vier- und fünfstellige Codes und die Markierung der Änderungen gegenüber den Vorversionen auszeich- nen (www.aerzteverlag.de). Die not- wendigerweise längere Bearbeitungs- zeit ermöglichte unter anderem die Berücksichtigung der Bekanntmachung des Bundesgesundheitsministeriums der DIMDI-Servicepakete bis zum 16. Ok- tober beziehungsweise 10.
November 2003 sowie ge- nauerer Verschlüsselungs- richtlinien.
Die meisten Kassen- ärztlichen Vereinigungen stellen den Vertragsärz- ten diese Veröffentlichun- gen als Dienstexemplare zur Verfügung (zumin- dest die Systematikaus- gabe sollte jeder ver- schlüsselnde Arzt, auch trotz des Computers, zu Rate ziehen können).
Die zugehörigen Dateien werden von ZI und KBV als ICD-10-GM-Stamm- datei an die Softwarehäuser für Arzt- praxisprogramme geliefert, wohingegen im Krankenhaus unterschiedliche Datei- bearbeitungen eingesetzt werden.
Angesichts der Belastungen und Schwierigkeiten, die für die Vertrags- ärzte mit der Umstellung auf die neue ICD-10-Version verbunden sind, wird das ICD-10-Prüfmodul der KBV im T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1–25. Januar 2004 AA25
Diagnosenverschlüsselung
Gleiche Basis
für Krankenhaus und Praxis
Ab 2004 benutzen Vertrags- und Krankenhausärzte wieder dieselbe ICD-10-Version.
Sparschwein in Fallpauschalenverordnung?
Zeichnung:G.Funke
T H E M E N D E R Z E I T
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A26 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1–25. Januar 2004
1. Quartal 2004 bei einer Reihe von Fehlern in der Diagnosenverschlüsse- lung nur Warnungen erzeugen und nicht die gesamte Abrechnung blockie- ren. So bleibt ausreichend Zeit, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen.
Das ist angesichts der vielen in den Praxiscomputersystemen gespeicher- ten „Dauerdiagnosen“ und der indivi- duellen Praxis-Diagnosenlisten wich- tig, denn deren Schlüsselnummern dürfen nicht ungeprüft übernommen werden, sondern müssen in den näch- sten Monaten teilweise aktualisiert werden (zum Beispiel von I10 auf I10.0 oder I10.1, besser und zukunftsträchti- ger aber gleich auf die fünfstelligen Codes). Die Softwarehäuser werden dabei auf der Grundlage einer DIMDI- Umschlüsselungstabelle Unterstützung leisten.
Gleichzeitig mit der ICD-10-GM 2004 ist der Operationen- und Proze- durenschlüssel OPS-301 2004 veröf- fentlicht worden, den die Krankenhäu- ser benutzen müssen. Er enthält in der erweiterten Version einen amtlichen und einen nicht amtlichen Teil. Über seine Verwendung bei der Dokumen- tation des ambulanten Operierens ist noch nicht abschließend entschieden.
Für seine Buchausgaben gilt das zur ICD-10-GM Mitgeteilte analog.
Langfristiges Ziel der ICD-10-GM- Verschlüsselung ist es, eine hohe Qualität der medizinischen Dokumen- tation zu bewirken, die wesentlich zu einem möglichst wirklichkeitsge- treuen Abbild des Morbiditäts- und Leistungsgeschehens in der ambulan- ten und stationären Gesundheitsver- sorgung beiträgt und damit auch zu einer leistungsgerechten Finanzierung führt. Eine genauere Diagnosenver- schlüsselung wird die Grundlage für die Berechnung morbiditätsbezoge- ner Regelleistungsvolumina bilden, mit denen im Jahr 2007 die Abschaf- fung der starren Budgetierung erreicht werden soll.
Dr. med. Bernd Graubner Dr. rer. pol. Gerhard Brenner
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland
Höninger Weg 115 50969 Köln
E-Mail: Bernd.Graubner@mail.gwdg.de und Gbrenner@kbv.de
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irnforschung ist aufregend. Sie wirkt auf das Bild, das wir uns von uns selbst machen.“ Prof. Dr. Karl Zilles, Forschungszentrum Jülich und Direktor des Vogt-Instituts für Hirnfor- schung an der Universität Düsseldorf, sieht darin einen wesentlichen Grund für das große Interesse, das den Jahres- kongress des Wissenschaftszentrums Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf zum Thema „Neuro-Visionen: Hirnforschung im 21. Jahrhundert“ begleitete. Hinzu kommt: Infolge der älter werdenden Bevölkerung ist die Zahl der Hirn- erkrankungen stark gestiegen. An der Alzheimer-Erkrankung und deren Vari- anten leiden zurzeit rund eine Million Menschen – in 15 Jahren wird sich diese Zahl voraussichtlich mehr als verdop- peln. Die Zahl der Hirnerkrankungen, wie Morbus Parkinson, die endogene Depression und die Schizophrenie, nimmt ebenfalls zu. Mehr als 50 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen entfallen auf Erkrankungen des Ge- hirns. Allein die Behandlung der De- menzerkrankungen kostet rund 20 Milli- arden Euro jährlich. Zilles ist überzeugt:„Die Erkrankungen des Zentralen Ner- vensystems werden zu dem Thema der nächsten Jahrzehnte.“ Das vom Ministe- rium für Wissenschaft und Forschung von Nordrhein-Westfalen gestartete
„Netzwerk Neurowissenschaften NRW“
soll künftig die neurowissenschaftliche Forschung vorantreiben.
Sensibler Forschungsbereich
Hirnforschung werde als hoch sensibler Forschungsbereich in der Öffentlichkeit mit typischem „Dual use“-Charakter wahrgenommen: Einerseits gebe es große Erwartungen hinsichtlich der Be- handlung und Heilung von Krankheiten.
Andererseits bestehe ein hohes Risiko bei einer möglicherweise falschen An- wendung der Ergebnisse, erläuterte Prof. Dr. Gert Kaiser, Präsident des Wis- senschaftszentrums. Er verwies auf die großen Fortschritte der Neurotechnolo- gie, ein Forschungsbereich, in dem Wis- senschaftler daran arbeiten, Nerven mit Mikrochips zu verbinden, um zum Bei- spiel Hör- und Sehprothesen herzustel-
Hirnforschung
Kartierung eines
unbekannten Kontinents
Die interdisziplinäre Hirnforschung entwickelt sich zu einer Leitwissenschaft des 21. Jahrhunderts.
Ein Affe verfolgt per Computer-Maus mit dem roten Punkt den Kreis auf dem Monitor.
Dabei entstehen neuronale Aktivitätsmuster im Gehirn.
Foto:Rubin,Ruhr-Universität Bochum