hedwig
JOURNAL DERDRK-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN E.V.
AUSGABE I/2014
Bundesverdienstkreuz für Elga Stockmann Mit Brosche und Kreuz
Ü
ber-, Unter-, Fehlversorgung:Durch die unterschiedlichen Entwicklungen im Gesundheitswesen werden ständig Impulse gesetzt, und auf die müssen auch wir – die DRK-Schwesternschaft Berlin – reagieren. Diskussionen zur stärkeren Einbeziehung aller Gesundheitsberufe in die Patientenversorgung, über neu zu verteilende Aufgaben und Zuständigkeiten wie auch zu größeren Handlungsautonomien führen dabei alle möglichen Akteure. Aus meiner Sicht wird die voranschreitende Akademisierung in den Pfl egeberufen zwangsläufi g dazu führen, dass uns Pfl egenden eine erweiterte Rolle im Versorgungsgeschehen zukommt.
Das ist eine der Herausforderungen, denen wir uns aktiv stellen. Konkret bedeutet es, dass wir die Heranbildung weiterer und vor allem akademischer Pfl egeexperten unterstützen wollen.
Dazu prüfen wir aktuell verschiedene Möglichkeiten und Modelle. Zudem stehen wir mit privaten Hochschulen in Verbindung mit dem Ziel, partner- schaftlich berufsbegleitende und passgenaue Studiengänge für unsere Pfl egenden zu entwickeln. Alle unsere Bestrebungen haben immer eine zentrale Vorgabe: Das Expertenwissen muss in der direkten klinischen Praxis – am Patientenbett – zum Einsatz kommen. Die bestmögliche Pfl ege der uns anvertrauten Menschen bleibt unsere Absicht.
Oberin Doreen Fuhr
Vorsitzende der DRK-Schwesternschaft Berlin
editorial
Unsere Geschichte
Empfang mit Lesung: Stefan Schomann las „Im Zeichen der Menschlichkeit“
Über „Menschen, für die der Ausnahmezustand Normalfall war und ist“ erzählt Stefan Schomann in seinem Buch „Im Zeichen der Menschlichkeit“: Es ist die Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes.
150 Jahre alt wurde die Hilfsorganisation vergangenes Jahr. Die Herausgabe des Vierhundert-Sei- ten-Wälzers war ein Höhepunkt im DRK-Jubiläumsjahr 2013. Das Buch ist die bislang umfassendste Darstellung des Deutschen Roten Kreuzes, als ein „Standardwerk“ bezeichnete Oberin Doreen Fuhr die Publikation. Und aus der las im April der Autor persönlich: Die Lesung mit Stefan Schomann ge- hörte zum Empfang, zu dem die DRK-Schwesternschaft Berlin ihre Mitglieder und auch Mitarbeiter der Einrichtungen eingeladen hatte. Trotz der Osterferien kamen mehr als einhundert Gäste in das Mutterhaus der Schwesternschaft. Sie alle sind Teil der Geschichte, die Schomann zu einem span-
nenden Buch verarbeitet hat. „Und ohne uns Rot-Kreuz-Schwestern wäre Ihr Buch deutlich schmaler“ meinte dann auch die Vorsitzende, als sie den Autor ihren Gästen vorstellte. Viele der Geschichten, die Stefan Schomann aus Tagebüchern und Gesprächen festge- halten hat, berichten von engagierten Frauen, die Menschen in Not unter dem Zeichen des Roten Kreuzes gehol- fen haben. „Frauen wird eine Art Naturtalent zur Fürsorge zugesprochen“, schreibt Schomann; für Oberin Fuhr war genau das der Grund für den Erfolg der weltweit größten Hilfsorganisation.
Die Lesung fand in einem Zelt statt, und es war nicht irgendein Partyzelt einer Eventagentur, das die Schwesternschaft in ihrem Garten in der Mozartstraße hat aufbauen lassen, sondern ein Katas- trophenschutz-Zelt, welches schon bei vielen Hilfseinsätzen des DRK Verwendung gefunden hat.
Das Interesse an der Lesung war groß, in zwei Gruppen teilte sich das Publikum auf. Je eine knappe Stunde trug dann der Autor Passagen aus „Im Zeichen der Menschlichkeit“ vor; eine Aufgabe, die dem studierten Germanisten sichtlich Spaß bereitete. Chronologisch arbeitete er sich durch die Ge- schichte des Roten Kreuzes, nahm seine Zuhörer mit nach Solferino, Berlin, in die libysche Wüste und auf das Lazarettschiff „Helgoland“, auf dem Anfang der 70er Jahre übrigens die Berliner DRK- Schwester Claudia Lawrenz „Boatpeople“ versorgte. Und doch konnte Schomann nur einen kleinen Einblick bieten, der aber machte Appetit auf noch mehr Geschichte.
Stefan Schomann traf man übrigens nach seinen Lesungen auf dem Empfang im und um das Mutterhaus, im Gespräch mit den anderen Gästen. Die kamen aus allen Einrichtungen der Schwes- ternschaft – zum „standort- und berufsgruppenübergreifenden Austausch“. Empfänge wie der im Mutterhaus sind eine gute Gelegenheit, um Kollegen zu treffen, mit denen vielleicht sonst nur per Mail oder Telefon kommuniziert wird.
inhalt
04
04 Mit Brosche und Kreuz
DRK-Schwester Elga Stockmann wurde mit dem Bundesverdienstkreis ausgezeichnet
06
Für die Köpenicker
100 Jahre Krankenhaus Köpenick – Ein Festakt
08
Mit dem Kinderwagen in die MozartstraßeMamaTreff im Mutterhaus
10
„Auf die DRK-Schwesternschaft kann Berlin nicht verzichten“Gesundheitssenator Mario Czaja im Interview
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Hin und HerRolf Hahn arbeitet im Fahrdienst der DRK Kliniken Berlin |Mitte
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Ruhe, bitteTeil 2 der Serie „Die Friedhöfe der DRK-Schwesternschaft Berlin“
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Große Rot-Kreuz-Familie
Landesverband, Schwesternschaft und Kliniken errichten Kita „Kinderland Westend“
28
Dem Charakter des Berufes entsprechend
Von der Tracht zur Imagekleidung
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Qualitätstomografie
KTQ überprüft die DRK Kliniken Berlin
Bella Mariendorf
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Manuela Gallo im Vorstandsporträt
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Unsere unverzichtbare Generation
Gelungene Premiere für Forum.55plus
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Rot, weiß, bunt Interkulturelle Kompetenz als Stärke SchattenspenderSchwesternschaft sammelt für Park27
Internationaler „Tag der Pflege“ Schwesternschaft dankt Pflegenden KopfkinoEine Bücherstube für Westend33
Alles belegtAusstellung „Schwesternschaftsjahre“ ist komplett Atemlos, durch den Park TEAM-Staffel mit Rekordenunsere Absicht.
Oberin Doreen Fuhr Publikumsmagnet: Lesung im Original-Katastrophenschutzzelt
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ast 250.000 „verdiente Männer und Frauen“ haben ihn bislang bekommen – darunter auch drei Berliner Rot-Kreuz-Schwes- tern: Sie erhielten den Orden als Oberinnen der DRK-Schwestern- schaft Berlin, diese drei Schwestern waren alle noch aktiv im Beruf: Oberin Liesel Scheld, Oberin Christa Rohr, Oberin Heidi Schäfer-Frischmann. Fünfzehn Jahre nach der letzten Auszeich- nung hat jetzt wieder eine Berliner Rot-Kreuz-Schwester Deutsch- lands höchsten Orden bekommen, Elga Stockmann. Sie erhielt ihr „Bundesverdienstkreuz am Bande“ als pensionierte Schwester.Trotz ihres verdienten Ruhestandes engagiert sich Elga Stock- mann noch immer sehr für die Schwesternschaft, „und das ist auch der Grund, warum wir Elga Stockmann für das Bundes- verdienstkreuz vorgeschlagen haben“, erklärt Isabella Trendel,
die mit ihr in der Frauen- und Kinderklinik in der Pulsstraße zusammenarbeitete. Seit 2000 ist Elga Stockmann zum Beispiel Mitglied im Beirat und verbindet mit ihrer Arbeit in dem
Gremium die Interessen von aktiven und pensionierten DRK- Schwestern, „sie leistet einen wichtigen Beitrag für das Mitein- ander der Generationen“, lobt auch Oberin Doreen Fuhr die Ausgezeichnete, ohnehin habe Schwester Elga einen großen Anteil am Funktionieren der Gemeinschaft DRK-Schwestern- schaft. Finden Veranstaltungen statt, auf denen sich die DRK- Schwesternschaft Berlin präsentiert oder die vom Verein orga- nisiert werden, dann ist auch Elga Stockmann dabei, „sie bringt sich überall ein, auf Schwester Elga ist Verlass“, weiß auch Isabella Trendel. Wie bei der Betreuung von „Schwesternschaftsjahre“:
Seit der Eröffnung im Januar 2011 ist die 78-Jährige regelmäßig in der Ausstellung, sie führt die Besucher durch die Räume, erzählt aus ihrem Alltag als Rot-Kreuz-Schwester. Vor genau fünfzig Jahren begann Elga Stockmann ihre Ausbildung zur
Kinderkrankenschwester: in der DRK-Heinrich-Schwesternschaft in Kiel, ihrer Geburtsstadt. 1975, nach der Heirat, kam sie als Gastschwester zur Berliner Schwesternschaft und übernahm
zuerst die Pflegedienstleitung der Rittberg-Kinderklinik, ein Jahr danach die des Lichterfelder Krankenhauses.
1979 trat sie in die Berliner Rot-Kreuz-Schwesternschaft ein und wurde vier Jahre später in den Vorstand gewählt – für dann insgesamt siebzehn Jahre.
„Die heutige Pensionärin hat ihr ganzes Leben der pflegerischen Betreuung von Kranken gewidmet“:
Die Würdigung von staatlicher Seite übernahm Berlins Gesund- heitssenator Mario Czaja. Und den passenden Rahmen für die Verleihung bot der Festakt zum einhundertsten Geburtstag des Krankenhauses Köpenick. Der Senator war im Januar als „Doppel- Gratulant“ vor Ort: Er beglückwünschte die Mitarbeiter zum Jubiläum ihrer Arbeitsstätte, und er hielt die Laudatio zu Ehren Elga Stockmanns. Viele Mitglieder der Schwesternschaft hätten es auch ihrem Einsatz zu verdanken, „dass die strukturellen Veränderungen in der Berliner Krankenhauslandschaft nach
der Wiedervereinigung für die Krankenschwestern trotz einer Krankenhausschließung neue Perspektiven brachten.“
Elga Stockmann, die zur Zeremonie Ehemann Carl mitbrachte, zeigte sich sichtlich berührt: Sie, die nie gern im Mittelpunkt steht, empfing den verdienten Applaus aller Gäste.
»Den Charakter eines Menschen erkennt man an den Scherzen, die er übel nimmt.« CHRISTIAN MORGENSTERN
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Sie, die nie gern im Mittelpunkt steht, empfi ng den verdienten Applaus aller Gäste
Freuten sich mit Elga Stockmann: Oberin Doreen Fuhr und ihre Stellvertreterin, Astrid Weber (links)
Am 7. September 1951 unterschrieb Bundespräsident Theodor Heuss einen Erlass
über eine neue Auszeichnung: den Verdienstorden. Noch heute ist er die einzige allgemeine Verdienstauszeichnung der Bundesrepublik.
„In dem Wunsche, verdienten Männern und Frauen des deutschen Volkes und des Auslandes
Anerkennung und Dank sichtbar zum Ausdruck zu bringen, stifte ich am 2. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Er wird verliehen für Leistungen, die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienten, und soll eine Auszeichnung all derer bedeuten, deren Wirken zum
friedlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland beiträgt.“
Mit Brosche und Kreuz
Schwester Elga Stockmann, Bundesverdienstkreuzträgerin
G
enau fünfzig Jahre und ein politisches System später das gleiche Bild mit anderen Protagonisten. Auch auf diesem Festakt halten politisch Verantwortliche ihre Glückwunschre- den: Der Senator für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin, Mario Czaja, und Köpenicks Bürgermeister Oliver Igel. Senator Czaja erzählt aus der Geschichte des Köpenicker Krankenhau- ses – er wird auf dem Festakt nicht der Einzige bleiben, der die Entwicklung des Hauses skizziert. „Am 3. Januar 1914, so unsere Aufzeichnungen – und die sollen in der Senatsverwaltung ganz gut sein – konnte dieses Haus eröffnet werden.“ Und seit diesem Januartag vor einhundert Jahren stehe das Krankenhaus „immer mit ganz vorn bei der erfolgreichen medizinischen Versorgung der Berlinerinnen und Berliner“. Sein Politikerkollege Oliver Igel sieht es ähnlich, „zu wissen, hier kann ich auf eine anerkannt gute medizinische Versorgung vertrauen, ist wichtig für die Menschen und eine Frage der Lebensqualität.“ Wie gut die Versorgung in den DRK Kliniken Berlin | Köpenick tatsächlich ist, konnte der Bezirksbürgermeister schon mindestens zwei Mal selbst erfahren – bei seiner Geburt vor 36 Jahren und der seines Sohnes im vergangenen September. Die Übernahme der Einrich- tung durch die DRK-Schwesternschaft Berlin im Jahr 1992 habe diese Qualität nochmals gesteigert, sie sei für das KöpenickerKrankenhaus „ein zusätzlicher Innovations- und Moderni- sierungsschub“. Für Oberin Doreen Fuhr passt diese Übernahme
„wunderbar in die Lebensgeschichte der Klinik und ihrer Mit- arbeiter“, die die Vorsitzende der Schwesternschaft als „Wieder- vereinigung im kleinen Maßstab“ bezeichnet. Und Oberin Fuhr verspricht den gut zweihundert Gästen, dass die Klinik noch viele bemerkenswerte Jubiläen feiern wird – Kliniken-Geschäfts- führer Ralf Stähler weiß, auf wen es letztlich ankommt: „Ohne seine Menschen wäre das Krankenhaus eine steinerne Hülle –
mit viel Technik und leeren Betten.“ Denn nur das Engagement der Mitarbeiter in den vergangenen einhundert Jahren habe alle hier zusammengeführt, „mit dem Festakt würdigen wir ihrer aller Leistungen“ – wie dann auch die einer DRK-Schwester:
Elga Stockmann bekommt das Bundesverdienstkreuz, „ein würdiger Rahmen für diese ehrenvolle Auszeichnung“, fand Oberin Doreen Fuhr schon vor dem Festakt, als Verein, Bundes- präsidialamt und Senatsverwaltung nach der passenden Zeremonie für die Ordensverleihung gesucht hatten.
Hartmut Kern ist seit der Ära Kalpen vor fünfzig Jahren der nun siebte Ärztliche Leiter. Den Auftritt vor dem Auditorium teilt er sich mit Pflegedienstleiterin Astrid Weber und Verwaltungs- leiter Frank Armbrust: Die drei Klinikverantwortlichen lassen keine der für ihr Krankenhaus wichtigen Zeitmarken aus, sie
visualisieren Geschichte durch den Fundus an Aufnahmen aus jedem der zehn Jahrzehnte und sie stellen fest: „Das wich- tigste Kapital der Klinik ist die Gemeinschaft und die darin verankerten engagierten, klugen Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter.“ Für die Zukunft sei das Haus „gut gerüstet“. Mit Angeboten wie das für ältere Patienten – die DRK Kliniken Berlin | Köpenick haben sich zum Geburtstag selbst beschenkt:
mit der neuen „Klinik für Innere Medizin – Schwerpunkt Geriatrie (Altersmedizin)“, die auf dem Festakt eröffnet wird.
Für Ralf Stähler eine Stärkung des „für uns so bedeutenden Standortes Köpenick“ – bedeutend nicht nur für den Verbund und seinen Gesellschafter, der DRK-Schwesternschaft Berlin, sondern für die, für die das „Städtische Krankenhaus Cöpenick“
1914 eröffnet wurde: die Köpenicker.
»Ich berühre die Zukunft – ich unterrichte.« UNBEKANNT
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Die DRK Kliniken Berlin | Köpenick feiern „100 Jahre“
Für die Köpenicker
4. Januar 1964, Samstagabend, kurz nach halb acht: Das Fernsehen der DDR strahlt seine einzige Nachrichtensendung aus, die „Aktuelle Kamera“. Sprecher Klaus Feldmann moderiert einen neuen Beitrag an; Hintergrundmusik wird abgespielt, die Fassade eines Krankenhaus erscheint als Totale, die Kamera zoomt auf ein Schild mit Besuchszeiten. Dann sieht man Ärzte und Krankenschwestern bei der Visite. Ein Schild wird eingeblendet, „Röntgen-Abtlg. 1“, der Röntgenarzt betritt den Nachbarraum und bedient das Röntgengerät. Die nächste Einstellung zeigt einen vollen Saal, das Publikum trägt weiße Kittel und dunkle Anzüge. Die Kamera schwenkt über eine Reihe politisch hochrangiger Gäste: Walter Friedeberger – der Stellvertretende Minister
für das Gesundheitswesen –, Herbert Fechner, er ist Stadtrat und Stellvertretender Oberbürgermeister von Berlin, und schließlich wird der Erste Sekretär der SED-Kreisleitung Berlin-Köpenick eingeblendet, der 35-jährige Hans Modrow.
Neben ihnen sitzt Erich Kalpen: Seit zwei Jahren ist er der Ärztliche Direktor des „Städtischen Krankenhauses Berlin- Köpenick“. Sie und die vielen anderen sind gekommen, um zu feiern – den fünfzigsten Geburtstag der Klinik.
„Mit dem Festakt vor allem die Leistung der Mitarbeiter würdigen“
Schnittstelle: Bürgermeister und Senator bei der Eröffnung der Geriatrischen Klinik
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ntscheidend für die Zufriedenheit einer Mutter mit dem Wiedereinstieg in den Beruf ist auch der Kontakt zwischen ihr und ihrem Unternehmen – während der Auszeit. Das ist das Ergebnis einer Befragung von Müttern nach der Eltern- zeit, die die „Hessenstiftung – familie hat zukunft“ letztes Jahr in Auftrag gegeben hatte. Nur 68 Prozent aller befragten Mütter in Deutschland beurteilten ihren Wiedereinstieg in den Berufpositiv. Die Frauen, die während ihrer Elternzeit in engem Kontakt zum Arbeit- geber standen, waren durchweg zufriedener als die, die nicht über Entwick- lungen in ihrem Unterneh- men auf dem Laufenden gehalten wurden.
Und genau auf diese enge Verbindung setzt die DRK-Schwesternschaft Berlin mit der Veranstal- tungsreihe MamaTreff:
Den Mitgliedern, die wegen der Elternzeit für Monate oder sogar Jahre nicht ihrem Beruf nachgehen, bietet sie mit dem regelmäßig stattfindenden MamaTreff einen Informationsfluss ohne große Unterbrechung. Die klassischen Kommuni- kationsmedien wie die „hedwig“ oder das Internet von Schwesternschaft und Kliniken können da nur eingeschränkt und vor allem einseitig informieren.
Viel geeigneter seien da persönliche Gespräche, findet Oberin Doreen Fuhr.
„Die jungen Mütter fragen gezielt nach und wir bekommen einen tieferen Einblick, was sie bewegt und können so besser unterstützen.“ Dass auch die Neuauflage auf so großes Interesse stieß, zeige, wie wichtig Veranstaltungen wie diese sind. „Das fördert die Mitglieder- bindung.“ Übrigens waren sich in der
Befragung die Hälfte der Mütter einig gewesen, sie seien nach der Auszeit besser organisiert als zuvor.
So könnten sie nun besser Wichtiges von Unwich- tigem trennen. Diese effizientere Arbeitsorga- nisation der Rückkeh- rerinnen bestätigen fast siebzig Prozent der Arbeit- geber. Und auch das ist ein Argument für den MamaTreff der DRK- Schwesternschaft Berlin.
// FOTOS: DRK-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN
Oskar, Leo, Mina: Im Kinderwagen kamen sie und weitere Kinder in das Mutterhaus in der
Mozartstraße. Dort fand im April zum zweiten Mal der MamaTreff statt, zu dem sie ihre Mütter mitbrachten.
Und die waren alle Rot-Kreuz-Schwestern in Elternzeit. Fast alle hatten sie schon an der Premierenveranstaltung im vergangenen Herbst teilgenommen.
„Wir bekommen einen tieferen Einblick, was die
Mütter bewegt und können so besser unterstü tzen.“
Oberin Doreen Fuhr
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Kinderwagen
in die Mozartstraße
Mit dem
Forschungsstandort punkten. Jetzt brauchen wir noch eine gerechtere Verteilung von ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten. Hierzu haben wir im sogenannten Gemeinsamen Landesgremium mit der Kassenärztlichen Vereinigung Berlins und anderen wichtigen Akteuren vereinbart, die Bedarfs- planung zur besseren Verteilung von Haus- und Facharztsitzen über das Stadtgebiet zu steuern. Die Unterschiede zwischen den Stadtgebieten sind noch viel zu groß. Dies ist ein Problem vor allem für Ältere und für Menschen aus bildungsfernen Familien. Auch die Wartezeiten für bestimmte Facharzt- behandlungen – auch in Kliniken – müssen künftig noch kürzer werden.
Wie politisch darf Gesundheitsversorgung sein? Die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass eine gute Gesundheitsversorgung gewährleistet ist. Sie muss eingreifen, wenn es Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem gibt, die den Interessen der Patientinnen und Patienten zuwider Wie viele Kliniken verträgt die Stadt? So viele, dass die Berliner-
innen und Berliner im Krankheitsfalle auf ein ausreichendes und zugleich gut ausgelastetes Angebot einer modernen stationären Versorgung zurückgreifen können. Berlin hat dank erheblicher Anstrengungen in den letzten 25 Jahren beim Umbau der Krankenhauslandschaft rund 20.000 Klinik- betten abgebaut und damit eine ausgewogene Zahl von Betten und Klinken erreicht. Mit einer Bettenauslastung von
82 Prozent liegt Berlin bundesweit mit an der Spitze.
Was ist für Sie optimale Gesundheitsversorgung? Wie nah ist Berlin da dran? Optimal ist die Gesundheitsversorgung, wenn die ambulante und stationäre Versorgung von hoher Qualität sind, möglichst eng miteinander verzahnt und auf die Interessen der Patientinnen und Patienten ausgerichtet. Das Land Berlin hat dafür gute Ausgangsbedingungen. Es kann mit seinen Vorzügen als wichtiger Gesundheits-, Wissenschafts- und // FOTOS: DRK KLINIKEN BERLIN
»Wer die Freundschaft aus dem Leben verbannt, entfernt aus der Welt die Sonne .« MARCUS TULLIUS CICERO
hedwig
Seit knapp drei Jahren ist Mario Czaja Berlins Gesundheitssenator. Durch das politische Tagesgeschäft kennt er die DRK Kliniken Berlin und auch deren alleinigen Gesellschafter, die DRK-Schwesternschaft Berlin.
Im hedwig-Interview sprach Mario Czaja über die Gesundheitsversorgung in der Hauptstadt und welche Einflussmöglichkeiten der Politik zur Verfügung stehen.
„Auf die
DRK-Schwesternschaft kann Berlin nicht
verzichten“
„Die Politik muss
die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass
eine gute Gesundheits- versorgung gewähr- leistet ist.“
laufen. Oder auch dann, wenn die Gesundheitsversorgung zu stark von wirtschaftlichen Zwängen bestimmt wird.
Denn Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses führt noch nicht zu einer guten Krankenhausversorgung. Und die Politik ist gefragt, wenn es um die Rechte der Patientinnen und Patienten geht. Erfreulicherweise konnten diese in jüngster Zeit gestärkt werden – auch dank des neuen Patientenrechte- gesetzes. Und auch Verbesserungen in der Pflege können vor allem durch politisches Handeln – wie durch die Pflegereform – vorangetrieben werden.
Kennen Sie Berlins Krankenhäuser? Ich kenne die Berliner Kranken- hauslandschaft gut und besuche jeden Monat mindestens eine Klinik. Schon bevor ich das Amt des Gesundheitssenators übernahm, war ich als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus zehn Jahre lang auf dem Gebiet unterwegs. Die DRK Kliniken Berlin habe ich als Gesundheitssenator schon mehrfach und immer gern besucht.
Wie oft waren Sie in einem Krankenhaus – als Patient, nicht in einer politischen Funktion? Glücklicherweise musste ich bislang selten in ein Krankenhaus wegen einer Erkrankung.
Was sind die Probleme für Berlins Krankenhausträger? Vor allem der Investitionsstau der Vergangenheit. Die mangelnden finanziellen Mittel für Investitionen des Landes Berlin haben dazu geführt, dass es hier einen großen Nachholbedarf gibt.
Seit 2014 erhalten die Krankenhäuser netto wieder mehr Geld.
Und auch die ab 2015 freiwerdenden Mittel aus dem Schulden- dienst werden komplett in die Krankenhausförderung fließen.
Die Mittel waren zur Tilgung des 1995 gestarteten Darlehens- programmes zur Angleichung der Lebensverhältnisse im Ostteil der Stadt gebunden. Dass dieses Geld jetzt den Kranken- häusern zugute kommt, ist ein Erfolg. Außerdem ist es für die Krankenhausträger nicht einfach, den Anforderungen einer hohen Qualität in der Krankenversorgung und der Kranken-
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pflege bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit auch in der Zukunft gerecht zu werden.
Welche Gestaltungsmöglichkeiten haben Sie? Dazu gibt es ein ganzes Instrumentarium von Einflussmöglichkeiten – auf Landes- und auf Bundesebene. Erwähnen möchte ich neben der Krankenhausfinanzierung die Krankenhausplanung für das Land Berlin. Hier wollen wir beispielsweise zukünftig noch stärker Qualitätsvorgaben einfließen lassen. Bei den Personalentwicklungskonzepten nehmen wir über eine Bundesratsinitiative Einfluss auf bundespolitische Entschei- dungen. Ich setze mich auch dafür ein, dass der Übergang aus einer klinischen Versorgung in die weitere ambulante Nach- betreuung verbessert wird. Bei der Stärkung der Patienten- rechte machen wir unseren Einfluss auf allen Ebenen geltend.
Wie ist Ihr Verhältnis zum neuen Gesundheitsminister? Ich freue mich, dass Hermann Gröhe nun Gesundheitsminister ist. Ich kenne ihn schon lange. Er packt sehr engagiert die wichtigen Projekte
an, vor allem die dringend notwendige Pflegereform.
Hiervon werden die Pfle- gekräfte ebenso profi- tieren wie die immer weiter wachsende Zahl der Pflegebedürftigen.
Wie sehr braucht Berlin die DRK-Schwesternschaft?
Unzählige Patientin- nen und Patienten haben
in bald 140 Jahren seit Gründung der Schwesternschaft von ihrer Erfahrung in der Krankenbetreuung und ihrer besonderen Zuwendung zu den Menschen profitiert. Und das ist immer noch so: Auf die DRK-Schwesternschaft als Vereinigung sehr engagierter und erfahrener Kranken- schwestern kann und möchte Berlin nicht verzichten.
»Wer die Freundschaft aus dem Leben verbannt, entfernt aus der Welt die Sonne .« MARCUS TULLIUS CICERO
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iÜber Mario Czaja
Mario Czaja wurde am 21. September 1975 in Berlin geboren und verbrachte seine Kindheit in Marzahn-Hellersdorf, wo er bis heute lebt. Nach seiner mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann, studierte später berufsbegleitend Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Wildau.
Seit 1993 ist Czaja politisch aktiv. 1999 gewann er den Wahlkreis Kaulsdorf-Mahlsdorf direkt für die CDU, 2001 kam er über die Bezirksliste erneut ins Berliner Abgeordnetenhaus und wurde gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion.
Zum Berliner Senator für Gesundheit und Soziales wurde Czaja im Dezember 2011 berufen.
Mario Czaja ist verheiratet und ist Vater einer Tochter.
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Jeder fünfte Deutsche besitzt eine Zuwanderungsgeschichte. Längst hat das DRK-Präsidium das Thema „Interkulturelle Öffnung“ zum gesamtverbandlichen Schwerpunkt erklärt. Und sie ist auch für uns Berliner DRK-Schwestern gelebte Praxis: Es geht nicht mehr nur um den „Kunden“ mit Migrationshintergrund, um Vielfalt und Hintergründe nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern hier, in den eigenen Reihen: Die Vielfältigkeit muss zu unserer Schwesternschaft gehören. Schaffen wir es, als weltoffen und modern wahrgenommen zu werden, so erhöhen wir die Attraktivität unseres Unternehmens und unserer Schwesternschaft generell. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gilt es allgemein, motivierte Mitarbeiter zu gewinnen, zu binden und zu qualifizieren. Im Fokus stehen zunehmend Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Sie sollen best-
möglich integriert werden. Hierzu ist es wichtig, vielleicht bestehende Unterschiede in ihrer Sozialisation, im Denken, in Werten, Bedürfnissen und im Verhalten zu kennen.
Diese Thematik aufgreifend ist ein wesentlicher Schwer- punkt in unserem aktuellen Managementlehrgang, der Weiterbildung zur Abteilungsleitung im Fach Personal- management, das Thema „Mitarbeiterbindung in Zeiten des Fachkräftemangels“. Mit dem Seminar „Interkulturelle Kompetenz als Managementaufgabe“ führte deshalb
Daniel Weber, Referent des DGB Bildungswerks in Düsseldorf, zu Beginn des Jahres – im fünften Block des Management- lehrgangs – Inhalte ein wie:
; Sensibilisierung für kulturelle Vielfalt
; Konzepte von interkultureller Kompetenz
; Rolle von Interkulturalität im Kontext
; von Gesundheitseinrichtungen.
Die Identifikation möglicher Handlungsfelder der Abteilungsleitung für eine kulturelle Öffnung sowie Übertragungsmöglichkeiten auf ihren Arbeitsbereich wurden diskutiert und bearbeitet.
Führungsaufgabe in diesem Sinne bedeutet für die Abteilungsleitung, Unterschiede wahrzunehmen, wertzuschätzen, sie auszugleichen und zu berück- sichtigen. Hier ist die Abteilungsleitung zugleich auch Vorbild für ihre Mitarbeiter im Umgang mit Patienten und Angehörigen aus anderen Kulturen.
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Schattenspender:
„GrüntSchön!“
Was bloß zum Geburtstag verschenken? Und wenn das Jubiläum dann so ein beeindruckendes ist wie „100 Jahre“, fällt die Suche nach dem passenden Präsent noch schwerer. Der Jubilar – das sind die DRK Kliniken Berlin | Köpenick, die im Januar genau ein Jahrhundert alt wurden. Für ihre Einrichtung im Südwesten der Stadt suchte nun die DRK-Schwesternschaft Berlin nach dem perfekten Geschenk. Ein Geschenk, das jedem gefallen soll – den Mitarbeitern des Krankenhauses, seinen Patienten, den Besuchern.
War es im vergangenen Jahr die Spendenaktion „SpieltSchön!“ – der Neubau des Spielplatzes der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Westend-Krankenhaus – so initiierten die Rot-Kreuz-Schwestern jetzt das Projekt „GrüntSchön!“:
für die Neuanlage des Parks in den DRK Kliniken Berlin | Köpenick. Innerhalb nur eines Monats spendeten Mitglieder der Schwesternschaft wie auch Unterstützer des Vereins und Mitarbeiter aus allen Einrichtungen 5.400 Euro. Den symbolischen Scheck überreichte Oberin Doreen Fuhr der Köpenicker Krankenhausleitung am Tag der offenen Tür. Ein Krankenhaus stehe für den Kreislauf des Lebens, „wie auch ein Park mit seinen Bäumen, Blumen und Sträuchern“. Ein Ort, mitten im Krankenhaus, und der habe an jedem Tag geöffnet. Alle könnten dann hier Licht, Schatten, Luft und Ruhe genießen. Gelegenheit zur Vor-Ort-Besichtigung bekamen die vielen Besucher mit dem Tag der offenen Tür. Er wurde zu einer großen Geburtstagsparty mit einem Programm, bei dem für jeden etwas dabei war und durch das Kult-Moderator Jürgen Karney führte – mit Zirkusdarbietungen, Musik, vor allem viel Infotainment auf der Bühne und unter Dächern der weißen Zeltstadt.
Rot, weiß, bunt
Interkulturelle Kompetenz als Stärke:Passendes Geschenk: Eine Spende für den neuen Park
„Die DRK Kliniken Berlin
habe ich als Gesundheits-
senator schon mehrfach
und immer gern besucht.“
S
chon an einem Kleidungsstück lässt sich vielleicht sein Beruf erkennen:an der Lederweste, die so typisch ist für die, die ihren Arbeitstag hinter dem Lenkrad verbringen. Rolf Hahn ist Kurier- fahrer, seit 31 Jahren fährt er für die DRK Kliniken Berlin. Untersuchungsmateri- alien, Laborproben, Medikamente, die Hauspost – „also alles, was innerhalb unserer Einrichtungen schnell verschickt werden muss“ – transportiert er. „Die Ärzte erwarten von uns Fahrern Lieferung zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt“;
so zum Beispiel, wenn Zytostatika für die Chemotherapien benötigt werden. Jede Einrichtung hat ihren eigenen Fahrer.
Treffpunkt für alle ist die Poststelle im Haus V der DRK Kliniken Berlin | Westend.
„Dort werden die Routen verteilt“, erklärt Hahn, der seit 1993 für den Standort Dront- heimer Straße zuständig ist. Den Fahr- dienst für „Mitte“ übernahm er wegen der Nähe zur Wohnung in Reinickendorf,
„das passt perfekt“. Davor fuhr er für das Westend-Krankenhaus, in das war Hahn wiederum durch den Umzug aus dem DRK-Krankenhaus Jungfernheide gekom- men. „In Jungfernheide begann alles.“
Rolf Hahn erinnert sich genau an seinen ersten Arbeitstag, an den 21. August 1980,
„es war ein Donnerstag“. In der B.Z. hatte Hahn eine Annonce entdeckt, „Hausar- beiter gesucht“ – für das Krankenhaus Jungfernheide, bis 1992 eine Einrichtung der DRK-Schwesternschaft Berlin.
Fahrdienst seit dreißig Jahren
Rolf Hahn hatte für die S-Bahn gearbeitet, für die Ost-Berliner Reichsbahndirektion.
Die West-Berliner, die die rot-gelben Trieb- wagen fuhren und in den beiden Reichs- bahnausbesserungswerken im Westteil der Stadt arbeiteten, fühlten sich schlecht behandelt. 1980 kam es zum spontanen Ausstand von einhundert Eisenbahnern, zum zweiten großen „S-Bahn-Streik“.
„Für mich war damals der Zeitpunkt gekommen, mich beruflich neu zu orientieren.“ Hahn bewarb sich auf die Hausarbeiterstelle im Kranken- haus am Tegeler Weg, und wurde eingestellt. „Mein Glück waren die sechs Jahre bei der Reichsbahn“ – für den neuen Arbeitgeber ein Zeichen von Kontinuität und Zuverlässigkeit.
Nun war er für Gartenarbeiten zuständig und erledigte kleine Reparaturen. Drei Jahre später hörte sein Kollege auf, der für die Kurierfahrten für das Kranken-
haus Jungfernheide zuständig war.
Rolf Hahn übernahm, „das hat mir sofort gefallen und so bin ich zum Fahrdienst gekommen“. Erst für das DRK-Kranken- haus Jungfernheide, dann im Westend.
Und auch für die Pflegeeinrichtung in Mariendorf fuhr Hahn kleinere Trans- porte. „Drei Einrichtungen, das wurde ziemlich anstrengend und zu einer großen Verantwortung.“ Aber dann kam der Wechsel in die Drontheimer Straße, wieder einer dieser glücklichen Zufälle.
In seinen dreißig Jahren Fahrdienst sei die Arbeit hektischer geworden, „früher war es nicht so stressig“. Und das liege nicht nur am chaotischen Berliner Straßenverkehr.
Um die 75 Kilometer fährt er jeden Tag;
mal mehr, mal weniger. „Irgendwann habe ich aufgehört, die Kilometer zu zählen, die ich seit meinem ersten Tag als Fahrer geschafft habe.“ Für bestimmt fünfzehn Erdumrundungen würde die zurück- gelegte Strecke mittlerweile reichen.
„Man lässt viel Zeit auf der Straße“, Berlins Tangenten sind chronisch überfüllt. Nervt das tägliche Durchwühlen des Straßen- verkehrs? „Das ist die Macht der Gewohn- heit: Man fährt und passt auf, dass nichts passiert.“ Bloß nicht nachdenken, meint Hahn, sonst drohe „Explosionsgefahr“. Nur ein kleiner Auffahrunfall in all den Jahren gibt ihm recht. Er mag seinen Job, „selbst-
ständig arbeiten, das macht mir Spaß“.
Und Erholung von anstrengenden Arbeits- tagen findet er zuhause, bei Spaziergängen im Klemkepark oder dem Grunewald, immer in Begleitung von Biene, seinem acht Jahre alten Hund. „Ich will die Natur genießen.“ Pläne für den Ruhestand, der in fünf Jahren kommt, die hat Hahn schon im Kopf. Er sehnt sich nach dem Ort seiner Kindheit, in Nordhessen hat er zwischen dem achten und 18. Lebensjahr gelebt.
Dorthin, wo so viele Figuren und Orte aus den Märchen der Brüder Grimm ihren Ursprung haben, will der in Charlotten-
Hin und Her
burg Geborene zurück, in sein „Märchen- land“. Dann dauerhaft, und nicht nur zu Besuch. Von allen Dritten ARD-Program- men schaut der Berliner am liebsten den Hessischen Rundfunk. „Da kommt bei mir ein Gefühl von Heimat auf.“
Dass Rot-Kreuz-Schwestern und damit Frauen seine eigentlichen Chefs sind, damit habe er überhaupt kein Problem:
„Ach, ich komme doch ganz gut klar mit Frauen“, sagt Rolf Hahn mit einem ehrlichen Lachen.
„Nobody gonna take my car, I‘m gonna race it to the ground...“ – „Niemand nimmt mir mein Auto, ich werde es in‘s Rennen schicken“: „Highway Star“ von Deep Purple, in den Top Ten der besten Autosongs immer weit vorn. Auch bei Rolf Hahn, „Led Zeppelin, Deep Purple, das ist doch guter, alter Hard-Rock“. Aber der 60-Jährige gibt zu, „mittlerweile höre ich auch mal was Weicheres“ – mit dem Alter wird ihm der Deutsche Schlager immer sympathischer.
Da mache sich der Einfluss seiner Frau bemerkbar, meint er lachend.
Seit dreißig Jahren
im Fahrdienst: „Das hat mir sofort gefallen.“
»Mein Job ist es nicht, es den Leuten besonders leicht zu machen. Mein Job ist es, sie besser zu machen. « STEV E JOBS
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Anlaufpunkt für die Fahrer: Die Poststelle im Westend // FOTOS: DRK-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN
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Und wieder wird ihre letzte Ruhe gestört: War die Friedhofsmauer noch vor ein paar Wochen außer Sichtweite, markiert die Grabanlage der Märkischen Schwestern nun die Grenze des Sankt Simeon und Sankt Lukas-Friedhofs in Neukölln. Der kleine Friedhof ist noch kleiner geworden, und er wird weiter schrumpfen. Auf der abgetrennten, nicht mehr dazugehörenden Fläche entstehen ein Supermarkt und ein gemeinnütziges Wohnprojekt. Schnaufende Baustellenmaschinen bilden die neue Geräuschkulisse im früher besinnlichen Park.
Ruhe, bitte
hedwig Serie: Die DRK-Schwesternschaft Berlin und ihre Friedhöfe
D
er „Reichelt-Markt“ steht auf siebentausend Quadrat- metern, die der Friedhof eigentlich für seine Erwei- terung zurückgehalten hatte. Aber beerdigt wurde hier niemand, der Evangelische Friedhofsverband hat jetzt der Umnutzung zugestimmt. Es sind der Trend zur platz- sparenden Urnenbeisetzung und auch die höhere Lebens- erwartung – auf Berliner Friedhöfen wie Sankt Simeon und Sankt Lukas ist zu viel Platz für zu wenige Bestat- tungen. Platzmangel ist in der Hauptstadt ein ober-irdisches Problem. Sie braucht dringend Flächen für Wohn- raum. Und die Friedhöfe werden zu Bauland: Die Hälfte von Berlins letzten Ruhestätten sollen aufgelöst werden.
Auf Sankt Simeon und Sankt Lukas wird die Gräber- dichte proportional kleiner zur wachsenden Rasenfläche.
Neue Grabstellen sollen konzentriert auf einen kleinen Bereich angelegt werden. Die Fläche, die dem Wohnprojekt zugeschlagen wurde, ist mit Holzpfählen markiert. Jetzt wird gewartet, bis auch für den letzten Verstorbenen die gebuchte Totenruhe abgelaufen ist. Dann können die Bagger mit dem Schaufeln beginnen. Die Grabanlage der Rot-Kreuz-Schwestern bleibt. Dabei wären nicht zum ersten Mal die Gebeine verstorbener Märkischer Schwes-
tern umgesetzt worden. Wohl seit dem Ende des 19. Jahr- hunderts bestattete das Märkische Haus für Krankenpflege auf diesem Friedhof seine Mitglieder. Ursprünglich
befand sich der „Schwesternhain“ knapp einhundert Meter weiter nördlich. Mit dem Ausbau der Stadtautobahn
„A 10“ durfte er ab 1967 nicht weiter belegt werden, 1973 musste die Schwesternschaft die Gräber komplett um- betten lassen. Für eine so nie realisierte, gigantische Autobahnerschließung: West-Berlins Verkehrsplaner wollten hier die Hochstrecke hinsetzen. Das erste Teil- stück, eine Brücke – ungenutzt und überflüssig – über- dauerte nur fünfzehn Jahre und wurde Mitte der Neunziger abgerissen. An ihrer Stelle saugt heute der Britzer Tunnel täglich Tausende Fahrzeuge auf.
Ein schönes großes neues Stück
„Meine lieben Schwestern! Mit schweren Herzen muss ich Ihnen heute von einer Sorge schreiben, die uns im Mutterhaus schon einige Zeit beschäftigt“, schrieb Oberin Christa Rohr am 26. Oktober 1967 in einem Rundbrief. „Wir hatten die große Hoffnung, dass sich an der Tatsache noch irgendetwas ändern ließe, deshalb schrieb ich Ihnen nicht eher: Es geht um unseren Friedhofsplatz, der in die Schnell-
straßenplanung hineingefallen ist.“ Im Schreiben versichert Oberin Rohr, alles unternommen zu haben. Vergeblich, die Friedhofsverwaltung untersagt dem Märkischen Haus die weitere Belegung. „Der Friedhofsverwalter selbst, der sich immer uns gegenüber sehr hilfsbereit zeigt und unseren Sorgen auch größtes Verständnis entgegenbrachte, hat uns schon vor einiger Zeit ein schönes großes neues Stück zugewiesen, auch hinter der Kapelle liegend, aber etwas weiter rechts.“ Eine Hecke sei dort schon gepflanzt, ein Kreuz – erst einmal aus Holz – bestellt. Wie lange die alte Grabstelle der Märkischen Schwestern bleibt, könne die Oberin nicht sagen, „diese Ruhe kann im nächsten Jahr gestört werden, es kann aber auch noch Jahre dauern.“ Alles hänge von den Straßenbauarbeiten ab, und Christa Rohr versichert: „eine würdige Umbettung zu gegebener Zeit ist uns selbstverständ- lich zugesagt worden.“ Als Andenken an die alte Grabstelle und für einige Schwestern auch zum Trost legte Oberin Rohr
dem Brief eine kleine Erinnerungsschrift bei. Vier Jahre später, im Sommer 1973, begann die Umbettung, die bis zum Spätherbst abgeschlossen werden sollte. 28 Grabstätten wurden geöffnet und die sterblichen Überreste ein zweites Mal bestattet. Im September, noch vor dem geplanten Abschluss aller Umbettungen, verstarb Schwester Berta Knobloch: Sie wurde als Erste auf der neuen Anlage beige- setzt, allerdings nicht in vollzähliger Gesellschaft der vor ihr verstorbenen Schwestern. Oberin Rohr sprach mit der Friedhofsverwaltung und die sicherte zu, sich auf die Umbet- tungen der Schwesterngräber zu konzentrieren. „Heute möchte ich mich einmal an Sie wenden und meiner großen Freude darüber Ausdruck geben, dass dank des Einsatzes von Herrn Heinrich und seiner Mitarbeiter und aller Beteiligter unser Schwesternplatz auf dem St. Simeon und St. Lukas- Friedhof nach der Umbettung wieder so würdig und schön gestaltet und zurecht gemacht ist zu einem viel früheren
»Was wir am nötigsten brauchen, ist ein Mensch, der uns zwingt, das zu tun, was wir können.« R A LPH WA LDO EM ER SON
hedwig
Zeitpunkt, als wir es zu hoffen gewagt hatten“, dankte Oberin Christa Rohr der „Kirchen-Kommission Sankt Simeon und Sankt Lukas“. Dass die Umbettung und vor allem die Herrichtung des neuen Gräberfeldes mit viel Arbeit verbun- den war, sei ihr klar gewesen. Umso mehr freute sich die Oberin, als „schon von weitem unser Kreuz vom alten Platz zu sehen war und die ganze Friedhofsstelle schön und würdig hergerichtet; die Umbettungen waren vollzogen, die Steine aufgestellt und unser großer Stein mit dem Kreuz stand nun auf seinem neuen Platz, auf dem bisher ein behelfs- mäßiges Birkenkreuz war.“
„Sie sehen unser großes Steinkreuz herüberleuchten“
Diese neue Grabstätte der Märkischen Schwestern erinnert an das Grabmuster auf Soldatenfriedhöfen: symmetrisch angeordnete Reihen, dazu ein gut zweieinhalb Meter hohes Gedenkkreuz aus Granit. Etwa 120 Gräber müssen heute gepflegt werden. Bis 2006 kümmerte sich eine von der Schwesternschaft beauftragte Firma um die Grabstellen.
Die Verwaltung des Sankt Simeon und Sankt Lukas pochte jedoch auf die Einhaltung der Friedhofsordnung.
Sie untersagte die Grabpflege durch Fremdfirmen: Mit der Pflege von Grabstellen lässt sich gutes Geld verdienen, das wollte die Friedhofsverwaltung unbedingt selbst.
Aber dafür müssen Gegenleistungen erbracht werden – die Flora auf und neben den Gräbern der Märkischen Schwestern litt besonders in den heißen Sommermonaten.
Frank Pelka, der Hausmeister aus der Mozartstraße, über- nahm die Grabpflege. Er kümmert sich seitdem um die Grabstellen, wässert sie, beseitigt die Pflanzen, die dort nicht wachsen sollen, harkt im Herbst das Laub. Die Fried- hofsordnung hält die Schwesternschaft damit ein, der Konflikt mit der Friedhofsverwaltung ist jedoch nicht beendet – der Verdruss über die versiegte Einnahmequelle scheint zu groß. Und das lässt die Verwaltung die Schwes- ternschaft und besonders Frank Pelka spüren: Die Verwen- dung eines Gartenschlauches ist verboten – jedes der etwa 120 Gräber muss der Hausmeister mit der Kanne wässern.
Schon die von der Schwesternschaft beauftragte Friedhofs- gärtnerei aus Lichterfelde ärgerte sich 2006 über das
Verbot, „wir wissen bis heute nicht, wie wir die Schwes- tern-Gemeinschaftsanlage in diesem Jahr bewässern können.“ Und wies darauf hin, „wenn Sie (die Schwestern- schaft) Ihren Hausmeister zum Gießen der Anlage schick- ten, dürfte der dann auch nicht die Wasserleitung nutzen“.
Im Jahr 2007 belief sich die Summe abgelaufener Grabstel- len auf 82. Wieder setzte die Verwaltung auf Konfrontati- on und stellte ein Ultimatum: Rückkauf der abgelaufenen Gräber oder komplette Aufgabe der Anlage. Der Vorstand der Schwesternschaft beschloss das Ende der Belegungen.
Doch die Grabanlage der Rot-Kreuz-Schwestern vom Märkischen Haus für Krankenpflege existiert weiter:
Die Friedhofsverwaltung verlieh ihr wegen ihres besonde- ren Charakters den Status „Sondergrabstätte“ – mit dem imposanten Gräberfeld wirbt die Friedhofsverwaltung um neue „Kunden“.
Die letzte Berliner DRK-Schwester, die auf dem Sankt Simeon und Sankt Lukas-Friedhof
beigesetzt werden konnte, war Schwester Gerda Zöllner:
Sie starb am 17. September 2006. Gerda Zöllner pflegte zu Lebzeiten ein sympathisches Ritual: An jedem Mutter- tag kam sie in die Zentrale der Schwesternschaft – ins Mutterhaus –, um der Vorsitzenden – ihrer „Mutter Oberin“
–, einen Blumenstrauß zu schenken. Traf Schwester Gerda die Oberin nicht an, dann wartete sie: Gerda Zöllner wollte die Blumen unbedingt persönlich überreichen, das gehörte zu ihrer Vorstellung vom perfekten Muttertag.
„Wenn Sie auf den Friedhof kommen, müssen Sie an dem Parkweg, der zu unserem alten Platz führte, vorbeigehen, bis zu einem runden Platz hinter der Kapelle; den rechten Weg dort gehen Sie bitte entlang, Sie sehen dann sehr bald links unser großes Steinkreuz herüberleuchten.“
Die Wegbeschreibung Oberin Christa Rohrs führt die Besucher auch heute noch direkt zum „Schwesternhain“.
(Mitarbeit: Diane Bedbur)
iSt. Simeon und
St. Lukas-Friedhof/Britzer Friedhof
Ruhestätte der DRK-Schwesternschaft Märkisches Haus, Tempelhofer Weg 9 12347 Berlin
Gerda Zöllner wurde als
letzte DRK-Schwester dort beerdigt.
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Große
Rot-Kreuz Familie
„Nun kam ich zu einer Gesellschaft noch klei- nerer Kinder, die vom ersten Lebenstag bis zum dritten Lebensjahr versorgt werden. Auch hier war alles in einer, dem Herzen wohltuenden Weise geordnet. Es war gerade Mittags- zeit für die Kinder, welche schon gehen konnten.
An reihenweise aufgestellten Bänkchen und Tischchen nahmen die Kinder ihre bestimmten Plätze ein und erwarteten voller Sehnsucht ihr Näpfchen mit Essen.
Die Schwestern setzten ein Jedem sein Teil vor, aber keines der Kinder hätte gewagt, schon jetzt den Löffel zum Munde zu führen; erst nachdem alles in Ordnung und die Schwester das Gebet gesprochen hatte, wurden die Löffel auf- und niedergeführt.
Das Mahl währte nicht lange, die größeren Kinder mussten sich den Mund selber abwischen, den Kleine- ren besorgten es die Schwestern, die Schälchen wurden fortgetragen, das Dankgebet gesprochen und nun schloss sich eine sehr wohltuende, aber mir sehr pos- sierlich vorkommende Hausordnung auf Kommando an.
Die Schwester erhob die Hand und sagte „eins“, die Kinder saßen kerzengerade vor ihren Tischchen, „zwei“, alle rechten Ärmchen lagen auf dem Tisch, „drei“, alle Köpfe auf dem Arm und in demselben Moment begann ein tapferes Schnarchen – ob natürlich oder künstlich kann ich nicht verraten, jedenfalls mussten sie eine halbe Stunde Mittagsruhe halten; für die Schwestern eine wünschenswerte Pause.“
Landesverband, Schwesternschaft und Kliniken errichten Kita
hedwig
Rot-Kreuz
Kinderbetreuung mit langer Tradition:
Luisen-Cecilienschwestern in Züllichau (um 1935)
Hedwig von Rittberg beschreibt in ihrer Biografie den Ablauf des Mittagessens in einem Kindergarten; Ende der 1860er Jahre besuchte sie auf ihrer Reise quer durch Deutschland eine Kölner „Kleinkinder- schule“. Die Gründerin der ersten Berliner Rot-Kreuz-Schwesternschaft informierte sich über die Betreuung von Kindern; auch die wollte sie zur Aufgabe ihres noch zu gründenden Hilfsschwestern-Vereins machen. So wie Jahrzehnte später die DRK-Schwesternschaft vom Paulinenhaus.
Der Verein kümmert sich in seinen Anfangsjahren ausschließlich um die Jüngsten, die die Schwestern in „Klein- kinder-Bewahranstalten“ betreuten.
Jede Rot-Kreuz-Schwesternschaft in Berlin hatte die Betreuung kranker und armer Kinder im Versorgungsangebot, die von ihnen unterschiedlich umgesetzt wurde.
Dass jetzt im Herbst in den DRK Kliniken Berlin |Westend eine Kita eröffnet, ist somit eine Neuinterpretation dieser Tradition. Die Hauptstadt wächst. Die Zahl der in Berlin Geborenen liegt seit ein paar Jahren deutlich über der der Verstorbenen.
Möglichkeiten, die Kinder professionell betreuen zu lassen, sind in der Stadt längst nicht chancengleich vorhanden – auch wenn Bundesregierung und Berliner Senat mit Aktionsprogrammen und Subven- tionsmillionen dieses Manko schnell zu korrigieren versuchen und sich das Angebot verbessert hat: In einem
Drittel der Regionen – so der Berliner Kita-Bedarfsatlas – gibt es noch immer zu wenig Plätze. Und noch mehr Kinder werden in die Kitas kommen: Gerade in der Gruppe der unter Dreijährigen werden bald deutlich mehr Kita-Plätze benötigt.
Ohne Kitaplatz lassen sich Beruf und Familie schwer vereinbaren, was die
„Work-Life-Balance“ kippen lässt. Viele Gründe also, die für die Einrichtung einer betriebsnahen Kindertagesstätte in den DRK Kliniken Berlin sprechen. Nicht zu vergessen die
immer wieder besprochene Mit- arbeiterbindung;
die können Schwesternschaft und Kliniken auch über eine Kita festigen. Der wohl wichtigste Partner der Schwestern-
schaft auf lokaler Ebene ist nun auch wichtigster Akteur bei diesem Projekt:
das Berliner Rote Kreuz; Kinderbetreuung ist zu einer der Kernkompetenzen der Hilfsorganisation geworden – für den Betrieb von Kindertagesstätten gründete der DRK Landesverband Berlin eine Träger- gesellschaft. Platz für das Betreiben der Kita boten die DRK Kliniken Berlin Westend in Räumen im Erdgeschoss von Haus 14. Bis Herbst sollen dann die zur Verfügung gestellten Räume kinderge-
recht hergerichtet sein und auch das Areal hinter dem Haus mit einer Frei- lufterlebniswelt bebaut – al- les für insgesamt sechzig Kinder; vom drei Monate alten Baby bis
zum Fast-Schulkind.
»Verkehr mit Menschen verführt zur Selbstbeobachtung.« FRANZ KAFKA
hedwig
„Eine Kita für sechzig Kinder“
iKinderland Westend
Anmeldung für Kita-Plätze sind über die Internetseiten des DRK-Landesverbandes (www.drk-berlin.de) möglich.
Weitere Informationen können direkt eingeholt werden bei der: DRK Kinder-Tages- Betreuung gGmbH Berlin, Kita-Leiterin Jelena Blänkner, Bundesallee 73, 12161 Berlin Telefon: 030-600-300-2400
BlaenknerJ@drk-berlin.de
Das Erdgeschoss im Haus 14
wird zur Kita umgebaut
D
ie Teilnehmerinnen: Berliner Rot-Kreuz-Schwestern, die in den Einrichtungen der Schwesternschaft arbeiten und damit „aktive Mitglieder“sind. Siebzig zählt diese Gruppe im Verein insgesamt, zum „Forum.55plus“ kamen mit 35 Schwestern genau die Hälfte. Alle sind sie im Alter zwischen 55 und 64 Jahren.
Das Alter hat sich nicht nur optisch
um etliche Lebensjahre nach hinten verschoben. Wir leben in einer Gesellschaft des Älterwerdens, noch nie haben in Deutschland so viele ältere Menschen gearbeitet. Arbeit- nehmer über 55 Jahre haben sich längst unentbehrlich gemacht. Diese Generation gehört auch im Pflegeberuf zu der am besten qualifizier- ten. Dabei ist es nicht nur die „Weisheit“, von der die DRK-Schwesternschaft Berlin profitieren möchte; es sind vor allem Kompetenzen wie Erfahrung, Zuver- lässigkeit, Motivation.
Die DRK-Schwesternschaft Berlin will diese Generation noch stärker einbinden.
Dafür initiierte der Verein das „Forum.- 55plus“. Doch wie kam es dazu? Im Ok- tober vergangenen Jahres trafen sich
die Führungskräfte aus der Pflege zu einer Klausurtagung: Oberin Doreen Fuhr, dazu die Pflegedienstleitungen mit ihren Stellvertreterinnen, Pädagoginnen des Bildungszentrums wie auch Mitarbei- terinnen aus dem Zentralen Pflege- management und der Personalabteilung der Schwesternschaft. Gemeinsam erarbeitete die Gruppe Schwerpunkt- themen für das jetzt aktuelle Jahr – unter dem großen Aspekt von „Pflege (in) der Zukunft“. In die „Agenda.2014“ aufgenom- men wurde auch das wichtige Thema:
die Schwesternschaft und ihre „Mitglieder 55plus“. „Wir müssen alle aktiven Genera- tionen gleichberechtigt einbinden“, meint Oberin Doreen Fuhr, denn vor allem über Mitglieder- und Mitarbeiterbindung lasse sich die wohl größte Herausforderung bewältigen, mit der die Pflege konfrontiert werde: die demografische Entwicklung.
„Und die bedeutet letztlich: Personalman- gel, Pflegenotstand. Wir haben daher alles
zu unternehmen, um Fachkräfte zu ak- quirieren, weiterzubilden, zu halten.“ Der Kampf um die Besten tobt längst. Und zu denen gehören die qualifizierten Kolle- ginnen im sechsten und siebten Lebens- jahrzehnt – trotz der Perspektive des bald wohlverdienten Ruhestandes. Sie gehören zur „unverzichtbaren Generation“.
Alle Generationen in der DRK-Schwestern- schaft sollen eine – entsprechend den Bedürfnissen ihrer Generation – indivi-
duelle Unterstützung durch den Verein genießen. In der Summe ist diese Förderung gleichberechtigt und alters- übergreifend. „Denn das gewünschte Ergebnis ist die Vertiefung des Gemein- schaftsgedankens“, und der ist in der Satzung verankert und somit Vereinsziel.
Das „Forum.55plus“ ist so eine zielfüh- rende und vor allem logische Maßnahme.
„Die Zielgruppe weiß doch selbst am besten, was sie braucht.“
Unsere
unverzichtbare Generation
Dass auch die Eingeladenen große Erwar- tungen an die Premiere des „Forum.55plus“
hatten, zeigte nicht nur die große Reso- nanz, sondern auch der aktive Auftritt auf der Veranstaltung. Arbeitsabläufe und Ansprüche an die Pflege haben sich in den letzten Jahren sehr geändert, hatte die Vorsitzende der Schwesternschaft in ihrer Einladung geschrieben. „Das ist nicht immer leicht für Sie, so möchte ich Ihnen an dieser Stelle schon einmal sehr für
Wo sind die grauen Haare? Wo die „Silberzwiebel“, die früher für viele ältere Frauen so charakteristische Frisur?
Stattdessen dominierten modische kurze bis halblange Haare in Blond, Braun oder kräftigem Rot. Gesehen auf einer Veranstaltung, die im März zum ersten Mal überhaupt stattfand, das „Forum.55plus“.
Premiere für das „Forum.55plus“
»In jedem Menschen steckt ein König. Sprich zu dem König, und er wird herauskommen.« DEUTSCHES SPRICHWORT
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JOURNAL DER DRK-SCHWES T ERNSCHAF T BERLIN E.V. AUSG A BE I/2014
// FOTOS: DRK-SCHWESTERNSCHAFT BERLIN (2) / DANIEL FLASCHAR (1)
Arbeitnehmer über 55 Jahre haben sich längst
unentbehrlich gemacht Arbeitnehmer über 55 Jahre haben sich längst 55 Jahre haben sich längst
unentbehrlich gemacht
unentbehrlich gemacht
Der Nachweis über internes Qualitäts- management ist für Krankenhäuser
verbindlich.
Warum sind regelmäßige Kontrollen wich- tig? Ein internes Qualitätsmanage- ment ist verpflich- tend, die Zertifizie- rung nach einem QM-System aber nicht. Die Begutach- tung durch externe Fachexperten gibt uns als Krankenhaus ein Feedback über den Stand unserer Bemühungen, Qualität in Struktur und Abläufen vorzuhalten und zu leben. Für die
Öffentlichkeit – zum Beispiel für Krankenkassen – wird dadurch deut- lich, dass man sich freiwillig regelmä- ßigen Kontrollen von außerhalb unterzieht.
Welche Erkenntnisse bringt solch ein Zertifizierungsverfahren? Durch den für uns inhaltlich neuen KTQ-Katalog, dessen Kategorien wir in Form eines Selbstbewertungsberichts beschreiben müssen, werden Stärken und Schwä- chen deutlich, die unser zukünftiges Handeln beeinflussen. Ganz aktuell müssen wir Zufriedenheitsbefragungen für Mitarbeiter und Einweiser vorberei- ten – das fordert der KTQ-Katalog. Aus den Befragungen werden sich wiede- rum Verbesserungspotentiale ergeben, die bearbeitet werden müssen.
Bislang wurde das JCI-Verfahren angewendet. Wieso wechseln die Kliniken jetzt zum KTQ-Verfahren?
KTQ steht für „Kooperation für Transpa- renz und Qualität im Gesundheitswe- sen“. Zwölf Jahre haben wir mit den Qualitätsstandards von JCI ein Quali- tätsmanagementsystem aufgebaut und gelebt, das die Patientensicherheit in den Mittelpunkt stellt. Am Anfang waren wir damit Vorreiter in der Krankenhauslandschaft, sind es heute noch beispielsweise beim Medikamen- tenverteilverfahren. Checklisten zur Vermeidung von Eingriffsverwechslung oder Fehlermeldesysteme sind mittler- weile in sehr vielen Kliniken Standard und zum Teil gesetzlich festgelegt. Die gesetzlichen Regelungen sind vielfäl- tiger geworden, die Anforderungen der Krankenkassen hinsichtlich der Darlegung von Qualitätsdaten wächst,
so dass es als sinnvoll erachtet wurde, auf ein Zertifizierungssystem zu wechseln, das diese nationalen Entwick- lungen berücksichtigt und von Fachex- perten geprüft wird. Diese „Visitoren“
arbeiten selbst in diesem System als Führungskraft, so zum Beispiel als Pflegedienstleitung, Verwaltungsleiter oder Ärztlicher Leiter einer Klinik.
Wie genau läuft so ein Zertifizierungs- verfahren ab? Im Gegensatz zur JCI-Zertifizierung, bei der vorgegebene Standards unser Tun bestimmen, wird im KTQ-Verfahren ein Selbstbewer- tungsbericht geschrieben, in dem wir Stärken und Schwächen anhand eines Bewertungskatalogs analysieren. Der KTQ-Katalog ist gegliedert in drei Hierarchieebenen: Kategorien, Subkate- gorien und Kriterien.
Es gibt sechs Kategorien: Patientenorien- tierung, Mitarbeiterorientierung, Sicherheit, Informations- und Kommu- nikationswesen, Führung, Qualitätsma- nagement. Im Selbstbewertungsbericht werden die einzelnen Kategorien nach dem Grundprinzip der Qualitätsverbes- serung beschrieben und differenziert bewertet: „Plan – Wie soll es sein?“, „Do – was tun wir wie?“, „Check – was wurde erreicht?“, „Act – was ist noch zu tun?“. Wenn der Selbstbewertungsbe- richt fertig gestellt ist, wird er an die KTQ-Visitoren geschickt, die von KTQ für die Überprüfung in unseren Krankenhäusern bestimmt wurden.
Diese bewerten dann ebenfalls unseren Bericht und vergeben Punkte. Haben wir aus deren Sicht über 55 Prozent der möglichen Punktzahl erreicht, wird ein Visitationsplan erstellt. Die KTQ-Visi- toren legen die Bereiche fest, die sie begehen wollen und welche Personen ihnen im „Kollegialen Dialog“ Rede und Antwort stehen sollen.
»Vieles kann der Mensch entbehren, nur den Menschen nicht.« LUDWIG BÖRNE
hedwig
Internationaler
„Tag der Pflege“
Zumindest für die in der Pflege Beschäftigten ist jedes Jahr der 12. Mai ein besonderer: Es ist ihr Tag, der „Tag der Pflege“. Weltweit wird er begangen, in England und den USA ist dieser Maitag der
„International Nurses Day“. Florence Nightingale – sie gilt als Begründerin der modernen Krankenpflege – wurde an einem 12. Mai geboren. Ihr Geburtstag, der Tag der Pflege, ist seit 1967 auch in Deutschland ein Aktionstag. Meist finden dann regionale und bundesweite Aktionen statt, mit unterschiedlicher Resonanz in der Öffentlichkeit. Die DRK-Schwestern- schaft Berlin hat sich für den „Tag der Pflege 2014“
etwas Besonderes einfallen lassen: Den 12. Mai 2014 machte der Verein zum Tag der Pflegenden. Jeder Pflegemitarbeiter in den Einrichtungen der Schwes- ternschaft bekam einen „Wondercake“; einen Rührkuchen, verpackt in einer Dose. 1.700 dieser Kuchen verschenkte die Schwesternschaft, dazu ein Schreiben: „Anlässlich des Tages der Pflege möchten wir uns bei Ihnen, den Pflegenden in den DRK Kliniken Berlin, mit einer kleinen Aufmerksamkeit
bedanken: für Ihren uner- müdlichen Einsatz für unsere Patienten und für Ihr Engage- ment ganz im Sinne von Florence Nightingale.“
Die „Wondercakes“ wurden von einer Schwarzwälder Familienbäckerei gebacken, anschließend in den Behindertenwerkstätten des Lebenshilfe e.V. speziell verpackt und mit Wunder- kerzen bestückt.
Nach Mitte hat auch das Westendkrankenhaus seine „Bücherstube“
Zwei Drittel aller Bundesbürger haben noch nie eine öffentliche Bibliothek besucht – keine Stadtbücherei, keine Schulbibliothek. Männlich, über sechzig Jahre alt, kinderlos, von den Eltern nie in eine Bibliothek mitgenom- men: Das ist in Deutschland der typische Nichtnutzer. Berlins Büchereien werden immer weniger. 217 Bibliotheken zählte das Statistische Landesamt 1997 – im Jahr 2012 waren es nur noch 85. Umso erfreulicher sind Nachrichten wie die, dass Rot-Kreuz-Schwestern aus den DRK Kliniken Berlin | Westend eine „Bücherstube“ eingerichtet haben. Aus der soll bald – so die Pläne der Bücherfreundinnen – eine richtige Bibliothek werden; mit einem großen Bücherbestand zu allen denkbaren Themen. Ganz oben in der achten Etage des Hochhauses im Westend-Krankenhaus haben die Schwes- tern aus der Endoskopie den Raum eingerichtet, der offensteht für alle Bücherfreunde: Patienten, Besucher, Mitarbeiter. Etwa einhundert Bücher stehen bereits in den Regalen der Bücherstube, jede Woche werden es mehr.
„Wir möchten, dass jeder, der sich ein Buch nimmt, auch ein Buch gibt“, erklärte Schwester Sandra Haase das ungewöhnliche Modell des Bücher- tauschens. Sie stellt dabei nur eine Bedingung: Die gespendeten Bücher sollen in gutem Zustand sein. „Wir würden uns freuen, wenn noch viele Klinik-mitarbeiter unsere Bücherstube mit Spenden unterstützen“, sagt auch Sibylle Griebsch, Abteilungsschwester an der Klinik für Innere Medizin - Schwerpunkt Gastroenterologie. Unterstützt wird das neue Vorhaben von der Bücherstube in den DRK Kliniken Berlin | Mitte. Dort hat Schwester Maria Wiedl die Patientenbibliothek aufgebaut, die sich im zweiten Stock im Haus J befindet; 1.500 Bücher gehören inzwischen zum Bücherportfolio in Mitte.
Übrigens, die Deutschen, die regelmäßig zum Buch greifen und das dann auch tatsächlich lesen, sind überwiegend Frauen.
Kopfkino
»In jedem Menschen steckt ein König. Sprich zu dem König, und er wird herauskommen.« DEUTSCHES SPRICHWORT
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Ihren steten Einsatz danken.“
Auf dem „Forum.55plus“ ging es daher unter anderem darum, welche Unterstützung DRK-Schwestern aus dieser Altersgruppe benötigen:
Welche Kompetenzen haben
diese Schwestern, um den wachsenden Anforderungen zu begegnen? Welche Fähigkeiten der „55plus´ ler“ soll die Schwesternschaft fördern? – Dieses erste Treffen wurde zum längst überfälligen Austausch, das verdeutlichte die rege Beteiligung.
In vier Gruppen teilten sich die 35 Teil- nehmerinnen auf, zu vier Themenfeldern diskutierten sie. „Kompetenz und Entwick- lung“ bildete als erstes Themenfeld den Einstieg. Auf Ältere zugeschnittene Weiterbildungsmöglichkeiten waren ein Stichwort für die Diskussion, auch die
Fähigkeiten, die nur diese Generation in den Arbeitsalltag mitbringen kann und wie diese erhalten werden können – zum Beispiel durch Selbstmotivation.
Das nächste Themenfeld, mit dem sich das
„Forum55plus“ auseinandersetzte, war die
„Gesundheitsförderung“. Und die erreicht man durch Angebote wie Rückenschule, Stressprophylaxe, ein gutes Betriebsklima.
Themen- und Diskussionsfeld Drei war die
„Personalbildung und -gewinnung“ von Mitarbeitern in der Altersgruppe 55plus.
Gelingt diese zum Beispiel schon durch die besondere Wertschätzung, die man diesen Kolleginnen zukommen lassen muss?
Fragen zum Thema „Arbeitsorganisation und -gestaltung“ bildeten das vierte Themenfeld.
Drei Durchläufe gab es zu den vier Themenfeldern – Ideen- sammlung, Ideenergänzung, Ideensortierung inklusive einer regen Diskussionsrunde. „Jede einzelne Meinung haben wir berücksichtigt“, so Oberin Doreen Fuhr, „die Schwestern haben sich sehr eingebracht und tolle Ergebnisse erarbeitet“. Nun werden in AG‘s die Ergebnisse des ersten „Forum.55plus“
weiterentwickelt, die „Praxistauglichkeit“
der Ideen und Anregungen wollen die Teilnehmer besprechen. Im September wird das nächste „Forum.55plus“ statt- finden. Dann können die Schwestern teilnehmen, die zum ersten Forum nicht kommen konnten.
„Die Schwestern haben sich sehr eingebracht und tolle
Ergebnisse erarbeitet“
Anfassen erlaubt. Das wollen auch die meisten Besucher der Ausstellung, wenn sie dieses textile Exponat entdecken: die Schwesternschaftstracht.
In tiefdunklem Blau und in helleren Grautönen ist sie gleich doppelt ausgestellt, schwebt und teilt den Ausstellungsraum. Links ist die repräsentative Tracht einer Oberin zu sehen – und zu fühlen –, daneben die Kleidung, die von den DRK-Schwes- tern im Dienst getragen wurde. In der Ausstellung wurden sie nicht einer Schaufensterpuppe mit Modelmaßen angezogen, sondern an zwei Avataren aus durchsichtigem Plexiglas befestigt. Nichts soll den Besucher ablenken von der uniformen Kleidung, die noch bis Anfang der Neunziger Jahre jede DRK-Schwester trug.
Ihre Tracht erhielt jede Schwester mit Beginn der Ausbildung
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Tracht als Ausdruck der Gesinnung
Dem Charakter des
Berufes entsprechend
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ie Schwestern vom Roten Kreuz tragen zum Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit und dem Charakter ihres Berufes entsprechend eine einheitliche, schlichte Schwestern- tracht, die sie vom Mutterhaus erhalten und die gesetzlichen Schutz genießt. Schuhe und Strümpfe sollen solid und schlicht sein. Auffallende Frisuren sind – wie jede auffallende Auf- machung, die dem Charakter des Schwesternberufes wider- spricht – nicht erlaubt. Schmuck darf zur Tracht nicht getragen werden. Zur Tracht ist stets die verliehene Brosche zu tragen. (...) Die Schwestern dürfen im Ruhestand die Tracht unddie Brosche sowie das Schwesternkreuz weiter tragen.
Wenn sie jedoch gegen das Ansehen der Schwesternschaft verstoßen sollten, kann ihnen vom Vorstand der Schwestern- schaft das Tragen der Tracht verboten werden.“
„Die neue Kleidung darf keiner schnell
wechselnden Modeströmung un terliegen“
Modell „Sportlich-elegant“
2. September 1991. Im Saal des Kurfürstlichen Schlosses zu Mainz ist ein Laufsteg aufgebaut. Eine Prêt-à-porter-Show soll hier stattfinden, mit Models und einem Publikum, das aus- schließlich aus Rot-Kreuz-Schwestern besteht. Generaloberin Anne Seibold begrüßt die Gäste aus ganz Deutschland zu einer durchaus ungewöhnlichen Modenschau: Die Rot-Kreuz-Schwes- ternschaften vollziehen den größten optischen Imagewechsel in ihrer Geschichte und wollen nach 125 Jahren auf ihre Tracht verzichten. Oberin Carin Hell von der DRK-Schwesternschaft Westfalen läuft als Erste den Laufsteg entlang, präsentiert dabei noch einmal die alte, graue Tracht – eine Reminiszenz, sie wirkt wie ein Abschied. Knapp ein Jahr zuvor hatte der Verband der Schwesternschaften vom Roten Kreuz das Projekt
„Änderung der Rot-Kreuz-Schwesternschaftstracht“ initiiert – eine Kleidungsrevolution in Zeiten weltpolitischen Umbruchs.
Daten sammeln in der Kleiderkammer
„Wilbert Keller“ steht auf dem Etikett der Tracht, die in der Ausstellung gezeigt wird: Es ist der Name einer Manufaktur aus München. Über Jahrzehnte
besaß sie das Monopol für die Anfertigung der Schwestern- schaftstracht. Auch Mäntel schneiderten die Münchner, ebenso Kragen, Hauben und die Haubentücher: ein Seidentuch mit Rot-Kreuz-Emblem, das bei Trauer- feiern und zum Kirchgang über die Haube gezogen wurde. „Wilbert Keller“ produzierte dieses Trachten- modell nicht exklusiv für die Rot- Kreuz-Schwesternschaften. Die Diakonissen bezogen ihre Tracht aus der bayerischen Landeshaupt- stadt; gleicher Schnitt – abgestepp- te Falten im Oberteil und ein angekrauster Rock –, nur mit anderem Stoff, anderen Farben, in einer anderen Rocklänge. Die Tracht erhielt jede DRK-Schwester mit Beginn der Ausbildung. Dann musste sie die Nähstube aufsu- chen, die sich im Mutterhaus befand – manchmal hieß die auch „Kleiderstube“ oder
»Sechs Wörtchen nehmen mich in Anspruch jeden Tag: Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag .« FR I EDR ICH RÜCK ERT
hedwig
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in Auszug aus der „Kleiderordnung“, der Anlage 4 der„Schwesternordnung der Schwesternschaften vom Roten Kreuz in Berlin“ von 1951, die auch in den nächsten vier Jahrzehnten nicht liberaler und freizügiger wurde. Einheitlich, schlicht, pragmatisch: Die Tracht der Rot-Kreuz-Schwestern erinnert an die der Nonnen und Diakonissen. An den konfes- sionellen und religiös geprägten Schwesternschaften orien- tierte sich das gesamte Konstrukt „Rot-Kreuz-Schwestern- schaft“; beim Mutterhausprinzip zum Beispiel mit einer Oberin an der Vereinsspitze oder der lebenslangen Fürsorge, auf die jedes Mitglied Anspruch erheben durfte. Von Verbesserungen am Stoff und modischen Anpassungen abgesehen – der Schleier verschwand, der Rock wurde kürzer, auf die Schleife unter dem Kinn verzichtet – änderte sich am Stil der Schwesternschafts- tracht wenig, seit den Dreißiger Jahren überhaupt nichts mehr.
„Die Tracht ist Ausdruck unserer Gesinnung“, hatte General- oberin Luise von Oertzen bei jeder Gelegenheit betont; sie führte den Verband Deutscher Mutterhäuser vom Roten Kreuz vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit ihrem Eintritt in die Schwesternschaft hatte die Generaloberin die Tracht an keinem Tag abgelegt. Das Konservative sieht in jedem Trend eine Bedrohung und diese Einstellung schien auch den Kleidungsstil der DRK-Schwestern zu bestimmen. Und warum Änderungen vornehmen, wo doch vor allem die Tracht ein Wiederkennen garantierte? Die Schwesternschaftstracht gehörte zur stolzen Tradition, und die galt es unbedingt zu bewahren.
„Kleiderkammer“. Die Prozedur, die sich beim Besuch dieses Raumes abspielte, war immer gleich – übrigens der Film, der im gleichen Ausstellungsraum ausgestrahlt wird, zeigt sie:
Erst nahm die zuständige Schwester von ihrer neuen Kollegin Maß, dann trug sie alle Angaben ein in die „Kleider-Kartei- karte“: Konfektionsgröße, ausgegebene Bekleidung: also die
Kleider selbst, dazu Anzahl und Größen der Hauben, Kragen, Manschetten, auch die Strickjacke und nicht
zu vergessen der Mantel.
Alles wurde akribisch erfasst. Ab sofort gehörte diese Karte zum Leben der DRK-Schwester.
Wie auch die persönliche Wäschennum- mer, die die ausgegebene Kleidung als
Besitz der Schwester auswies. Die Nähstubenschwester besaß
nun das erforderliche Datenmaterial, um
schnell und unkom- pliziert Änderungs- wünsche oder Nach- bestellungen vorneh- men zu können. Sittsame dreißig Zentimeter Abstand vom Boden durfte die Länge des Rockes höchstens betragen; die strenge Nähstubenschwester bestand darauf. „Es war die Zeit der Mini-Mode, uns jungen Schwestern gefiel der lange Schnitt überhaupt nicht“, erinnert sich Renate Lawrenz. Sie und die anderen Lernschwestern beugten beim Maßnehmen vorsichtig die Knie: Später, so der Plan, wenn sie normal, also mit durch- gedrückten Knien stehen würden, wäre der Rock kürzer als erlaubt. „Natürlich durchschaute uns die Nähstubenschwester.
Wir waren nicht die Ersten, die mit diesem Trick zum modischen Schwesternrock kommen wollten.“