DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
AUSSPRACHE
Stellungnahme
Der vorliegende Artikel muß in ei- nigen Punkten berichtigt werden.
1. Die vom Autor propagierte Thiobarbitursäuremethode (TBA-
Methode) hat einen hohen Pro- benbedarf (Originalverfahren: 4 ml EDTA-Blut), dauert zu lange (Analysenablauf ca. 8 Stunden) und erfaßt nach eingehenden Analysen der einzelnen Reak- tionsschritte weniger als 30 Pro- zent der eingebauten Glukosemo- leküle. Zudem wird die TBA-Me- thode, obgleich die eingebauten Glukose- bzw. umgebauten Fruk- tosemoleküle als Hydroxymethyl- furfural in nMol/g Hämoglobin er- faßt werden, umkalibriert auf die Analysen mit Mikrosäulen.
Der Autor darf das Mikrosäulever- fahren nicht ablehnen und zu- gleich dieses Verfahren zur Um- rechnung seiner TBA-Methode heranziehen.
2. Der Autor hatte an anderer Stel- le die TBA-Methode als „kompli- ziert und störanfällig" beurteilt (mta-journal 5, 76-84, 1983).
3. Das Institut für Standardisie- rung und Dokumentation im medi- zinischen Laboratorium e. V. führt seit 2 Jahren Ringversuche zur Analyse der glykosylierten Hä- moglobine durch. Dabei zeigte sich, daß das Mikrosäuleverfahren ein gut reproduzierbares und ver- gleichbares Verfahren darstellt, ohne daß die Analysen in „vollkli- matisierten Räumen" durchge- führt worden sind.
Professor Dr. med.
Hans Reinauer
Diabetes-Forschungsinstitut der Universität Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 4000 Düsseldorf
Schlußwort
In meinem Artikel zur „diagnosti- schen Wertigkeit des glykosylier- ten Hämoglobins" habe ich die allgemein anerkannten Störfakto- ren der Mikrosäulenmethoden zur Bestimmung des HbAI diskutiert.
Dazu gehören — neben der Pro- blematik der Miterfassung der la- bilen Aldiminfraktion — insbeson- dere die Unmöglichkeit, das HbAI bei bestimmten Patientengrup- pen, wie zum Beispiel bei Nieren- insuffizienten zu messen. Diese und andere erwähnte Schwierig- keiten müssen bei Verwendung der Mikrosäulenmethode bekannt sein. So ist auf klimatisierte Räu- me oder die Verwendung von thermostabilisierten Säulenkä- sten zu achten, und bestimmte Patienten müssen ausgeschlos- sen werden.
Die Vorteile der Mikrosäulenme- thoden liegen in der unproblema- tischen Durchführbarkeit, auch bei durchschnittlich qualifizier- tem Personal. Demgegenüber ist die wesentlich aufwendigere und viel preiswertere TBA-Methode bei allen Patienten mit Diabetes mellitus durchführbar. Daß diese chemische Methode mit Hilfe von chromatographischen Methoden kalibriert wird, hat lediglich histo- rische Gründe, um den Arzt nicht wiederum mit neuen Einheiten zu konfrontieren.
Die Kalibrierung erfolgt zumeist mit HPLC-(high-pressure-liquid- chromatography-)Methoden unter Ausschluß von Patienten mit be-
kannten Störfaktoren, wie z. B.
die Niereninsuffizienz. Im Ausland werden allerdings auch häufig die absoluten Einheiten der Glykosy- lierung, wie sie mit der TBA-Me- thode erfaßt wird, angegeben und damit völlig auf die chromatogra- phische Kalibrierung verzichtet.
Bis zu der Entwicklung von auto- matisierten und qualitativ verbes- serten Analyseverfahren wird man mit den derzeit verfügbaren Me- thoden auskommen müssen; da- zu ist es wesentlich, ihre jeweili- gen Störfaktoren zu berücksichti- gen. An Qualitätskontrollen liegen in der internationalen Literatur ei- ne Reihe von validen Studien un- ter Einschluß der verschiedenen methodischen Ansätze vor.
Entscheidend ist es festzuhalten, daß die Objektivierung der Stoff- wechseleinstellung und damit ei- ne rationelle Therapie von jungen Diabetikern ohne die drei- bis viermonatlichen Messungen des HbAI(c) heutzutage nicht mehr denkbar ist (Goldstein, D. E.: Is glycosylated haemoglobin clini- cally useful? New Engl. J. Med.
310: 384-385, 1984). Bei der Wahl der Bestimmungsmethode sollten Arzt und Patient über die jeweils möglichen Schwierigkeiten infor- miert sein, um Interpretationsfeh- ler bei der Bewertung dieses ent- scheidenden Laborparameters zu vermeiden.
Professor Dr. med.
Michael Berger Medizinische Klinik E der Universität Düsseldorf Moorenstraße 5
4000 Düsseldorf 1
Diagnostische Wertigkeit des
glykosylierten Hämoglobins (HbA lc)
Zu dem Beitrag von
Professor Dr. med. Michael Berger in Heft 18/1984, Seiten 1464-1466
2898 (60) Heft 40 vom 3. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A