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Walkability setzt Maßstab

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Academic year: 2022

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Walkability setzt Maßstab

Urbanisierung beschreibt die Vermehrung, Ausdehnung oder Vergrößerung von Städten nach Zahl, Fläche oder Einwohnern, sowohl absolut als auch im Verhältnis zur ländlichen Bevölkerung. Deutschland bietet ein Beispiel, das sich seit geraumer Zeit verfolgen lässt: Nach Angaben der Vereinten Nationen sank die Zahl der auf dem Land lebenden Bewohner von 1950 bis 2016 von rund 22,4 Millionen auf circa 20,2 Millionen Menschen. Im gleichen Zeitraum nahm die Stadtbevölkerung um über 23 Prozent zu, von 47,8 Millionen auf 62,3 Millionen Menschen. Prognosen zufolge sollen bis zum Jahr 2050 sogar etwa 60,2 Millionen Menschen in den Städten leben – im Vergleich zu nur noch 12,4 Millionen Menschen auf dem Land.

Die Landbevölkerung schrumpft, die Stadtbevölkerung wächst. Beide Phänomene führen zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Der Begriff der Abwanderung erinnert zunächst an ostdeutsche Regionen. Inzwischen betrifft der Wegzug vor allem junger Menschen auch Teile Westdeutschlands. Die Daseinsvorsorge ist deshalb ein wichtiges Thema in den ländlichen Räumen. Der Bevölkerungsschwund wirkt sich in hohem Leerstand und Angebotsüberhängen auch auf die Wohnungsmärkte aus. Ein weiterer Aspekt ist das regionale Fachkräftedefizit und die damit verbundene mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ländlicher Regionen.

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Expansion und Mietpreisdruck

In den Städten dagegen fördert die wachsende Bevölkerung die wirtschaftliche Entwicklung. Die entstehenden Wachstumsimpulse verstärken sich selbst, denn Regionen mit Wirtschaftswachstum ziehen neue Bewohner an. In der Folge expandieren Wohnungsmärkte in Metropolregionen und der Mietpreisdruck steigt. Positiv ist dort die wachsende Anzahl von Fachkräften. Die Ausdehnung des Berliner Stadtgebiets etwa übertraf sämtliche Prognosen. Das Wachstum erfolgte „bottom-up“, beispielsweise durch die Ansiedlung junger Gründer, denen weitere Mitarbeiter gefolgt sind. Ein kreatives Umfeld steigert das Innovationspotenzial.

Somit basiert der wirtschaftliche Erfolg einer Stadt auch auf Kreativität.

Die zunehmende Abwanderung aus ländlichen Gebieten in die Metropolen bedeutet auch, dass sich s t ä d t i s c h e L e b e n s - , W i r t s c h a f t s - u n d Verhaltensweisen verändern; es bildet sich eine neue Lebenskultur. Ein Anhaltspunkt hierfür ist die steigende Bedeutung des öffentlichen Nahverkehrs.

Viele Städte und Kommunen versuchen kontinuierlich, Liniennetz und Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern. Ihr Ziel ist es, den öffentlichen Nahverkehr so zu gestalten, dass er verträglicher für Stadt und Umwelt wird und das Verkehrsaufkommen reduziert. Das Umdenken vieler Menschen fördert diese Entwicklung.

Wohnen in der Nähe zum Büro

In der Vergangenheit nutzten sie lieber das Auto statt öffentlicher Verkehrsmittel. Inzwischen bildet sich ein ökologisches Bewusstsein. Zudem steigen die

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Ansprüche an Freizeit und Arbeit: Beides soll nach eigenem Ermessen gestaltet und miteinander verknüpft werden. Junge Menschen sind wertvoll für viele Unternehmen, da sie mit ihrer Ausbildung und ihrem Fachwissen begehrte Talente sind. Sie wollen dort, wo sie arbeiten, auch leben, einkaufen oder einen Arzt aufsuchen. Wenn beide Eltern berufstätig sind, möchten sie die Kinder auf dem Weg zur Arbeit in den Kindergarten oder die Schule bringen. Ebenso schätzen Alleinstehende die Nähe von Wohnort und Arbeitsplatz sowie das kulturelle Angebot einer Stadt. Die Nähe zum Büro erleichtert zudem das soziale Netzwerken, mittlerweile ein wichtiger Aspekt in vielen Berufen.

Zeit ist kostbar für Arbeitnehmer. Im Alltag soll alles am besten fußläufig erreichbar sein. Das belegt eine Studie des Immobilien-Dienstleisters Savills aus dem Jahr 2016. Befragt wurden Vertreter der Generationen X (Jahrgänge 1964 bis 1981) und Y (Jahrgänge 1982 bis 2000), wie sie sich das Büro der Zukunft vorstellen. Generation Y legt Wert auf die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und fordert mehr Zeit für Freunde, Partnerschaften und sich selbst. Wichtig ist ihnen ein flexibles, inspirierendes Arbeitsumfeld, damit sie ihr Potenzial ausschöpfen können. Für Generation X stehen kreative und motivierende Arbeitsinhalte im Vordergrund. Sie muss Arbeit als sinnvoll empfinden und Spaß daran haben. Befragt nach ihren Präferenzen geben beide Generationen an, dass vor allem Einkaufsmöglichkeiten und Grünflächen wichtig sind, die sie fußläufig von ihrem Büro aus erreichen können. Mehr als drei Viertel der Befragten (78 Prozent) halten die Nähe eines Supermarkts und einer Drogerie für sehr wichtig. Grün- und Parkflächen

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finden 70 Prozent der Befragten wichtig, gefolgt von C a f é s , R e s t a u r a n t s u n d Ä r z t e n . B e i d e m Verkehrsmittel, mit dem man gern zur Arbeit kommen würde, sind die beliebtesten Alternativen zum Auto das Fahrrad, der Weg zu Fuß und öffentliche Verkehrsmittel. Generell nutzen Befragte zwischen 25 und 44 Jahren häufiger das Auto als Befragte unter 24. Die bis 24-Jährigen fahren mit Bus, Bahn, Fahrrad oder laufen.

Eine Frage der Reichweite

„Walkability“ bezeichnet den Trend, alles in wenigen Gehminuten vom Büro aus erreichen zu wollen und allenfalls auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen zu sein. Die Attraktivität von Städten und Bürozentren steigt, wenn sie die Walkability- Kriterien erfüllen. Dazu gehören eine guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, die Verfügbarkeit von Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsangeboten, die Nähe zu öffentlichen Grünflächen sowie das Image als sichere und freundliche Umgebung. Das schätzen vor allem Menschen, die in wissens- und technologieintensiven Sektoren arbeiten.

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Bildquelle: United Nations, Stand 2014

E u r o p a w e i t w ä c h s t i h r A n t e i l a n d e r A r b e i t n e h m e r s c h a f t . S i e s i n d w i c h t i g f ü r zukunftsorientierte Unternehmen, die sich im Konkurrenzkampf um Fachkräfte einen Vorteil verschaffen können, indem sie mehr Arbeitsplätze in Walkability-freundlichen Vierteln bieten. Solche Standorte haben auch Vorteile für Unternehmen: Die richtige Büroimmobilie kann dazu beitragen, dass sich eine starke Marke und Unternehmenskultur bilden. Die Zusammenarbeit der Mitarbeiter wird gefördert und Prozesse lassen sich effizienter g e s t a l t e n . A u c h d i e N ä h e z u K u n d e n u n d Geschäftspartnern kann sich auszahlen. Wieder ist Berlin ein gutes Beispiel. 2008 verlegte der P h a r m a k o n z e r n P f i z e r n a c h 5 0 J a h r e n s e i n e Deutschlandzentrale von Karlsruhe nach Berlin und steuert nun von dort die Onkologie-Abteilung für

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rund 50 Länder. Als Grund gab das Unternehmen an, das kreative und wissenschaftliche Potenzial der Stadt nutzen zu wollen.

Leben und Arbeiten in den Metropolregionen verändert s i c h n a c h h a l t i g u n d b e d i n g t d a d u r c h n e u e Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt. Dies belegt die europaweite Umfrage „Emerging Trends in Real Estate“ der Unternehmensberatungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) von 2017. Demnach berücksichtigen Investoren Faktoren wie die t a t s ä c h l i c h e u n d s o z i a l e I n f r a s t r u k t u r , Lebensqualität, Diversität, zukunftsorientierte Stadtverwaltungen sowie Nachhaltigkeitsaspekte bei der Anlage in Immobilien. 77 Prozent der Befragten richten ihre Immobilien-Strategien an demografischen und sozialen Entwicklungen aus. 41 Prozent stimmen zu, dass sich die Etablierung eines Standorts zum bedeutendsten Faktor für die Rendite der Immobilien entwickelt. Entsprechend steigt das Interesse an Büroimmobilien, die Walkability-Kriterien erfüllen.

Die „vier Ds“ helfen, attraktive Bürogebäude an Walkability- Standorten zu identifizieren. Density beschreibt, wie viele Ziele fußläufig erreichbar sind. Unter Destination versteht man die räumliche Verteilung und Bedeutung der Örtlichkeiten, die innerhalb eines bestimmten Radius liegen. Diversity of Uses bezieht sich auf die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten dieser Ziele, während Design die Attraktivität des Standorts aufgrund von Architektur und Straßenführung beschreibt.

Bei der Beurteilung der Immobilien spielen allerdings auch übergeordnete Faktoren der einzelnen Städte eine Rolle. Quantitative Kriterien sind zum

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Beispiel generelle Arbeitsmarktzahlen, der Anteil berufstätiger Menschen in wissensintensiven Branchen, die historische und prognostizierte Entwicklung der Bevölkerung, der allgemeine Bildungsstand oder das Pro-Kopf-Einkommen. Zu q u a l i t a t i v e n A s p e k t e n z ä h l e n d i e P r ä s e n z verschiedener Wirtschafts- und Industriebranchen, das Potenzial für die Etablierung weiterer Unternehmen und Sektoren, die industrielle Entwicklung der Stadt oder ihr Image.

Trend aus den Vereinigten Staaten

In den USA wurde der Trend der Walkability früher entdeckt als in Deutschland. 2007 entwickelten F o r s c h e r d o r t d e n „ W a l k - S c o r e “ , d e s s e n Funktionalität inzwischen mehrfach nachgewiesen wurde. Der Index berücksichtigt unter anderem nahegelegene Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Grünflächen, Bibliotheken, Cafés und Restaurants, die in bis zu 30 Gehminuten erreichbar sind.

Entsprechend werden Punkte auf einer Skala von null bis 100 vergeben. Je höher die Bewertung des Walk- Score liegt, desto attraktiver ist die Immobilie.

Der Konzern Bombardier verlegte seinen Hauptsitz innerhalb Berlins an den Potsdamer Platz und erreichte damit einen Walk-Score von 92, im alten Quartier in Henningsdorf waren es nur 39 Punkte.

Aus Sicht professioneller Investoren erweisen sich Anlagen in Büroimmobilien mit hohem Walk-Score als lukrativ, weil der Kapitalzuwachs hier besonders stark ist. Die Wertsteigerung des investierten K a p i t a l s i s t i n f u ß g ä n g e r f r e u n d l i c h e n Geschäftsvierteln in US-Städten doppelt so hoch wie in autoabhängigen Vororten. Darüber hinaus zeichnen s i c h d i e s e I m m o b i l i e n d u r c h w e i t g e h e n d

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konjunkturunabhängige Rendite, einen geringeren Leerstand, höhere Einzelhandelsumsätze sowie nachhaltig höhere Mieten aus. Zudem ist das Risiko geringer, weil die Mieter seltener wechseln und tendenziell breiter strukturiert sind.

Bei der Wahl geeigneter Objekte sollten Investoren sowohl die Möglichkeiten des sogenannten Place- Pickings als auch des Place-Makings berücksichtigen.

Bei Ersterem selektiert man Immobilien in geeigneter Mikrolage in Städten, die sich zeitnah zu regionalen Zentren entwickeln werden. Bei Place-Making wählt man Anlageobjekte in Top-Städten, bei denen sich der Standort aber noch entsprechend der Walkability- Kriterien entwickeln muss. Das kann sich besonders langfristig als lukrativ erweisen.

In Deutschland wird es für professionelle Investoren zunehmend schwieriger, attraktive Immobilien zu vertretbaren Preisen zu finden. Auf der Suche nach Überrenditen werden oft höhere Risiken missachtet, die mit einigen Strategien einhergehen. Um Erträge zu erwirtschaften, weichen viele Immobilien- Asset- Manager von ihren präferierten Anforderungsprofilen ab. In Zyklen steigender Preise investieren sie in engere Märkte und höhere Risikoklassen. Das kann während konjunktureller Schwankungen zu Verlusten führen.

Deshalb sollte man langfristige gesellschaftliche E n t w i c k l u n g e n b e r ü c k s i c h t i g e n . A k t u e l l vielversprechend ist eine Core-Plus- bis Value-Add- S t r a t e g i e m i t F o k u s a u f B ü r o i m m o b i l i e n a n Walkability-Standorten in starken Städten. Bei der Wahl der Immobilien sollte man die Walkability- Kriterien unbedingt beachten und neben der Lage auch

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das Potenzial der Mieteinnahmen einbeziehen. //

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