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BAS 2

Die v er sc hu ldens un abh än gig e Haf tu ng des Arbeit geber s Andr ea s S chuff el en

Beiträge zum deutschen und europäischen Arbeits- und Sozialrecht herausgegeben von Kerstin Tillmanns Band 2

Die verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers

Andreas Schuffelen

30,700 €

ISBN 978-3-95645-523-0 www.mv-wissenschaft.com

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Andreas Schuffelen

Die verschuldensunabhängige Haftung des

Arbeitgebers

(3)

Beiträge zum deutschen und

europäischen Arbeits- und Sozialrecht

herausgegeben von Kerstin Tillmanns

Band 2

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Die verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers

Andreas Schuffelen von

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen im Wintersemester 2014/15 als Dissertation angenommen.

Erstgutachterin: Prof. Dr. Kerstin Tillmanns Zweitgutachter: Prof. Dr. Ulrich Wackerbarth Disputation: 18. Dezember 2014

1. Auflage 2016 ISSN 2364-4427 ISBN 978-3-95645-523-0

Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG Münster www.mv-wissenschaft.com

Druck und Bindung: MV-Verlag

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen als Disser- tation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum wur- den bis Mai 2014 berücksichtigt.

Mein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Kerstin Tillmanns für die Be- treuung dieser Arbeit und für die zahlreichen hilfreichen Hinweise zu mei- ner Arbeit sowie die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Herrn Prof.

Dr. Ulrich Wackerbarth gebührt mein Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.

Mein Dank gilt darüber hinaus Frau Dr. Marina Schneider, die durch konstruktive Anregungen sowie sorgfältiges Korrekturlesen in hohem Maße zum Gelingen der Arbeit beitrug.

Mein größter Dank gilt an dieser Stelle meinen Eltern, Ingeborg und In- go-Heinz Schuffelen, sowie meinem Onkel, Siegbert Lochten. Ihnen danke ich von Herzen, dass sie mir diese Ausbildung ermöglicht und mich auf meinem bisherigen Lebensweg vorbehaltlos unterstützt haben, wodurch sie mir die Basis für meine persönliche und berufliche Entwicklung schu- fen. Durch ihren steten Rückhalt und Zuspruch haben sie im wesentlichen Maße zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Ihnen widme ich diese Arbeit.

Düsseldorf, im Dezember 2015 Andreas Schuffelen

(7)

VI

Inhaltsübersicht

Vorwort ... V Inhaltsübersicht ... VI Inhaltsverzeichnis ... VIII

A. Einleitung ... 1

I. Gegenstand der Arbeit ... 1

II. Gang der Untersuchung ... 5

B. Zurechnungsprinzipien im deutschen Haftungsrecht ... 7

C. Konstellationen verschuldensunabhängiger Arbeitgeberhaftung ... 12

D. Haftung für betrieblich veranlasste Eigenschäden des Arbeitnehmers ... 18

I. Dogmatische Begründung der Haftung ... 19

II. Die Haftungsvoraussetzungen ... 106

III. Haftungsumfang ... 160

IV. Abdingbarkeit der verschuldensabhängigen Haftung ... 172

E. Kodifikationsversuche ... 191

I. Entwurf der Arbeitsgesetzbuchkommission, 1977 ... 192

II. Entwurf Musielak, 1980 ... 194

III. Entwurf Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht, 1992 (ArbVG-E)... 196

IV. Entwurf Blomeyer – FS-Kissel, 1994 ... 198

V. Entwurf ArbVG des Freistaates Sachsen, 1995 ... 199

VI. SPD Gesetzesanträge, 1993 und 1995 ... 200

VII. Gesetzesantrag Land Brandenburg, 1996 ... 202

VIII. Entwurf, Otto/Schwarze, 1997 ... 204

IX. Entwurf von Raulf, 1999 ... 205

X. Entwurf von Fuhlrott, 2006... 208

XI. Entwurf Henssler/Preis – ArbVG, 2006/2007 ... 210

XII. Entwurf Däubler/DGB – Arbeitsverhältnisgesetz, 2009 ... 213

(8)

VII XIII.Zwischenergebnis ... 214 F. Ergebnis ... 216 Literaturverzeichnis ... 223

(9)

VIII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ... V Inhaltsübersicht ... VI Inhaltsverzeichnis ... VIII

A. Einleitung ... 1

I. Gegenstand der Arbeit ... 1

II. Gang der Untersuchung ... 5

B. Zurechnungsprinzipien im deutschen Haftungsrecht ... 7

C. Konstellationen verschuldensunabhängiger Arbeitgeberhaftung ... 12

D. Haftung für betrieblich veranlasste Eigenschäden des Arbeitnehmers ... 18

I. Dogmatische Begründung der Haftung ... 19

1. Arbeitsrechtliche Gefährdungshaftung ... 22

2. Anspruch aus Arbeitsvertrag ... 25

a) Ausdrückliche Vereinbarung ... 26

b) Stillschweigende Vereinbarung / Garantievertrag ... 26

c) Im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung ... 27

3. Anspruch im Rahmen der Entgelttheorie ... 28

a) Herleitung ... 28

b) Vergütung und Berechnung ... 31

c) Kritik ... 33

4. Haftung im Rahmen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht / Treu und Glauben ... 36

a) Fürsorgepflicht ... 36

b) Treu und Glauben, § 242 BGB / Verkehrssicherungspflichten ... 40

5. Haftung aus den Grundsätzen der gefahrgeneigten Arbeit ... 41

6. Haftung nach den Grundsätzen der Risikohaftung ... 44

7. Haftung im Rahmen des Aufopferungsgedankens ... 48

a) Herleitung ... 48

b) Kritik ... 50

(10)

IX

8. Vertrauenshaftungsprinzip und betriebliche Übung ... 53

9. Ersatzanspruch aus der Betriebsrisikolehre... 55

10. Haftung aus § 110 HGB analog ... 57

11. Die Lösung des BAG / Aufwendungsersatzlösung ... 61

a) Die Ameisensäure-Entscheidung des BAG... 62

aa) Sachverhalt und Verfahrensgang ... 62

bb) Die Begründung des BAG ... 63

b) Analyse möglicher dogmatischer Schwächen der Entscheidung ... 65

aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit von § 670 BGB ... 66

(1) Anwendbarkeit aufgrund Verweisung des § 675 BGB ... 66

(2) Einheitstheorie ... 68

(3) Trennungstheorie ... 69

(4) Stellungnahme ... 70

(5) Übertragbarkeit auf das Arbeitsverhältnis ... 71

(6) Analoge Anwendung von § 670 BGB ... 71

bb) Aufwendungsbegriff des § 670 BGB ... 73

(1) Erweiterte Auslegung ... 75

(2) Analoge Anwendung des Aufwendungsbegriffs ... 76

cc) Berücksichtigung arbeitnehmerseitigen Fehlverhaltens ... 79

(1) Ausgangspunkt: Wortlaut des § 670 BGB ... 80

(2) Berücksichtigung aufgrund des Telos der Norm .... 82

(3) Lösung über § 254 BGB analog ... 83

(4) Zweistufige Prüfung: Erforderlichkeit und § 254 BGB analog ... 86

(5) Tatbestandslösung: Erweiterte zweistufige Erforderlichkeitsprüfung ... 89

(6) Zwischenergebnis ... 91

(7) Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung ... 92

dd) Ergebnis ... 100

c) Die Entwicklung der Rechtsprechung aus dogmatischer Sicht ... 102

12. Zwischenergebnis ... 104

II. Die Haftungsvoraussetzungen ... 106

1. Voraussetzungen der Entscheidung des BAG vom 10.11.1961 ... 107

2. Entwicklung und Wandel der Rechtsprechung ... 109

(11)

X

3. Derzeitige Haftungsvoraussetzungen ... 120

a) Schaden am Vermögen des Arbeitnehmers ... 121

b) Schaden bei Ausführung einer betrieblichen Tätigkeit... 123

c) Zurechnung zum Betätigungsbereich des Arbeitgebers.... 127

aa) Versuch der Konkretisierung der „betrieblich veranlassten Tätigkeit“ ... 128

bb) Dem Privatbereich zuzuordnende Risiken ... 131

cc) Faktische Eigen- und Drittschädigung ... 136

dd) Zwischenergebnis ... 137

d) Keine adäquate Risikoabgeltung ... 138

e) Mitverschulden und Erforderlichkeit der Aufwendung / Versicherungsobliegenheit ... 147

4. Darlegungs- und Beweislast... 148

a) Beweislast für den Aufwendungsersatzanspruch – Erforderlichkeit im engeren Sinn ... 148

b) Beweislast in Bezug auf eigenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers – Erforderlichkeit im weiteren Sinne (Mitverschulden/Erforderlichkeit) ... 153

c) Zwischenergebnis ... 158

5. Zwischenergebnis ... 159

III. Haftungsumfang ... 160

1. Schadensarten ... 160

2. Systematisierung der Schadensfälle / Schadensposten ... 163

a) Fälle des allgemeinen Lebensrisikos sowie tätigkeitsspezifische Risiken ... 163

b) Kfz-Haftungsfälle (insb. Nutzungsausfall) ... 164

c) Verfahrens- und Rechtsverfolgungskosten ... 166

d) Strafen, Geldbußen, Kautionen ... 168

e) Sonstige Fälle ... 170

3. Zwischenergebnis ... 171

IV. Abdingbarkeit der verschuldensabhängigen Haftung ... 172

1. Abdingbarkeit der beschränkten Arbeitnehmerhaftung ... 173

2. Sonderfall der Mankohaftung... 179

3. Abdingbarkeit der verschuldensunabhängigen Haftung ... 185

a) Abgrenzung zur Mankohaftung ... 185

b) AGB-Kontrolle ... 187

c) Zwischenergebnis ... 188

4. Zwischenergebnis ... 189

(12)

XI

E. Kodifikationsversuche ... 191

I. Entwurf der Arbeitsgesetzbuchkommission, 1977... 192

II. Entwurf Musielak, 1980 ... 194

III. Entwurf Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht, 1992 (ArbVG-E) ... 196

IV. Entwurf Blomeyer – FS-Kissel, 1994 ... 198

V. Entwurf ArbVG des Freistaates Sachsen, 1995 ... 199

VI. SPD Gesetzesanträge, 1993 und 1995 ... 200

VII. Gesetzesantrag Land Brandenburg, 1996 ... 202

VIII.Entwurf, Otto/Schwarze, 1997 ... 204

IX. Entwurf von Raulf, 1999 ... 205

X. Entwurf von Fuhlrott, 2006 ... 208

XI. Entwurf Henssler/Preis – ArbVG, 2006/2007 ... 210

XII. Entwurf Däubler/DGB – Arbeitsverhältnisgesetz, 2009 ... 213

XIII.Zwischenergebnis ... 214

F. Ergebnis ... 216

Literaturverzeichnis ... 223

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(14)

1

„Denn keinem dürfe eine Pflicht schädlich werden, die er nur im Interesse des Vertragspartners, nicht auch im eigenem Interesse auf sich genommen habe.“

Africanus, Dig. 47, 2, 62, 51

A. Einleitung

I. Gegenstand der Arbeit

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers. Ziel dieser Untersuchung ist es zunächst, die verschiedenen Varianten der heute in der Praxis verbreiteten verschul- densunabhängigen Haftungsformen des Arbeitgebers zu vergleichen, um mit Hilfe dieser Analyse ein etwaig vorhandenes allgemeines Muster oder Haftungskonzept erkennen bzw. Ansätze für ein entsprechendes zu entwi- ckeln zu können.

Die Ausgestaltung der Haftung wird – unabhängig von den konkreten Anwendungsfällen der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitge- bers – durch die divergierenden Interessen der Arbeitnehmer und Arbeit- geber entscheidend beeinflusst. Bereits die einleitende Digeste von Africa- nus belegt jedoch, dass schon im römischen Recht die Erkenntnis gereift war, eine im fremden Interesse handelnde Person nicht mit in diesem Zu- sammenhang entstandenen Schäden zu belasten.2 Dieser Gedanke findet sich auch heute noch im Auftragsrecht wieder. Dort ist anerkannt, dass es dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, einen fremdnüt- zig tätigen Beauftragten ohne besonderen Grund mit beiderseitig unver- schuldeten Schäden zu belasten.3

Im Gegensatz zum Beauftragten ist der Arbeitnehmer zwar nicht aus- schließlich fremdnützig tätig, jedoch findet sich eine ähnliche Interessenla- –––––––––––

1 Original: „nemini officium suum, quod eius, cum quo contraxerit, non etiam sui commodi causa susceperit, damnosum esse“, zitiert nach: Seidl, FS-Lehmann, Bd. I, S. 97 (101), m.w.N.

2 Seidl, FS-Lehmann, Bd. I, S. 97 (101); dazu auch Mayer-Maly, NZA Beilage 3/1991, 5 (12).

3 Martinek, in Staudinger, § 670 BGB, Rn. 17 für den Fall der risikospezifischen Zufalls- schäden.

(15)

2

ge im Arbeitsverhältnis wieder. Auch dort liegt es im Interesse der Arbeit- nehmer, nicht mit Schäden belastet zu werden, die ihnen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausführung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind. Umso mehr gilt dies, wenn kein Eigen(mit)verschulden des Arbeit- nehmers vorlag.

Dem stehen die gegenteiligen Interessen des Arbeitgebers gegenüber, der ein übergeordnetes Interesse daran hat, die jeweiligen Arbeitnehmer ökonomisch effizient in seinem Unternehmen einzusetzen. Eine Belastung mit Schäden, deren Entstehung er selbst nicht verschuldete hat, wird ihm als unbegründet und willkürlich erscheinen.

In diesem Sinne – jedoch völlig unabhängig vom hier relevanten Ar- beitsverhältnis – ging bereits Rudolph von Ihering davon aus, dass „nicht der Schaden […] zum Schadensersatz [verpflichtet], sondern die Schuld“.4 Dieses, nunmehr dem gesamten deutschen Haftungsrecht zugrundeliegende Grundprinzip, entspricht ebenfalls zunächst dem Gerechtigkeitsempfin- den. Denn das menschliche Schuldbewusstsein ist eng mit der Bereitschaft zum Ausgleich von Schäden verbunden.

In den hier behandelten Fällen der verschuldensunabhängigen Haftung soll dieses Dogma aber gerade durchbrochen werden. So steht zur Diskus- sion, dass dem Arbeitnehmer Schäden, die dieser bei der Verrichtung der Arbeit erleidet, unabhängig von einer Pflichtverletzung und einem damit einhergehenden Verschulden des Arbeitgebers ersetzt werden sollen. Eine solche verschuldensunabhängige Haftung ist in der deutschen Rechtsord- nung aber grundsätzlich nur im Bereich der Gefährdungshaftung bekannt.

Fraglich und damit Gegenstand dieser Arbeit ist, ob im Bereich des Ar- beitsrechtes eine solche Haftung nach derzeitigem Recht zu begründen ist und, falls dies zu bejahen ist, unter welchen Voraussetzungen eine solche angenommen werden kann. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses zu richten. Dieses muss einen Ausgleich zwischen dem aufgrund seiner Organisationshoheit überlegenen Arbeitgeber und den entsprechend schutzwürdigen Arbeitnehmern schaf- fen.

Ausprägung dieses Abhängigkeitsverhältnisses ist, dass der Arbeitneh- mer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, dabei dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist und dafür als Äquivalent einen Anspruch auf –––––––––––

4 Jhering, S. 40.

(16)

3 das entsprechende Arbeitsentgelt hat. Dieses Austauschverhältnis droht – zumindest wirtschaftlich – bei Eigenschäden des Arbeitnehmers aus dem Gleichgewicht zu geraten. Bei der Lösung dieser Störfälle findet zunächst das allgemeine Zivilrecht Anwendung. Als problematisch stellt sich in die- sem Kontext aber die Frage dar, ob die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze geeignet sind, arbeitsrechtliche Haftungskonstellationen auf angemessene Weise zu lösen.

Dieser grundsätzlich zu stellenden Frage ist im Falle der arbeitgebersei- tig verschuldensunabhängigen Schadensverursachung besondere Bedeu- tung beizumessen. Denn in Fällen, in denen der Grund für die schadens- auslösende Handlung in Verbindung zum Arbeitsverhältnis steht, erscheint es unbillig, den Arbeitnehmer – selbst im Falle einer eigenen Schadensbe- teiligung – allein mit den Schadensfolgen zu belasten. Auch der Arbeitge- ber, dem keine eigene Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, wird eine Scha- densübernahme nach allgemeinen zivilrechtlichen Kriterien jedoch ableh- nen.

Im Ergebnis erscheint es angezeigt, den Arbeitgeber – der aus der ver- richteten Arbeitsleistung Profit schlagen kann – in die Schadenskompen- sation miteinzubeziehen. In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, den Einfluss der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmer- haftung und deren Rückwirkung auf die Konstellation der Arbeitgeberhaf- tung zu untersuchen.

Schwerpunkt dieser Untersuchung wird aufgrund ihrer überragenden praktischen Bedeutung die sogenannte Aufwendungsersatzlösung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) sein. Diese entwickelte das Gericht im Rahmen der berühmten Ameisensäure-Entscheidung und es hält ihr – von kleineren Modifikationen abgesehen – bis heute die Treue.5 Im Rahmen dieser Entscheidung wurde dabei auch die Frage aufgeworfen, ob eine entsprechend verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers nicht im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Gefährdungshaftung zu begründen sei.6

Der besonderen Bedeutung dieser Haftungsthematik wird die bislang re- lativ geringe Anzahl an monographischen Aufarbeitungen, die in den letz- –––––––––––

5 BAG, Beschluss vom 10.11.1961 – GS 1/60, AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 2.

6 So weist der Leitsatzzettel der Ameisensäure-Entscheidung auf eine Gefährdungshaftung hin: „BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers, § 618, § 670“; dazu auch: Müller- Glöge, in FS-Dieterich, S. 387 (388).

(17)

4

ten Jahrzehnten zu diesem und ähnlich gelagerten Problemfeldern veröf- fentlicht wurden, nicht gerecht, zumal diese – mit einer Ausnahme – vor der Schuldrechtsreform verfasst wurden.7 Dies gilt auch für die österreichi- sche rechtswissenschaftliche Literatur. In der österreichischen Rechtsord- nung existiert für den gegenständlichen Fall ebenfalls keine speziell arbeits- rechtliche Haftungsnorm existiert.8 Vielmehr erfolgt auch hier die Lösung über eine (analoge) Anwendung einer Norm aus dem Auftragsrecht („Be- vollmächtigungsvertrag“), § 1014 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbu- ches (ABGB).9

Letztendlich zeigt sich die besondere Relevanz der Problemstellung dadurch, dass bei den sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als auch ihrer wirtschaftlichen Tragweite besonders bedeutsamen Kfz-Unfällen mit Be- teiligung von Arbeitnehmerfahrzeugen eine Haftung unter Gesichtspunk- ten der verschuldensunabhängigen Arbeitgeberhaftung oftmals eine Rolle spielt. Insofern stellt sich auch für die Praxis die Frage der verschuldens- unabhängigen Haftung des Arbeitgebers im Allgemeinen und insbesondere die Frage dieser Haftung bei Eigenschäden des Arbeitnehmers als unver- ändert aktuell dar. Zwei neuere Entscheidungen des BAG zeigen, dass die Frage der Arbeitgeberhaftung noch heute die Gerichte beschäftigt und diese wahrscheinlich auch in Zukunft weiterhin beschäftigen wird.10

–––––––––––

7 Vgl. dazu zuletzt Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006); davor: Bydliinski, Die Risikohaftung des Arbeitgebers (1986), Endlich, Der Kfz-Unfall des Arbeitnehmers (1985); Koch, Der Eigenschaden des Arbeitnehmers (1982); Raulf, Die Haftung des Ar- beitgebers für Schäden des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Fahrten (1999);

Wilke; Die Haftung des Arbeitgebers für unverschuldet eingetretene Sachschäden des Arbeitnehmers (1969); Schumacher, Die vom Verschulden unabhängige Haftung des Ar- beitgebers für arbeitsbedingte Sachschäden des Arbeitnehmers (1975).

8 Bydlinski, S. 2.

9 Karner/Kernbichler, in: Employers` Liability and Workers` Compensation, S. 103.

10 BAG, Urteil vom 28.10.2010 − 8 AZR 647/09, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 43; Urteil vom 22.06.2011 – 8 AZR 102/10, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitge- bers Nr. 45.

(18)

5 II. Gang der Untersuchung

Die Untersuchung beginnt mit einer knappen Bestandsaufnahme der im deutschen Recht vorherrschenden Zurechnungsprinzipien (Teil B.). An- hand dieser soll ermittelt werden, welchen Stellenwert insbesondere die Verschuldens- und Gefährdungshaftung im deutschen Recht haben. In dieses Gefüge ist die Problematik der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers einzuordnen.

Im Anschluss folgt ein kurzer Überblick über die verschiedenen Kons- tellationen der verschuldensunabhängigen Arbeitgeberhaftung im Rahmen des Arbeitsrechtes (Teil C.). Mit Hilfe dieser Übersicht soll der Versuch unternommen werden, etwaige Parallelen zu ermitteln, um aus diesen Rückschlüsse für die Einordnung der verschuldensunabhängigen Arbeit- geberhaftung in ihrer Gesamtheit zu ziehen und gegebenenfalls etwaige Haftungsmuster aufzuzeigen.

In der Folge wird das Hauptaugenmerk auf die Problematik der betrieb- lich veranlassten Eigenschäden des Arbeitnehmers gelenkt (Teil D.). Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt dabei auf der Frage, ob sich eine verschul- densunabhängige Haftung des Arbeitgebers ohne entsprechende gesetzli- che Grundlage dogmatisch herleiten lässt (D. I.). Nach der Untersuchung der dogmatischen Aspekte wird in der Folge unter Zugrundelegung der derzeit überzeugendsten Lösung untersucht, welche Anspruchsvorausset- zungen vorliegen müssen, um eine entsprechende Haftung auszulösen (D.

II.). Dabei wird insbesondere untersucht, ob ein Wandel hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen in der Rechtsprechung des BAG zu erkennen ist und welche Konsequenzen etwaige Änderungen mit sich bringen. Be- sondere Aufmerksamkeit verdient bei den Anspruchsvoraussetzungen die Frage, wie die Abgrenzung hinsichtlich des Begriffes der „betrieblich ver- anlassten Tätigkeit“ vorzunehmen ist.11 Weitere bedeutende Problemfel- der, die es im Zusammenhang mit den Anspruchsvoraussetzungen zu erör- tern gilt, sind eine mögliche Risikoabgeltung durch Entgeltbestandteile, die Berücksichtigung eines arbeitnehmerseitigen Fehlverhaltens sowie die Fra- ge der Durchsetzbarkeit und insbesondere der Beweislast bei Geltendma- –––––––––––

11 Vgl. dazu die Parallelproblematik bei der beschränkten Arbeitnehmerhaftung; siehe nur Linck, in: Schaub, § 59 Rn. 42; Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 51 Rn. 31; Richardi/Fischinger, in: Staudinger, § 619a BGB Rn. 66.

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chung entsprechender Ansprüche. Schließlich gilt es im Rahmen der be- trieblich veranlassten Eigenschäden zu untersuchen, von welchem Haf- tungsumfang auszugehen ist (D. III.) und ob und unter welchen Umstän- den eine entsprechende Haftung insgesamt durch den Arbeitgeber abbe- dungen werden kann (D. IV.).

Im folgenden Teil widmet sich die Arbeit der Frage, ob die – hinsicht- lich des Themas dieser Arbeit zentrale – Problematik der betrieblich veran- lassten Eigenschäden dahingehend gelöst werden kann, dass der Gesetzge- ber die Frage durch Schaffung eines neuen Arbeitsvertragsgesetzes bzw.

einer Modifikation der bestehenden relevanten Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) positiv regelt (Teil E.). Dabei wird auf den aktuellen Stand der Gesetzgebung eingegangen und es werden die derzeitigen sowie die in der Vergangenheit liegenden Gesetzentwürfe berücksichtigt.

Die Arbeit schließt mit einer zusammenfassenden Auswertung der ge- wonnen Erkenntnisse sowie einer Präzisierung der in der Arbeit gewonne- nen Ergebnisse in Thesenform (Teil F.).

(20)

7

B. Zurechnungsprinzipien im deutschen Haftungsrecht

Bevor sich diese Arbeit der konkreten Frage zuwendet, unter welchen dogmatischen Gesichtspunkten eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers herzuleiten ist, gilt es zunächst zu klären, wie die allge- meinen – vom Arbeitsrecht unabhängigen – Haftungsprinzipien in der deutschen Rechtsordnung ausgestaltet sind. Besonderes Augenmerk bei der Analyse des „Ist-Zustandes“ ist dabei auf die verwendeten Begrifflich- keiten zu richten. So wird bei den verwendeten Termini zum Teil zwischen Haftungsgründen (Gründe, aus denen die Rechtsordnung eine Partei schützt) und Zurechnungsprinzipien (Gründe, aus denen eine andere Par- tei mit Pflichten belastet wird) unterschieden.12 Andere wiederum differen- zieren nicht derart strikt zwischen diesen beiden Haftungskategorien, son- dern verwenden diese in Randbereichen synonym.13 Für die Frage der Haftungsherleitung ist der Fokus dabei zunächst auf die Zurechnungsprin- zipien im vorgenannten Sinne zu richten, also auf die Frage, aus welchen Gründen eine Partei, die nicht geschädigt ist, mit Einstandspflichten belas- tet wird.

Ausgehend vom Grundsatz „casum sentit dominus“, nach dem die Be- lastung mit dem Eigenschaden den Eigentümer selbst trifft, solange kein hinreichender Grund für eine Überwälzung auf einen Fremdschädiger besteht, ergibt sich eine mehrschrittige Prüfung.14 Zunächst wird der Scha- den dabei demjenigen zugeordnet, bei dem er eingetreten ist.15 In einem zweiten Schritt werden sodann Zurechnungsgründe gesucht, nach denen die Schadensträgerschaft abgewälzt werden kann.16 Sofern dies jedoch nicht erfolgreich ist, verbleibt es bei der Ausgangslage. Damit zeigt sich, welch überragend wichtige Bedeutung den Zurechnungsprinzipien zu- kommt.

Damit konzentriert sich das Hauptaugenmerk bei der Überprüfung des Ist-Zustandes auf die dem deutschen Recht immanenten Zurechnungs- –––––––––––

12 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 470; vgl. dazu auch Kolb, Auf der Suche nach dem Ver- schuldensgrad (2008), S. 190.

13 So beispielsweise Larenz, Jus 1965, 373 ff.

14 Schiemann, in: Staudinger, Neubearbeitung 2005, § 254 BGB, Rn. 43.

15 Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrad (2008), S. 199.

16 Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrad (2008), S. 199.

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prinzipien und deren Bedeutung für die treffende Einordnung einer mögli- chen verschuldensunabhängigen Haftung.

Das gesamte deutsche Haftungsrecht wird nach wie vor durch das Ver- schuldensprinzip dominiert.17 Dies zeigt sich nicht nur durch den Blick auf die historische Entwicklung, sondern bereits durch eine Bestandsaufnahme der Haftungsnormen im Anwendungsbereich des BGB.18 Bedeutung hat das dominierende Verschuldensprinzip sowohl im Rahmen der vertragli- chen wie der deliktischen Haftung (§§ 280 ff., 823 ff. BGB).19 Auch inner- halb des BGB finden sich jedoch Abweichungen vom Verschuldensprinzip als Sondertatbestände (bspw. §§ 122, 179, 231, 904 BGB).20 Die Rechtfer- tigung dieser Ausnahmen von der Verschuldenshaftung ist von besonderer Relevanz für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.21

Zunächst scheidet nach heute ganz überwiegender Auffassung die An- knüpfung an die reine Verursachung eines Schadens (auch Verursachungs- prinzip bzw. Veranlasserhaftung) aus.22 Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass die bloße Verursachung im Sinne einer reinen Bedingung („conditio sine qua non“) einen zu ungenauen Anknüpfungspunkt darstellt und zu einer schier uferlosen Haftung des „Schädigers“ führen würde.23 Aus diesem Grund verbietet es sich, die Veranlasserhaftung bei der Be- gründung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers her- anzuziehen.

Demgegenüber haben die Risikohaftung und insbesondere die Gefähr- dungshaftung als deren wichtigster Anwendungsfall ihren festen Platz im –––––––––––

17 Deutsch, NJW 1992, 73; Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrad (2008), S. 188 ff., Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 122; a.A. Adams, S. 112, 269.

18 Zur historischen Entwicklung: Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrad (2008), S.

9 ff.; zu der Berücksichtigung des Verschuldensprinzip bei der Einführung des BGB:

Kolb, S. 10 f.

19 Zu den jeweiligen Haftungsvarianten der Verschuldenshaftung vgl. Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 102 ff.

20 Vgl. dazu bereits Larenz, Jus 1965, 373.

21 Einen Überblick über Zurechnungsprinzipien des BGB bietet Larenz, JuS 1965, 373 (374).

22 Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrad (2008), S. 192; weitere Nachweise bei Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 121; vgl. auch Deutsch, NJW 1992, 73, nach welchem „dem Verursacherprinzip […] durch eine Vermehrung gesetzlich ange- ordneter Gefährdungshaftungen Rechnung getragen“ wird.

23 Vieweg, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, Schadenersatzrecht, Rn. 107.

(22)

9 zivilrechtlichen Haftungssystem.24 Hintergrund der Gefährdungshaftung ist die Tatsache, dass bei den heutigen durch technischen Fortschritt beein- flussten Lebensumständen, gewisse mit Risiken verbundene Tätigkeiten zugelassen werden müssen, obwohl die von diesen ausgehenden Gefahren und damit etwaig verbundenen Schädigungen Dritter mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht vermieden werden können.25 Hier erweist sich die Verschuldenshaftung mangels Vorliegen von Fahrlässigkeit als unge- eignet, wenn auch bei Einhaltung des üblichen Sorgfaltsmaßstabes der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eine Einschränkung der Gefahr nicht ge- währleistet werden kann.26 Ein weiterer Aspekt, der für die Sinnhaftigkeit einer Gefährdungshaftung anzuführen ist, stellt das Verhältnis von Nutzen durch eine Gefahrenquelle und Belastung durch diese dar: Wer sich die Vorteile einer Gefahrenquelle zu eigen macht, sollte auch die sich daraus ergebenden Nachteile zu tragen haben.27 Im Übrigen hat der sogenannte Eröffner der Gefahrenquelle trotz aller Unwägbarkeiten die größte Ein- flussmöglichkeit auf diese und kann einem etwaigen Schadensrisiko durch den Abschluss entsprechender Versicherungen vorbeugen.28

Dabei setzt die Schaffung eines Gefährdungstatbestandes jedoch nicht voraus, dass die vorgenannten Kriterien kumulativ vorliegen.29 Gleichwohl kommt die Gefährdungshaftung bislang nur in Frage, sofern ein entspre- chender Tatbestand normiert ist.30 Inwiefern ein solcher zur Lösung des Problems der verschuldensunabhängigen Arbeitgeberhaftung geeignet wäre, gilt es im Rahmen dieser Arbeit rechtspolitisch zu untersuchen.

Neben den bereits genannten Zurechnungsprinzipien ist auch das Prin- zip der Garantie- und insbesondere das der Vertrauenshaftung aner- –––––––––––

24 Vgl. dazu nur § 833 BGB sowie weitere sondergesetzliche Gefährdungshaftungstatbe- stände: § 7 Abs. 1 StVG, § 1 ProdHaftG, § 1 UmweltHG.

25 Vgl. bereits BT-Drucks. 8/108, S. 6; BGH, Urteil vom 17.02.2004, BGHZ 158, 130.

26 Kötz, AcP 170 (1970), 1 (29).

27 Larenz, JuS 1965, 373 (374); Hager, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, Recht der unerlaubten Handlung, § 1 Einführung Rn. 108.

28 Larenz, JuS 1965, 373 (374); Kötz, AcP 170 (1970), 1 (21); zur Frage der Versicherungen Larenz/Canaris, § 84 I 2 a.

29 Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrad (2008), S. 195.

30 BGH, Urteil vom 25. 1. 1971 – III ZR 208/68, BGHZ 55, 229; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, II 2, § 84 I 1 b; Kort, NZA 1996, 854 (856); Isele, JuS 1962, 184 (187);

Däubler, Jus 1986, 425.

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10

kannt.31 Danach erfolgt eine Schadenszurechnung, sofern die Rechtsord- nung für einen bestimmten Tatbestand eine garantieförmig ausgestaltete Einstandspflicht vorsieht, was insbesondere in Fällen des geschaffenen Vertrauens von Bedeutung ist.32 Wichtigste Anwendungsfälle dieses Zu- rechnungsprinzips sind neben der Vermieterhaftung gemäß § 536a Abs. 1, 1. Halbsatz BGB (früher § 538 Abs. 1 BGB a.F.) vor allem die §§ 122 Abs.

1, 179 Abs. 1 BGB als Fälle des Vertrauenshaftung.33 Bedeutung hat insbe- sondere die Garantiehaftung daneben auch im Rahmen von vertraglichen Garantieabreden, die ebenfalls eine entsprechende Haftung auslösen kön- nen. Jedoch verlangt auch die (außervertragliche) Garantiehaftung eine Normierung, die nur in seltenen Ausnahmefällen in das BGB Einzug ge- funden hat. Es erscheint somit äußerst fragwürdig, ob die Schaffung (einer) neuen Garantiehaftung zur Lösung des gegenständlichen Problems beitra- gen könnte.

Die vier klassischen Zurechnungskriterien werden schließlich durch das Prinzip der ausnahmsweisen Inanspruchnahme fremder Güter (auch Auf- opferungsprinzip) komplettiert.34 Aus diesem – mehreren Normen des BGB (so §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 904 Satz 2 BGB) zugrunde liegenden – Gedanken, hat die Rechtsprechung den allgemeinen Grundsatz abgeleitet, dass in Fällen, in denen der Eigentümer einer Sache eine Beeinträchtigung seines Eigentums in überwiegendem Interesse eines anderen oder der All- gemeinheit zu dulden hat, obwohl ihm grundsätzlich ein Abwehranspruch gemäß § 1004 BGB zustünde, einen Anspruch auf Schadensersatz hat. Auf diesem Gedanken basierend, ist im öffentlichen Recht ein entsprechender Aufopferungsanspruch, der als enteignungsgleicher und enteignender Ein- griff bezeichnet wird, allgemein anerkannt.35 und auch ein daran anknüp- fender zivilrechtlicher Aufopferungsanspruch wird vielfach diskutiert.36 Auch in dem Zurechnungsprinzip der Inanspruchnahme fremder Güter –––––––––––

31 Larenz, Jus 1965, 373 (377); a.A. jedoch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 469 Fn. 7, der in der Vertrauenshaftung einen Haftungsgrund und kein Haftungsprinzip sieht.

32 Kolb, Auf der Suche nach dem Verschuldensgrad (2008), S.195.

33 Vgl. dazu auch Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 123 f.

34 Larenz, Jus 1965, 373 (376); a.A. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 469 f., der den Aufopfe- rungsgedanken wiederum den Haftungsgründen zurechnet.

35 Wöstmann, in: Staudinger, § 839 BGB, Rn. 434 f.

36 Vgl. zum zivilrechtlichen Aufopferungsanspruch D. I. 7. – Haftung im Rahmen des Aufopfe- rungsgedankens.

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11 könnte damit ein dogmatischer Ansatz für eine verschuldensunabhängige Haftung zu sehen sein.

Neben den klassischen Zurechnungsprinzipien wird zum Teil auch die Billigkeit als solche als eigenes Zurechnungskriterium angedacht.37 Eine solche Haftung findet sich in kodifizierter Form mit § 829 BGB auch in der deutschen Rechtsordnung. Im Rahmen des sogenannten „Millionär- sparagraphen“38 ist dort geregelt, dass ein Schädiger, der gemäß den

§§ 827, 828 BGB für sein (Fehl-)Verhalten nicht verantwortlich zu machen ist, dennoch für den Ausgleich des entstandenen Schadens heranzuziehen ist, sofern der Vergleich der (materiellen) Verhältnisse dies gebietet. Aus diesem Einzelfall ein allgemeines Zurechnungsprinzip zu konstruieren, ist aber schon deshalb kritisch zu betrachten, weil letztlich jedes Zurech- nungsprinzip in seiner Entstehung auf Billigkeitsgesichtspunkten basiert, aufgrund derer eine (möglichst gerechte) Umwälzung des Schadens ange- strebt wird.39 Somit ist die Billigkeit als solche nicht geeignet, ein eigenes Zurechnungsprinzip zu etablieren.

Letztlich zeigt sich nach diesen Ausführungen, dass in der deutschen Rechtsordnung die Zurechnung anhand des Verschuldensprinzips, sowohl im Bereich der vertraglichen, als auch im Rahmen der gesetzlichen Haf- tung weiterhin dominant ist. Im Rahmen dieser Arbeit gilt es in diesem Kontext zu untersuchen, ob trotz der Dominanz des Verschuldensprinzips mithilfe der alternativen Zurechnungskriterien eine Herleitung der Haftung des Arbeitgebers für Eigenschäden des Arbeitnehmers begründet werden kann oder ob eine solche nur bei einem Verschulden des Arbeitgebers in Frage kommt.

–––––––––––

37 Vgl. Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 128 ff.

38 BGH, Urteil vom 13.06.1958 – VI ZR 109/57, NJW 1958, 1630 (1632); so auch Oechsler, in: Staudinger, § 829 BGB, Rn. 14.

39 Larenz, Jus 1965, 373; Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 129.

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C. Konstellationen verschuldensunabhängiger Arbeitgeberhaftung

Nach den vorstehenden grundsätzlichen Ausführungen über die in der deutschen Rechtsordnung vorherrschenden Zurechnungs- und Haftungs- prinzipien, soll in der Folge ein kurzer Überblick über die Fälle gegeben werden, in denen eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers in Betracht kommt, und diese sollen in das haftungsrechtliche Gesamtge- füge eingeordnet werden. Dabei soll insbesondere die praktische Relevanz nicht aus den Augen verloren werden. Hinsichtlich der in Frage kommen- den Haftungskonstellationen ist zunächst danach zu differenzieren, ob eine entsprechende Haftung gegebenenfalls gesetzlich normiert ist oder ob es sich um Fälle einer rein faktischen verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers handelt.

Dominiert werden die verschiedenen Haftungskonstellationen von der bereits in der Einleitung erwähnten und eng mit der Ameisensäure- Entscheidung verknüpften Thematik der Eigenschäden des Arbeitneh- mers. Diese erlangt Bedeutung, sofern der Arbeitnehmer bei der Verrich- tung der Arbeitstätigkeit einen Schaden an seinen eigenen Rechtsgütern erleidet und aufgrund mangelnden Verschuldens des Arbeitgebers gegen diesen keinen Anspruch auf Schadensersatz aus allgemeinen Schuldrecht (§

280 BGB) oder Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) innehat. In diesen Fällen kann der Arbeitnehmer nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung je- doch einen Anspruch gegen den Arbeitgeber gemäß § 670 BGB analog und damit im Rahmen einer entsprechenden Anwendung der Aufwen- dungsersatzregelungen geltend machen.40 Diese verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers wurde also richterrechtlich begründet.

Eine weitere faktische verschuldensunabhängige Haftung ergibt sich in Fällen, in denen der Arbeitgeber im Rahmen von Freistellungs- oder Re- gressansprüchen zum Ausgleich gegenüber dem Arbeitnehmer bzw. Drit- ten verpflichtet ist. Entsprechende Freistellungsansprüche bestehen, da –––––––––––

40 Zu der Herleitung des Anspruches sowie den näheren Voraussetzungen wird auf das folgende Kapitel D. – Haftung für betrieblich veranlasste Eigenschäden des Arbeitnehmers verwie- sen.

(26)

13 etwaige im Innenverhältnis bestehende Haftungsbeschränkungen41 zwi- schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Außenverhältnis keinerlei Wir- kung entfalten.42 Um den Haftungsbeschränkungen dennoch zu ihrer Wirksamkeit zu verhelfen, kann der den Haftungsfall gegenüber einem Dritten verursachende Arbeitnehmer entweder die Freistellung durch den Arbeitgeber verlangen43 oder – sofern ein Schadensausgleich durch den Arbeitnehmer bereits erfolgt ist – einen Regressanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.44 Dieser steht in diesen Fällen nach ständiger Rechtsprechung aufgrund seiner Fürsorgepflicht für ein Verschulden des Arbeitnehmers ein, ohne selbst schuldhaft gehandelt zu haben.

Der auch in diesem Kontext relevante Fall der Gesamtschuld zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 840 BGB stellt keine Normierung der verschuldensunabhängigen Haftung dar. § 840 BGB setzt insoweit bereits tatbestandlich eine Gesamtschuld und damit eine schadensrechtli- che Verantwortlichkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus. Der Arbeitgeber wird in den überwiegenden Fällen bereits nach § 831 BGB aufgrund eigenen Auswahl- oder Organisationsverschuldens die Schadens- verursachung zu vertreten haben und handelt damit nicht ohne eigenes Verschulden.45

Neben den vorgenannten allgemein schuldrechtlichen Haftungskonstel- lationen, sind weitere spezialgesetzliche Haftungsnormen von Bedeutung, die ein Verschulden des Arbeitgebers nicht voraussetzen.

–––––––––––

41 Vgl. zu der Frage der Haftungsbeschränkungen und insbesondere zu der Problematik des innerbetrieblichen Schadensausgleiches D. I. 11. b) cc) Berücksichtigung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung.

42 BGH, Urteil vom 19.09.1989 – VI ZR 349/88, BGHZ 108, 305; Urteil vom 21.12.1993 – VI ZR 103/93, NJW 1994, 852; dazu auch Otto/Schwarze, S. 292, Rn. 472 (m.w.N.);

Schelp, Die Haftungsbelastung des Arbeitnehmers bei Schädigung Dritter (2003), S. 93.

43 BAG, Urteil vom 06.07.1964 – 1 AZR 17/64, NJW 1964, 2445; Urteil vom 23.06.1988 – 8 AZR 300/85, AP BGB 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 94; vgl. dazu auch Ot- to/Schwarze, Rn. 478 (m.w.N.), die sich für eine Herleitung aus § 670 BGB analog aus- sprechen.

44 BAG (GS), Beschluss vom 25.09.1957 – GS 4 (5)/56, NJW 1958, 235 (237); dazu auch Otto/Schwarze, S. 297 Rn. 480; Gerhardt, Der Befreiungsanspruch – Zugleich ein Beitrag zum arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch (1966), S. 118.

45 Vgl. insbesondere zu den Konstellationen des § 840 Abs. 2 BGB: Vieweg, in: Staudinger,

§ 840 BGB Rn. 64.

(27)

14

Den aktuell bedeutendsten Fall dürfte in diesem Zusammenhang

§ 15 AGG darstellen. Dieser regelt den Schadensersatzanspruch des Ar- beitnehmers aufgrund einer Benachteiligung gemäß § 7 AGG durch den Arbeitgeber. § 15 Abs. 1 AGG erfasst dabei zunächst die materiellen Schä- den und ist dem Wortlaut nach verschuldensabhängig, wobei die Euro- parechtkonformität des Verschuldenserfordernisses in der Diskussion steht.46 In diesem Zusammenhang leitete die europäische Kommission das mittlerweile eingestellte Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesre- publik Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der Rahmen- Richtlinie47 ein.48 Kernvorwurf war dabei, dass die verschuldensabhängige Haftung mit den unionsrechtlichen Anforderungen nicht in Einklang ste- he.49 Dies entsprach auch der bisherigen Rechtsprechung des Europäi- schen Gerichtshof (EuGH), insbesondere in den Entscheidungen Dek- ker50 und Draehmpaehl51. Danach entschied der EuGH bereits zu Vorgän- gerregelung (§ 611a BGB a.F.), dass – jedenfalls im Falle einer Ausgestal- tung als zivilrechtliche Haftungsnorm – der Verstoß gegen das Diskrimi- nierungsgebot an sich, also unabhängig von einem Verschulden, ausreichen müsse, die volle Haftung des Verantwortlichen auszulösen.52 Eine solche volle Haftung, wird aber weder durch die Beweislastregelung des § 15 Abs.

1 Satz 2 AGG, noch dadurch erreicht, dass im deutschen Rechtsraum die Verschuldenshaftung auch die Fälle der Fahrlässigkeit umfasst.53 Geht man –––––––––––

46 Überwiegend wird dir das Verschuldenserfordernis dabei für europarechtswidrig gehal- ten: vgl. Thüsing, in: Münchener Kommentar, § 15 AGG Rn. 25, Deinert, in: Däub- ler/Bertzbach, § 15 AGG Rn. 30; Schlachter, in Erfurter Kommentar, § 15 AGG, Rn. 5;

Stoffels; RdA 2009, 204 (210); Kamanabrou, RdA 2006, 321 (335); a.A. Bauer/Göpfert/Krieger,

§ 15 AGG Rn. 15.

47 Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl.

EG Nr. L 303 S. 16.

48 Vgl. Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission zur Richtlinie 2000/78/EG:

2007/2362, K (2008) 0103; vgl. auch Pressemitteilung zur Einstellung des Verfahrens:

IP/10/1429, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-10-1429_de.htm.

49 Aufforderungsschreiben der Kommission der Europ

äischen Gemeinschaften, Vertragsverletzungsverfahren 2007/2362, K (2008) 0103, vom 31.01.2008.

50 EuGH, Urteil vom 08.11.1990 – Rs. C-177/88, Slg 1990, I-3941, Rz. 22.

51 EuGH, Urteil vom 22.04.1997 – Rs. C-180/95, Slg I-1997 2195, Rz 21.

52 EuGH, Urteil vom 22.04.1997 – Rs. C-180/95, Slg I-1997 2195, Rz 21.

53 Stoffels, RdA 2009, 204 (210).

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15 im Ergebnis mit der Rechtsprechung des EuGH davon aus, dass das Ver- schuldenserfordernis europarechtswidrig ist, besteht im Falle von § 15 Abs.

1 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers. Freilich setzt ein entsprechender Anspruch eine Benachteiligung des Arbeitneh- mers voraus.

Bereits dem Wortlaut nach verschuldensunabhängig ist der Entschädi- gungsanspruch auf Nichtvermögensschäden nach § 15 Abs. 2 AGG ausge- staltet.54 Zwar wird auch hier vereinzelt vertreten, dass dieser ebenfalls Schäden betreffe und deshalb das – wohl europarechtswidrige – Verschul- denserfordernis nach § 15 Abs. 1 S. 2 AGG anwendbar sei,55 doch ist dies aufgrund des eindeutigen Wortlautes abzulehnen.56

Weitere spezialgesetzlich geregelte Sonderfälle der verschuldensabhängi- gen Arbeitgeberhaftung stammen aus dem Bereich des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts. Im Bereich der Lohnsteuer handelt es sich dabei um § 42d EStG. Zwar ist der Arbeitnehmer gemäß § 38 EStG grundsätz- lich selbst Schuldner der Lohnsteuer, doch haftet der Arbeitgeber ohne ein eigenes Verschulden, wenn er seine Pflichten gemäß § 42d Abs. 1 Ziff. 1-4 EStG im Lohnsteuerabzugsverfahren objektiv verletzt.57

Demgegenüber trifft die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozial- versicherungsbeitrages gemäß § 28d Abs. 1 SGB IV allein den Arbeitgeber.

Dieser haftet gegenüber der Einzugsstelle verschuldensunabhängig mit seinem Gesamtvermögen bis zur Grenze der Zwangsvollstreckung.58 Dies gilt gemäß § 28e Abs. 2 SGB IV im Falle der Arbeitnehmerüberlassung auch für den Entleiher als Arbeitgeber, dessen Haftung jedoch subsidiär hinter der Haftung des Verleihers zurücktritt.59

Eine jedenfalls mittelbare verschuldensunabhängige Arbeitgeberhaftung normiert § 14 AEntG. Danach haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauf- tragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunterneh- –––––––––––

54 BAG, Urteil vom 22.01.2009 – 8 AZR 906/07, AP AGG § 15 Nr. 1

55 Mohr, SAE 2008, 106 f.

56 Vgl. bereits BT-Drs. 16/1780, S. 38, abzurufen auch im Internet unter:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/017/1601780.pdf; so auch Deinert, in: Däub- ler/Bertzbach, § 15 AGG, Rn. 58 (m.w.N.).

57 Wagner, in: Blümich, § 42d EStG Rn. 58.

58 Roßbach, in: Kreikebohm, § 28e SGB IV Rn. 3.

59 Roßbach, in: Kreikebohm, § 28e SGB IV Rn. 8.

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16

mers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Ta- rifvertragsparteien, verschuldensunabhängig im Sinne eines selbstschuldne- rischen Bürgens.60 Zwar ist Arbeitgeber im klassischen Sinne der beauf- tragte Unternehmer oder Subunternehmer selbst, doch haftet der beauftra- gende Unternehmer im Verhältnis zum Arbeitnehmer als Generalunter- nehmer wie der Arbeitgeber. Der Sinn der Regelung besteht dabei darin, einen Anreiz zu setzen, nur mit nach den gesetzlichen Vorgaben handeln- den Subunternehmern zusammenzuarbeiten.61

In die Kategorie der spezialgesetzlich normierten Haftungsnormen fällt auch der Fall der verschuldensunabhängigen Haftung aus Treuepflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG. Im Rahmen der betrieblichen Alters- versorgung hat der Arbeitnehmer zunächst einen Anspruch gegen den Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG darauf, dass dieser einen Teil der Entgeltes in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleis- tungen umwandelt. Sofern eine entsprechende Umwandlung erfolgt und es im Nachhinein zu (durch Dritte verschuldeten) Problemen hinsichtlich der Wertgleichheit der umgewandelten Entgeltbestandteile kommt, steht der Arbeitgeber für diese im Rahmen einer verschuldensunabhängigen Treue- pflicht bzw. Haftung ein.62 Jedoch dürfte das Risiko in der Praxis aufgrund des Einflusses des Arbeitgebers auf die Ausgestaltung der Versorgungsleis- tung sowie der Absicherung der Versorgungsträger äußerst gering sein.63

Der vorstehende kurze Überblick über die Konstellationen der ver- schuldensunabhängigen Haftung zeigt, dass es sich bei diesen größtenteils um Sonderkonstellationen handelt, die keinen einheitlichen Prinzipien folgen. Überwiegend betrifft die Problematik spezialgesetzliche Regelun- gen, die keinen allgemeinen Zusammenhang – insbesondere zu einer etwa- –––––––––––

60 Schlachter, in: Erfurter Kommentar, § 14 AEntG Rn. 1; Tillmanns, in: HWK, § 14 AentG, Rn. 1.

61 Schlachter, in: Erfurter Kommentar, § 14 AEntG Rn. 1; Tillmanns, in: HWK, § 14 AentG, Rn. 1.

62 BAG, Urteil vom 25.01.2000 – 3 AZR 908/98, EzA § 1 BetrAVG Unterstützungskasse Nr 12; Urteil vom 12.06.2007 – 3 AZR 14/06, AP BetrAVG § 1a Nr. 1; vgl. auch Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, § 1 BetrAVG Rn. 274.

63 Vgl. Anmerkung Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 41/2007 Anm. 5, zu BAG, Urteil vom 12.06.2007 – 3 AZR 14/06.

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17 igen allgemeinen Gefährdungshaftung des Arbeitgebers – erkennen lassen.

Es scheint unter dogmatischen Gesichtspunkten nicht angezeigt, den Schwerpunkt dieser Untersuchung auf die möglichen Gemeinsamkeiten dieser verschiedenen Haftungsfälle zu legen. Vielmehr sollte im Rahmen dieser Arbeit besonderes Augenmerk auf den wohl immer noch relevantes- ten Fall der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers gelegt werden. Dabei dürfte es sich unstreitig um die Problematik der betrieblich veranlassten Eigenschäden handeln. Nicht nur aufgrund der andauernden und zuletzt wieder aktiveren wissenschaftlichen Diskussion,64 sondern insbesondere auch wegen ihrer unveränderten praktischen Relevanz, steht die Eigenschadenproblematik der Arbeitnehmer im Mittelpunkt dieser Abhandlung.

–––––––––––

64 Vgl. aus jüngerer Vergangenheit nur Salamon/Koch, NZA 2012, 658 sowie Schwarze, RdA 2013, 140.

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D. Haftung für betrieblich veranlasste Eigenschäden des Arbeitnehmers

Besondere Bedeutung gewinnt die Frage der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers im Rahmen der bereits im vorherigen Kapitel umrissenen Problematik der betrieblich veranlassten Eigenschäden. Neben der breit gefächerten dogmatischen Diskussion über deren mögliche Her- leitung, kommt ihr auch praktische Bedeutung zu. Diese zeigt sich insbe- sondere bei der Fallgruppe der Kfz-Unfälle, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der beruflichen Tätigkeit verursacht werden.65 Die Brisanz und hohe praktische Relevanz derartiger Haftungsfragen zeigt sich neben der häufigen Beschäftigung der Gerichte mit dieser Thematik auch daran, dass sich zwei Monographien diesem Themenkomplex widmen.66 Neben der hochrelevanten Kfz-Schadensproblematik und den „gewöhnli- chen“ Sachschäden des Arbeitnehmers spielt eine derart hergeleitete Haf- tung auch in weniger alltäglichen Bereichen eine Rolle. So wird eine ver- schuldensunabhängige Haftung vergleichbarer Natur auch im Falle des Werterhalts von Zeitwertkonten diskutiert.67

Im Rahmen dieser Arbeit soll im Folgenden zunächst die mögliche dogmatische Herleitung einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht untersucht werden. Unter Zugrundelegung der dabei gewonnenen Er- kenntnisse sollen sodann die entsprechenden Haftungsvoraussetzungen ermittelt und deren Entwicklung untersucht werden. Im Anschluss daran werden die Folgeprobleme einer möglichen Abdingbarkeit der Haftung sowie der jeweilige Haftungsumfang näher beleuchtet.

–––––––––––

65 Vgl. beispielsweise Zeit-Online vom 22.12.2011: „Haftet der Mitarbeiter für Schäden am Firmenwagen?“, abrufbar unter http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011- 12/arbeitsrecht-dienstfahrzeug.

66 Vgl. nur Endlich, Der Kfz-Unfall des Arbeitnehmers (1985); Raulf, Die Haftung des Ar- beitgebers für Schäden des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Fahrten mit dem Privat-PKW (1999).

67 Vgl. dazu Peiter, Haftung des Arbeitgebers für den Werterhalt von Wertguthaben im Rahmen von Zeitwertkonten (2010), S. 217 ff.

(32)

19 I. Dogmatische Begründung der Haftung

Weitgehende Einigkeit in Rechtsprechung68 und Literatur69 besteht hin- sichtlich der Frage, ob eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeit- gebers für Eigenschäden des Arbeitnehmers grundsätzlich existiert bzw.

ein Bedarf nach einer solchen besteht.70 Lediglich hinsichtlich der jeweili- gen Haftungsvoraussetzungen werden die zu erfüllenden Tatbestands- merkmale zum Teil als nicht eindeutig geklärt angesehen.71

Zwar wurde die Frage der dogmatischen Herleitung der Haftung durch die oben genannte Entscheidung des BAG72, die in der Literatur73 über- wiegend auf Akzeptanz stieß, beantwortet. An der Richtigkeit dieser Ant- wort bestehen jedoch weiterhin Zweifel. Zudem steht die seit langem über- fällige Klärung durch den Gesetzgeber weiterhin aus.74 Beachtlich ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Vielzahl der vertretenen dogma- tischen Ansätze.75 Unabhängig von diesen verschiedenen Ansätzen schei- nen sich Rechtsprechung und Literatur darüber seit jeher einig zu sein, dass aus sozialen Gesichtspunkten ein Einstehen des Arbeitgebers für Schäden, die im Zusammenhang mit seinem Unternehmen stehen, unum- gänglich ist und ein Verbleiben des Haftungsrisikos bei den Arbeitnehmern –––––––––––

68 Vgl. zu der Entwicklung der Rechtsprechung insbesondere D. II. 2. – Wandel der Rechtspre- chung.

69 Vgl. statt vieler Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 166, 201 jeweils m.w.N.; abweichend – soweit ersichtlich – nur Endlich, Der Kfz-Unfall des Arbeitneh- mers (1985), S. 10, der darauf abstellt, dass Arbeitnehmer bei Übernahme von riskanten Tätigkeiten ein höheres Grundgehalt fordern sollen.

70 Statt vieler Krause, in: HWK, § 619a BGB, Rn 73.

71 Blomeyer, in: FS-Kissel, 77 (79 f.); Raulf, Die Haftung des Arbeitgebers für Schäden des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Fahrten mit dem Privat-PKW (1999), S. 4;

vgl. zu den Haftungsvoraussetzungen auch Kapitel D. II. – Die Haftungsvoraussetzungen.

72 BAG, Beschluss vom 10.11.1961 – GS 1/60, AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 2.

73 Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 166, 201.

74 Vgl. zu den als „unendliche Geschichte“ (Link/Kirtscher, AuA 2004, 18) oder „ewiges Vorhaben“ (Söllner/Waltermann, § 1 III. 4., S. 7) bezeichneten bislang vergeblichen Versu- chen ein Arbeitsgesetzbuch zu verabschieden Kapitel E. – Kodifikationsversuche.

75 So bezeichnet Fuhlrott, Der geschädigte Arbeitnehmer (2006), S. 101, die Diskussion um die dogmatische Herleitung als „wissenschaftlichen Exerzierplatz der rechtswissenschaft- lichen Dogmatik“.

(33)

20

keine gangbare Alternative darstellt.76 Es wird allerdings zu untersuchen sein, ob dieses Billigkeitsargument ausreicht, um eine entsprechende Haf- tung auf eine dogmatisch haltbare Grundlage zu stellen. 77

Im Rahmen der vermeintlichen Klärung durch das BAG sprach dieses dem Arbeitnehmer einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch unter gewissen – mittlerweile mehrfach modifizierten78 – Voraussetzungen zu und stützte sich dabei auf die Bestimmungen über den Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) in entsprechender Anwendung.

Seit der Entscheidung des BAG vom 10.11.196179 sah sich die im Er- gebnis überwiegend akzeptierte Rechtsprechung – insbesondere aufgrund ihrer dogmatischen Herleitung – auch immer wieder Bedenken ausge- setzt.80 In der Entscheidung selbst bietet das BAG einen kurzen Überblick über die in Frage kommenden dogmatischen Ansätze, die das Gericht letztlich zugunsten der Lösung über § 670 BGB analog abgelehnt hat. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, alle vertretenen – und damit auch die vom BAG nicht diskutierten – Herleitungsansätze zu untersuchen.

Ihren Ausgangspunkt nimmt die Untersuchung bei der Übertragung der allgemeinen Haftungsstandards im deutschen Zivilrecht auf das Sonderge- biet des Arbeitsrechts. Wie bereits oben unter B. dargelegt, wird das deut- sche Haftungsrecht durch das Verschuldensprinzip dominiert. Das Ar- beitsrecht, als Teil des Zivilrechts, richtet sich grundsätzlich nach den all- gemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.81 Es ist gegenüber dem allgemei- nen Zivilrecht kein eigenständiges Rechtsgebiet mit eigenen Normen, Grundsätzen und Auslegungsregeln, sodass im Verhältnis zum Zivilrecht nicht dessen Geltung, sondern vielmehr dessen Nichtgeltung begründet –––––––––––

76 Schumacher, Die vom Verschulden unabhängige Haftung des Arbeitgebers für arbeitsbe- dingte Sachschäden des Arbeitnehmers (1975), S. 4; Raulf, Die Haftung des Arbeitgebers für Schäden des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Fahrten mit dem Privat- PKW (1999), S. 4; Canaris, RdA 1966, 41 (42); Gick, JuS 1979, 638 (639); einschränkend Endlich, Der Kfz-Unfall des Arbeitnehmers (1985), S. 9 ff.

77 Canaris, RdA 1966, 41 (42).

78 Vgl. dazu Kapitel D. II. – Die Haftungsvoraussetzungen.

79 BAG, Beschluss vom 10.11.1961 – GS 1/60, AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 2.

80 Canaris, RdA 1966, 41 (42); Küchenhoff, in: FS-Nottarp, S. 153 (171); Martinek, in: Staudin- ger, § 670 BGB Rn. 21 ff.

81 Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 1 Rn. 18.

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21 werden müsste.82 Dies führt dazu, dass auch bei Haftungsfällen im Rah- men von Arbeitsverhältnissen zunächst einmal vom allgemeinen Verschul- densprinzip auszugehen ist.83 Danach entsteht eine Schadensersatzpflicht regelmäßig durch eine (schuldhafte) Pflichtverletzung. Eine solche liegt vor, wenn der Handelnde hinter dem geltenden Pflichtenprogramm des jeweiligen Schuldverhältnisses zurückbleibt.84 Von diesem allgemeinen Prinzip des deutschen Schuldrechts wir nur in wenigen Sonderfällen abge- wichen.85

Im Falle der Eigenschäden auf Seiten eines Arbeitnehmers (insbesonde- re in Fällen des Eigenverschuldens des Arbeitnehmers), scheidet eine Ver- schuldenshaftung des Arbeitgebers somit immer dann aus, wenn dieser nicht verantwortlich im Sinne der §§ 276, 278 BGB ist. In diesen Fällen hätte der Arbeitnehmer grundsätzlich keinerlei gesetzliche Ansprüche ge- gen den Arbeitgeber, die ihm im Zusammenhang mit der Verrichtung seiner Arbeit eingetretenen Schäden ersetzt zu verlangen. Dies wird aber gerade unter dem Aspekt, dass es dauerhaft niemandem gelingen könne, völlig fehlerlos zu arbeiten, als unbillig angesehen. Es gilt als nahezu un- möglich, dass einem Arbeitnehmer – insbesondere im Laufe einer unter Umständen jahrzehntelangen Dienstzeit – keinerlei und seien es noch so kleine Fehler unterlaufen.86 Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Ar- beitnehmer, der in seinem Arbeitsleben lediglich einen oder wenige Fehler begeht, nicht schlecht, sondern eher recht gut gearbeitet hat.87 In Anbe- tracht der Tatsache, dass aber der Arbeitgeber sowohl die wesentlichen Vorteile aus der Arbeit seiner Angestellten zieht und noch dazu einen be- herrschenden Einfluss auf die – insbesondere sicherheitstechnische – Or- ganisation des Arbeitsplatzes hat, erscheint es unbillig, dem Arbeitnehmer

–––––––––––

82 Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 1 Rn. 16; Reuter, in: FS- Hilger/Stumpf, 573 (591).

83 Raulf, Die Haftung des Arbeitgebers für Schäden des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Fahrten mit dem Privat-PKW (1999), S. 2.

84 Olzen, in: Staudinger, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 39.

85 Vgl. dazu Kapitel B. – Zurechnungsprinzipien, im Einzelnen: Veranlasserhaftung, Risikohaf- tung, Garantie- und Vertrauenshaftung, Aufopferungshaftung, Billigkeitshaftung.

86 Rother, S. 268.

87 Scheuerle, RdA 1958, 247 (252).

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das gesamte Risiko der Entstehung von Eigenschäden über seine Dienst- zeit aufzuerlegen.88

Da in den vorgenannten Fällen die Verschuldenshaftung nicht eingreift und eine gesetzlich normierte verschuldensunabhängige Haftung nicht existiert, weist das arbeitsrechtlichen Haftungssystem eine Regelungslücke auf.89 Es gilt deshalb zu überprüfen, ob eine Haftung des Arbeitgebers in diesen Fällen auch ohne Verschulden zu begründen ist, um einen angemes- senen Schutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten.

1. Arbeitsrechtliche Gefährdungshaftung

Eine Haftung des Arbeitgebers könnte zunächst im Rahmen einer allge- meinen Gefährdungshaftung bestehen. Wie bereits bei den Zurechnungs- prinzipien erläutert, ist der Ausgangspunkt der Gefährdungshaftung im Allgemeinen der Gedanke der Schaffung übermäßigen Gefahrenquelle.90 Derjenige, der eine als übermäßig eingestufte Gefahr schafft, unterhält oder ausnützt, soll auch die Verantwortung für einen aus einer solchen Gefahr resultierenden Schaden übernehmen.91 In einer solchen Haftung soll damit kein Ausgleich für erlittenes, vorwerfbares Unrecht vorgenom- men werden, sondern vielmehr eine gerechte Verteilung des bestehenden Risikos erfolgen.92

Überträgt man diesen allgemeinen Gedanken auf das Arbeitsrecht und damit auf die Haftung des Arbeitgebers, spricht man von einer vom „Ver- schulden [des Arbeitgebers] unabhängigen, lediglich auf einer durch die betriebliche Tätigkeit veranlasste Risiken beruhende Haftpflicht“.93

Der Begriff der Gefährdungshaftung findet sich auch immer wieder in den Leitsätzen der einschlägigen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen.94 –––––––––––

88 Canaris, RdA 1966, 41 (45)

89 Blomeyer, in: FS-Kissel, S. 77 (87); Raulf, Die Haftung des Arbeitgebers für Schäden des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Fahrten mit dem Privat-PKW (1999), S. 4.

90 Vgl. Kapitel B – Zurechnungsprinzipien.

91 Deutsch, NJW 1992, 73 (74).

92 Koch, Der Eigenschaden des Arbeitnehmers (1982), S. 35; Larenz, Jus 1965, 373 (374).

93 Schwab, NZA-RR 2006, 505 (508).

94 BAG, Urteil vom 02.02.1962 – 1 AZR 385/57, NJW 1962, 835; Urteil vom 11.08.1988 – 8 AZR 721/85, AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 7; so auch Müller-Glöge, FS-Dieterich, S. 387 (388).

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23 Damit ist zunächst zu untersuchen, ob eine arbeitsrechtliche Gefähr- dungshaftung besteht, die zu einer Einstandspflicht des Arbeitgebers in den Fällen der Eigenschäden des Arbeitnehmers führt. Der Blick in die jeweiligen Urteilsbegründungen zeigt jedoch, dass sich die Verwendung des Schlagwortes Gefährdungshaftung dabei als „Mogelpackung“ erweist.

Beispielhaft zeigt sich dies bereits in der Ameisensäure-Entscheidung des BAG.95 Denn schon im Rahmen dieser Entscheidung warf der Senat die Frage nach einer arbeitsrechtlichen Gefährdungshaftung auf, um diese dann mit Hinweis auf das Enumerationsprinzip abzulehnen.

Dieses Prinzip besagt, dass der deutsche Gesetzgeber alle Fälle der Ge- fährdungshaftung abschließend geregelt hat und dem deutschen Recht die Annahme einer allgemeinen Gefährdungshaftung fremd ist.96 Im Gegen- satz zu anderen Rechtssystemen beinhaltet das deutsche Haftungsrecht keine allgemeine oder bereichsspezifische Generalklausel der Gefähr- dungshaftung.97 Eine Gefährdungshaftung kommt nach dem Enumerati- onsprinzip nur in Frage, sofern der Gesetzgeber die Haftung für die jewei- lig konkrete Gefahrenquelle gesetzlich angeordnet hat. Entsprechend die- ser Regelungssystematik wurden zahlreiche Sondertatbestände geschaffen, deren Regelungsbereich jeweils nur konkrete Anlagen oder Tätigkeiten umfasst (bspw. § 7 Abs. 1 StVG, § 1 ProdHaftG, § 1 UmweltHG).98

Sofern weder ein schuldhaftes Handeln noch einer dieser Gefährdungs- haftungstatbestande einschlägig ist, kann diese vermeintliche Lücke nicht durch die analoge Heranziehung eines gesetzlich geregelten Gefährdungs- haftungstatbestandes geschlossen werden. In diesen Fällen bleibt es schlicht beim Verschuldensprinzip.99

Zum Teil wird dem Argument der fehlenden gesetzlichen Regelung ei- nes arbeitsrechtlichen Gefährdungshaftungstatbestandes aber damit entge- gengetreten, dass der Gesetzgeber selbst durch die Einführung der Unfall- versicherung einen lediglich aus sozialpolitischen Gründen geschaffenen Gefährdungshaftungstatbestand eingeführt habe.100 Es sei widersprüchlich, –––––––––––

95 BAG, Beschluss vom 10.11.1961 – GS 1/60, AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 2.

96 Vgl. zum Enumerationsprinzip bereits Kapitel B. – Zurechnungsprinzipien.

97 Wagner, Grundstrukturen des Europäischen Deliktsrechts, S. 189 (275 ff.).

98 Wagner, in: Münchener Kommentar, Vorbemerkung § 823 BGB, Rn. 16.

99 BGH, 25.01.1971 – III ZR 208/68, BGHZ 55, 229; Kort, NZA 1996, 854 (856).

100 Köbler, NJW 1969, 1413 (1414).

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