Kinderklinik Perinatalzentrum Flensburg
Besonderheiten bei Notfällen mit Kindern
ZNA Symposium der DIAKO Flensburg
PD Dr. med. Michael Dördelmann
Kinderklinik Perinatalzentrum Flensburg
Kinderklinik
Besonderheiten von Notfällen im Kindesalter
• Allgemeines
• Psychische und physiologische Besonderheiten bei Kindern und deren Konsequenzen
• Ausgewählte „Not“situationen
• Schmerz Evaluation
• Respiratorisch
• Fieber
• Anaphylaxie
• Verbrühung
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Was fürchten Notärzte ?
Zink. Anaesthesist 2004
Kinderklinik
Trias:
• geringe Routine
• Ganz anders
• Schwierig und zeitkritisch
+ Emotionen (eigene + andere) + Begleitung (Eltern)
Warum fürchten Notärzte Kindernotfälle ?
Jöhr. Anästhesiol Intensivmed 2005
Eich. Anaesthesist 2009
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Geringe Routine
Kindernotfälle sind selten
Nagele, Anästhesist 2000
5%
Kinderklinik
Kindernotfälle sind schwierig, weil so vielfältig
Altersspezifische Probleme / Vitalwerte Gewichtsangepasste Hilfmittel
Gewichtsangepasste Medikamente Altersspezifische Erkrankungen
………….
………….
………….
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Kinder Notfälle sind anders
Ätiologie des Atem-Kreislauf-Stillstands
Meist sekundär (hypoxisch)
Meist primär (kardial)
Kinderklinik
Kindernotfälle sind anders pulmonal sehr wenig Reserve
Erwachsener
• Durchmesser -25%
Säugling Kleinkind
• Durchmesser -50%
• Enge Atemwege
- „banale“ Schleimhautschwellung ggf. hochsignifikant
• Reserve bei Atemminutenvolumen
- respiratorisch schnell erschöpft
• Residualkapazität + O 2 -Verbrauch:
O 2 -Reserven, hohe Hypoxiegefahr
- Zeit bei Intubation (ca. 30-60 Sek bei < 1 Jahr)
- meist besser Maske/Beutel-Beatmung !
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Kinder Notfälle sind anders
Zugang zum Patienten und dessen Eltern
• Schwierige Interaktion (kognitiv und emotional)
• Empathie, Ablenkung und Trost (Kuscheltier)
• Nahestehende Personen mit einbeziehen
und möglichst bei diesen belassen !
Kinderklinik
Stationäre Einweisung (50%)
† (2.2%) Lebensgefahr (5%)
Reanimation
Kinder Notfälle sind zeitkritisch
Bei Lebensgefahr besteht hohe Mortalität (50%)
ambulant
Ø
Schweregrad des Notfalls (NACA-Score)
1 2 3 4 5 6 7
Invasive Therapie (25%)
Eichl. Resuscitation 2009
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Wie erkenne ich die wenigen wirklich kritisch kranken Kinder Trotz schwieriger Kommunikation und Abwehr
Zentrales Nervensystem
• Ansprechbarkeit
wenig reagierend, Koma
Atemwege
• Hautfarbe: blass, grau, blau
• schwere Tachy-/ Dsypnoe
Kreislauf
• kapilläre
Füllungszeit > 3s
Kinderklinik
pulmonal sehr wenig Reserve
Keep Atemwegsmanagement easy !
Erwachsener
• Durchmesser -25%
Säugling Kleinkind
• Durchmesser -50%
• Enge Atemwege
- „banale“ Schleimhautschwellung ggf. hochsignifikant
• Reserve bei Atemminutenvolumen
- respiratorisch schnell erschöpft
• Residualkapazität + O 2 -Verbrauch:
O 2 -Reserven, hohe Hypoxiegefahr
- Zeit bei Intubation (ca. 30-60 Sek bei < 1 Jahr)
- meist besser Maske/Beutel-Beatmung !
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Atemwegsmanagement: Lagerung, Hilfsmittel
Verlegung der oberen Atemwege (technisch / krankheitsbedingt)
Eich C et al. Anaesthesist 2011
Eich C, Funke OR. Paediatr Anaesth 2015
• Neutralposition
• in den Kieferwinkel fassen
• Kiefer nach oben ziehen
• Mund offen halten
• Güdeltubus nötig ?
Kinderklinik
Atemwegsmanagement
„keep it easy“ und nicht invasiv
Larynxmaske
schon ab 2,5-3kg ! Maskenbeatmung
1. Wahl, alle Gewichtsklassen
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Atemwegsmanagement – „keep it easy“
Rachentubus
Alternative bei Säuglingen
Kinderklinik
Invasives Atemwegsmanagement für
„sportliche“ und „fortgeschrittene“
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n 416 82
Alter [a] 0-12 0-14
Erfolgreich intubiert [%] 56-67! 98,3 (+ 1 LMA)
Überleben [%] 26,4 76,8
„gute“ Neurologie [%] 52,7 85,7
Atemwegsmanager Non-Anästhesist Anästhesist
Allan. JAMA 2016 Gausche. JAMA 2000 Eich. Resuscitation 2009 Biarent. Resuscitation 2010
Achtung: Keine evidenzbasierte Empfehlung zur
präklinischen Intubation von Kindern
Kinderklinik
Kindernotfälle sind schwierig
Problem: finde die Vene in einem Versuch (90sec)
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Keine Vene ? Lösung 1: intranasal Analgesierung, Sedierung, Krampfanfall
Borland A. Ann Emerg Med 2007
Lahat E. BMJ 2000
Kinderklinik
Keine Vene ? Lösung 2: intraossär Kritischer Notfall – alle Medikamente
1x frustraner iv-Versuch
► Intraossär geht immer !
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Zugangsweg: intraossär
• Nadel senkrecht bis zum
Knochenkontakt stechen (nicht bohren!)
• Ohne Druck bohren bis
Widerstandsverlust spürbar
• Trokar entfernen, Infusion anschließen
• Fixieren
• I.d.R. Druckinfusion erforderlich
Eich. Anästh Intensivmed 2010
15mm bis 40kg
25mm ab 40kg
45mm
Kinderklinik
Zugangsweg intraossär
proximaler Humerus ab > 5 Jahre
proximale Tibia jedes alter
distale Tibia
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Kindernotfälle sind schwierig, weil so vielfältig
Altersspezifische Probleme / Vitalwerte Gewichtsangepasste Hilfmittel
Gewichtsangepasste Medikamente Altersspezifische Erkrankungen
………….
………….
………….
Kinderklinik
Lösung: z.B. Broselow
Gewichtadaptiertes
• Rea-Equipment
• Medikamente
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Schwierigkeiten der (präklinischen) Schmerztherapie
• Unterschätzen Schmerzintensität (fehlende Schmerzmessung)
• Kein praktikables Schmerzkonzept
• Unsicherheit bzgl. Wahl, Dosis und Applikation der Medikamente
• Angst vor unerwünschten
Wirkungen (Übelkeit/Erbrechen,
Atemdepression und Juckreiz)
Kinderklinik
KUSS Skala
Kindliche Unbehagen-Schmerz Skala
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Einfache und sichere (!) Analgesierung, Sedierung
Borland A. Ann Emerg Med 2007
Lahat E. BMJ 2000
Kinderklinik
Atemwegserkrankungen: Inspiratorisch z.B. Pseudo-Croup
Erstmassnahmen
• Ruhe bewahren !!!!, O 2 geben
• bei Eltern belassen, aufrecht sitzen, Kind beruhigen („frische Luft“)
• Steroide:
- Prednisolon (Rectodelt) supp/po (5-10mg/kg) - alternativ: Dexamethason po (0,5mg/kg)
• Feuchtinhalation (Vernebler) mit O 2 ! - Micronephrin (Infectokrupp)
- alternativ: Supra 1:1000, 1ml+4ml NaCl 0.9%
• Nasentropfen !
• Sedierung vorsichtig !
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Atemwegserkrankungen expiratorisch:
Asthma / Bronchitis
Erstmassnahmen
• Aufrecht hinsetzen, Beruhigung
• Sauerstoff FiO 2 : 1.0 (Brille, Maske)
• Salbutamol, Fenoterol Spray
- Inhalierhilfe (Spacer, Vernebler)
• Steroid
- Prednisolon supp/po (5-10mg/kg) - altern. Dexamethason po (0,5mg/kg)
• ggf. iv-Zugang
- Steroide: Prednisolon 5-10mg/kg
- Theophyllin 5-10 mg/kg
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Atemwegserkrankungen: Fremdkörper – Aspiration ... ist immer ein Notfall !
Jede akute Luftnot mit starken Hustenattacken beim Kind kann durch einen
Fremdkörper bedingt sein
• Hauptalter 6 Monate – 2 Jahre
• Grad der Verlegung inkomplett - komplett 70%
30%
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Inkomplette Verlegung Komplette Verlegung
Kind kann
weinen, husten, sprechen Kind kann nicht
weinen, husten, sprechen
• Ruhe ! O 2 -Gabe
• Keine Massnahmen zur Fremdkörperentfernung
• In bequemer, aufrechter Position belassen
Immer Hilfe holen + Bronchoskopie
• Sofort Massnahmen zur Fremdkörperentfernung ergreifen
• Plötzliches Erhöhen
des intrathorakalen Druckes
(künstlicher Husten)
Kinderklinik
„Fieber und Flecken“
cave Meningitis
Verdacht: „Hautausschlag“, apathisch „krankes“ Kind, Meningismus
• früh: petechiale (punktförmige) Einblutung (<2mm)
• spät: nekrotisierende (flächige) Einblutung (>2mm)
Sofortiges Handeln, vitale Bedrohung
Prognose (Mortalität/Versterben)
Meningitis (⅔) 1-2%
Sepsis (⅓) 30%
Wasserglastest
Flecken lass sich nicht wegdrücken
Aufnahme 2 h später
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Vergiftungen / Ingestionen
Haushaltsmittel Medikamente Pflanzen
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• Ruhe bewahren und Kind beruhigen !
• Bei ätzenden Substanzen (z.B. Reiniger)
- Tee, Wasser oder Saft zu trinken geben (Spülung).
• Kein Erbrechen auslösen. Egal, welches Gift ! - Ätzende Substanzen wirken dann 2. Mal - Schäumende und ölige Substanzen
gelangen in die Lunge
• ggf. Aktivkohle (ggf. Magensonde)
• Symptomatische Therapie
Vergiftungen - Erstmassnahmen
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Allergie – Anaphylaxie
v.a. Nahrungsmittel- / Insektenallergie
Kinderklinik
58% 24% 8%
Schwerste und bedrohliche Form einer
(schnellverlaufenden!) allergischen Reaktion
Kann den ganzen Körper betreffen und bis zum allergischen Schock führen
Anaphylaxie bei Kindern
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Zeichen einer anaphylaktischen Reaktion
Grad Haut Verdauungstrakt Atemwege Herz-Kreislauf
I Juckreiz, Rötung, Quaddeln,
Schwellung
- - -
II Juckreiz, Rötung, Quaddeln,
Schwellung
Übelkeit,
Bauchkrämpfe
Schnupfen
Heiserkeit/Husten Luftnot
Herzrasen
Schwindel/Angst /Unwohlsein
III Juckreiz, Rötung, Quaddeln,
Schwellung
Erbrechen Durchfall
schwere Luftnot
pfeifende Atemgeräusche
Schock
IV Atemstillstand Kreislaufstillstand
Zeitlicher Verlauf ist nicht vorhersehbar
• Symptome sofort (80%)
• Symptome zunächst ↓, nach 1-8 Stunden wieder da (20%)
+ +
±
±
±
±
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Anaphylaxie – Therapie: Grad 1(-2)
Salbutamol-Inhalation Antihistaminikum
Kortison supp oder -Saft
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Anaphylaxie – Therapie: Grad ≥ 2
sofort
Adrenalin und ggf. Salbutamol
+
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Anaphylaxie – Therapie: Grad ≥ 2
• durch den Stoff
• keine Desinfektion
• Autoinjektor fest drücken
• Spritze löst aus (Klick !)
• 10 Sek. belassen
• fast schmerzfrei
Sicherungskappe ziehen
Nicht auf Spitze drücken !
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Anaphylaxie – Therapie:Grad ≥ 2 in 70% keine adäquate Anwendung !
• “Scheu“, Adrenalin in den Muskel (i.m.)
einzusetzen
• Fehlende
“Kompetenz“
• Nicht geeignetes Material
• Fehlende Schulung
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• Hochrisikogruppe: Säuglinge und Kleinkinder
• Thermischer Unfall fast immer im häuslichen Milieu
• Tasse Tee 30% KOF beim Kleinkind
Verbrühung und Verbrennung
60% Verbrühungen 30% Kontakt 10% Verbrennung
Cave : 10 - 20% aller thermischen Verletzungen im Kindesalter sind Folgen einer Misshandlung
(typisches Muster)
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Verbrühungen / Verbrennung Hier zählen Sekunden
• für 5-10 min unter
20°C Wasser (lauwarm !)
• positiver Effekt v.a. innerhalb der 1 ersten Sekunden
• Cave: Hypothermiebedingte Vasokonstriktion ► Nachtiefen der Verbrennung
Auskühlung bei Kleinkindern (Letalität +43%)
• Schmerztherapie !
• Fentanyl 2/kg
• Ketanest 4/kg
Kinderklinik
Zusammenfassung: Maßnahmen für jeden Notarzt
sicher
&
effektiv
unsicher
schwer leicht
erlernbar
Nach: Landsleitner B (2011)
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Zusammenfassung: Maßnahmen für Kinderversierte
sicher
&
effektiv
unsicher
schwer leicht
erlernbar
Nach: Landsleitner B (2011)
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20 %
20 % 80 %
80 %
Maßnahmen Effekt
Vilfredo Pareto (1948-1923)
Zusammenfassung
Prioritäten setzen: 80:20-Regel (Pareto-Prinzip)
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• Kindernotfälle sind häufig mit Angst und Stress verbunden
• Schwerwiegende Kindernotfälle sind präklinisch selten
• häufiges ist häufig: Respiratorische Störungen +
Krampfanfälle + Traumata > 80% der präklinischen Fälle
• Die sichere Einschätzung und Kontrolle von Atemwegen, Be-Atmung und Circulation ist essentiell !
• Schnell, situationsangepasst und symptomatisch therapieren !
• Wenige, einfache und effektive Maßnahmen priorisieren !
Zusammenfasung
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