GESUNDHEITSFÖRDERUNG AKTUELL – NEWSLETTER DER
Themen in dieser Ausgabe:
Landesgesundheitskonferenz im Gespräch
Gesundheitsförderung bei Älteren
Kindergesundheit
Aktivitäten in Berlin
Ausgabe 1 · 2013Editorial
Ob im Kindes- oder Jugendalter, als junge Familie, im Berufsleben, in Phasen der Ar- beitslosigkeit, im Ruhestand oder im hohen Alter: In jeder Lebenssituation können ge- sundheitliche Ressourcen durch Prävention gefördert werden. Voraussetzung ist, dass Angebote vielseitig sind und Rücksicht auf diese Lebensumstände nehmen. Eine allein- erziehende Mutter etwa hat andere Bedarfe als eine junge Familie, in der nur ein Eltern- teil berufstätig ist. Erwerbslose Menschen werden nicht auf dem gleichen Wege er- reicht wie berufstätige Singles. Durch Krank- heit eingeschränkte ältere Menschen kön- nen nicht gleichermaßen an präventiven An- geboten partizipieren, wie die sogenannten jungen Alten. Und Menschen verschiedener kultureller Hintergründe nutzen Angebote ebenfalls unterschiedlich. Auf diese Vielfalt müssen wir uns einstellen, wenn wir allen die gleichen Gesundheitschancen ermögli- chen wollen. Für das Handlungsfeld Bewe- gung im Alter beispielsweise ist in Berlin ein breites Angebot vorzufinden. Dies zeigt die Broschüre „Gemeinsam mehr bewegen“, die zur 9. Landesgesundheitskonferenz erschie- nen ist (vgl. S. 9).
Mit ihrem im November 2012 beschlossenen Arbeitsprogramm reagiert die Landesge- sundheitskonferenz Berlin auf diese vielfäl- tigen Herausforderungen. Sie geht neue We- ge in der Umsetzung der beiden Berliner Gesundheitsziele und nimmt gleichzeitig neue inhaltliche Schwerpunkte auf. So wird die Gesundheit der berufstätigen Berlinerin- nen und Berliner thematischer Schwerpunkt des nächsten Gesundheitsforums am 4. Juni 2013 sowie der 10. Landesgesundheitskon- ferenz am Ende dieses Jahres sein.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Be- schluss, die gute Gesundheits- und Sozial- berichterstattung in Berlin durch Daten über die vielfältigen Präventionsaktivitäten der LGK-Mitglieder zu ergänzen. Ziel ist eine in- terne „virtuelle Landkarte“ mit Programmen und Projekten der Prävention und Gesund- heitsförderung, mit denen die Mitglieder im Rahmen ihrer Selbstverpflichtung die Um- setzung der Gesundheitsziele unterstützen.
Der Fokus liegt dabei insbesondere auf In- terventionen für Menschen mit besonderem Bedarf. Auf einer solchen Grundlage können Kooperation und Abstimmung zwischen den Mitgliedern besser gelingen.
Um mehr Akteure dafür zu gewinnen, sich an den Aktivitäten der LGK zu beteiligen, haben sich die Mitglieder verständigt, die Öffent- lichkeitsarbeit zu verbessern. Denn nur wenn bekannt ist, was an guten Beispielen bereits umgesetzt wird, können Partner ge- wonnen werden, sich zu beteiligen. Die Fachstelle für Prävention und Gesundheits- förderung hat dafür Formate entwickelt, die nicht nur die Fachöffentlichkeit, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger in die Stär- kung der Prävention und Gesundheitsförde- rung in Berlin einbinden.
In dieser Ausgabe des Newsletters finden Sie wieder Informationen über die zahlrei- chen Aktivitäten zur Prävention und Gesund- heitsförderung in Berlin. Wir wünschen Ih- nen eine spannende Lektüre!
Stefan Pospiech und das Team der Fachstelle
Inhaltsverzeichnis
Landesgesundheitskonferenz im Gespräch Interview mit Werner Mall (AOK Nordost) . 2 Dokumentation des Gesundheitsforums
„Gut verstanden – gut versorgt?“ . . . 3
Rückschau auf die 9. LGK . . . 6
Gesundheitsförderung bei Älteren Unabhängig auch im Alter . . . 7
Veranstaltungshinweis: Sucht im Alter vorbeugen . . . 7
Gesundheitsziele Treptow-Köpenick . . . 8
Broschüre zur Bewegungsförderung . . . 9
Altenhilfeplanung in den Bezirken . . . 10
Gesundheitsförderung & Diversity . . . 11
Kindergesundheit Integrierte Kommunale Strategien . . . 13
Schwangerschaft & psychische Belastung . . . 14
Weiterbildung der Familienhebammen . . 15
Stand Bildung & Gesundheit in der Kita. . . 15
Kita-Fibel Marzahn-Hellersdorf . . . 16
Gesundheit & Gender in Kitas . . . 17
Aktivitäten in Berlin Darmkrebsvorsorge: Initiative Lichtenberg . . . 19
Gesunder Bezirk: Projekt in Friedrichshain-Kreuzberg . . . 19
Infos Soziales & Gesundheit Berlin. . . 18,20 Termine & Impressum . . . 21
Landesgesundheitskonferenz im Gespräch
Landesgesundheits
konferenz im Gespräch
„Kräfte bündeln und auf ein Ziel ausrichten – ein Gesundheitsziel“
Interview mit Werner Mall, AOK Nordost
Welche Akteure sind Mitglieder in der Landes- gesundheitskonferenz? Für welche Themen en- gagieren sich die LGK-Mitglieder besonders?
Wo sehen sie Handlungsbedarf? Und mit wel- chen Schwerpunkten und Anliegen bringen sie sich in die Entwicklung und Umsetzung der Berliner Gesundheitsziele ein? Auch in diesem Newsletter der Fachstelle für Prävention und Gesundheitsförderung stellen wir einen Akteur der Landesgesundheitskonferenz vor, diesmal Werner Mall, Leiter des Bereiches Prävention der AOK Nordost.
Fachstelle: In der Landesgesundheitskonfe- renz Berlin wurden durch die Mitglieder, zu denen auch die AOK Nordost gehört, Gesund- heitsziele formuliert. Welche Potenziale liegen aus Ihrer Sicht in einem solchen gemeinschaft- lichen Vorgehen? Wie kann sich die AOK Nord- ost hier einbringen?
Werner Mall: Kein Akteur in unserer Stadt kann die Aufgaben von Prävention und Ge- sundheitsförderung alleine auch nur halbwegs zufriedenstellend lösen. Alle, die zu dieser Auf- gabe etwas beizutragen haben, müssen ihre Kräfte bündeln und auf ein Ziel ausrichten – ein Gesundheitsziel. In unserem komplexen Ge- meinwesen mit seiner ausdifferenzierten Ar- beitsteilung kommt einer solchen Verständi- gung der Akteure über abgestimmte Vorge-
hensweisen eine große Bedeutung zu. Solche Verabredungen bieten zwar keine Garantie für einen gemeinsamen Erfolg, sie sind jedoch seine unverzichtbare Voraussetzung.
Die Kunst in Gesundheitszieleprozessen be- steht darin, Ziele so zu formulieren, dass die Akteure erkennen können, ob sie auf dem rich- tigen Weg sind. Deshalb hat sich die AOK an der Auswahl und Formulierung der Gesund- heitsziele seit Bestehen der Landesgesund- heitskonferenz stets aktiv beteiligt.
Fachstelle: Was erhoffen Sie sich von der Zu- sammenarbeit mit den Partnern in der LGK für die eigenen Ziele und Aufgaben?
Werner Mall: Die Zusammenarbeit in der Lan- desgesundheitskonferenz mit anderen Akteu- ren in der Stadt hilft uns, unseren gesetzlichen Auftrag besser zu erfüllen, als wir dies alleine könnten. Ein Beispiel: Als gesetzliche Kranken- kasse hat die AOK Nordost die Aufgabe, auch durch Prävention und Gesundheitsförderung zum Ausgleich sozialer Ungleichheiten der Ge- sundheitschancen beizutragen. Die Informatio- nen aus der Gesundheits- und Sozialberichter- stattung des Landes stehen den Mitgliedern der Landesgesundheitskonferenz unmittelbar zur Verfügung und können für Steuerungszwe- cke verwendet werden.
Fachstelle: Die Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung in Berlin steht im Zent- rum der Arbeit der Landesgesundheitskonfe- renz. Wie schätzen Sie die Entwicklungen auf diesem Feld ein? Sind wir hier auf dem richti- gen Weg oder bedarf es noch mehr Anstren- gungen?
Werner Mall: Die Berliner Landesgesundheits- konferenz hat sich ohne Zweifel einige Ver- dienste erworben: Von Beginn an hat die Lan- desgesundheitskonferenz der Versuchung simpler Leuchtturm-Projektitis widerstanden.
Stattdessen hat sie sich für den steinigen, aber auch nachhaltigeren Weg des Aufbaus von Ko- operationsstrukturen in Prävention und Ge- sundheitsförderung entschieden! Dies sei am Beispiel der Kindertagesstätten verdeutlicht, in denen sich eine ganze Reihe von Mitgliedern der Landesgesundheitskonferenz (darunter auch die AOK Nordost) engagieren. Viele die- ser Aktivitäten wären zwar auch ohne Landes- gesundheitskonferenz entstanden. In einigen Fällen hat die LGK jedoch durch die gemeinsa- me Vorgehensweise großen Mehrwert gestif- tet. Wer hätte es noch vor einigen Jahren für möglich gehalten, dass mit Mitteln des Ge- sundheitsbereiches die Datenerhebung des Bildungsbereiches in den Kindertagesstätten in Richtung Gesundheit erweitert wird? Auf diese Weise wird mit den Jahren eine zweite Datenbasis neben den Schuleingangsuntersu- chungen entstehen, die uns Auskunft gibt über die Gesundheit von Kindern in Berlin. Für Ge- sundheitsförderung und Prävention in Berlin ist das ein großer Schritt vorwärts.
Andererseits hat der Verzicht auf „Leuchttür- me“ der Landesgesundheitskonferenz zeitwei- lig den Vorwurf eingetragen, ihre Aktivitäten seinen für Außenstehende praktisch nicht zu erkennen. Dieses Thema hat die LGK in ihrem diesjährigen Arbeitsprogramm aufgegriffen und die Öffentlichkeitsarbeit in den Mittel- punkt gerückt.
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Landesgesundheitskonferenz im Gespräch
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Fazit: Die Landesgesundheitskonferenz ist auf einem guten Weg. Und: Die gemeinsame Aus- richtung auf das gemeinsame Gesundheitsziel ist kein Selbstläufer, sie erfordert Jahr für Jahr neue Anstrengungen und ein erneuertes Com- mittment zwischen den Mitgliedern. Nicht zu- letzt muss die LGK mit jedem neuen Entwurf eines Präventionsgesetzes der Versuchung wi- derstehen, ihre kooperativen Strukturen für Entscheidungen über Ressourcenallokationen zu instrumentalisieren.
Fachstelle: Zwei Themenfelder bestimmen die Arbeit der Landesgesundheitskonferenz Ber- lin: Die Gesundheit von Kindern und Jugendli- chen sowie die Gesundheit im Alter. Wie enga- giert sich die AOK Nordost in diesen Themen- feldern, wo setzen Sie ihre Schwerpunkte?
Werner Mall: Die Gesundheit von Kindern zählt zu den zentralen Handlungsfeldern der
AOK Nordost. Das Kinderarztprogramm „AOK Junior“ beinhaltet eine Reihe zusätzlicher Ge- sundheitsangebote für Kinder, wie z.B. zusätz- liche Vorsorgeuntersuchungstermine. Im Pro- gramm „Kleine kommen ganz groß raus“ ha- ben wir gemeinsam mit dem Landesportbund Berlin in den letzten fünf Jahren in über 200 Kindertagesstätten Kooperationen mit lokalen Sportvereinen angebahnt und betreut. Im Pro- gramm „Tiger Kids“ haben ca. 140 Kitas in Berlin die Themen Bewegung und Ernährung fest in ihren Alltagsablauf eingebaut. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen haben wir ge- meinsam mit der Bertelsmann Stiftung und dem Land Berlin in 40 Kitas im Bezirk Mitte er- probt, wie sich Bildung und Gesundheit durch Organisationsentwicklung verknüpfen lassen.
Aus dem Projekt „Kitas bewegen“ ist das Berli- ner Landesprogramm „Kitas bewegen – Für die gute gesunde Kita“ entstanden, an dem eine große Zahl von Partnern und Unterstützern mit
Kitas in derzeit vier Bezirken zusammenarbei- ten.
Eine ähnlich positive Entwicklung wünschen wir uns auch für den Bereich der Gesundheits- förderung für Senior/innen. In Berlin haben mittlerweile rund 100 stationäre Altenpflege- heime unsere Angebote zur Sturzprävention angenommen. Jetzt bauen wir die Sturzpräven- tion auch außerhalb stationärer Einrichtungen, z.B. in Nachbarschaftsheimen und Senioren- treffs auf. Die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern der Landesgesundheitskonferenz ist für uns dabei eine große Unterstützung und ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Fachstelle: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Rike Hertwig.
„Gut verstanden – gut versorgt?
Herausforderungen für ein gesundes Altern in der Zuwanderungsstadt Berlin“
Dokumentation des LGK-Gesundheitsforums am 12. November 2012
Etwa 14 Prozent der über 65-Jährigen in Berlin haben derzeit einen Migrationshintergrund.
Bis zum Jahr 2020 wird ihr Anteil auf das Dop- pelte ansteigen. Das Altenhilfesystem steht angesichts dieser Prognosen vor großen Her- ausforderungen – sowohl in Bezug auf die Ver- sorgungsstrukturen, als auch hinsichtlich Ak- zeptanz und Integration vielfältiger individuel- ler und kultureller Differenzen und der Über- windung von Zugangsbarrieren.
Ist die Zuwanderungsstadt Berlin auf diese
Herausforderungen vorbereitet? Wie steht es hier um die Interkulturelle Öffnung der Alten- hilfe? Diese Frage wurde am Montag, 12. No- vember 2012 in der Urania Berlin im Rahmen eines Gesundheitsforums der Landesgesund- heitskonferenz diskutiert. Dabei zeigte sich ei- nerseits, wie viel bereits seit Ende der 1990er Jahre zum Thema Alter, Migration und Pflege in Berlin auf den Weg gebracht wurde, anderer- seits aber auch, wie viel Handlungs- und Sensi- bilisierungsbedarf es weiterhin gibt.
Integration durch Offenheit und Partizipation
„Die größte Kulturleistung eines Volkes sind die zufriedenen Alten“ (japanisches Sprich- wort). Diesem hohen Anspruch gerecht zu wer- den, sei eine besondere Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, wie Meltem Başkaya, stellvertretende Leiterin des Kompetenz Zent- rums Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe (kom-zen) in ihrem Fachvortrag zur Eröffnung deutlich machte.
Die Bevölkerungsgruppe der älteren Menschen in Deutschland ist sehr heterogen – sowohl hinsichtlich der verschiedenen kulturellen, ge-
sundheitlichen, sozialen und familiären Vor- aussetzungen als auch in Bezug auf ihre Be- dürfnisse. Başkaya wies darauf hin, dass im System der Altenhilfe zunehmend ältere Men- schen erscheinen, die durch andere Gesell- schaften und Kulturen geprägt wurden. Und obwohl sie die Angebotsstruktur der Altenhilfe beeinflussen, könne leider immer noch nicht von einem bedürfnisorientierten und chancen- gleichen Zugang zum Altenhilfe- und Gesund- heitssystem gesprochen werden. Unter dem Begriff „kulturspezifische Angebote für be- stimmte ältere Menschen“ entstehe seit eini- gen Jahren eine parallele Altenhilfestruktur für ältere Zugewanderte, die eher als diskriminie- rend empfunden werde und nicht den Bedürf- nissen entspräche. So verwies Başkaya darauf, dass die realen Lebensbedingungen der älte- ren Migrant/innen genauer betrachtet und die bestehenden Versorgungskonzepte an die Be- dürfnisse der älteren Zugewanderten ange- passt werden müssten.
Am Beispiel Pflege illustrierte sie verschiedene Barrieren: zum Einen sei da die mangelnde Sensibilität hinsichtlich der Selbstverständ- lichkeit anderer Kulturen, Angehörige inner- halb der Familie zu pflegen, zum Anderen be- stehe fehlendes Wissen der Bürger/innen mit Migrationshintergrund um die vorhandenen Versorgungsstrukturen. Dabei müssten so- wohl auf Seiten der Professionellen als auch auf Seiten der älteren Migrant/innen und Pfle- gebedürftigen Barrieren und Fremdheiten ab- gebaut sowie Offenheit aufgebaut werden.
Dabei ginge es vorrangig darum, so Başkaya, die verschiedenartigen Verhaltensweisen der älteren Migrant/innen zu verstehen. Dies kön- ne durch biografiebezogene Arbeit, Sensibili- Podiumsdiskussion mit:
• EminE DEmirbükEn-WEgnEr, Staatssekretärin für Gesundheit
• mEltEm bas,kaya, Kompetenz Zentrum Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe
• mustafa t. Cakmakoglu, Integrations- beauftragter Bezirksamt Charlottenburg- Wilmersdorf
• DErya DiEtriCh-WrobEl, Projekt IdeM, Sozialverband VdK Berlin-Brandenburg e.V.
• Dr. katharina graffmann-WEsChkE, AOK Nordost
• ElkE krügEr, Der Paritätische Landesverband Berlin
Moderation: sabinE sChWEElE, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
Landesgesundheitskonferenz im Gespräch
sierung im Umgang mit Fremdheiten, ressour- cenorientierte Nutzung kulturspezifischer Fä- higkeiten und Förderung professioneller Neu- gierde ohne Interpretationsspielraum umge- setzt werden.
„Die Interkulturelle Öffnung kann nur unter Beteiligung aller gelingen, wenn sie von der Leitungsebene gewollt, auf der Praxisebene umgesetzt wird und die Zustimmung der Nut- zerinnen und Nutzer bekommt. Denn nur wenn eine deutlich sichtbare und gewollte Öffnung für die Nutzerinnen und Nutzer zu erkennen ist, wird sich die Nachfrage einstellen“, so Başkaya.
Interkulturelle Öffnung der Strukturen Emine Demirbüken-Wegner, die Berliner Staatssekretärin für Gesundheit, veranschau- lichte anhand einiger Statistiken, dass die älte- ren Berliner/innen mit Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer Gesundheit(schancen) schlechter gestellt seien als die Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund. So seien die älte- ren Migrant/innen um mehr als das Vierfache häufiger von Tuberkulose betroffen, würden nur zu 39 Prozent medizinische Rehabilitati- onsmaßnahmen in Anspruch nehmen und wür- den häufiger früh berentet als die Älteren ohne Migrationshintergrund. Darüber hinaus zeige eine ältere bundesweite Untersuchung, dass Migrant/innen häufiger an Erkrankungen des Sekelett-, Muskel-, Atmungs- sowie Verdau- ungssystems erkranken. Demirbüken-Wegner betonte auf dieser Grundlage die Bedeutung von Schnittstellen der interkulturellen Öffnung zwischen Prävention, Gesundheitsversorgung, Pflege und Rehabilitation. Besonders wichtig sei es hierbei, Angebote niedrigschwellig und ortsnah zu etablieren und in die Lebenswelten
Mitwirkung von Senior/innen mit Migrations- hintergrund etwa in der Seniorenpolitik sei ein wichtiger Aspekt für eine erfolgreiche interkul- turelle Öffnung der Altenhilfe. Diese sei aller- dings abhängig von einer verstärkten Öffnung der Strukturen (zum Beispiel Öffnung von Mit- wirkungsgremien). Außerdem erfordere es ei- ne gewisse Zeit und auch Leistung hinsichtlich des Vertrauensaufbaus, damit sich die älteren Migrant/innen aktiv einbringen. Diese Aufgabe erfülle laut Demirbüken-Wegner das kom-zen mit seiner individuellen Begleitstruktur sehr gut.
Weiterhin machte sie darauf aufmerksam, dass die Zahl der Mitarbeiter/innen mit Migrations- hintergrund in diesen Strukturen gestiegen sei. Die 2006 ins Leben gerufene Initiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen „Charta der Vielfalt“ sei eine gute Orientierungsgrund- lage. Abschließend sprach sich die Staatsse- kretärin dafür aus, mehr Sprach- und Kultur- mittler sowie Auszubildende mit Migrations- hintergrund im Bereich der Altenhilfe einzu- stellen. Für 2013 sei von Seiten der Senatsver- waltung für Gesundheit und Soziales eine gro- ße Kampagne mit dem Ziel geplant, junge Menschen mit Migrationshintergrund insbe- sondere für die Pflegeberufe zu gewinnen.
Stärkung interkultureller Kompetenz und Sensibilität
Der Integrationsbeauftragte des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf Mustafa Turgut Cakmakoglu verwies in seinem Statement ein- dringlich auf die Bedeutsamkeit der interkultu- rellen Kompetenz und Sensibilität im gesund- heitlichen Bereich. Es sei äußerst wichtig, die- se etwa in den Bereichen der (Regel-)Versor- gungsforschung sowie der Aus- und Weiterbil-
So bemängelte Cakmakoglu ein fehlendes Di- versity Management bei vielen Regelangebo- ten. In zahlreichen Einrichtungen und Instituti- onen der Regelversorgung käme es zu kulturel- len und sprachlichen Verständigungsschwie- rigkeiten und folglich zu Missverständnissen, was einer dringenden Entgegenwirkung bedür- fe. Beispielhaft wurden in diesem Zusammen- hang Fehldiagnosen und Doppeluntersuchun- gen der Patient/innen mit Migrationshinter- grund genannt. Cakmakoglu forderte, dass Mi- grant/innen stärker in Gesundheitsstudien so- wie in die gesundheitliche Versorgungsfor- schung eingebunden werden sollten. Weiter- hin machte der Integrationsbeauftragte deut- lich, dass interkulturelle Kompetenzen etwa im Medizinstudium oder auch in Form von Fortbil- dungen in allen Bereichen von Gesundheit und Altenhilfe stärker vermittelt werden sollten.
Zuletzt plädierte er für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle bei der Senatsverwal- tung für Gesundheit, welche hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung der (älteren) Mi- grant/innen die öffentlichen Stellen, die ver- schiedenen (Nichtregierungs-)Organisationen und die Basis besser miteinander vernetzt.
Migration und Demenz
Derya Dietrich-Wrobel brachte als Leiterin der europaweit ersten Informations- und Bera- tungsstelle für demenziell erkrankte Migrant/
innen ein weiteres umfassendes Thema in Be- zug auf die gesundheitliche Situation älterer Migrant/innen ein. Das Projekt IdeM, Informa- tionszentrum für demenziell und psychisch er- krankte sowie geistig behinderte Migranten und ihre Angehörigen, wurde 2003 vom Sozial- verband VdK Berlin-Brandenburg ins Leben ge- rufen. Dietrich-Wrobel erklärte, dass diese erst so späte Beschäftigung mit dem Thema De- menz und Migration daher rühre, dass Demenz als Erkrankung Hochaltriger gelte und die meisten Migrant/innen bis dahin noch nicht hochaltrig waren.
In der Ende 2012 von Christa Matter und Gud- run Piechotta-Henze herausgegebenen Publi- kation „Doppelt verlassen? Menschen mit Mig- rationserfahrung und Demenz“ äußerte Diet- rich-Wrobel einige dringliche Wünsche, um die gesundheitliche Chancengleichheit demenziell erkrankter Migrant/innen zu verbessern. Dabei verwies sie besonders auf die Schaffung von Rahmenbedingungen, in denen die älteren Mi- grant/innen genauso berücksichtigt werden sollen wie die älteren Bürger/innen ohne Mig- rationshintergrund. Als besonders wichtig stellte Dietrich-Wrobel dabei „die Einführung von migrantenspezifischen Diagnose-, Be- schäftigungs- und Behandlungsmethoden“ he- raus. So hätten Kuraufenthalte bei Migrant/in- nen oft nicht den gewünschten, die Gesundheit
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Landesgesundheitskonferenz im Gespräch
den im Gegenteil eher als eine Art „Gefängnis“
aufgenommen. Des Weiteren hob sie hervor, wie wichtig es sei, vermehrt junge Menschen mit Migrationshintergrund für die Pflegeberufe zu gewinnen sowie generell das Bewusstsein und das Verständnis für dieses Thema zu stär- ken.
Ältere Migrant/innen direkt in ihren Lebenswelten erreichen
Die Geschäftsbereichsleiterin Pflegestütz- punkte und Pflegeberatung der AOK Nordost Dr. Katharina Graffmann-Weschke berichtete über die Herausforderungen von Prävention, Gesundheitsförderung und Pflege bei Älteren mit Migrationshintergrund. Gerade diejenigen, die schlechtere gesundheitliche Voraussetzun- gen haben, würden nicht genügend erreicht.
Dabei sei es laut Graffmann-Weschke gerade für die Bevölkerungsgruppe der älteren Mi- grant/innen besonders wichtig, gute Möglich- keiten zu schaffen, sie und ihre Familien außer- halb institutioneller Einrichtungen zu errei- chen. Erfahrungen hätten gezeigt, dass dies besonders erfolgversprechend sei, wenn die älteren Migrant/innen direkt in ihren Lebens- welten angesprochen werden. Es sei davon auszugehen, so Graffmann-Weschke, dass vie- le Familien mit Migrationshintergrund Angehö- rige zu Hause pflegen, auch wenn viele über die Daten der Kranken- und Pflegekassen lei- der nicht genau erfasst werden (da diese bei- spielsweise nicht die Herkunft, sondern nur die Staatsangehörigkeit beinhalten). Daher gelte es auch insbesondere an dieser Stelle, die Un- terstützungsbedarfe hinsichtlich der kulturel- len Hintergründe aufzudecken und zu bedie- nen. Graffmann-Weschke machte deutlich:
„Das Gelingen dieses Netzwerkens und Aufsu- chens hängt ganz entscheidend von sozialer Kompetenz, Neugier und kultursensiblen Kenntnissen ab, die mit viel Geduld weitere Verbreitung finden müssen.“
Hoher Bedarf an interkulturellen Fortbildungen und Beratungskapazitäten Elke Krüger, stellvertretende Geschäftsführe- rin des Paritätischen Landesverbandes Berlin, verwies auf viele Schnittstellen des größten Berliner Wohlfahrtsverbandes zum Thema in- terkulturelle Öffnung der Altenhilfe. Eine die- ser Schnittstellen, so Krüger, sei die Vertrags- partnerschaft mit dem Land Berlin zur Förde- rung von rund 100 Gesundheitsprojekten mit etwa zehn Millionen Euro pro Jahr. Im Rahmen dieser Vertragspartnerschaft führte der Paritä- tische Landesverband 2008 bei allen 100 Pro- jekten eine Befragung durch, um herauszufin- den, wie es um das Thema interkulturelle Öff- nung in den einzelnen Projekten steht. Bei al- len Projekten wurde laut Krüger ein hoher Be-
darf an Fortbildungen zu dem Thema festge- stellt, ebenso wie der Wunsch nach einer Erhö- hung der interkulturellen Beratungskapazitä- ten. Anhand des Projektbeispiels der Rheuma- Liga Berlin veranschaulichte Krüger wie wichtig es ist, die älteren Migrant/innen in ihren Le- bensräumen zu erreichen und ihre Partizipati- on zu stärken. Angebote müssten hierfür sehr genau geprüft werden. So sei eine von der Rheuma-Liga initiierte Selbsthilfegruppe für türkische Frauen seit 20 Jahren sehr erfolg- reich, ein verschreibungspflichtiges Angebot für ein Funktionstraining im Schwimmbad wür- de aber wegen mangelnder Bekanntheit inner- halb des ärztlichen Bereichs nur wenig wahr- genommen.
Eine weitere Herausforderung bestehe in der rapide anwachsenden Anzahl der älteren Mi- grant/innen, die in den nächsten Jahren in sta- tionäre Pflegeeinrichtungen gehen werden.
Der „Druck auf die Einrichtungen, sich diesem Thema zu öffnen und Problemlösungen zu schaffen“ steige, so Krüger.
„Miteinander“, nicht „nebeneinander“
alt werden ...
… – dies sei Wunsch und zentrales Ziel, wie die anschließende Diskussion mit dem Publikum deutlich machte. Auch die bereits genannten Hinweise auf großen Handlungsbedarf bestä- tigten sich in den Wortbeiträgen. Anhand ge- lungener Beispiele wurde verdeutlicht, dass die älteren Migrant/innen als Zielgruppe deut- lich stärker in die Entwicklung von Angeboten, Regelungen etc. eingebunden werden müss- ten. Nur so könne gewährleistet werden, dass Angebote nach ihren Vorstellungen, Bedarfen und Bedürfnissen entwickelt und somit auch in Anspruch genommen werden würden.
Weiterhin wurde berichtet, dass es durchaus viele Migrantenorganisationen in Berlin gäbe, diese aber keinen bzw. kaum Zugang zu den Regelversorgungssystemen hätten. Dieses strukturelle Problem verhindere, dass adäqua- te Angebote die Zielgruppen erreichen. Meltem Başkaya verwies in diesem Zusammenhang auf bestehende Handlungsempfehlungen zum Thema kultursensible Beratung und senioren- politische Partizipation, die in Kooperation al- ler Bezirke, der Senatsverwaltung für Gesund-
heit und verantwortlicher Kommunen erstellt wurden. Außerdem kündigte sie an, dass kom- zen im Jahr 2013 eine Datenbank mit Good Practice Beispielen zum Thema interkulturelle Öffnung der Altenhilfe plane.
Des Weiteren wurde aus dem Publikum gezielt gefragt, wie die Eigenverantwortung der Mi- grant/innen im gesundheitlichen Bereich ge- fördert werden könne und wie man es schafft, die Zielgruppen an die Angebote bzw. die An- gebote an die Zielgruppen heranzubringen. Als ein entscheidendes Kriterium bezüglich der Er- reichbarkeit älterer Migrant/innen führte Staatssekretärin Demirbüken-Wegner die Nut- zung der richtigen Informationskanäle auf. So könne man diese Zielgruppe anders als die Se- nior/innen ohne Migrationshintergrund nur schlecht mit umfassenden Informationsbro- schüren erreichen. Man müsse die Zugänge bedienen, die sie tatsächlich ansprechen, wie bspw. das Radio, das Fernsehen oder über Vi- deos in Arztpraxen. Darüber hinaus sei es wich- tig, in die Lebensräume der älteren Migrant/
innen (Familie, Treffpunkte, etc.) zu gehen und Informationen dort „nebenbei“ zu streuen, was eine Vertreterin eines interkulturellen Bera- tungs- und Begegnungszentrums anhand ei- nes gelungenen Praxisbeispiels bekräftigte.
Mit diesem Verfahren würde sich die Nachfra- ge von selbst einstellen. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei zudem die bessere Einbindung von Migrantenverbänden und -organisationen, die vom Fach sind.
In der Abschlussrunde bat die Moderatorin Sa- bine Schweele, Altenhilfekoordinatorin des Be- zirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg, das Po- dium um die knappe Benennung der nächsten wichtigen Schritte hin zur interkulturellen Öff- nung der Altenhilfe. Dabei wurde neben bereits genannten Aspekten gefordert, die Arbeit der Ehrenamtlichen stärker wertzuschätzen und zu unterstützen, die Kommunikation aller Betei- ligten und Betroffenen zu fördern und den Be- reich der Primärprävention älterer Migrant/in- nen zu stärken. Die Ergebnisse, aber auch auf- geworfene und unbeantwortete Fragen des Gesundheitsforums wurden wenige Wochen später auf der 9. Landesgesundheitskonferenz Berlin im Fachforum „Interkulturelle Öffnung für Ältere in allen Lebenslagen“ vertieft.
Olivia Baier
Save the date!!!
Gesundheitsforum der LGK:
Seelische Gesundheit in der Arbeitswelt Das nächste Gesundheitsforum der Lan- desgesundheitskonferenz findet am Dienstag, 4. Juni 2013 in der Urania statt.
Im Mittelpunkt wird das Thema „Seelische Gesundheit in der Arbeitswelt“ stehen.
Landesgesundheitskonferenz im Gespräch
„Wir sind da! Potenziale des Alters“
Rückschau auf die 9. Landesgesundheitskonferenz vom 17. Dezember 2012
Selbständigkeit und Lebensqualität erhalten:
dies sind die Kernanliegen der Berliner Ge- sundheitsziele für ältere Menschen, die im Jahr 2011 von den Mitgliedern der Landesgesund- heitskonferenz (LGK) formuliert wurden. Wie dies gelingen kann, war eine zentrale Frage- stellung der 9. öffentlichen LGK im Berliner Rathaus Schöneberg. Über 300 Teilnehmende aus u.a. Politik und Verwaltung, Gesundheits- versorgung, Pflege und Altenhilfe sowie kom- munalen Einrichtungen und Seniorenvertre- tungen beteiligten sich an den Diskussionen.
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Gesund- heitssenator und Vorsitzendem der Landesge- sundheitskonferenz Mario Czaja. Er betonte:
„Die Voraussetzung für ein aktives, gesundes Altern ist eine auf die Bedürfnisse älterer Men- schen zugeschnittene Gesundheitsförderung und -prävention. Diese zu stärken und auszu- bauen, das ist das Ziel aller Akteure in der Ber- liner Landesgesundheitskonferenz.“ Welche Anforderungen ergeben sich daraus? Zunächst die Notwendigkeit, die Lebensumstände älte- rer Menschen genauer zu betrachten, denn die Phase des Älterwerdens kann bis zu fünf Le- bensjahrzehnte umfassen. Hinzu kommt eine wachsende Vielfalt sozialer, kultureller und fa- miliärer Hintergründe älterer Menschen. Fazit:
den älteren Menschen gibt es nicht.
Soziale Teilhabe ermöglichen, (Gesundheits)Ressourcen stärken Im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung wurden deshalb in fünf Fachforen gezielt un- terschiedliche Lebenssituationen älterer Men- schen und damit einhergehende Bedarfe und Anforderungen in den Blick genommen: im Be- rufsleben, im aktiven Ruhestand, bei chroni- scher Erkrankung oder in Pflegesituationen sowie im Hinblick auf interkulturelle Öffnung.
Wichtige Voraussetzungen für soziale Teilhabe und die Stärkung von Gesundheitsressourcen wurden herausgearbeitet. Dazu gehören etwa sicheres, altersgerechtes Wohnen, Mobilität, ehrenamtliches Engagement oder auch effekti- ves Schnittstellenmanagement in der Pflege.
Zudem zeigte sich, dass eine Veränderung des gesellschaftlichen Bildes vom Alter notwendig ist, wie die Berliner Seniorenvertreterin Dr. Jo- hanna Hambach schon in der Eröffnung ver- deutlichte: Nicht die Orientierung auf Krank- heit und Pflegebedürftigeit, sondern eine res- sourcenorientierte und respektvolle Sichtwei- se sind notwendig und hilfreich.
Im Anschluss wurden die Ergebnisse der Fach- foren durch deren Moderator/innen im Plenum vorgestellt und formulierter Handlungsbedarf an Entscheidungsträger/innen und Mitglieder der LGK übergeben, die im Rahmen einer Podi- umsdiskussion nächste Schritte diskutierten.
An dieser nahmen teil: Emine Demirbüken- Wegner, Staatssekretärin für Gesundheit Ber- lin; Elke Krüger, stellv. Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes; Werner
Mall, Bereichsleiter Prävention der AOK Nord- ost (vgl. hierzu Interview auf S. 2-3) sowie Be- zirksstadträtin für Gesundheit Christa Markl- Vieto Estrada aus Steglitz-Zehlendorf.
Deutlich wurde, dass die Unterstützung eines gesundheitsförderlichen Älterwerdens in Ber- lin gemeinsame Anstrengungen erfordert. Um beispielsweise ein verbessertes Schnittstellen- management zwischen Prävention, Versor- gung, Pflege und Rehabilitation herzustellen, müssen die verschiedenen Akteure gut zusam- menarbeiten. Auch die Vernetzung in allen Be- reichen bleibt eine Herausforderung. Hier brauche es neben persönlichem Engagement aber auch gezielte Anreize, wie aus den Fachfo- ren gefordert wurde, um stärkere Kontinuität zu gewährleisten.
Die Landesgesundheitskonferenz hat erneut gezeigt, dass es bereits eine Vielzahl von er- folgreichen Angeboten und guter Praxis in Be- trieben, Kommunen und Versorgungseinrich- tungen gibt, diese jedoch gezielt verbreitet (etwa an bisher noch nicht erreichte Betriebe und Einrichtungen) und vor allem nachhaltig verstetigt werden müssen. Potenziale für die
Umsetzung der Berliner Gesundheitsziele se- hen die Mitglieder der Landesgesundheitskon- ferenz darin, projektspezifische verbindliche Kooperationen mit den jeweiligen erforderli- chen Partnern einzugehen. Im Bereich der Kin- dergesundheitsziele gab es hierzu schon er- folgreiche Beispiele.
Die Menschen stärker in den Fokus rücken
Einig war sich das Podium darüber, dass der ältere Mensch stärker in den Fokus gerückt werden müsse, um Gesundheitspotenziale und Selbständigkeit erfolgreich zu stärken. Dazu gehört zum einen ein stärker kleinräumiges Vorgehen, das auf unmittelbares Wohnumfeld
und Nachbarschaften orientiert – und zum an- deren der persönliche Kontakt zu den Men- schen. Um diese Nähe herzustellen, spielt das Ehrenamt eine große Rolle – Bürgersinn müsse gestärkt werden.
Für all diese Herausforderungen bietet die Lan- desgesundheitskonferenz ein vielfältiges Po- tenzial.
Begleitet wurde die 9. Landesgesundheitskon- ferenz von einer Projektmesse, auf welcher sich verschiedene Berliner Einrichtungen prä- sentierten. Die Wanderausstellung „Mit hun- dert hat man noch Träume“ des Frankfurter Fotografen Karsten Thormaehlen ergänzte die Veranstaltung mit ausdrucksstarken Portraits.
Die Dokumentation der Veranstaltung wird im Frühjahr erscheinen und ist über die Geschäfts- stelle der Landesgesundheitskonferenz zu be- ziehen. Vorbestellungen können Sie an fachstelle@gesundheitbb.de richten.
Rike Hertwig
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Gesundheitsförderung bei Älteren
Gesundheitsförderung bei Älteren
Unabhängig auch im Alter
Gesundheitsziele für Ältere aus Perspektive der Suchtprävention
Unter dem Leitgedanken „Gesund älter wer- den“, stellt der Kooperationsverbund gesund- heitsziele.de die Prävention und Gesundheits- förderung älter werdender Menschen in den Mittelpunkt des diesjährigen nationalen Ge- sundheitsziels. Grundgedanke ist, dass es ge- eigneter Voraussetzungen für ein gesundes Äl- terwerden bedarf. Hierauf aufbauend wurden Ziele, Empfehlungen und Handlungsfelder for- muliert, die sich an die Akteure sowohl inner- halb als auch außerhalb des Gesundheitswe- sens richten.
Für das Handlungsfeld Prävention werden aus Sicht der Fachstelle für Suchtprävention fol- gende zentrale Ziele formuliert:
n Ziel 1: Die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen ist gestärkt. Mangelnde Teilhabe und Isolation werden erkannt und gemin- dert.
n Ziel 2: Gesundheitliche Ressourcen und die Widerstandskraft älterer Menschen sind ge- stärkt, und ihre gesundheitlichen Risiken sind gemindert.
Ausgehend von diesen Zielen ergibt sich die Notwendigkeit, das Thema „Sucht im Alter“
verstärkt öffentlich zu thematisieren.
Zunehmend dringt an die Öffentlichkeit, dass Substanzmissbrauch und -abhängigkeit auch
im höheren Lebensalter keine Seltenheit, son- dern bei Menschen über 60 Jahren durchaus verbreitet sind. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 400.000 ältere Menschen von ei- nem Alkoholproblem betroffen sind. Gemäß einer Studie im Auftrag des Bundesministeri- ums für Gesundheit (BMG) schätzen Pflege- kräfte, dass derzeit zirka 14 Prozent der Men- schen, die von ambulanten Pflegediensten und in stationären Einrichtungen betreut werden, Alkohol- oder Medikamentenprobleme haben.
Gesellschaftliche Teilhabe fördern – Risikofaktoren mindern.
Für die Suchtproblematik bei älteren Men- schen gibt es vielfältige Erklärungsansätze bzw. Risikofaktoren, die süchtiges Verhalten fördern. Der Auslöser für Alkohol- und Medika- mentenmissbrauch kann der Verlust von Bezie- hungen, aber auch die mangelnde Bewälti- gung des Übergangs von der Arbeit in den Ru- hestand sein. Dies bestätigt noch einmal die Relevanz des oben genannten Gesundheits- ziels bzgl. verstärkter gesellschaftlicher Teilha- be für ältere Menschen.
Hat sich das Suchtverhalten etabliert, wird es von den Betroffenen, Angehörigen, Ärzt/innen und Pflegekräften häufig zu spät oder gar nicht erkannt. Sichtbare Hinweise auf eine Suchter- krankung werden fehlinterpretiert, dem hohen
Terminhinweis:
Sucht im Alter vorbeugen
Die Berliner Fachstellen für Suchtpräventi- on und für Prävention und Gesundheitsför- derung und die Ärztekammer Berlin möch- ten dieses relevante Gesundheitsthema in einer Fachveranstaltung aufgreifen. Unter dem Titel „Sucht im Alter vorbeugen“ fin- det am Dienstag, 14. Mai 2013 von 12 bis 17 Uhr eine Tagung in der Ärztekammer statt, die sich an Professionelle aus dem Gesundheitssektor richtet.
Das Anliegen der Veranstaltung ist es, die Suchtprävention für ältere Menschen zu stärken und gemeinsam gezielte Hand- lungsempfehlungen für den Gesundheits- sektor zu entwerfen. Außerdem soll die Ta- gung dazu beitragen, Professionelle sowie die Öffentlichkeit für das Thema „Sucht im Alter“ zu sensibilisieren, um so Betroffene frühzeitiger erreichen und intervenieren zu können.
Gesundheitsförderung bei Älteren
Alter zugeschrieben und für nicht mehr be- handlungsbedürftig gehalten. Hier setzt daher das zweite genannte Gesundheitsziel an, wel- ches darauf abzielt, gesundheitliche Ressour- cen und Widerstandskräfte der Betroffenen zu stärken.
Angesichts der demographischen Entwicklung wird die Zahl älterer Menschen, die von
Substanzmissbrauch und -abhängigkeit be- troffen sind, in den nächsten Jahren erheblich zunehmen. Es gilt daher über Instrumente für Pflegekräfte, Ärzt/innen und Verwandte nach- zudenken, mit denen auf diese Entwicklung angemessen reagiert werden kann. Aber auch andere Dienste wie z.B. die Gesundheitsämter der Kommunen und des Landes sowie Sucht-
hilfeeinrichtungen sind gefordert, sich ver- stärkt mit dem Thema Sucht im Alter auseinan- dersetzen.
Dieses Ziel verfolgt derzeit das Bundesmodell
„Psychosoziales Netzwerk Sucht im Alter“, in dem Mitarbeiter/innen der Hilfesysteme für suchtauffälliges Verhalten sensibilisiert wer- den und gleichzeitig das bestehende Hilfean- gebot an die Bedürfnisse älterer Menschen angepasst werden soll. Das Projekt, das sich derzeit in der Implementierungsphase in ein- zelnen Regionen Schleswig-Holsteins befin- det, zeigt nicht zuletzt den Handlungsbedarf innerhalb dieses Bereichs.
Für die zukünftige Präventionsarbeit kann zu- sammengefasst werden, dass der „late- onset“-Sucht verstärkt mit gezielten Maßnah- men und Öffentlichkeitsarbeit entgegenge- wirkt werden muss, um so die Zahl der im Alter Betroffenen zu senken. Die Suchhilfe, die die Gruppe der „early-onset“-Süchtigen betreut und unterstützt, wird nicht umhin kommen, sich auf die zunehmende Zahl der älteren Süchtigen einzustellen.
Kerstin Jüngling, Anke Schmidt, Julia Jaite Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin
„Gesund alt werden in TreptowKöpenick“
Sucht im Alter als neuer Teilaspekt des Gesundheitszielprozesses
Im Rahmen der Fortschreibung und inhaltli- chen Qualifizierung des im Jahre 2006 begon- nenen kommunalen Gesundheitszielprozesses
„Gesund alt werden in Treptow-Köpenick“
wurde in Treptow-Köpenick eine von Gesund- heit Berlin-Brandenburg moderierte Ideen- werkstatt „Sucht im Alter“ organisiert. Neben der Stadträtin für Arbeit, Soziales und Gesund- heit, Ines Feierabend, nahmen Akteur/innen des Sozial- und des Gesundheitsamtes, der Krankenhäuser, aus Pflegestützpunkten, Selbsthilfezentren, Suchtberatungsstellen, Pflegediensten und anderer versorgender Trä- ger sowie der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin teil.
Deutlich wurde, dass es im Rahmen der Fort- schreibung des bestehenden kommunalen Ge- sundheitsziels nicht nur darum geht, positive Aspekte des Älterwerdens zu verstärken, son- dern ein Augenmerk auch auf bereits manifes- tierte und verfestigte Gesundheitsschäden/
Gesundheitsrisiken zu richten ist. Suchtproble- me im Alter fallen oft erst dann auf, wenn die Senior/innen ins Krankenhaus oder Pflege- heim kommen. Häufig kommen noch Wechsel- wirkungen durch Medikamente hinzu. Vor die- sem Hintergrund wurden erste Gedanken und Ideen ausgetauscht, die nachfolgend Grundla- ge für eine Verstetigung des Gesundheitsziel- prozesses mit Blick auch auf Suchtgefährdun-
gen im Alter bilden. Deutlich wurde, dass er- hebliche Handlungsbedarfe bestehen und die Akteure sich der angesprochenen Problematik stellen werden. Die Ergebnisse der Ideenwerk- statt wurden zum Anlass genommen, innerhalb des neu berufenen Beratenden Arbeitskreises das Thema „Sucht im Alter“ kontinuierlich im Rahmen des kommunalen Gesundheitszieles zu bearbeiten.
Mario Nätke Bezirksamt Treptow-Köpenick
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Gesundheitsförderung bei Älteren
Neue Broschüre: Gemeinsam mehr bewegen
Gute Argumente und Berliner Beispiele für Bewegungsförderung im Alter
Gemeinsame Bewegung hat für ältere Men- schen viel Potenzial: es ermöglicht ihnen Kon- takte zu knüpfen, Netzwerke zu pflegen oder gemeinsam aktiv zu sein. Dabei sind Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse ebenso vielfäl- tig wie die in Berlin bestehenden Möglichkei- ten. Welche Form der Bewegung die „richtige“
ist, hängt von weit mehr als dem kalendari- schen Alter ab. Gerade bei denjenigen, die bis- lang noch nicht viel mit Bewegung „am Hut“
haben, sind kreative Ideen gefragt.
Vielversprechend sind Ansätze, bei denen ver- schiedene Akteure und Institutionen zusam- menarbeiten. Die Broschüre „Gemeinsam
mehr bewegen“ richtet sich an alle, die nach Ideen, Argumenten oder Partnern suchen, um das eigene Engagement gemeinsam mit ande- ren weiterzuentwickeln. Angeregt und koordi- niert durch das Zentrum für Bewegungsförde- rung Berlin bildet die Broschüre einen Bau- stein in der Umsetzung des Berliner Gesund- heitsziels „Selbständigkeit und Lebensqualität im Alter erhalten“. Unter dem Dach der Landes- gesundheitskonferenz und in Kooperation mit der Fachstelle für Prävention und Gesundheits- förderung im Land Berlin gelingt ein perspekti- venreicher Blick auf die Bewegungsförderung im Alter: Von den Gesundheitsgewinnen aus Sicht der Wissenschaft, Bedarfen und Wün- schen der Berliner/innen bis hin zur Qualitäts-
entwicklung von Angeboten. Zudem zeigen Beispiele gelingender Kooperationen auf, wie Bewegung in den unterschiedlichen Lebenssi- tuationen und Phasen des Alter(n)s zusammen mit Partnern gefördert werden kann.
Zur Bestellung der Broschüre und für weitere Informationen bzgl. der Stadtteilbegehung in Tempelhof-Schönberg wenden Sie sich bitte an: Zentrum für Bewegungsförderung Berlin, c/o Gesundheit Berlin-Brandenburg, Cornelia Wagner, Email: wagner@gesundheitbb.de, Tel.: 030 – 44 31 90 99
Henrieke Franzen und Cornelia Wagner
Gemeinsam den Kiez entdecken
Stadtteilbegehungen rund um den Volkspark Mariendorf
Zu der Stadtteilbegehung „Rund um den Volkspark Mariendorf“ am 28. Juni 2013 um 14 Uhr lädt das Zentrum für Bewegungsförderung gemeinsam mit dem Pflegestützpunkt und dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ein. Ältere Bewohner/innen werden dabei gemeinsam mit der Stadträtin für Gesundheit, Soziales und Stadtentwicklung, Dr. Sibyll Klotz, ihren Stadtteil erkunden. Mit dabei auf der Runde durch den Stadtteil sind Akteure aus gemeinschaftlichen Einrichtungen vor Ort sowie aus Politik und Verwaltung. Dabei soll das Quartier durch die Brille älterer Menschen wahrgenommen und ältere Bürger/innen in dessen Gestaltung einbe- zogen werden. Denn eine einladende Nachbarschaft fördert nicht nur die Freude an alltägli- cher Bewegung, sondern auch soziales Miteinander und Knüpfen von nachbarschaftlichen Netzwerken.
Gesundheitsförderung bei Älteren
Altenhilfeplanungen in den Bezirken
Veranstaltung im Sozialwerk Berlin e.V. diskutierte Bedarf und Perspektiven
Welche Mitwirkungsmöglichkeiten gibt es für ältere Menschen in Berlin? Welche Potenziale bietet ehrenamtliche Betätigung? Wie kann so- zialraumorientierte Altenarbeit gestaltet und
„offene Altenarbeit“ gefördert werden? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Fachtagung „Fortschreibung der Bezirklichen Altenhilfeplanung im Sozialraumbezug“ am 14.
März 2013, die der Berliner Landessenioren- beirat, die Landesseniorenvertretung sowie das Kompetenzzentrum „offene Altenarbeit“
gemeinsam organisiert haben. Zahlreiche Ak- teure der offenen Altenarbeit, Vertreter/innen aus Abgeordnetenhaus, Senats- und Bezirks- verwaltungen, aus Wohlfahrtsverbänden und Seniorenvertretungen und weiteren Einrich- tungen folgten der Einladung ins Käte Tresen- reuter Haus, dem Altenselbsthilfe- und Bera- tungszentrum des Sozialwerks Berlin.
Ziel war es, Bedarfe und Herausforderungen für die bezirkliche Altenplanung aufzuzeigen, Diskussionen um deren Fortschreibung anzu- stoßen sowie Austausch zwischen den Bezir- ken zu ermöglichen. Soziale und kulturelle Teilhabe sowie Partizipation Älterer war dabei eines der Hauptanliegen. Vier Bezirke stellten
an diesem Nachmittag exemplarisch Aspekte ihrer Herangehensweisen an die Altenplanun- gen dar.
So wurde der Prozess der Konzeptentwicklung für die Altenplanung am Lichtenberger Bei- spiel dargestellt. Eine bedarfsorientiere und partizipative Vorgehensweise und die Ablei- tung konkreter Projekte und messbarer Ergeb- nisse wurde dafür als Rahmen gesetzt. Eine Umfrage zur Zufriedenheit älterer Menschen mit ihren Lebensbedingungen und eine Ist- Analyse im Bezirk lieferten die Grundlagen, um Handlungsfelder und Schwerpunktbereiche zu definieren. Dazu gehören etwa die Interkultu- relle Öffnung der Altenhilfe, Förderung von Eh- renamt und seniorenbezogenen Netzwerken
sowie ressortübergreifende Aktivitäten. Dar- aus wurden schließlich konkrete Praxisprojek- te abgeleitet wie z.B. eine kultursensible Seni- orenbegegnungsstätte sowie eine „Senioren- universität“.
Wie möglichst viele Akteure in die Umsetzung einer Altenhilfeplanung einbezogen werden können, wurde am Beispiel MarzahnHellers
dorf vorgestellt. Zur Umsetzung der Planung hat sich dort das „Netzwerk im Alter“ konstitu- iert, das verschiedene Ebenen einbezieht (fachliche, fachpolitische und kommunalpoliti- sche Ebene) und über ein Beschlussverfahren Verbindlichkeit erzeugt. Auf diese Weise wird ein abgestimmtes Vorgehen im Bezirk ermög- licht. Auf der fachlichen Ebene haben sich ins- besondere für das Thema Wohnen, Aktivität und Gesundheit Arbeitsstrukturen gebildet, die zahlreiche bezirkliche Träger und Einrich- tungen einbeziehen. Ziele sind: bedarfsgerech- te soziale Infrastruktur weiterentwickeln, bür- gerschaftliches Engagement einbeziehen so- wie Anbieter- und Trägervielfalt erhalten.
Aus SteglitzZehlendorf wurde ein weiterer Prozess von der Situationsanalyse zum Alten- hilfeplan dargestellt. Dort wurde in Zusam- menarbeit mit dem Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg e.V.
ein Bericht zur Situation älterer Menschen er- arbeitet. Er umfasst eine Bestandsanalyse al- tersgerechter Dienste und Angebote im Bezirk, eine Bedarfsanalyse auf Grundlage einer Bür- gerbefragung sowie daraus resultierende erste Handlungsempfehlungen, die nun Grundlage für die weitere Entwicklung sind.
TreptowKöpenick stellte an diesem Nachmit- tag das Konzept der Kiezclubs vor, die ein fes- ter Bestandteil der Seniorenarbeit im Bezirk sind. Ausgangspunkt war die Frage, wie Bedarf und Finanzierung in Übereinstimmung ge- bracht werden können. Bei den Kiezclubs han- delt es sich um kommunale Seniorenfreizeit- stätten, die an zehn Standorten für die älteren Menschen im Bezirk zur Verfügung stehen und deren Erhaltung hohe Priorität für den Bezirk hat. Kooperationen mit Freiwilligen sind dabei ein tragendes Element. Die generationsüber- greifende Arbeitsweise bietet viele Möglichkei- ten zum Engagement und Potenziale für vielfäl- tige Aktivitäten. Leitlinien zur Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements geben im Be- zirk dazu einen strukturellen und unterstützen- den Rahmen.
Rike Hertwig Einen Überblick über Referent/innen der
Veranstaltung, eine umfangreiche Material- sammlung zu den Altenhilfekonzepten der Bezirke und weitere Links und Informatio- nen zu den genannten Beispielen finden Sie auf der Internetseite des Berliner Landesse- niorenbeirates unter:
www.landesseniorenbeirat-berlin.de
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Gesundheitsförderung bei Älteren
Gesundheitsförderung und Prävention bei älteren Menschen mit Migrationshintergrund
Ein erfolgversprechender Ansatz für den Umgang mit Vielfalt (im Alter)
Die Zahl älterer Menschen mit Migrationshin- tergrund, die in Deutschland leben, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Aus den einstigen so genannten „Gastarbeiter/innen“
sind Zugewanderte und Mitbürger/innen ge- worden, die nun ihr Rentenalter erreichen.
Die wenigen bisher durchgeführten Studien zur Gesundheit älterer Menschen mit Migrati- onshintergrund deuten darauf hin, dass diese Personengruppe von vielen chronischen Er- krankungen häufiger und stärker betroffen ist als gleichaltrige Menschen aus der Mehrheits- bevölkerung. Einige chronische Erkrankungen treten bei Menschen mit Migrationshinter- grund außerdem in jüngeren Altersjahren auf.
Präventive und kurative Versorgungsangebote werden von ihnen gleichzeitig seltener als von der Mehrheitsbevölkerung in Anspruch ge- nommen. Letzteres lässt sich auf unterschiedli- che Zugangs- und Wirksamkeitsbarrieren zu- rückführen, denen sich Menschen mit Migrati- onshintergrund in der Versorgung gegenüber- sehen. Die Entwicklung von Lösungsansätzen und Interventionsstrategien mit dem Ziel, älte- ren Menschen mit Migrationshintergrund ei- nen besseren Zugang zu Gesundheitsangebo- ten zu ermöglichen und ihre Gesundheitsver- sorgung in verschiedenen Bereichen bedarfs- und bedürfnisgerechter zu gestalten, gewinnt vor diesem Hintergrund heute und zukünftig an Bedeutung.
Demografie und Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund In Deutschland weisen von 81,8 Millionen Men- schen 15,7 Millionen einen Migrationshinter- grund auf, was einem Anteil von fast einem Fünftel der Gesamtbevölkerung entspricht. Es handelt sich hierbei zum einen um Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit (7,2 Mio.), zum anderen um deutsche Staatsangehörige (8,5 Mio.), die selbst oder deren Eltern nach Deutschland zugewandert sind. Die größten Gruppen von Menschen mit Migrationshinter- grund sind Spätaussiedler/innen sowie Men- schen türkischer Herkunft (Statistisches Bun- desamt 2011).
Menschen mit Migrationshintergrund, die selbst migriert sind, weisen in der Zeit nach der Einreise im Vergleich zu gleichaltrigen Men- schen im Herkunftsland oft einen besseren Ge- sundheitszustand auf. Dieser verschlechtert sich allerdings mit zunehmender Aufenthalts- dauer (Razum 2006). Dieses Phänomen findet sich besonders bei Menschen, die als Arbeits- migrant/innen nach Deutschland gekommen sind. Viele von ihnen waren hohen gesund- heitsgefährdenden Belastungen bei der Arbeit ausgesetzt – und sind es teilweise noch heute (Razum et al. 2008). Als weitere gesundheitli-
che Risikofaktoren kommen bei dieser Bevöl- kerungsgruppe ein im Durchschnitt niedrigerer sozialer Status und Probleme mit der deut- schen Sprache hinzu, die insbesondere ältere Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor haben. In der Folge ist der Gesundheitszu- stand älterer Menschen mit Migrationshinter- grund im Durchschnitt schlechter als der von gleichaltrigen Menschen der Mehrheitsbevöl- kerung.
Chronische Krankheiten wie Stoffwechseler- krankungen, körperliche Behinderungen, Schlaganfall, einige Krebserkrankungen, Dia- betes, altersbedingte Verschleißerscheinun- gen (geriatrische Erkrankungen), chronische Schmerzzustände und psychische Erkrankun- gen treten bei ihnen durchschnittlich häufiger und in jüngeren Altersjahren als in der autoch- thonen Bevölkerung auf (Razum et al. 2008, Icks et al. 2010). Studien weisen außerdem auf höhere Erwerbsminderungsquoten (Brzoska et al. 2010b) sowie auf eine niedrigere Lebens- und Gesundheitszufriedenheit bei älteren Menschen mit Migrationshintergrund hin (Raz- um et al. 2008).
Die Bevölkerungsgruppe der Menschen mit Mi- grationshintergrund hat bisher noch eine deut- lich jüngere Altersstruktur als die der Men- schen ohne Migrationshintergrund (Statisti- sches Bundesamt 2011). Aber auch bei Men- schen mit Migrationshintergrund wird ein de- mographischer Wandel beobachtet. Mit ihrer zunehmenden Alterung steigt daher auch ihre Wahrscheinlichkeit für chronische, nicht-über- tragbare Erkrankungen.
Diversity Management: Ein Ansatz für den Umgang mit Vielfalt Die Entwicklung von geeigneten Versorgungs- angeboten, sei es der Gesundheitsförderung, Prävention oder Kuration erfordert eine aus- führliche Definition und Analyse von Zielgrup- pen. Besonders die Kenntnis von Wertvorstel- lungen und Präferenzen von Menschen mit Mi- grationshintergrund und deren Berücksichti- gung im Versorgungsprozess sind wichtige Komponenten für eine bedarfsgerechtere Inan- spruchnahme und Wirksamkeit von Gesund- heitsangeboten.
Diskutierte Lösungsstrategien sind neben der Erweiterung bestehender Angebote (zum Bei- spiel Angebot von Speisen, die gemäß religiö- ser Vorschriften zubereitet sind, Vorhalten muttersprachlicher Informationsmaterialien etc.) strukturelle Ansätze wie die Stärkung der interkulturellen Handlungskompetenz beim Personal und der Einsatz von Sprach- und Kul-
Gesundheitsförderung bei Älteren
turmittlern, um Zugangs- und Wirksamkeits- barrieren abzubauen (Schwarze 2009, Wessel- man 2009, Hinz-Rommel 1994). Diese Maßnah- men allein können die Versorgungslage lang- fristig allerdings nicht verbessern. Das ist ins- besondere dann nicht der Fall, wenn sie zur Schaffung paralleler Strukturen (zum Beispiel migrationsspezifischer Rehabilitationskliniken oder Altersheime) führen. Derartige Strukturen könnten nicht flächendeckend unter Sicher- stellung von hohen Qualitätsstandards ge- schaffen werden, sie würden vor allem auch die Gefahr einer gesellschaftlichen Ab- und Ausgrenzung von Menschen mit Migrations- hintergrund bergen.
Zur langfristigen und nachhaltigen Verbesse- rung der Gesundheitsversorgung von Men- schen mit Migrationshintergrund ist stattdes- sen ein Umdenken erforderlich, das den Migra- tionshintergrund von Menschen nicht länger als Merkmal von Fremdheit und Andersartig- keit wahrnimmt, sondern als ein Diversitäts- merkmal von vielen, das wie auch die Merkma- le Geschlecht, Alter und sozialer Status mit un- terschiedlichen Bedürfnissen und Bedarfen einhergeht und ein Teil unserer vielfältigen Gesellschaft ist. Ein ganzheitlicher Ansatz, der dieses Umdenken und den Umgang mit Vielfalt in der Gesellschaft unterstützt, ist Diversity Management. Es ermöglicht die Verschieden- heit von individuellen Bedürfnissen und Bedar- fen zu berücksichtigen, die durch Kultur und Migration, aber auch durch andere Diversitäts- merkmale wie Alter, Geschlecht und Bildung entstehen. Das Individuum wird hierbei als Ganzes wahrgenommen und einzelne Diversi- tätsmerkmale nicht in den Vordergrund ge- rückt. Das stellt einen wichtigen Schritt zu ei- ner bedarfs- und bedürfnisgerechteren Versor- gung in allen gesundheitlichen Bereichen dar – nicht nur für Menschen mit Migrationshinter- grund, sondern für alle Nutzer/innen des Ge-
sundheitsversorgungssystems (Geiger 2006).
Diversity-Management-Strategien müssen sich zum einen auf die Versorgungsstruktur bezie- hen und hier Gesundheitsdienstleister/innen für die Diversität ihrer Klient/innen sensibili- sieren. Auf institutioneller Ebene muss Diversi- ty Management als Teil der Organisationsent- wicklung aufgefasst und entsprechend in der Organisationsstruktur von Institutionen veran- kert werden.
Maßnahmen des Diversity Managements auf struktureller und organisatorischer Ebene sollten dabei Hand in Hand mit der Einbindun- gen von Potenzialen und Ressourcen von Nut- zer/innen des Gesundheitsversorgungssys- tems gehen. Bei vielen Menschen mit Migrati- onshintergrund ist das etwa eine ausgeprägte familiäre und Nachbarschaftsunterstützung.
Auch die Entwicklung und Aktivierung von au- ßerfamiliären sozialen Netzwerken (zum Bei- spiel Selbsthilfeorganisationen) kann die lang- fristige Teilhabe an gesundheitlicher Versor- gung sicherstellen (Yılmaz et al. 2009).
Fazit
Mit der steigenden Zahl der älter werdenden Menschen mit Migrationshintergrund wird die bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung im Alter für schwer erreichbare Gruppen wie diese zukünftig eine noch größere Herausforderung für das Gesundheitssystem darstellen als die- ses bereits heute der Fall ist. Der Abbau von Barrieren im Zugang zu gesundheitlichen Insti- tutionen sowie von Barrieren im Versorgungs- prozess sind von großer Bedeutung, um Men- schen mit Migrationshintergrund im Alter bes- ser unterstützen zu können.
Die Entwicklung, Umsetzung und Evaluation innovativer Lösungsansätze, die dies errei-
chen, ist hierbei zentral. Wesentlicher Be- standteil dieser Lösungsansätze muss die mig- rationssensible Gestaltung und Berücksichti- gung von Diversität sein. Diese setzt ein umfas- sendes Wissen über die Potenziale und Res- sourcen der Zielgruppen voraus. Die Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund ist in vielerlei Hinsicht sehr heterogen. Die individu- ellen und kulturellen Werte sowie die Bedürf- nisse des Einzelnen müssen als wichtige Merk- male in der Gestaltung von gesundheitlichen Angeboten verankert werden. Die Implemen- tierung des Diversity-Ansatzes bietet nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund, son- dern für alle Nutzer/innen gesundheitlicher Angebote die Chance, eine bedarfs- und be- dürfnisgerechte Versorgung zu erhalten. Auch Maßnahmen des Diversity Managements müs- sen dabei auf ihre Wirksamkeit und Nachhal- tigkeit hin evaluiert werden.
Yüce Yılmaz-Aslan, Patrick Brzoska, Oliver Razum
Dieser Artikel erschien erstmals im Februar 2012 im Dossier der Heinrich-Böll-Stiftung
„Altern in der Migrationsgesellschaft“ und ist unter
www.migration-boell.de/downloads/
integration/DOSSIER_Altern_in_der_
Migrationsgesellschaft.pdf in ungekürzter Form einsehbar (S.38 ff.). Dort finden sich auch Beiträge zur Wohn- und Einkommens- situation von Migrant/innen, zum Projekt
“Active Ageing of Migrant Elders Across Eu- rope”, zu Generationenbeziehungen und bürgerschaftlichem Engagement.
Quellenangabe http://migration-boell.de/web/
integration/47_3120.asp
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Kindergesundheit
Kindergesundheit
„Vom Erfolg lernen“ – Integrierte kommunale Strategien in Berlin
Rückblick zum Fachaustausch am 14. Februar 2013
Um möglichst allen Kindern und Jugendlichen – unabhängig von ihrer sozialen Lage – ein ge- sundes Aufwachsen zu ermöglichen, haben sich vielerorts integrierte kommunale Strategi- en (z.B. sog. „Präventionsketten“) etabliert.
Sie schaffen einen Rahmen, um die in Kommu- nen verfügbaren Angebote öffentlicher und pri- vater Träger zur Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zusammenzu- führen, bedarfsgerecht weiterzuentwickeln und sie über Altersgruppen und Lebensphasen hinweg aufeinander abzustimmen. Auch in Berlin werden auf Landes- und Bezirksebene Programme und Angebote für ein gesundes Aufwachsen erfolgreich durchgeführt, an de- nen verschiedene Bereiche wie Bildung, Ju- gend, Gesundheit, Soziales und Stadtentwick- lung beteiligt sind.
Ressourcen bündeln, Prozesse steuern, Strukturen aufbauen
Welches Vorgehen hat sich bewährt, um die Ansätze, Perspektiven und Verantwortungsbe- reiche zu bündeln? Was sind Erfolgsfaktoren für eine bereichsübergreifende Gesamtstrate- gie? In Berlin haben sich vielfältige Herange- hensweisen entwickelt wie etwa Gesundheits- konferenzen, Gesundheitsziele, themen- und
zielgruppenspezifische Netzwerke, der Aufbau sog. „Präventionsketten“, unter anderen im Rahmen einer Beteiligung am kommunalen Partnerprozess „Gesund aufwachsen für alle!“.
Um über diese vielfältigen Ansätze und Erfah- rungen in einen berlinweiten und bereichs- übergreifenden Austausch zu kommen, haben die Fachstelle für Prävention und Gesundheits-
förderung und die Koordinierungsstelle Ge- sundheitliche Chancengleichheit Berlin in Koo- peration mit der Barmer GEK Berlin/Branden- burg am 14. Februar 2013 einen Fachaustausch unter dem Titel „Gesund aufwachsen in Berlin – Ressourcen bündeln, Prozesse steuern und Strukturen aufbauen“ durchgeführt. An der Veranstaltung teilgenommen haben mehr als 30 Landes- wie bezirkliche Akteure aus den Bereichen Gesundheit, Jugend, Bildung und Stadtentwicklung.
Erfolgreiche bezirkliche Initiativen für ein gesundes Aufwachsen Im Fokus der Diskussionen stand die Frage, wie bereichsübergreifende Zusammenarbeit erfolgreich gestaltet werden kann. Die inhaltli-
Kindergesundheit
che Einstimmung der Teilnehmenden erfolgte durch einen Impuls von Prof. Reinhart Wolff.
Als Experte für dialogische Organisations- und Qualitätsentwicklung gab er einen Einblick über die Bedeutung von bereichsübergreifen- der Zusammenarbeit und wie diese gelingen kann. Anschließend trugen die teilnehmenden Akteure und Bezirke jeweils ihre erfolgreichen, bestehenden Initiativen zusammen und tauschten sich in Kleingruppen darüber aus.
Neben der Initiative „Spielen lernen“ aus Char- lottenburg-Wilmersdorf wurden vor allem Netzwerkstrukturen wie das Netzwerk Frühe Hilfen in Pankow, die Bildungsnetzwerke in Friedrichshain-Kreuzberg und das Netzwerk Rund um die Geburt in Marzahn-Hellersdorf in den Mittelpunkt des Austausches gerückt. Da- bei wurden Erfolgsfaktoren der Initiative im
Allgemeinen (zum Beispiel entsprechende Qualifizierungen der Mitarbeiter/innen) und für das Gelingen der Zusammenarbeit im Spe- ziellen (zum Beispiel externe Moderation) her- ausgearbeitet. Eine Übersicht über sämtliche Initiativen wird in einer Dokumentation zusam- mengestellt.
Der Fachaustausch hat deutlich gemacht, dass es entsprechend der Bedarfe und Ausgangsbe- dingungen in den Bezirken unterschiedliche Ansätze gibt, integrierte kommunale Strategi- en aufzubauen und bereichsübergreifende Zu- sammenarbeit zu gestalten. Übereinstimmend wurde von den Teilnehmenden der Wunsch nach einer Fortsetzung des Fachaustausches formuliert, um den berlinweiten, bereichsüber- greifenden Austausch, den Transfer guter Ide- en und Praxis weiter zu fördern sowie relevan-
te Qualifizierungen zur nachhaltigen Umset- zung von integrierten Gesundheitsstrategien zu erfahren. Die Erkenntnisse aus dem Fach- austausch werden zudem für die Weiterent- wicklung der Kindergesundheitsziele “Ge- sundheitschancen von Kindern und Jugendli- chen erhöhen – Benachteiligungen abbauen!“
genutzt.
Die Dokumentation zur Veranstaltung er- scheint in Kürze und kann auf der Website der Fachstelle für Prävention und Gesundheitsför- derung (www.berlin.gesundheitfoerdern.de) sowie auf den Internetseiten der Koordinie- rungsstelle Gesundheitliche Chancengleich- heit Berlin (www.gesundheitliche-chancen- gleichheit.de/berlin) abgerufen werden.
Katja Becker
Unterstützung von schwangeren Frauen und (werdenden) Eltern mit psychischen
Erkrankungen
Rückblick auf Werkstatt „Rund um die Geburt“ in TreptowKöpenick
Psychische Belastungen und Erkrankungen bei schwangeren Frauen bzw. jungen Eltern neh- men zu: dies äußern Fachkräfte in vielen Berli- ner Bezirken, die mit schwangeren Frauen bzw.
jungen Familien zu tun haben. Das Wissen um mögliche Folgen psychischer Erkrankungen der Eltern für ihre Kinder führt zu der Frage, ob und inwieweit mit Blick auf seelische Probleme familienorientierte Massnahmen zu einem frü- hen Zeitpunkt – während der Schwangerschaft und nach der Geburt – einen präventiven Effekt haben können.
Der Bezirk Treptow-Köpenick hat diese Thema- tik auf seine Agenda gesetzt. In einem „Son- dierungstermin“ im August 2012 zwischen dem Krankenhaus Hedwigshöhe, dem Jugendamt, dem Gesundheitsamt und Gesundheit Berlin- Brandenburg verständigten sich die Beteilig- ten darauf, dass der erste Schritt in der Klärung der Zielgruppen und der Indikationsstellungen für spezifische Interventionen besteht. In der Folge luden im Januar 2013 Uwe Klein vom Krankenhaus Hedwigshöhe als Motor der Initi- ative und die Koordinierungsstelle Gesund- heitliche Chancengleichheit Berlin (ehemals Regionaler Knoten Berlin) zur Werkstatt „Rund um die Geburt – Unterstützung von schwange- ren Frauen und (werdenden) Eltern mit psychi- schen Erkrankungen“ ein.
Vertreter des Krankenhauses Hedwigshöhe, die Psychiatriekoordinatorin und die Kinder- schutzkoordinatorinnen des Bezirks Treptow- Köpenick, eine Kinder- und Jugendpsychiate- rin, eine Vertreterin des Zentrums für sexuelle Gesundheit und Familienplanung in Marzahn- Hellersdorf, die Vorsitzende des Berliner Heb- ammenverbands sowie der Leiter des Sozial- psychiatrischen Dienstes diskutierten zur ge- nannten Thematik. Uwe Klein führte in das Feld psychischer Erkrankungen ein und machte deutlich, dass die Diagnose nur bedingt hand-
lungsleitend sein kann. Im Vordergrund steht immer die Frage nach dem Verstehen der je- weiligen Problem- und Belastungssituation und, ganz wesentlich, die Wahrnehmung schützender, stabilisierender Faktoren – Stich- wort Resilienz. Barbara Stark hielt einen Vor- trag zum Thema „Frühe Hilfen“ und erläuterte unter Aspekten von Kinderschutz und Ange- botsstrukturen die Situation in Treptow-Köpe- nick.
In Kleingruppen identifizierten die Teilneh- menden entlang ihrer Arbeitsfelder spezifische Zielgruppen und diskutierten daraus ableitba- re, erfahrene oder angenommene Bedarfsla- gen. Dabei wurde klar, dass psychische Belas- tungssituationen, die durch, während und nach der Schwangerschaft sichtbar werden, immer vor dem Hintergrund von Lebensge- schichte, aktueller Lebenssituation und psy- chischer Vorerkrankung zu sehen sind. Frühe, niedrigschwellige und ggf. multiprofessionelle Interventionen scheinen hier das Mittel der Wahl zu sein. Hinsichtlich der Zielgruppen war der Fokus auch auf suchtkranke schwangere Frauen geweitet.
Zum Schluss waren sich die Teilnehmenden ei- nig, dass weitere Schritte über das Sichtbar- machen bezirklich vorhandener Angebots- strukturen hinausgehen und in eine bezirkliche Gesamtstrategie einmünden müssen. Überle- gungen und Ergebnisse der Werkstatt sollen in das Rahmenkonzept des Bezirks zur Umset- zung der Bundesinitiative Frühe Hilfen einflies- sen. Das Thema erfährt dort seine Veranke- rung.
Andrea Möllmann, Danielle Dobberstein, Uwe Klein