Vortrag beim Klima-Regio-Kongress in Kassel Am 14.6.2016
Prof. Heiner Monheim
Raumkom Institut für Raumentwicklung und Kommunikation Trier
Aktuelle Trends der Verkehrs-
entwicklung und Herausforderungen
für eine Verkehrswende
Kap. I
Ausgangslage. Klare Herausforderungen und
„Hausaufgaben“
Neue Herausforderungen
• Klimawandel erfordert massive CO2 Reduktion, also Reduktion fossiler Verkehre
• Umweltziele erfordern massive NOx-, Feinstaub- und Lärmreduktion, also Reduktion fossiler Verkehre
• Flächenziele erfordern massive Verkehrsflächenreduktion
• Energiesparziele erfordern massive Reduktion des Verbrauchs fossiler Energien und damit fossiler
Verkehre
• Effizienzziele erfordern massive Reduzierung von Staus durch weniger Autoverkehr
• Fazit: Verkehrswende ist zwingend und erfordert einen starken, attraktiven Umweltverbund in Stadt und Land
Politische Hausaufgaben
Neue Rahmensetzungen (Arbeitgeberabgabe für ÖPNV, Bürgerticket, Nahverkehrsabgabe über die Grundsteuer, intelligente Maut mit hohem kommunalem Anteil)
– Kooperation Wirtschaft und ÖV – Kooperation aller ÖV-Anbieter – Direkt- und Dialogmarketing
Systemverbund mit dem Fahrrad (Radstationen,Leihradsysteme)
• innovative Radnetzplanung, Landesweite Netzplanung, Markierungen außerorts, Schnellradwege
ITF-Logik im ÖV
• Deutschlandtakt, BC 100 für Alle, Wegfall Netz- und Tarifgrenzen
Kap. II
Zukunft braucht Herkunft -kleine Historie deutscher
Verkehrsentwicklung
Busse und Bahnen als Lebensretter für die
ersten Nachkriegsjahre
Kap. III
Aktuelle Trends ermutigen, aber Potenziale müssen genutzt
werden
Wertewandel: Abschied vom Auto?
Bei den Jungen denkbar…..
Multi- und Intermodalität werden Realität!
Durch flexibleres Verhalten und neue Angebote wie Car Sharing, Car2Go, Fahrradverleihsysteme und alte Angebote wie Bike & Ride + Park & Ride
Trend zur Multi- und Intermodalität!
© raumkom 2011
Immer komplexere Mobilitätsmuster
„rund um die Uhr- Gesellschaft“
(Spätverkehr, Nachtnetze)
• Verlängerung und
Abflachen der „Spitzen“
• sehr viel mehr
Aktivitätenkoppelungen
• mehr inter- und
multimodale Mobilität
• hohe Bequemlichkeit- daher Kundennähe
entscheidend (z.B. 150 m Radien im ÖPNV)
Komplexere Raummuster
• Abbau der radialen Muster
• viele tangentiale Verbindungen
• einerseits stabiler
„Sockel“ der Nahmobilität
• Andererseits Zunahme der Aktionsradien
ÖV wächst beachtlich
Eine attraktive App kann Wunder bewirken….
Neue Dienstleistungen machen intermodale Verknüpfung immer einfacher …
…und erleichtern elektroni- schen Fahrkarten(ver)kauf
…beides ist wichtig für
Jüngere…
UBB als Paradebeispiel offensiver Angebotspolitik ländlich-touristischer
Bahnen
Innovation kleinstädtische Stadtbussysteme Lemgo als “Blaupause“
• Midbus, eigenes Design Fahrzeuge u. Haltestellen
• Hohe Haltestellendichte (10 x mehr)
• Durchmesserlinien
• Treffpunkthaltestelle an FGZ mitten drin
• Erfolg: ca. 20 x mehr
Fahrgäste, pro 10.000 E 1
Effiziente Qualitätssysteme in diversen
Klein- und Mittelstädten
Folgesysteme in Ostwestfalen
• Erst Lemgo /Detmold/
Bad Salzuflen
• Dann ganz OWL
• Klare Netze
• Klare Takte
• Lokales Image
• Offensives Marketing
Bedarfsgesteuerter und Selbsthilfe-ÖV
Bürgerbus, Bürgerauto (Angebote mit zeitlicher und räumlicher
Limitierung)
• betrieben im Ehrenamt
• Fahrzeuge bezuschusst
• organisiert von Vereinen
• Angebot für Räume und Zeiten schwacher
Nachfrage
Rufbus, AST, Rider Sharing
• Angebot auf
Vorbestellung, aber internetbasiert auch spontan
• Vertrauens- und Tarif-
Rahmen für massenhafte Nutzung muss noch
definiert werden
KombiBUS als Modell
In Finnland & Schweden wird beinahe der komplette ÖV auch zum Gütertransport genutzt! Das steigert die Effizienz der Systeme und bringt dem ÖV Einnahmen! Die UVG praktiziert den ersten Deutschen KombiBUS in der Uckermark
Car Sharing und Bike Sharing wachsen
Die Effizienz des Autos verbessern…Breite Etablierung von Car-Sharing und Car- Pooling auch im ländlichen Raum... Viele (auch touristische) Fahrradverleihsysteme
Pedelec-Boom ändert Vieles
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• den Aktionsradius, die Nutzlastfähigkeit, den Wert, das Image, die Reliefabhängigkeit
(Berge kein Problem mehr), den pol.
Stellenwert
Renaissance des Fahrrades
• Beim Lastentransport
• Als Personentransportmittel
• Als Werks/ Dienstfahrrad
• Als Gästefahrrad (Hotels)
• Als öffentliches Fahrrad
Fotos: Werbeplakat, Post, Jörg Thiemann-Linden
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Erfolgreiche Schnittstellen mit Radverkehr- B+R
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Kap. IV
Barrieren für eine Verkehrswende
Verkehrspolitiker denken, dass es ohne Auto nicht geht
Die meisten
Verkehrspolitiker sind ältere Herren
..…und traditionell emotional ans Auto gebunden…
… für sie bleibt
Deutschland „Autoland“
… und Straßenbau hat
darum höchste Priorität
Aber so kommt man nicht
weiter
Prof. Dr. Heiner Monheim
Großes Handlungsdefizit der Verkehrspolitik auf allen Ebenen
• Bund: BVWP weiter straßenfixiert
• DB: weiter großprojektfixiert
• DB: weiter auf Schrumpfkurs (IR, Nachtzüge, Güterbahnhöfe)
• ÖPNV: wenig Nachtnetze, wenig Orts- und
Stadtbusnetze und Quartiersbusnetze, wenig Bürgerbus- und Rufbussysteme
• ÖPNV: Tarifzersplitterung, viele Zugangsbarrieren, Schwarzfahrersyndrom, keine Generalabophilosophie
• Zu wenig ITF Philosophie
• Keine normativen Standards, ÖV als freiwillige Aufgabe
Abschied vom klassischen
(Massenmotorisierungs)Auto?
• 4 Mio. effiziente öffentliche Autos (Taxi, Car
Sharing, Rider Sharing) statt 45 Mio. ineffiziente private („Stehzeuge“)?
• Zukunft des autonomen Fahrens?
• Zukunft der Share Economy?
• Strukturwandel der Autoindustrie zur Mobilitätswirtschaft? Weg von der
Massenproduktion ineffizienter Stehzeugen zum
intelligenten Mobilitätswerkzeug?
Aber: Noch kein Wertewandel in der Politik
• Weiter starke Autofixierung bei den
Rahmensetzungen (Steuerrecht, Baurecht)
• Weiter starke Autofixierung bei den Investitionen (Straßennetzausbau, Parkraumausbau)
• Probleme der Massenmotorisierung werden ignoriert oder bagatellisiert (Klima, Feinstaub, Lärm, Fläche, Unfälle, Kosten/Defizit)
• Auto gilt immer noch als Wohlstandsgarant (fragwürdige Zahlenakrobatik)
• Stau ist das erfolgreichste Exportprodukt
Abschied vom klassischen ÖPNV zum intelligenten Mobilitätsservice?
• Ende der Korridorphilosophie? Zurück zur Flächenbahn
• Ende der Massenverkehrsphilosophie? Differenzierte ÖPNV Systeme
• Ende des „Defizitstigmas“? (das Autosystem kostet viel mehr als das ÖV-System, aber seine Defizite bleiben verdeckt)
• Ende der „Kleinstaaterei“, hin zu integralen Takt- und Tarifsystemen (ITF a la Schweiz, BC 100 für Alle-
Bürgerticket)
• Ausbau der kleinen Netze für die Nahmobilität,10 x mehr Haltestellen, viele Mini- und Midibusnetze
Integraler Taktfahrplan (ITF) sichert Effizienz
(z.B. Schweiz, Allgäu-Schwaben-Takt)• regelmäßige Abfahrtszeiten
• Ausrichtung der Fahrpläne an Knoten des ITF („Symmetrieminute“)
• Optimierung Anschlüsse:
Bus-Bus und Bus-Bahn
A-Stadt
D-Dorf
C-Stadt
B-Dorf u. 30 min
C-Stadt D-Dorf
Null-Knoten B-Dorf
D-Dorf C-Stadt
Elektromobilität hat glorreiche Vergangenheit und Zukunft:
Bahn, Straßenbahn, S-Bahn, O-Bus, Seilbahn und als neuer Trend das Pedelec….(Elektro-Fahrrad) als Schwerpunkte der E- Mobilität
Zukunft E-Mobilität?
Fahrrad raus aus der „niedlichen Nische“
• Boom bei Pedelecs
• Boom bei teuren Rädern
• Fahrradnutzung wächst
• Wirtschaft entdeckt Effizienz des Fahrrades als Betriebsmittel (Werksrad, Dienstrad, Lastenrad)
• Verdreifachung der mittleren und langen Distanzen
• Trend zum Zweit- und Drittrad (z.B. Faltrad)
• Boom bei Leihfahrradsystemen
Bike + Ride in allen Facetten
• Abstellanlagen an kleinen Bahnhöfen und Haltestellen
• Radstationen an großen Bahnhöfen
• Öff. Fahrradleihsys- teme mit Stationen an Haltestellen
• Fahrradmitnahme in
Bus und Bahn
Emanzipation der Fahrradplanung
• Verständnis für Netzdifferenzierung wächst
• Markierungslösungen (Angebotsstreifen) werden endlich Ernst genommen („sichtbar radeln“!)
• Fahrradstraßen werden endlich Ernst genommen
• Radstationen und Bike + Ride werden endlich angegangen
• Schnellradwege als Planungsaufgabe
• Grüne Welle für Hauptfahrradachsen
Strategiewechsel nötig
Nicht trendverlängern sondern „raus aus dem Stau durch weniger
AAutoverkehr“ + ÖV-Ausbau durch….
– mehr lokale Netze (Feinerschließung)
– Viele neue Schienenhaltepunkte und Bushaltestellen
– neue Regionalbahn/S- Bahnsysteme
– ITF Logik konsequent beachten – Betriebl. Mobilitätsmanagement
(Rider Sharing, Car Sharing, Job- Ticket-Offensive)
Daraus resultieren große Chancen
Raumstrukturell: Potenzial für viele neue Orts- und
Stadtbussysteme, Potenzial für Schienenreaktivierungen, Potenzial für viele neue Bahnhöfe/Haltepunkte, Potenzial für systematischen Paratransit
Ökonomisch: Potenzial für neue Mobilitätswirtschaft, viel mehr Car Sharing, viel mehr Bike + Ride, viele
Radstationen, kombiBUS, kombiBAHN, Pionierland Bürgerticket
Politisch: Vorbild Initiative RadKULTUR, neue
Mobilitätskultur, pragmatisches Effizienzdenken, Umweltbewegung als Katalysator, selbstbewußte Kommunalpolitik
Innovationstheoretisch: Schweiz und Westösterreich (Vorarlberg) als Impulsgeber
Verkehrswende top down und bottom up
Bund und Länder müssen „Hausaufgaben“ machen (Rahmengesetzgebung, intelligente Maut,
Verkehrsfinanzierung)
Kreise und Kommunen brauchen Paradigmenwechsel (Abschied vom „obligatorischen Autoland“, mutige
Verkehrsentwicklungsplanung, Systemdenken auch bei ÖV und Fuß/Radverkehrsplanung)
Wirtschaft muss mitmachen (BMM, PPP Modelle, neue Standortmuster – z.B. IKEA)
Kulturelle Dimension stärker nutzen (Direkt- und Dialogmarketing, Partizipation, Werbung, Image….)
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!
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