Institut für Heilpädagogik Fabrikstrasse 8, CH-3012 Bern
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Förderplanung im Unterricht
Verena Schindler, Georg Bühler und Michael Eckhart
1 Gütekriterien
Zu den Zielen einer guten Schule gehört die Entwicklung einer Lerngemein- schaft, die Vielfalt integriert. Damit verbunden ist die Förderung eines indivi- dualisierten Unterrichts, der alle Schülerinnen und Schüler mit einem ihrem Lern- und Entwicklungsniveau entsprechenden Lernangebot herausfordert. Bei der Realisierung dieser Zielsetzungen wird bei einigen Schülerinnen und Schü- lern eine detaillierte Förderplanung notwendig.
Was ist dabei zu beachten? Wie kann konkret vorgegangen werden? Es sind vielfältige Wege möglich. Stets ist eine Förderplanung jedoch Teil eines Kreis- laufs. Dazu gehören die begründete Entscheidung, zu welchem Förderbereich Beobachtungen und Erfassungen durchzuführen sind, wie und was nachvoll- ziehbar dokumentiert und theoriegeleitet interpretiert wird und welche Förder- ziele formuliert werden sollen. Der Kreislauf charakterisiert sich durch ver- schiedene Aspekte, die bei jeder Förderplanung zu beachten sind.
Diagnose und Förderung im Prozess
Die Förderung von Schülerinnen und Schülern basiert nicht auf einer einmali- gen, abgeschlossenen Bestandsaufnahme, sondern auf einem Mosaik von kontinuierlichen Beobachtungen und Datenerhebungen. Förderdiagnose ist stets auch Begleitdiagnose, interessiert an den Entwicklungsprozessen des Lernens, offen für neue, auch erwartungswidrige Erkenntnisse und für individu- elle Anpassungen von Förderzielen und -massnahmen.
Für die Lehrperson bedeutet das: Sie vermeidet statische Zuschreibungen und nimmt in verschiedenen Bereichen Entwicklungsschritte wahr.
Alltagsereignisse und Schülerprodukte
Alltagsereignisse und Schülerprodukte bieten bei der Datenerhebung vielfältige Chancen. Unterrichtsintegriert lassen sich Vorgehensweisen beobachten. Lau- tes Denken der Schülerinnen und Schülern und die Analyse von schriftlichen Produkten geben Einblick in deren Lern- und Denkprozesse (bspw. bei Texten;
mathematischen Lösungswegen). Gespräche ermöglichen Einblicke in emotio- nale Befindlichkeiten und soziale Vorgänge.
Für die Lehrperson bedeutet das: Förderdiagnostische Tätigkeit ist stets auch integrierter Bestandteil des pädagogischen Handelns im Unterricht.
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Theoriebezug als Verstehensgrundlage
Im Prozess der Datenerhebung ermöglicht theoretisches Wissen die Erfassung der für einen bestimmten Förderbereich relevanten Informationen. Zu diesem Wissen gehören pädagogische, (fach-)didaktische sowie lern- und entwick- lungspsychologische Kenntnisse. Theorie trägt hier zu einer differenzierten Wahrnehmung bei.
Im Prozess der Dateninterpretation ergeben sich durch den Theoriebezug die Kriterien zur Analyse von Lernprozessen, Schülerprodukten und Situationen.
Brauchbare förderdiagnostische Instrumente legen diesen Theoriebezug offen.
Für die Lehrperson bedeutet das: Ohne Theoriebezug lassen sich diagnosti- sche Informationen weder verstehen noch begründet für die Förderplanung nutzen.
Ressourcen und behindernde Bedingungen
Der förderdiagnostische Prozess fokussiert nicht auf Defizite und Lernschwä- chen der Schülerinnen und Schüler. Gesucht wird nach Ressourcen und An- knüpfungspunkten des Lernens. Dabei interessieren sowohl die fördernden wie auch die behindernden Bedingungen des Lernens. Mit welchen Lernbedingun- gen sieht sich das Kind bzw. der/die Jugendliche konfrontiert - sowohl in sei- nem sozialen und materiellen Umfeld, wie in Bezug auf seine eigenen Lernvor- aussetzungen?
Für die Lehrperson bedeutet das: Zu fragen ist, welche Bedingungen wie be- einflusst werden können und welche der Kompensation bedürfen.
Mehrperspektivität im Team
Förderdiagnose beruht auf einer mehrperspektivischen Sichtweise. Nicht alle sehen, erleben und verstehen gleich. Es gibt verschiedene Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Deutungsweisen. Mehrperspektivität ergibt sich zum einen durch den Einbezug mehrerer am Bildungsprozess der Schülerinnen und Schüler be- teiligter Personen. Zum andern lässt sie sich durch eine bewusste Ausweitung der theoretischen Perspektiven und möglichen Interpretationen erreichen. Zur Mehrperspektivität gehört z.B. der Einbezug der Perspektive der Schülerin bzw. des Schülers und der Eltern.
Für die Lehrperson bedeutet das: Mehrperspektivität gilt es bewusst herzustel- len.
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Transparente Vorgehensweisen
Förderdiagnose spielt mit ‚offenen Karten’. Die Entstehung einer Förderpla- nung sowie die Festlegung von Förderzielen sind ein für alle Beteiligten nach- vollziehbarer Prozess. Förderdiagnostisches Arbeiten bedingt Klarheit in Bezug auf die Dokumentationsformen. Der Einsatz von Erfassungsinstrumenten wird offen gelegt, Beobachtungen, Test- und Erfassungsresultate sowie deren In- terpretation werden transparent kommuniziert. Dies ermöglicht ein konstrukti- ves Mitdenken aller Beteiligten.
Für die Lehrperson bedeutet das: Sowohl gegenüber der Schülerin bzw. dem Schüler wie gegenüber anderen Lehrpersonen und Eltern ist grösstmögliche Transparenz anzustreben.
Version 4; Januar 2013