Professionalisierung von Lehrkräften für das Unterrichten in der beruflichen Schule der Migrationsgesellschaft
Constanze Niederhaus (Universität Paderborn)
Tagung "Mehrsprachigkeit als Potenzial in der beruflichen Bildung"
1. Zur Bedeutung der Professionalisierung von Lehrkräften für die berufliche Schule der Migrationsgesellschaft
2. Modelle professioneller Kompetenz im Bereich DaF, DaZ und Mehrsprachigkeit 3. DaZ‐Kompetenzen von (angehenden) Lehrkräften (am Beispiel UPB)
4. Schlussfolgerungen für die Gestaltung einer Lehrer:innenbildung für die berufliche Schule der Migrationsgesellschaft
Überblick
1. Zur Bedeutung der Professionalisierung von Lehrkräften für die berufliche Schule der
Migrationsgesellschaft
Mehrsprachigkeit als Ressource und Potenzial
• Kognitive Vorteile, kognitive Kontrolle (z.B. Bialystok, Luk & Craig)
• positive Auswirkungen auf Sprachbewusstheit, metasprachliche Fähigkeiten (z.B. Göbel & Schmelter, 2016)
• Vorteile für das (Fremd‐)Sprachenlernen, für die Drittsprachaneignung (z.B. Hesse, Göbel & Hartig, 2008; Rauch, Jurecka & Hesse, 2010)
• Vorteile der Nutzung mehrerer Sprachen im Unterricht (z.B.
Moschkovich, 2002; Meyer & Prediger, 2011)
1. Bedeutung der Lehrkräfte‐
Professionalisierung
Kompetenzen in der (deutschen) Sprache sind Grundvoraussetzung für …
• … gesellschaftliche Teilhabe (z.B. Lüdi, 2006; Plutzar, 2016)
• … Bildungsteilhabe (z.B. Matzner, 2012; Kempert et al., 2016)
• … Teilhabe an beruflicher Bildung und Arbeit
1. Bedeutung der Lehrkräfte‐
Professionalisierung
Lesekompetenz
• Kontext berufliche Bildung: Lesekompetenz wirkt sich in hohem Maße auf die Aneignung von Fachwissen aus (Nickolaus, Geißel & Gschwendtner, 2008, S. 59)
• TREE (Transition from Education to Employment), YITS (Youth in Transition Survey), IALS (International Adult Literacy Survey):
• die im Alter von 15 Jahren gemessene Lesekompetenz nimmt Einfluss auf den im Alter von 19 Jahren erzielten Bildungserfolg
• schwächere Leser:innen sind öfter von Arbeitslosigkeit betroffen und verfügen über ein geringeres Einkommen als gute Leser:innen
1. Bedeutung der Lehrkräfte‐
Professionalisierung
Schreibkompetenz
• Schreiben ist „eine alltagsnotwendige Fähigkeit im beruflichen Kontext“ (Philipp, 2015, S. 153)
• in fast allen Berufen wird geschrieben (Pospiech & Bitterlich, 2007, S. 19)
• Unternehmen halten die Kompetenz, bestimmte Textsorten schreiben zu können, für eine „unverzichtbare Kompetenz“ (Klein & Schöpper‐Grabe, 2013, S. 10)
• Mangel an Schreibkompetenz ist problematisch und „ökonomisch nicht vertretbar“
(Jakobs, 2008, S. 3)
1. Bedeutung der Lehrkräfte‐
Professionalisierung
Mündliche Kompetenzen, Gesprächskompetenz
• In betrieblicher Ausbildung kommt Schriftlichkeit eine größere
Bedeutung zu als der Mündlichkeit, aber mündlichen Kommunikation ist in der Ausbildung ebenfalls von hoher Bedeutung (Efing, 2017, S. 251)
• Gesprächskompetenz ist relevant für „Lösung von beruflichen Situationen“ (Kirndorfer, 2017, S. 287)
1. Bedeutung der Lehrkräfte‐
Professionalisierung
Situation in der beruflichen Bildung
• Ergebnisse von Leistungsstudien (z.B. ULME) weisen auf nicht ausreichend gut ausgebaute sprachliche Kompetenzen von Schüler:innen beruflicher Schulen hin (Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg, 2013; auch Fülling & Rexing, 2010;
Efing, 2006; Norwig, Petsch & Nickolaus, 2010)
• Berufliche Schulen werden überproportional häufig von neu zugewanderten Schüler:innen besucht (Massumi et al. , 2015), die sich noch im Prozess des Deutschlernens befinden
1. Bedeutung der Lehrkräfte‐
Professionalisierung
Situation in der beruflichen Bildung
• Lehrer:innen beruflicher Schulen empfinden das Unterrichten neu zugewanderter Schüler:innen als schöne, aber gleichzeitig sehr herausfordernde Aufgabe (Frenzel, Niederhaus, Peschel & Rüther, 2016)
• Lehrer:innen beruflicher Schulen schöpfen das Potenzial sprachbildenden Fachunterrichts, integrierter Sprachbildung noch nicht aus (Niederhaus, 2013; Dohmann, Havkic, Domenech & Niederhaus, 2017)
• (Neu zugewanderte) Schüler:innen, die am sog. Regelfachunterricht beruflicher Schulen teilnehmen, berichten von …:
• Schwierigkeiten mit dem Lesen von Fachtexten und dem Schreiben im Fachunterricht
• Schwierigkeiten, sich mündlich am Fachunterricht zu beteiligen
(Niederhaus, 2013; Havkic, Dohman, Domenech & Niederhaus, 2018)
1. Bedeutung der Lehrkräfte‐
Professionalisierung
2. Modelle professioneller Kompetenz im Bereich DaZ und
Mehrsprachigkeit
Lehrer:innen haben mit ihren Kompetenzen und ihrem
unterrichtlichen Handeln Einfluss auf die Lernentwicklung von Schüler:innen
(Bromme, 1997; Sternberg & Horvath, 1995; Lipkowsky 2006)
2. Modelle professioneller
Kompetenz
Modell professioneller Handlungskompetenz, Professionswissen
(Baumert & Kunter 2006)
2. Modelle professioneller
Kompetenz
Konzeption für die Zusatzqualifizierung von Lehrkräften im Bereich DaZ
Handlungsfelder
I.
II.
Bedürfnisse, Ziele, Beweggründe und Lernvoraussetzungen der Zugewanderten für den Kurs ermitteln adressatenspezifischen DaZ‐Unterricht innerhalb eines Standardangebots im Bereich A1 – B1 planen III.
IV.
adressatenspezifischen DaZ‐Unterricht innerhalb eines Standardangebots im Bereich A1 – B1 vorbereiten adressatenspezifischen DaZ‐Unterricht innerhalb eines Standardangebots im Bereich A1 – B1 durchführen V.
VI.
VII.
VIII.
adressatenspezifischen DaZ‐Unterricht innerhalb eines Standardangebots im Bereich A1 – B1 auswerten Kursteilnehmer testen und einstufen
Kursteilnehmer bezüglich ihres Spracherwerbs beraten
das Migrationsumfeld und die Migrationssituation in den DaZ‐Unterricht einbeziehen IX.
X.
XI.
Teilnehmer über öffentliche Beratungsangebote informieren mit Kollegen zusammenarbeiten
die eigene Institution nach außen vertreten
2. Modelle professioneller
Kompetenz
Europäisches Profilraster für Sprachlehrende (EPR)
Instrument, das zentrale Kompetenzen von Sprachlehrenden darstellt (13 Kategorien):
Sprachkenntnisse und Sprachkompetenz
Ausbildung/Qualifikation
Bewertetes Unterrichten
Unterrichtserfahrung
Didaktik/Methodik
Unterrichts‐und Kursplanung
Steuerung von Interaktion
Evaluieren
Interkulturelle Kompetenz
Sprachbewusstheit
Medienkompetenz
Berufliche Weiterentwicklung
2. Modelle professioneller
Kompetenz
EUCIM‐TE: Kompetenz‐basiertes, europäisches Kerncurriculums für die Lehreraus‐ und ‐fortbildung
(NRW. Adaptation.pdf (eucim‐te.eu))
2. Modelle professioneller
Kompetenz
DaZKom – Modell von
Lehrerkompetenz im Bereich Deutsch als Zweitsprache (Köker et al., 2015)
2. Modelle professioneller
Kompetenz
3. DaZ‐Kompetenzen von (angehenden) Lehrkräften am
Beispiel der Lehrkräftebildung der Universität Paderborn
WBS
Weiterbildendes Studium „Mehrsprachigkeit, Deutsch als Zweit‐ und Fremdsprache“ (gefördert aus Mitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes NRW)
Kleine Variante (6 LP, Lehrer*innen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen)
https://plaz.uni‐paderborn.de/lehrerbildung/fort‐und‐weiterbildungsangebote/daz‐weiterbildung/
WBS für berufliche Schulen
speziell auf berufliche Schulen zugeschnittene Variante des WBS Dauer: ein Semester
3. DaZ‐Kompetenz: Beispiel
Universität Paderborn
Evaluation mittels DaZKom‐Testinstrument
• DaZKom‐Testinstrument: erfasst „fachunterrichtsrelevante DaZ‐Kompetenzen angehender Lehrerinnen und Lehrer“ (Köker u.a. 2015, 178)
• 3 Dimensionen der DaZ‐Kompetenz (kognitive Facetten!!!): Fachregister, Mehrsprachigkeit, Didaktik (Köker et al., 2015)
• 3 Kompetenzstufen
• Unter Mindeststandard – unspezifischer Ansatz zu DaZ: realisieren bspw. unspezifisch die Rolle der Sprache beim Lernen, verfügen über linguistisches Basiswissen und können zwischen konzeptionell mündlicher und schriftlicher Sprache unterscheiden.
• Mindeststandard– für DaZ sensibilisiert: kennen bspw. den Zusammenhang zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen, haben selektive DaZ‐Kenntnisse und erste Ideen zur DaZ‐Förderung.
• Regelstandard– über DaZ informiert: kennen bspw. Sprachförderelemente und können Unterrichtsinteraktionen, Produktionen von Schülern sowie Lehr‐und Lernmaterial analysieren.
3. DaZ‐Kompetenz: Beispiel
Universität Paderborn
3. DaZ‐Kompetenz: Beispiel Universität Paderborn
Evaluationsdesign
• Prä‐Post‐Design
• MZP I (April 2017): WBS‐TN vor der Teilnahme am WBS
• MZP II (Juli 2017): WBS‐TN nach der Teilnahme am WBS
• 23 Datensätze
(Berkel‐Otto, Böttger, Fischer, Vasylyeva, Hammer & Niederhaus, 2019)
Evaluation Fragebogen zu Überzeugungen
• Überzeugungen zu Mehrsprachigkeitin der Schule: Fragebogenvon Fischer & Ehmke (2019)
(Berkel‐Otto, Böttger, Fischer, Vasylyeva, Hammer & Niederhaus, 2019)
3. DaZ‐Kompetenz: Beispiel
Universität Paderborn
Ergebnisse
• deutlicher Kompetenzzuwächse in Bezug auf die DaZ‐Kompetenz in Bezug auf Gesamtskala und Subdimensionen „Fachregister“ und „Didaktik“
• ca. 25 Prozent der TN erreichen die Kompetenzstufe Mindest‐ oder sogar Regelstandard
• Überzeugungen zu Mehrsprachigkeit verändern sich signifikant
(Berkel‐Otto, Fischer, Vasylyeva, Hammer & Niederhaus, 2019)
3. DaZ‐Kompetenz: Beispiel
Universität Paderborn
Learning, Fazit
• Lerngelegenheiten im Umfang von 6 LP führen zu signifikanten Kompetenzzuwächsen im Bereich der DaZ‐Kompetenz sowie zu Veränderungen im Bereich der Überzeugungen,
• aber: Lerngelegenheiten im Umfang von 6 LP reichen nicht aus, um alle Teilnehmende zu Kompetenzstufe „Regelstandard“ zu führen
3. DaZ‐Kompetenz: Beispiel
Universität Paderborn
4. Schlussfolgerungen für die Gestaltung einer Lehrer:innenbildung für die berufliche Schule der
Migrationsgesellschaft
• Professionalisierung von Lehrkräften beruflicher Schulen erforderlich
• Ausbildung von Expert:innen erforderlich erforderlich sind Lerngelegenheiten in hohem Umfang
• Neben Lehrerinnen auch Professionalisierung von Ausbilder:innen erforderlich (Bethscheider, Käferlein & Kimmelman, 2016; Deppermann & Cindark, 2018)
4. Schlussfolgerungen für die
Gestaltung einer Lehrer:innenbildung
• Berufliche Schule der der Migrationsgesellschaft muss Unterricht mit (neu) zugewanderten Schüler.innen als „interaktives Geschehen“ betrachten:
• „ (…) eine Sicht, die sich einseitig auf die fehlenden und zu erwerbenden Sprach‐
und Interaktionskompetenzen der Flüchtlinge fokussiert, (greift) zu kurz (…)“, denn berufliche Bildung ist ein interaktives Geschehen, dessen Verlauf und Erfolg von den Aktivitäten beider Seiten, der Ausbilder wie der Auszubildenden,
abhängt“ (Deppermann & Cindark, 2018, S. 283)
• bzw. der Schüler:innen und der Lehrer:innen (Havkic, Dohmann, Domenech &
4. Schlussfolgerungen für die
Gestaltung einer Lehrer:innenbildung
Vielen Dank
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