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WIRTSCHAFTLICHE FREIHEIT IN DEN DEUTSCHEN BUNDESLÄNDERN

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WIRTSCHAFTLICHE FREIHEIT

IN DEN DEUTSCHEN BUNDESLÄNDERN

von

Clemens Fuest, Dominique Kervian und Patrick Welter

Köln, Frankfurt, 17. November 2006

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ZUSAMMENFASSUNG

1. In dieser Studie stellen wir zwei Indizes wirtschaftlicher Freiheit für die deutschen Bun- desländer vor. Grundlage sind bis zu zehn Indikatoren verschiedener wirtschaftlicher Kenngrößen, die den staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft kennzeichnen. Der L-Index wirtschaftlicher Freiheit bezieht sich auf die alten Bundesländer und deckt den Zeit- raum 1970 bis 2004 ab. Er stützt sich auf acht der zehn Indikatoren. Der umfassendere K-Index wirtschaftlicher Freiheit bezieht zudem die neuen Bundesländer ein; ihm liegen alle zehn Indikatoren im Zeitraum von 1994 bis 2004 zugrunde.

2. Bayern und Baden-Württemberg führen in beiden Indizes die Rangliste der wirtschaftli- chen Freiheit der Bundesländer an. Die neuen Bundesländer ordnen sich im K-Index am unteren Ende der Rangliste ein; angesichts der unterdurchschnittlichen Wirtschafts- leistung mischt sich der Staat dort vergleichsweise besonders stark in die Wirtschaft ein. Berlin liegt in beiden Vergleichen am Ende der Skala.

3. In den alten Bundesländern war gemäß des L-Index die wirtschaftliche Freiheit im Jahr 1970 am größten. Bis zur Mitte der siebziger Jahre verschlechterte die wirtschaftliche Freiheit sich drastisch. Bis heute hat sich davon keines der alten Bundesländer richtig erholt.

4. Nach unserer Analyse geht mehr wirtschaftliche Freiheit Hand in Hand mit einem hö- heren Pro-Kopf-Einkommen, mit einem stärkeren Wirtschaftswachstum und mit einer niedrigeren Arbeitslosigkeit.

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INHALTSVERZEICHNIS

ZUSAMMENFASSUNG 2

WIRTSCHAFTLICHE FREIHEIT UND DER INDEX 4

BESCHREIBUNG DES INDEX UND DER KOMPONENTEN 10

ÜBERBLICK ÜBER DIE ERGEBNISSE 17

WIRTSCHAFTLICHE FREIHEIT UND WOHLSTAND 26

LITERATURHINWEISE 36

DIE AUTOREN 37

ANHANG 1: METHODISCHE ERLÄUTERUNG 38

ANHANG 2: LÄNDERTABELLEN 39

ANHANG 3: BESCHREIBUNG DER INDIKATOREN UND STATISTISCHE QUELLEN 56

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1. WIRTSCHAFTLICHE FREIHEIT UND DER INDEX

Der in dieser Studie berechnete Index der wirtschaftlichen Freiheit in den Bundesländern zielt darauf ab, das Ausmaß, in dem Menschen wirtschaftlich frei handeln können, zwischen den deutschen Ländern zu vergleichen. In der Studie werden dazu zwei Indizes berechnet.

Ein Index bezieht sich auf die alten Bundesländer in den Jahren 1970 bis 2004 (L-Index).

Der zweite Index berücksichtigt auch die neuen Bundesländer. Weil erst einige Jahre nach der Vereinigung entsprechende Daten zur Verfügung standen, umfasst dieser K-Index nur die Jahre 1994 bis 2004.

Wir untersuchen sowohl den Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Freiheit und dem Wohlstand, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, als auch den Zusammenhang zwi- schen wirtschaftlicher Freiheit und Wirtschaftswachstum sowie Arbeitslosigkeit. Unsere Er- gebnisse deuten darauf hin, dass wirtschaftliche Freiheit, so wie sie von uns gemessen wird, und höherer Wohlstand Hand in Hand gehen. Dieses Resultat deckt sich mit den Ergebnissen zahlreicher Studien zur wirtschaftlichen Freiheit in der Welt oder in Nordamerika aus den vergangenen Jahren, die immer wieder einen engen und positiven Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Freiheit und dem Ausmaß der wirtschaftlichen Aktivität belegt haben.1 Bayern und Baden-Württemberg, die im Vergleich der alten Bundesländer (L-Index) im Zeit- raum von 1970 bis 2004 nahezu immer die oberen Plätze belegen, befinden sich in der Spit- zengruppe der Bundesländer, was das Pro-Kopf-Einkommen oder das Wirtschaftswachstum betrifft. Die Arbeitslosenquote ist in den Ländern niedriger, für die wir eine höhere wirt- schaftliche Freiheit messen. Der Vergleich aller Bundesländer (K-Index) deutet gleichfalls darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Wohlstandsniveau, gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Kopf, und der wirtschaftlichen Freiheit besteht, ebenso wie für das Wirtschaftswachstum und die Arbeitslosigkeit.

Im Jahr 2004, das aktuellste Jahr, das in der Studie berücksichtigt wurde, führte Bayern so- wohl den Vergleich der alten wie aller Länder an, vor Baden-Württemberg. Die wirtschaft- liche Freiheit in den ostdeutschen Ländern ist im Durchschnitt geringer als in den alten Bundesländern, vor allem deshalb, weil die Staatstätigkeit in den neuen Ländern, gemessen an der vergleichsweise niedrigen Wirtschaftsleistung, erheblich größer ist. Thüringen, Bran- denburg und Mecklenburg-Vorpommern stehen unter den neuen Ländern noch am besten dar und liegen vor Bremen. Berlin liegt in beiden Vergleichen am Ende der Rangliste, weil dort der Staatskonsum besonders hoch ist, besonders viele staatliche Subventionen gezahlt werden und ein besonders großer Teil der Erwerbstätigen beim Staat beschäftigt ist. Ab-

1 Siehe aktuell Gwartney et al. (2006) für den Index wirtschaftlicher Freiheit in der Welt und Karabegovic et al. (2006) für den Index wirtschaftlicher Freiheit für die Bundesstaaten der Vereinigten Staaten und die kanadischen Provinzen.

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bildung 1 und 2 zeigen die Ergebnisse beider Indizes für das Jahr 2004. Der Grad der wirt- schaftlichen Freiheit wird dabei anhand einer Skala von 0 bis 10 bewertet; 10 steht für ein Höchstmaß an wirtschaftlicher Freiheit.

Abbildung 1

Abbildung 2

Wirtschaftliche Freiheit 2004

L-Index: Alte Bundesländer

7,2 7,1 6,5 6,4 6,3 6,1 6,1 5,9 5,9 4,8 4

0 2 4 6 8 10

Bayern Baden-Württemberg Hessen Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Hamburg Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Saarland Bremen Berlin

Wirtschaftliche Freiheit 2004

K-Index: Alle Bundesländer

7,2 7 6,8 6,8 6,4 6,3 6,2 6,1 6 5,6 5,6 5,1 5 4,8 4,8 4,4

0 2 4 6 8 10

Bayern Baden-Württemberg Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Niedersachsen Saarland Hessen Nordrhein-Westfalen Hamburg Thüringen Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Bremen Sachsen Sachsen-Anhalt Berlin

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Was ist wirtschaftliche Freiheit?

Wirtschaftliche Freiheit ist dann gegeben, wenn die Menschen unbeeinflusst durch Zwang ihren Geschäften nachgehen, ihre Arbeitskraft und Güter nutzen und Güter produzieren oder tauschen können. Kernelemente wirtschaftlicher Freiheit sind damit die individuelle Souveränität, der freie Tausch an Märkten, das Recht, als Anbieter oder Nachfrager auf Märkten in den Wettbewerb zu treten, und der Schutz von Personen und von Eigentum vor Gewalt anderer. Gwartney et. al. definieren wirtschaftliche Freiheit wie folgt:

„Individuen sind wirtschaftlich frei, wenn

a) Eigentum, das sie ohne den Gebrauch von Gewalt, Betrug oder Diebstahl erwerben, vor physischen Eingriffen anderer geschützt ist, und

b) wenn sie frei darin sind, ihr Eigentum zu nutzen, zu tauschen oder zu geben, solange ihre Rechte nicht die gleichen Rechte anderer verletzen.“2

Ein Index wirtschaftliche Freiheit sollte demnach das Ausmaß messen, in dem rechtmäßig erworbenes Eigentum geschützt wird und Individuen in freiwilligen Transaktionen mitein- ander handeln können. Die wirtschaftliche Freiheit kann durch Regierungen und Parlamente vermindert werden, die durch Besteuerung sowie direkte oder indirekte Eingriffe in Märkte die Tauschfreiheit beeinflussen oder behindern. Die wirtschaftliche Freiheit ist aber auch dann nur eingeschränkt gegeben, wenn die Eigentumsrechte der Menschen vor Raub und Diebstahl nicht hinreichend geschützt sind. Nach liberaler Auffassung ist wirtschaftliche Freiheit nicht nur ein Wert an sich und der Wunsch nach Freiheit dem Menschen eigen, sondern die wichtigste Bedingung für eine prosperierende Wirtschaft.

Dieses klassisch-liberale Verständnis von wirtschaftlicher Freiheit unterscheidet sich funda- mental von einem anderen Verständnis ökonomischer Freiheit, das in der öffentlichen Dis- kussion in Deutschland weit verbreitet ist. Nach diesem anderen Verständnis sind Menschen ökonomisch frei, wenn sie genügend Geld oder Ressourcen haben, um sich ihre Wünsche erfüllen zu können. Freiheit wird dabei als ,,positives Freiheitsrecht“ verstanden und sie ist um so größer, je größer die materiellen Möglichkeiten des einzelnen sind. Dieses Verständnis von ökonomischer Freiheit ist problematisch, weil die Bedürfnisse und Wünsche des Men- schen üblicherweise immer größer sind als sein materielles Vermögen; Menschen wären demnach nie ökonomisch frei. Im Gegensatz zu diesem Verständnis stellt der hier verwen- dete Freiheitsbegriff in klassisch-liberaler Tradition nicht auf die materiellen Möglichkeiten des einzelnen, sondern auf das Recht der Individuen ab, eigenständig und ohne Zwang über die Verwendung ihres Eigentums zu entscheiden. Dieser Freiheitsbegriff wird häufig als ,,ne- gative Freiheit“ bezeichnet, nicht, weil er etwas negatives sei, sondern weil es darum geht, wie sehr die Privatsphäre des einzelnen vor Eingriffen von außen geschützt ist.

2 Gwartney et al. (1996), S. 12.

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Ein Beispiel kann verdeutlichen, wie sehr die beiden Freiheitsbegriffe sich unterscheiden.

Sozialtransfers des Staates an Menschen mit geringem Einkommen erhöhen nach dem posi- tiven Freiheitsbegriff die ökonomische Freiheit der Begünstigten, weil sie ihnen mehr mate- rielle Möglichkeiten eröffnen. Damit der Staat einem geben kann, muß er indes durch Steu- erzwang einem anderen etwas nehmen. Nach dem klassisch-liberalen Konzept negativer Freiheitsrechte verringert die Umverteilung des Staates deshalb die wirtschaftliche Freiheit, weil das Parlament und die Regierung den Begüterten das Recht beschneiden, über die von ihnen erwirtschafteten Ressourcen frei zu verfügen. Ein Maß der wirtschaftlichen Freiheit im hier verwendeten Sinne sucht deshalb nicht die Frage zu beantworten: ,,Wer kann sich wie viel leisten?“, sondern dient der Analyse, in welchem Ausmaß die Menschen noch Ent- scheidungsbefugnisse über ihr Eigentum besitzen.

Wirtschaftliche Freiheit im klassisch-liberalen Sinne setzt dabei nicht voraus, dass der Staat gar nichts mehr zu tun hat und alles dem marktwirtschaftlichen Miteinander der Menschen überlässt. Im Gegenteil sehen Liberale eine wichtige Aufgabe des Staats als Rechtsschutz- staat (,,protective state“) darin, für die Sicherheit individueller Eigentumsrechte nach innen wie nach außen zu sorgen. Auch ordnen sie ihm die Aufgabe zu, als produzierender Staat (,,productive state“) für die Bereitstellung bestimmter Güter zu sorgen, die am Markt ohne staatlichen Eingriff nicht oder nicht in erwünschtem Ausmaß angeboten würden – wobei sich Liberale darin unterscheiden, wie sehr sie den Staat hier in der Pflicht sehen.3

So darf man bezweifeln, dass etwa Eisenbahnen zwingend als Teil der sogenannten öffent- lichen Infrastruktur vom Staat geplant und betrieben werden müssen. Die Geschichte, aber auch der Blick in andere Länder zeigt, dass diese Transportdienstleistung und das Gleisnetz vielfach von privaten Unternehmen erfolgreich angeboten wurden und werden. Ähnliches gilt zum Beispiel für Autobahnen. Und auch das Telefonnetz, das über Jahrzehnte vielen als originäre staatliche Aufgabe galt, entwickelte sich erst dann zu einer blühenden Tele- kommunikationsindustrie mit neuen Produkten und Dienstleistungen bei zugleich erheb- lich niedrigeren Preisen, nachdem die Privatwirtschaft die Freiheit erhielt, diesen Markt bedienen zu dürfen. Auch wenn gewisse Aufgaben nach klassischliberaler Sicht dem Staat zufallen, setzt wirtschaftliche Freiheit deshalb voraus, dass die staatlichen Eingriffe in die freiheitliche Marktwirtschaft sich auf ein Minimum beschränken. Wirtschaftliche Freiheit ist dann gegeben, wenn die Menschen so weit wie möglich unbeeinflusst von staatlichem oder anderem Zwang selbst darüber entscheiden können, was sie produzieren oder wie sie ihre Arbeitskraft einsetzen, wo und wie sie wirtschaftlich tätig werden und wie sie das Er- wirtschaftete verwenden.

3 Zur Unterscheidung von protective state und productive state siehe Buchanan (1975).

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Wirtschaftliche Freiheit in föderalen Staaten

Die in dieser Studie ermittelten Freiheitsindizes stellen auf die deutschen Bundesländer ab, deren Regierungen im deutschen Konsensföderalismus vergleichsweise wenig Spielraum in der wirtschaftspolitischen Gestaltung haben. Die Steuerlast wird auf Ebene der Bundeslän- der weitgehend im Kartell von Bund und Ländern bestimmt. Nur beim Gewerbesteuerhe- besatz haben zumindest die Kommunen Freiheitsgrade. Unterschiede in der Besteuerung können sich zudem dadurch ergeben, dass die Steuererhebung von den Ländern unter- schiedlich streng gehandhabt wird. In regulatorischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich der Verwendung der Steuereinnahmen und im Ausmaß der Staatsverschuldung bestehen auf Ebene der Länder und Kommunen indes erheblich größere Spielräume, eigenständig die wirtschaftliche Freiheit der Menschen zu beschneiden. Dies rechtfertigt, einen Vergleich der Bundesländer zu wagen.

Wenn auch die Steuerlast weitgehend durch ein Kartell von Bund und Ländern und nicht ei- genständig in einzelnen Bundesländern bestimmt wird, haben wir uns dazu entschieden, die gesamte direkte Steuerlast als eine Komponente unserer Indizes zu nutzen. Diese Entschei- dung gründet darin, dass ein Index der wirtschaftlichen Freiheit ohne Berücksichtigung der hohen Steuerlast und der Verzerrungen, die durch die Besteuerung hervorgerufen werden, in Deutschland ohne viel Wert wäre. Weil der Index damit auch Einflüsse berücksichtigt, die fast zur Gänze außerhalb der politischen Entscheidungsgewalt im Lande liegen, stellt er nur eingeschränkt ein Maß für die Wirtschaftspolitik der Bundesländer dar. Gezeigt wird vielmehr sozusagen aus Sicht der Bürger, wie im gesamten föderalen Zusammenspiel die wirtschaftliche Freiheit sich zwischen den Ländern unterscheidet.

Eine weitere Schwierigkeit, die sich bei der Analyse der wirtschaftlichen Freiheit in föde- ralen Staaten stellt, ist speziell in Deutschland der ausgedehnte Finanzausgleich zwischen den Ländern. Dieser mindert die Anreize für Landesregierungen, sich intensiv um das wirt- schaftliche Wohlergehen im eigenen Land zu kümmern, weil ein unterdurchschnittliches Wohlstandsniveau in einem Land den Anspruch auf Zahlungen der anderen begründet.

Diese Ausgleichszahlungen führen ihrerseits in den wohlhabenderen Ländern dazu, dass der Anreiz, sich noch weiter zu verbessern, gemindert wird. Die Fehlanreize verringern den Standortwettbewerb zwischen den Ländern und sind Teil der Erklärung, warum die Wachs- tumsbedingungen in Deutschland vergleichsweise schlecht sind. Die Verzerrungen durch den Länderfinanzausgleich werden im Index der wirtschaftlichen Freiheit gemä1 der Fragestel- lung indirekt berücksichtigt. In dem Maße, in dem der Finanzausgleich in reicheren Ländern (Nettozahler) zu einer höheren Steuerlast beiträgt, verringert er dort die wirtschaftliche Freiheit. In dem Maße, in dem Landesregierungen (Nettoempfänger) dank des Finanz- ausgleichs mehr Geld ausgeben und damit in die marktwirtschaftliche Freiheit eingreifen können, verschlechtert der Finanzausgleich in den jeweiligen Ländern die wirtschaftliche Freiheit. Sieht man von möglichen Anpassungsreaktionen der Landesregierungen ab, führt der Finanzausgleich unmittelbar dazu, dass die wirtschaftliche Freiheit der Tendenz nach vermindert wird.

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Wegen der Beschränkung auf den Zeitraum bis 2004 ist in dieser Studie nicht berücksich- tigt, dass mit der Föderalismusreform 2006 die politischen Spielräume zwischen Bund und Ländern stärker abgegrenzt und dabei die Eigenständigkeit der Länder ausgeweitet wurden.

Auf manche bundeseinheitliche Regelung wie die Ladenöffnungszeiten wurde verzichtet.

Dies gilt freilich kaum für die Steuerpolitik, die aus der Reform weitgehend ausgeklam- mert wurde. Doch auch hier zeigen sich neue Möglichkeiten: So hat das hoch verschuldete Land Berlin, nachdem seine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Anerkennung des Haushaltsnotstandes und weitere Bundeshilfen im Oktober 2006 abgewiesen wurde, ange- kündigt, die Grunderwerbsteuer heraufzusetzen. Damit macht Berlin als erstes Bundesland Gebrauch von dem neu erworbenen Recht, den Satz der Grunderwerbsteuer eigenstän- dig festzulegen. In dem Maße, in dem künftige Änderungen der föderalen institutionellen Struktur den Ländern weitere Steuerhoheiten einräumen, können künftige Berechnungen der wirtschaftlichen Freiheitsgrade in den Bundesländern größere Unterschiede zeigen.

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2. BESCHREIBUNG DES INDEX UND DER KOMPONENTEN

Zur Berechnung des Index der wirtschaftlichen Freiheit für die Bundesländer greifen wir auf das Konzept des kanadischen Fraser-Instituts zurück, unter dessen Federführung seit Mitte der neunziger Jahre regelmäßig Freiheitsvergleiche auf internationaler und auf subnationa- ler Ebene ermittelt werden.4 So analysiert das Fraser-Institut auch die wirtschaftliche Frei- heit in den kanadischen Provinzen und den Bundesstaaten der Vereinigten Staaten („Eco- nomic Freedom of North America“).5 Vor allem wegen der institutionellen Besonderheiten des deutschen Föderalismus sind bei der Übertragung des Konzepts auf Deutschland indes umfangreiche Änderungen nötig.

Der hier ermittelte Index der wirtschaftlichen Freiheit für die deutschen Bundesländer beruht auf weniger Komponenten als der Welt-Index des Fraser-Instituts. Viele der dort berück- sichtigten insgesamt 38 Indikatoren sind für den innerdeutschen Vergleich nicht sinnvoll verwendbar, weil sie keine oder keine großen Unterschiede zwischen den Ländern zeigen. So wird die außenwirtschaftliche Freiheit letztlich durch europäisches Recht gesetzt, so dass sich keine Unterschiede zwischen den Bundesländern ergeben. Ebenso wird die monetäre Stabilität durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bestimmt. Unterschiede der Inflationsraten zwischen den Bundesländern beruhen weitgehend auf regional unterschied- lichen Nachfrage- und Angebotsentwicklungen, spiegeln aber nicht Unterschiede im mone- tären Regime wider; ein Vergleich würde hier zu keinen sinnvollen Aussagen führen. Auch die im Welt-Index berücksichtigten Indikatoren zur rechtlichen Struktur – wie die Unab- hängigkeit der Richter – und zur Sicherheit von Eigentumsrechten sind in unserem Vergleich nicht berücksichtigt. Angesichts der bundeseinheitlichen Regelungen dürften möglicher- weise vorhandene Unterschiede zwischen den Bundesländern so klein sein, dass sie durch Indikatoren kaum exakt zu messen wären.

In anderen Bereichen dagegen bestehen deutliche Unterschiede im Grad der wirtschaftli- chen Freiheit zwischen den Bundesländern. Der hier ermittelte Index stellt auf Unterschiede in den Bereichen Umfang der Staatstätigkeit, Steuern sowie Sozialversicherungspflicht und Sozialhilfe ab. Wie die Autoren der Studie „Economic Freedom of North America“ verwen- den wir zehn Indikatoren. Die folgende Übersicht zeigt die verwendeten Indikatoren, die nun näher erläutert werden.

4 Gwartney et al. (1996), Gwartney et al. (2006).

5 Karabegovic et al. (2006).

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Die Komponenten des Index

1. Umfang der Staatstätigkeit

1a) Konsumtive Staatsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 1b) Anteil der Investitionen der Länder an den jeweiligen Gesamtinvestitionen 1c) Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst an den Erwerbstätigen 1d) Sozialleistungen in Prozent des BIP

1e) Finanzhilfen der Länder in Prozent des BIP 2. Steuern

2a) Gewogene Durchschnittshebesätze der Gewerbesteuer

2b) Aufkommen aus der Einkommen- und der Körperschaftsteuer vor Finanz- ausgleich in Prozent des BIP

3. Sozialversicherungspflicht und Sozialhilfe

3a) Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an den Erwerbstätigen 3b) Anteil der Sozialhilfebezieher an der Bevölkerung

3c) Sozialhilfeniveau

1. Umfang der Staatstätigkeit

Wenn der Staat seine Tätigkeit ausdehnt, lässt er den Individuen weniger Spielraum und schränkt ihre Entscheidungsmöglichkeiten ein. Die fünf Indikatoren in diesem Bereich ge- ben deshalb einen Einblick, inwieweit die Regierungen und Parlamente in die wirtschaftli- che Freiheit am Markt eingreifen und durch ihre Ausgaben die Marktergebnisse verzerren.

1a) Konsumtive Staatsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)

Die konsumtiven Staatsausgaben sind ein Maß dafür, in welchem Ausmaß der Staat durch seine Nachfrage nach Gütern Ressourcen beansprucht und private Nachfra- ge verdrängt. Je höher der Staatskonsum, gemessen am BIP, desto stärker wird die wirtschaftliche Freiheit eingeschränkt. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass die wirtschaftliche Freiheit am größten ist, wenn der Staat überhaupt nicht konsu- miert. Aufgaben wie die Sicherung der Eigentumsrechte, eine der Voraussetzungen für wirtschaftliche Freiheit, erfordern, dass der Staat Ausgaben etwa für Polizei und Justiz tätigt. Diese werden in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Teil des Staatskonsums gebucht und insoweit in diesem Teilindikator mit erfasst. Wenn wir einen Zuwachs des Staatskonsums als einen die wirtschaftliche Freiheit beschrän- kenden Faktor werten, dann beruht dies auf der Annahme, dass der Staatskonsum in den Bundesländern deutlich über das zum Schutz individueller Eigentumsrechte

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erforderliche Maß hinausgeht. In diesem Fall reduziert ein wachsender Staatskonsum die wirtschaftliche Freiheit und ein geringerer Staatskonsum verschafft mehr Frei- heitsspielräume.

1b) Investitionsausgaben der Länder in Prozent der Bruttoanlageinvestitionen

Der Anteil der staatlichen Investitionen an den Gesamtinvestitionen zeigt, wie stark Regierungen und Parlamente die Investitionsentscheidungen in einer Wirtschaft treffen und nicht private Investoren. Zum Teil dienen öffentliche Investitionen auch bewusst dazu, private Investitionen nach politischen Vorgaben zu lenken, was ei- nem Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Individuen entspricht. Mehr staatliche Investitionen verringern insoweit die wirtschaftliche Freiheit. Ähnlich wie bei den konsumtiven Staatsausgaben wird mancher einwenden, dass bestimmte öffentliche Investitionen, beispielsweise der Bau von Straßen oder Autobahnen, in einem gewis- sen Ausmaß gemäß der Theorie öffentlicher Güter zu den Kernaufgaben eines Staates gehören, die auch klassisch Liberale als kompatibel mit der wirtschaftlichen Freiheit des Einzelnen ansehen. Auch hier gilt jedoch, dass die existierenden öffentlichen In- vestitionen in Deutschland meistens deutlich über das hinausgehen, was der Staat notwendigerweise übernehmen muss. In vielen Fällen besteht auch die Möglichkeit, Investitionsprojekte, bei denen nicht vollständig auf private Angebote gesetzt werden kann, zumindest durch private Anbieter erstellen oder betreiben zu lassen.

1c) Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst an den Erwerbstätigen

Ein höherer Anteil öffentlicher Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung bedeutet ein geringeres Maß an wirtschaftlicher Freiheit. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, die Karabegovic et al. treffend beschrieben haben.6 Der Grad öffentlicher Beschäftigung spiegelt wider, in welchem Ausmaß Regierungen durch Steuerzwang eingetriebenes Geld nutzen, um sich einen Teil der Arbeit zu sichern. Damit wird die Freiheit von Individuen und Organisationen beschnitten, am Arbeitsmarkt frei um Arbeitskräfte zu wetteifern; Arbeitgeber müssen gegen ihre eigenen Steuergelder ankämpfen, wenn sie sich um Arbeitskräfte bemühen. Zugleich deutet ein hohes Maß öffentlicher Beschäf- tigte darauf hin, dass Regierungen Güter und Dienste bereitstellen, die grundsätzlich auch private Anbieter hätten anbieten können und die von den Bürgern womöglich gar nicht nachgefragt würden, müssten sie direkt dafür bezahlen. Analog ist der Indikator ein Indiz dafür, wie sehr Regierungen sich regulierend in die private Wirtschaft einmi- schen und dergestalt die wirtschaftliche Freiheit der Bürger beschneiden. Schließlich kann ein hohes Maß öffentlicher Beschäftigung signalisieren, dass die Regierungen Tätigkeiten ausüben, die auch privatwirtschaftlich im öffentlichen Auftrag ausgeübt werden könnten. Deutlich wird dies am Beispiel der Schulpolitik: So hat Milton Fried-

6 Dieser Abschnitt basiert auf Karabegovic et al. (2006), S. 1 6f.

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man vorgeschlagen, dass Regierungen Schulen nicht mehr selbst betreiben, sondern nur noch an die Eltern Gutscheine für den Schulbesuch ihrer Kinder ausgeben.7 Die Eltern könnten dann frei entscheiden, an welchen privaten Schulen sie die Gutscheine einlösten und damit besser als heute auf die Qualität der Ausbildung einwirken. Da- mit würde die wirtschaftliche Freiheit erhöht. Folgten Regierungen diesem Vorschlag, würden die öffentlichen Ausgaben nicht sinken, wohl aber der Bestand an öffentli- chem Personal verringert.

1d) Sozialleistungen in Prozent des BIP

Hohe Sozialleistungen reduzieren die wirtschaftliche Freiheit, weil sie ein hohes Maß an Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung implizieren. Die Existenz staatlicher Transfers trägt dazu bei, Individuen in die Abhängigkeit ebendieser Transfers zu zwin- gen. Die Menschen treffen ihre Angebots- und Nachfragenentscheidungen am Ar- beitsmarkt nicht mehr unbeeinflusst, sondern unter dem Einfluss der staatlichen Leis- tungen.

1e) Finanzhilfen der Bundesländer in Prozent des BIP

Finanzhilfen der Bundesländer reduzieren die wirtschaftliche Freiheit, weil sie die privatwirtschaftliche Aktivität von Unternehmen lenken und verzerren. Sie stärken den staatlichen Einfluss in der Wirtschaft und führen dazu, dass Unternehmen und ganze Branchen sich eher an den Zielen der Subventionsgeber orientieren als an den Wünschen ihrer Kunden.

2. Steuern

Auf den ersten Blick scheint es, als ob wir eine Doppelzählung vornehmen, wenn wir zusätz- lich zu den unter dem Rubrum Umfang der Staatstätigkeit berücksichtigten Staatsausgaben auch die Steuern als Indikator erfassen. Dies ist aber nicht so, weil die Ausgaben der Bun- desländer sich nicht nur aus den Steuereinnahmen speisen, die im eigenen Land erhoben werden. Sie speisen sich auch aus Zahlungen, die den Ländern im Zuge des Finanzausgleichs zufließen, und sie speisen sich aus der Verschuldung der Länder. Das rechtfertigt es dem Grundsatz nach, neben den ausgabenseitigen staatlichen Eingriffen in wirtschaftliche Frei- heiten auch die Finanzierungsseite des Staates zu berücksichtigen. Dabei blicken wir indes nur auf die Steuern, nicht aber auf die Schulden. Der Grund dafür liegt darin, dass die staat- liche Verschuldung für sich genommen überwiegend erst dann die wirtschaftliche Freiheit beeinträchtigt, wenn die Länderschuld durch erhobene Steuerzahlungen netto abgetragen wird. Zwar muss man die Verschuldung der Länder als Eingriff in die Kapitalmärkte deuten.

Solange aber die Länder sich am internationalen Kapitalmarkt verschulden können, ist ihr verzerrender Einfluss auf den marktbestimmten Zins – trotz der ausgedehnten hiesigen

7 Friedman (1962).

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Staatsverschuldung – gering. Auch mindern Länderschulden, solange sie nicht zurückbe- zahlt werden, insoweit die wirtschaftliche Freiheit in den einzelnen Bundesländern nicht, soweit die Anleihen von Kapitalgebern außerhalb des Bundeslandes gezeichnet werden.

Deshalb erscheint es sinnvoll, auf der Einnahmenseite die Schulden der Länder nicht als eigenständiges Kriterium aufzunehmen, wohl aber die Steuern. Mit dem Steuervolumen und mit dem Niveau des Steuersatzes greifen Regierungen und Parlamente unmittelbar in die wirtschaftliche Freiheit der Bürger eines Bundeslandes ein.

2a) Gewichtete Durchschnittshebesätze der Gewerbesteuer

Hohe Steuern beeinträchtigen die wirtschaftliche Freiheit, weil sie Privaten die Ver- fügungsgewalt über Ressourcen entziehen. Unterschiede in der Höhe der Steuersätze bestehen zwischen den Bundesländern vor allem bei der Gewerbesteuer. Deren Höhe wird über den Hebesatz im Kern auf kommunaler Ebene bestimmt und variiert inso- weit auch innerhalb einzelner Bundesländer. Im hier vorgelegten Ländervergleich kann sinnvollerweise nur der durchschnittliche Hebesatz Verwendung finden. Unabhängig von der Höhe des Steueraufkommens, die indirekt durch den Steuersatz bestimmt wird, ist der Steuersatz direkt relevant für die wirtschaftliche Freiheit: Je höher der Steuersatz, desto stärker verzerrt der besteuernde Staat die Investitionsentscheidun- gen der Unternehmen und lenkt - gewollt oder ungewollt - das in der freiheitlichen Marktwirtschaft erzielte Ergebnis.

2b) Steueraufkommen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer vor Finanzausgleich in Prozent des BIP

Hinsichtlich der Einkommen- und Körperschaftssteuer haben die Bundesländer kei- ne Entscheidungshoheit; die Steuersätze sind bundeseinheitlich bestimmt. Allenfalls durch die Handhabung der Steuerverwaltung können die Bundesländer die reale Steu- erlast für die ansässige Bevölkerung oder die Unternehmen verändern. In den Medien finden sich diesbezüglich immer wieder Berichte, dass einzelne Länder den Steuer- vollzug gerade bei Unternehmen großzügiger handhaben als andere, um Investitionen anzulocken. Klare, eindeutige Indikatoren, die dieses Bild stützen könnten, sind indes nicht verfügbar. Jedenfalls kommt in einem hohen Anteil des Steueraufkommens am BIP zum Ausdruck, dass Regierungen und Parlamente den Bürgern einen entspre- chend hohen Teil der von ihnen erwirtschafteten Einkommen entziehen und damit ihre wirtschaftliche Freiheit beschneiden. Daran ändert nichts, dass Unterschiede zwischen den Bundesländern bei einer progressiven Einkommensteuer und gleichför- mig gesetzten Staatsaufgaben lediglich unterschiedliche Wohlstandniveaus wider- spiegeln können. Problematisch an dem von uns verwendeten Indikator ist indes, dass Subventionen wie etwa die Eigenheimzulage oder das Kindergeld das in der Statistik ausgewiesene Steueraufkommen mindern. Diese Unschärfe ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen.

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3. Sozialversicherungspflicht und Sozialhilfe

3a) Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an den Erwerbstätigen

Durch die Zwangsmitgliedschaft in den Sozialversicherungen wird den sozialversi- cherungspflichtig Beschäftigten die Freiheit genommen, selbst zu entscheiden, wel- che Risiken der Krankheit, der Arbeitslosigkeit, der Pflege und Altersvorsorge sie in welcher Form absichern möchten und mit welchen Versicherungen sie Verträge ab- schließen wollen. Nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte unterliegen diesem Zwang nicht und sind in ihrer wirtschaftlichen Freiheit insoweit nicht eingeschränkt.

3b) Anteil der Sozialhilfebezieher an der Bevölkerung

Sozialhilfezahlungen erweitern den wirtschaftlichen Handlungsspielraum der Emp- fänger und werden deshalb vielfach als Mittel bezeichnet, um die Freiheit der Emp- fänger zu erhöhen. Dieses Bild widerspricht der Idee der wirtschaftlichen Freiheit, die ja gerade darauf abstellt, dass Menschen unabhängig vom staatlichen Einfluss ihre Entscheidungen treffen können. Ein hoher Anteil von Sozialhilfeempfängern an der Bevölkerung steht insofern für ein großes Maß an Abhängigkeit vom Staat und für ein geringes Maß an wirtschaftlicher Freiheit. Zugleich wirkt die Sozialhilfe wie ein Mindestlohn, weil es sich für niemanden lohnt, zu einem geringeren Arbeitslohn eine Beschäftigung aufzunehmen. Eine vergleichsweise hohe Zahl von Sozialhilfeempfän- gern signalisiert damit, dass der Arbeitsmarkt im Niedriglohnbereich besonders stark durch die Sozialhilfe beeinträchtigt wird.

3c) Sozialhilfeniveau

Weil die Sozialhilfe im Niedriglohnsegment wie ein Mindestlohn wirkt, bedeutet ein höheres Sozialhilfeniveau unter sonst gleichen Bedingungen eine stärkere Beein- trächtigung des Arbeitsmarktes als eine niedrigere.

Aggregation der Indikatoren zu Indizes

Wir verwendeten die genannten Indikatoren zur Konstruktion zweier Indizes. Der erste In- dex beschränkt sich auf die alten Bundesländer und umfasst den Zeitraum 1970 bis 2004.

Wir bezeichnen diesen Index als L-Index. In diesen Index gehen nur acht der zehn oben ge- nannten Indikatoren ein. Mangels langfristig verfügbarer Daten sind die Indikatoren 1e (Fi- nanzhilfen der Länder) und 3c (Sozialhilfeniveau) ausgeschlossen. Der zweite Index schließt auch die neuen Bundesländer ein und erstreckt sich daher auf den kürzeren Zeitraum 1994 bis 2004. Wir bezeichnen diesen Index als K-Index. In diesen Index gehen alle Indikatoren ein.

Um subjektive Urteile bei der Indexbildung auszuschließen, werden die jeweiligen Indika- torenwerte mittels einer einfachen Formel in einheitliche Zahlenwerte auf einer Skala von

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null bis zehn umgewandelt. Die Reihung der Länder und die Verteilung der Indikatorenwerte zwischen den Ländern bleibt durch die Umwandlung bestehen. Ein Wert von zehn steht da- bei für hohe wirtschaftliche Freiheit, ein Wert von null für geringe wirtschaftliche Freiheit.

Wir folgen dabei der Methode des Fraser-Institutes mit der Formel (Vmax-Vi)/Vmax-Vmin)×10.

Dabei bezeichnen Vmax und Vmin die absoluten Maxima beziehungsweise Minima der Indika- torwerte im gesamten Betrachtungszeitraum8; Vi ist der jeweilige Wert des Bundeslandes im betrachteten Jahr.9 Die Methode führt dazu, dass die Länder relativ geordnet werden;

der Grad wirtschaftlicher Freiheit wird durch den Vergleich mit Höchst- und Mindestwer- ten der Variablen bestimmt, die sich im Analysezeitraum gezeigt haben, und nicht anhand eines von außen absolut vorgegebenen Maßstabs. Die Methode stellt zugleich sicher, dass die Analyse der Entwicklung der wirtschaftlichen Freiheit über lange Zeiträume möglich ist.

Der Index ökonomischer Freiheit für ein Bundesland in einem beliebigen Jahr ergibt sich als das arithmetische Mittel der Indizes für die einzelnen Indikatoren; alle Indikatoren werden somit gleich gewichtet.

8 Im Anhang 1 findet sich eine nähere Erläuterung zur Ermittlung der Minimal- und Maximalwerte.

9 Dazu ein Beispiel: Angenommen, die Konsumausgaben in Prozent des BIP lägen in einem Bundesland im Jahr 2004 bei 15 Prozent. Der höchste Wert im gesamten Betrachtungszeitraum sei 20 Prozent, der nied- rigste 10 Prozent. Dann ergibt sich ein Indexwert von 5, also ein mittlerer Wert an gemessener Freiheit. Ein anderes Land habe im selben Jahr einen Ausgabenanteil von 11 Prozent. Für dieses Land nimmt der Index den Wert 9 an und signalisiert eine deutlich höhere gemessene Freiheit.

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3. ÜBERBLICK ÜBER DIE ERGEBNISSE

Der L-Index der wirtschaftlichen Freiheit für die alten Länder

Der L-Index der wirtschaftlichen Freiheit für die alten Länder basiert wegen fehlender Daten zwar nur auf acht der insgesamt zehn Indikatoren. Er ermöglicht aber einen langen Blick auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Freiheit von 1970 bis 2004, soweit diese durch unseren Index erfasst wird. Tabelle 1 zeigt die L-Indexwerte für die alten Länder. Auffällig ist, dass im Jahr 2004 alle alten Länder auf der Skala von null bis zehn niedriger eingestuft wurden als im Jahr 1970. Auch für den gesamten Zeitraum gilt, dass die wirtschaftliche Freiheit in keinem der Länder je größer war als vor 36 Jahren. Dieser Befund beschreibt nicht eine stete Abwärtsbewegung. Vielmehr hat sich die gemessene wirtschaftliche Freiheit im Durchschnitt von 1970 auf 1975 rapide verschlechtert, um dann im Trend langsam wieder zu steigen. Dies gilt im Grunde für alle alten Länder, wenn auch die Aufwärtsbewegung nach 1975 sehr unterschiedlich stark ausgeprägt war (Abbildung 3).

Tabelle 1

L-Index wirtschaftlicher Freiheit in den alten Bundesländern

1970 1975 1980 1985 1990 1994 1998 2002 2004

Baden-Württemberg 7,4 5,8 5,9 6,1 6,6 6,4 6,6 6,9 7,1

Bayern 7,5 5,8 6,5 6,2 6,8 6,7 6,8 7,0 7,2

Berlin 5,2 3,0 3,9 4,3 5,0 4,6 3,5 3,7 4,0

Bremen 6,2 4,4 4,7 4,7 4,9 5,0 4,6 4,6 4,8

Hamburg 6,9 4,9 4,9 4,5 5,2 5,1 5,6 5,8 6,1

Hessen 6,8 5,4 5,4 5,5 6,1 5,8 6,0 6,4 6,5

Niedersachsen 7,4 5,5 5,3 5,2 5,8 5,5 5,7 5,8 6,1

Nordrhein-Westfalen 7,0 5,3 5,4 5,3 5,5 5,4 5,5 5,8 5,9

Rheinland-Pfalz 7,6 5,8 6,0 5,9 6,2 5,9 6,0 6,3 6,3

Saarland 6,3 4,6 4,8 5,0 5,3 5,2 5,5 5,8 5,9

Schleswig-Holstein 7,1 5,7 5,7 5,7 6,1 5,8 6,1 6,1 6,4

Mittelwert 6,9 5,1 5,3 5,3 5,8 5,6 5,6 5,8 6,0

(18)

Abbildung 3

Der außergewöhnlich scharfe Einbruch der gemessenen wirtschaftlichen Freiheit Anfang der siebziger Jahre gründet nicht in einem speziellen Faktor. Alle einzelnen Indikatoren zeigen im Länderdurchschnitt von 1970 auf 1975 einen sinkenden Freiheitsgrad an. Besonders aus- geprägt ist der Verfall der wirtschaftlichen Freiheit jedoch im rapide steigenden Umfang der Staatstätigkeit zu sehen, seien es die öffentlichen Konsumausgaben, der steigende Anteil staatlicher Investitionen an allen Investitionen oder der steigende Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst an den Erwerbstätigen. Ohne Frage spielte dabei die damalige Rezes- sion im Gefolge der ersten Ölkrise eine Rolle. Es scheint damit so, als ob unser Index, der ja viele Variablen ins Verhältnis zum damals schrumpfenden BIP setzt, ein falsches Bild zeich- net. Einiges spricht indes dagegen. Die frühen siebziger Jahre waren die Zeit, in der Sozial- demokraten die Belastbarkeit der Wirtschaft testen wollten und die deutschen Regierungen sich auf zweistellige Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst einließen. Auf die Rezession antwortete die deutsche Politik zudem mit deutlich höheren Staatsausgaben. Die sehr zö- gerliche Erholung der gemessenen wirtschaftlichen Freiheit in den Jahrzehnten nach 1975 legt den Schluss nahe, dass die damaligen politischen Übersteigerungen die wirtschaftliche Freiheit nicht nur zeitweise, sondern dauerhaft belastet haben, weil Regierungen und Parla- mente die damals erreichten Ausgabenniveaus beibehielten und ausbauten.

Die Entwicklung der wirtschaftlichen Freiheit in den Jahren nach 1975 wird vor allem bestimmt durch einen Ausbau des Sozialstaats, der im Durchschnitt der alten Länder zu schlechteren Einstufungen im Bereich Sozialleistungen (1d) und Sozialhilfebezieher (3b) führte. Auch die steigenden Gewerbesteuerhebesätze verringerten für sich genommen die wirtschaftliche Freiheit. Dagegen zeigten sich in drei Bereichen deutliche Verbesserungen.

Die Landesregierungen mischten sich im Laufe der Jahre vergleichsweise weniger mit öf- Wirtschaftliche Freiheit

1970 bis 2004

in ausgewählten Ländern; L-Index

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0

1970 1975 1980 1985 1990 1994 1998 2002 2004 Bayern

Rheinland-Pfalz Länderdurchschnitt Bremen

(19)

fentlichen Investitionen in das marktwirtschaftliche Geschehen ein (1b). Gerade nach der Privatisierung der Bundespost Mitte der neunziger Jahre verringerte sich der Anteil des öffentlichen Dienstes an den Erwerbstätigen (1c). Zudem verringerte sich im Zeitablauf der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten an den Erwerbstätigen (3a) deutlich.

Dies spiegelt wahrscheinlich den Verlust von Industriearbeitsplätzen wider, ist womöglich aber auch Zeichen für eine Flucht aus der Sozialversicherungspflicht.

In der langfristigen Betrachtung sortieren die alten Bundesländer sich in drei Gruppen, die sich nach dem Verfall der wirtschaftlichen Freiheit in den frühen siebziger Jahren bildeten.

Seit Mitte der siebziger Jahre sind Bayern und Baden-Württemberg immer an der Spitze zu finden und setzen sich mit deutlich zunehmender wirtschaftlicher Freiheit immer mehr von den anderen Ländern ab. In der Rangliste der alten Länder belegen die beiden Südstaaten seit 1985 immer Platz 1 oder 2 (Tabelle 2). Hinter den beiden Spitzenreitern folgt eine breite Gruppe von sieben Ländern, die in der Entwicklung Unterschiede zeigen, aber gemäß der gemessenen wirtschaftlichen Freiheit eng zusammenliegen. Am Schluss der Länderranglis- te befinden sich Bremen und Berlin. Bremen lag, gemessen am L-Indexwert, bis Mitte der neunziger Jahre noch am unteren Rande des breiten Mittelfelds, fiel danach aber zurück.

In Berlin, das bis 1990 deutlich aufgeholt hatte, ist die gemessene wirtschaftliche Freiheit nach der Vereinigung mit Ost-Berlin rasant gesunken (Abbildung 4).

Abbildung 4

Die Unterschiede im Grad der wirtschaftlichen Freiheit zwischen den alten Bundesländern haben sich seit 1970 ausgeweitet. Im Jahr 1970 reichte die Spanne von einem L-Indexwert von 7,6 für Rheinland-Pfalz bis zu 5,2 für Berlin. Im Jahr 2004 waren es 7,2 für Bayern und nur noch 4 für Berlin. Die zunehmende Varianz gründet indes allein darin, dass die Spit-

Wirtschaftliche Freiheit 1970 bis 2004

in den alten Ländern; L-Index

2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0

1970 1975 1980 1985 1990 1994 1998 2002 2004

Bayern

Baden-Württemberg Hessen Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Hamburg Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Saarland Bremen Berlin

(20)

zengruppe von Bayern und Baden-Württemberg sich stetig verbesserte, während Bremen und Berlin deutlich hinter den anderen Ländern zurückblieben oder abfielen. In der breiten Mittelgruppe von sieben Ländern näherten sich die Bewertungen dagegen zunehmend an, mit einer leichten Tendenz zu größerer wirtschaftlicher Freiheit.

In der Rangliste sind die Positionen der Länder recht stabil, wie Tabelle 2 zeigt. Hessen hat sich gegenüber den anderen Ländern am meisten verbessert und rückte im Zeitraum 1970 bis 2004 von Platz 8 auf Platz 3 vor. In der Rangliste verschlechtert haben sich vor allem Rheinland-Pfalz – von Platz 1 auf Platz 5 - und Niedersachsen von Platz 4 auf Platz 7. Berlin und Bremen finden sich nahezu durchgängig auf den untersten Rangplätzen.

Tabelle 2

L-Rangziffern der alten Bundesländer

1970 1975 1980 1985 1990 1994 1998 2002 2004

Baden-Württemberg 3 1 3 2 2 2 2 2 2

Bayern 2 3 1 1 1 1 1 1 1

Berlin 11 11 11 11 10 11 11 11 11

Bremen 10 10 10 9 11 10 10 10 10

Hamburg 7 8 8 10 9 9 7 6 6

Hessen 8 6 5 5 5 5 4 3 3

Niedersachsen 4 5 7 7 6 6 6 9 7

Nordrhein-Westfalen 6 7 6 6 7 7 8 7 8

Rheinland-Pfalz 1 2 2 3 3 3 5 4 5

Saarland 9 9 9 8 8 8 9 8 9

Schleswig-Holstein 5 4 4 4 4 4 3 5 4

Die Vermutung liegt nahe, dass die durchgängig schlechte Einstufung Berlins und Bremens mit ihrem Status als Stadtstaat zusammenhängen könnte. Freilich spricht a priori nichts dagegen, dass auch in Stadtstaaten die Regierungen sich um wirtschaftliche Freiheit ihrer Bürger bemühen können. Hamburg ist ein treffendes Gegenbeispiel zu Berlin und Bremen und zeigt, dass Stadtstaaten durchaus entwicklungsfähig sind und mehr Freiheit bieten können. In der Rangliste der Länder stand Hamburg 2004 zwar nur im Mittelfeld auf Platz 6, 1985 aber hatte es nur auf Rang 10 gelegen. Nach dem L-Index hat die wirtschaftliche Freiheit in Hamburg sich in diesen rund zwanzig Jahren überdurchschnittlich verbessert;

der Indexwert lag 1985 bei 4,5 und 2004 bei 6,1. Wenn auch Hamburg im Bereich Steuern und Sozialversicherungspflicht im Jahr 2004 im Vergleich der alten Bundesländer unter- durchschnittlich abschneidet, hat es im Bereich des Umfangs der Staatstätigkeit doch seit 1985 deutlich Boden gut gemacht. Entscheidend dafür waren vor allem sinkende Anteile öffentlicher Investitionen und öffentlicher Beschäftigung.

(21)

Ein Vergleich Bayerns mit dem Saarland und Berlin

Angesichts des deutlichen Unterschieds in der mit dem L-Index gemessenen wirtschaftlichen Freiheit zwischen dem Spitzenreiter Bayern und dem Schlusslicht Berlin lohnt ein Blick auf die Indikatoren des Index. Was ist in Bayern anders als in Berlin? Zusätzlich zu den beiden Ländern haben wir in den Vergleich noch das schlechteste Flächenland, das Saarland, auf- genommen. Abbildung 5 zeigt die Einstufung der drei alten Bundesländer nach dem L-Index und seiner Teilindikatoren im Jahr 2004. Deutlich zeigt sich, dass Bayern in manchen Be- reichen erheblich besser eingestuft ist, während es in anderen Bereichen mit den beiden Vergleichsländern nahezu gleichauf liegt. Vorteile in der wirtschaftlichen Freiheit erreicht Bayern vor allem durch den vergleichsweise geringen Staatskonsum in Prozent des BIP (1a) und durch die vergleichsweise geringen Sozialleistungen in Prozent des BIP (1c). Auch ist der Anteil der Sozialhilfebezieher an der Bevölkerung geringer als in den Vergleichsländern (3b).

Abbildung 5

Tatsächlich gründet die langjährige freiheitliche Führungsrolle Bayerns vor allem in diesen Bereichen. So hat die bayerische Staatsregierung seit den siebziger Jahren den Staatskon- sum, gemessen am BIP, auf niedrigerem Niveau stärker zurückgeführt als der Durchschnitt der anderen alten Bundesländer, in denen der Staatskonsum zum Teil auch nahezu unverän- dert blieb oder stieg. 1975 erreichte der Staatskonsum in Bayern 19,8 Prozent des BIP, 2004 waren es 16 Prozent. Für Berlin lauten die Vergleichswerte 25,6 und 25,6 Prozent, für das Saarland 23,1 und 20,6 Prozent. Auch der Anteil staatlicher Investitionen an den Gesamtin-

Vergleich Bayern, Saarland und Berlin

L-Index der wirtschaftlichen Freiheit, 2004

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0

L-Index der wirtschaftlichen Freiheit

1a) Staatskonsum

1b) Investitionen der Länder

1c) öffentl. Beschäftigte

1d) Sozialleistungen

2a) Gewerbesteuerhebesatz

2b) Steueraufkommen

3a) Sozialversicherungspflicht

3b) Sozialhilfebezieher

Bayern Saarland Berlin

(22)

vestitionen liegt in Bayern nahezu durchgängig niedriger als im Rest der alten Bundeslän- der; 2004 waren es 5,5 Prozent, gegenüber fast 17 Prozent zum Beispiel in Berlin. Während Bayern bei den gewogenen Durchschnittshebesätzen der Gewerbesteuer eher Durchschnitt ist und beim Aufkommen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie beim Anteil sozi- alversicherungspflichtiger Beschäftigten sogar leicht schlechter als der Durchschnitt liegt, punktet der Freistaat vor allem durch vergleichsweise geringe Sozialleistungen in Prozent des BIP und durch einen geringen Anteil der Sozialhilfebezieher an der Bevölkerung. Die So- zialleistungen betrugen im Jahr 2004 gut 16 Prozent des BIP, im Saarland waren es fast 24 und in Berlin gut 26 Prozent. In Bayern bezogen 1,9 Prozent der Bevölkerung Sozialhilfe, im Saarland 4,3 und in Berlin 8,9 Prozent. Dieser Vergleich verdeutlicht, wie sehr der von uns berechnete L-Index der wirtschaftlichen Freiheit durch die sozialstaatliche Bevormundung bestimmt wird.

Der K-Index der wirtschaftlichen Freiheit

Der K-Index der wirtschaftlichen Freiheit beruht auf zehn statt acht Indikatoren und konn- te wegen nicht verfügbarer Daten nur für den Zeitraum 1994 bis 2004 berechnet werden.

Doch liegt er auch für die neuen Bundesländer vor und ist so der umfassendere der beiden Indizes. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die berechneten Indexwerte. Direkt ersichtlich ist, dass die gemessene wirtschaftliche Freiheit in den neuen Bundesländern niedriger ist als in den alten Ländern. Im Durchschnitt erreichten die alten Länder im Jahr 2004 einen In- dexwert von 6,2; die neuen Länder dagegen nur 5,2. Die neuen Länder haben den Rückstand von 1994 bis 2004 verringert. Auffällig ist, dass der Abstand zwischen dem Durchschnitt der alten und der neuen Länder mit einem Indexpunkt recht klein ist; zwischen dem Spitzenrei- ter und dem Schlusslicht unter den Ländern, Bayern (7,2) und Berlin (4,4), ist der Abstand fast drei mal so groß.

(23)

Tabelle 3

K-Index wirtschaftlicher Freiheit in allen Bundesländern

1994 1998 2002 2004

Baden-Württemberg 6,9 6,7 6,9 7,0

Bayern 7,2 7,0 7,1 7,2

Berlin 5,4 4,0 4,3 4,4

Brandenburg 4,5 4,9 5,2 5,6

Bremen 5,4 4,8 4,9 5,0

Hamburg 5,3 5,6 5,8 6,0

Hessen 6,2 6,1 6,4 6,2

Mecklenburg-Vorpommern 4,3 4,2 4,7 5,1

Niedersachsen 6,3 6,0 6,2 6,4

Nordrhein-Westfalen 6,0 5,8 6,1 6,1

Rheinland-Pfalz 6,6 6,5 6,8 6,8

Saarland 5,9 6,0 6,3 6,3

Sachsen 4,5 4,2 4,6 4,8

Sachsen-Anhalt 4,1 3,9 4,5 4,8

Schleswig-Holstein 6,4 6,5 6,6 6,8

Thüringen 4,4 4,4 5,3 5,6

Mittelwert 5,6 5,4 5,7 5,9

Mittelwert alte Länder 6,1 5,9 6,1 6,2

Mittelwert neue Länder 4,4 4,3 4,9 5,2

Bei den alten Bundesländern unterscheiden die Werte des K-Index sich nur geringfügig von denen des L-Index. Im Jahr 2004 lag der Unterschied höchstens bei 0,5 Indexpunkten.

Insgesamt rücken die alten Bundesländer nach dem weiter gefassten K-Index-Freiheitsmaß etwas näher zusammen. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein kommen näher an die beiden Spitzenreiter Bayern und Baden-Württemberg heran. In der Rangliste der Bundes- länder fallen von den alten Ländern Hamburg und Hessen zurück, während das Saarland sich verbessert (Tabelle 4).

(24)

Tabelle 4

K-Rangziffern aller Bundesländer

1994 1998 2002 2004

Baden-Württemberg 2 2 2 2

Bayern 1 1 1 1

Berlin 9 15 16 16

Brandenburg 12 10 11 11

Bremen 10 11 12 13

Hamburg 11 9 9 9

Hessen 6 5 5 7

Mecklenburg-Vorpommern 15 13 13 12

Niedersachsen 5 6 7 5

Nordrhein-Westfalen 7 8 8 8

Rheinland-Pfalz 3 3 3 4

Saarland 8 7 6 6

Sachsen 13 14 14 14

Sachsen-Anhalt 16 16 15 15

Schleswig-Holstein 4 4 4 3

Thüringen 14 12 10 10

Die neuen Bundesländer ordnen sich in der Rangliste am unteren Ende ein; Berlin aber bleibt im Jahr 2004 auf dem letzten Platz. Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erreichen Plätze vor Bremen. Ein Vergleich der Teilindikatoren, die in den K-Index eingehen, verdeutlicht die Gründe für die schlechte Plazierung der neuen Länder (Abbildung 6).

(25)

Abbildung 6

Hinsichtlich der Indikatoren zum Umfang der Staatstätigkeit schneiden die neuen Länder im Durchschnitt erheblich schlechter ab als die alten Länder. Angesichts der niedrigen Wirt- schaftsleistung in den neuen Ländern mischen sich Regierungen und Parlamente vergleichs- weise stärker in die Marktwirtschaft ein als in den alten Bundesländern. Bei den Steuer- Indikatoren dagegen liegen die neuen Länder deutlich besser als die alten. Offensichtlich drückt die Steuerlast im Westen vergleichsweise stärker als im Osten Deutschlands. Bei den Indikatoren rund um die Sozialversicherungspflicht und die Sozialhilfe fällt der Vergleich alte und neue Länder weniger prägnant und gemischt aus.

Die Einstufung der neuen Länder am unteren Ende der Rangliste verdeutlicht unmittelbar, dass offenbar ein positiver Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Wohlstand der Bundesländer und der gemessenen wirtschaftlichen Freiheit besteht. Diesem Zusammen- hang gehen wir im nächsten Kapitel nach.

Vergleich alte und neue Bundesländer K-Index der wirtschaftlichen Freiheit, 2004

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0

K-Index der wirtschaftlichen Freiheit 1a) Staatskonsum 1b) Investitionen der Länder 1c) öffentl. Beschäftigte 1d) Sozialleistungen 1e) Finanzhilfen 2a) Gewerbesteuer 2b) Steueraufkommen 3a) Sozialversicherungspflicht 3b) Sozialhilfebezieher 3c) Sozialhilfeniveau

alte Länder neue Länder

(26)

4. WIRTSCHAFTLICHE FREIHEIT UND WOHLSTAND

Die Rangliste der Bundesländer nach den von uns berechneten Freiheitsindizes deutet dar- auf hin, dass es einen engen positiven Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Freiheit und Wohlstand gibt. In diesem Kapitel nehmen wir diesen Zusammenhang näher unter die Lupe. Höhere Einkommen und ein höherer Lebensstandard in einem Land gründen in größerer Produktivität und in der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, welche die Menschen als wertvoll und begehrenswert schätzen.10 Denn werden Güter produziert, die niemand nachfragt, stagniert das Einkommen in einem Land. Dieser Zusammenhang ist aus theoretischer Sicht das wichtigste Indiz dafür, dass wirtschaftliche Freiheit den Wohlstand positiv beeinflusst: Je freier sich Unternehmer darum bemühen können, die Wünsche der Verbraucher herauszufinden und zu bedienen, und je freier die Verbraucher darin sind, sich ihre Wünsche zu erfüllen und nicht durch Regulierungen und Verbote davon abgehalten werden, desto eher werden ihre Einkommen und ihr Wohlstand steigen.

Höherer Wohlstand in einem Land setzt Wirtschaftswachstum voraus, das sich im Kern aus mehreren Faktoren speisen kann: eine bessere Ausbildung und damit bessere Fähig- keiten der Bewohner (Humankapital), mehr Investitionen und Kapitalbildung, technischer Fortschritt und eine bessere i nstitutionelle Organisation des Wirtschaftslebens. All diese Faktoren werden durch die wirtschaftliche Freiheit mehr oder weniger beeinflusst. Anstren- gungen um eine bessere Ausbildung lohnen sich für die Menschen um so mehr, je sicherer sie sein können, dass sie die Erträge ihrer Investition behalten dürfen. Hohe Steuersätze auf die Einkommen oder unsichere Eigentumsrechte dämpfen deshalb den Anreiz zur Aneig- nung von Humankapital. Gleiches gilt für die Investitionen von Unternehmern und privaten Haushalten in sonstiges Kapital. Forschungsanstrengungen lohnen nur dann, wenn die Un- ternehmer das erworbene Wissen auch in Produkte umsetzen dürfen. Den entscheidenden Einfluss auf das Wachstum aber dürfte die wirtschaftliche Freiheit auf die institutionelle Organisation des Wirtschaftslebens spielen. Wirtschaftliche

Freiheit erleichtert es den Menschen, miteinander zu kooperieren und Güter oder Dienst- leistungen auszutauschen. Unsichere Eigentumsrechte oder staatliche Eingriffe in die wirt- schaftliche Handlungsfreiheit verringern die Möglichkeiten, zum gegenseitigen Vorteil mit- einander zu tauschen und zu handeln, sei es am Güter- oder am Arbeitsmarkt. Staatliche Ausgaben für Konsum oder für Investitionen schmälern, weil letztlich steuerfinanziert, den Spielraum für Unternehmer und Konsumenten, ihre eigenen Angebote an den Markt zu bringen oder gemäß der eigenen Vorlieben zu konsumieren. Zugleich verzerren staatliche Ausgaben die Preisverhältnisse am Markt, weil Teile der Nachfrage und des Angebots nun von politischen Entscheidungen und nicht mehr von den direkten Vorlieben der Bürger be- stimmt werden. Auch ist zu vermuten und es wird durch die Erfahrung belegt, dass staat-

10 Vgl. Gwartney et. al. (1996), S. 89.

(27)

liche Güterproduktion eine niedrigere Produktivität aufweist als eine privatwirtschaftliche Produktion, die dem Wettbewerbsdruck am Markt unterliegt. All dies weist darauf hin, dass wirtschaftliche Freiheit zu einem höheren Lebensstandard der Menschen beiträgt, gemes- sen an ihren Präferenzen.

Diese theoretischen Überlegungen sollten sich in einem engen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Freiheit, wenn diese zutreffend gemessen wird, und dem Einkommensniveau je Einwohner widerspiegeln. Einige Warnungen sind aber geboten. So ist nicht zu erwarten, dass eine Verbesserung der wirtschaftlichen Freiheit von einem Jahr auf das andere sofort das Einkommensniveau steigen lässt und zu höherem Wirtschaftswachstum führt. Es braucht seine Zeit, bis veränderte institutionelle Spielräume sich im wirtschaftlichen Geschehen nie- derschlagen. Verbraucher und Unternehmer müssen sicher sein, dass die größere wirtschaft- liche Freiheit für längere Zeit gegeben ist, bevor sie ihr Verhalten umstellen und etwa mehr investieren. Die Entscheidung, mehr in das eigene Humankapital zu investieren, wird zum Beispiel auch von den Aussichten bestimmt, mit welcher Steuerlast man in den vielen Jahren nach der Ausbildung zu rechnen hat. Entscheidend ist damit, welches Vertrauen die wirt- schaftenden Menschen in die Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Frei heit haben.

Die zeitliche Dimension des Zusammenhangs zwischen Freiheit und Wohlstand führt dazu, dass ein Vergleich zwischen den Freiheitsindizes und zum Beispiel dem Einkommensniveau in einem einzigen Jahr wenig Aussagekraft hat. Ein solcher Vergleich ließe außer acht, ob die wirtschaftliche Freiheit sich in den Ländern in den vergangenen Jahren verbessert oder ver- schlechtert hat und wie Verbraucher und Unternehmer die künftige Entwicklung einschät- zen. Vermuten darf man allerdings, dass in einem Land, in dem über viele Jahre ein hohes Maß an wirtschaftlicher Freiheit gegeben ist, das Einkommensniveau höher ist als ein einem Land, das im selben Zeitraum ein niedriges Maß an wirtschaftlicher Freiheit aufweist.

Bevor wir den Zusammenhang zwischen unseren Freiheitsindizes und dem Wohlstand in den Bundesländern auf statistische Korrelationen untersuchen, werfen wir einen Blick auf die simplen Fakten. Die Grafiken in Abbildung 7 verdeutlichen, dass zwischen der von uns gemessenen wirtschaftlichen Freiheit in den Ländern und einigen Wohlstandsindikatoren die erwarteten Zusammenhänge in einem gewissen Ausmaß bestehen. Die Länder sind da- bei nach dem Ausmaß der gemessenen wirtschaftl ichen Freiheit jeweils in drei gleichgroße Gruppen zusammengefasst11; diesen Gruppen wird das durchschnittliche Einkommensni- veau, das durchschnittliche Wirtschaftswachstum und die durchschnittliche Arbeitslosen- quote gegenübergestellt. Für den K-Index aller Länder bezieht sich der Vergleich auf die Jahre 1998 bis 200412, für den L-Index der alten Länder auf die Jahre 1970 bis 2004. Der

11 Beim L-Index sind in der Gruppe der freiesten Länder drei Länder zusammengefasst, in der mittleren und in der unteren Gruppe je vier Länder. Beim K-Index sind es jeweils fünf, sechs und fünf Länder.

12 Das Jahr 1994 wurde ausgeklammert, weil die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern damals noch sehr stark durch die Erholung nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch im Gefolge der deutschen Einheit bestimmt war.

(28)

Vergleich zeigt, dass größere wirtschaftliche Freiheit, gemessen anhand unserer Indizes, Hand in Hand geht mit einem höheren Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner13, mit einem höheren Wirtschaftswachstum und mit einer niedrigeren Arbeitslosenquote. Der Zusam- menhang ist deutlich stärker, wenn mit dem K-Index alle Bundesländer einbezogen werden.

Dies erklärt sich mit der in den neuen Ländern erheblich niedrigeren Wirtschaftsleistung, aber auch mit der vergleichsweise geringen Variation der gemessenen wirtschaftlichen Frei- heit in den alten Bundesländern.

Abbildung 7

13 Bei diesem Vergleich sind Bremen und Hamburg nicht berücksichtigt, weil sich dort wegen der star- ken Pendlerverflechtung mit dem Umland das BIP je Einwohner nicht hinreichend präzise ermitteln lässt.

Grundsätzlich weist diese Kennziffer methodische Mängel auf, weil nach dem Inlands- bzw. Inländerkon- zept ermittelte Daten aufeinander bezogen werden.

Wirtschaftliche Freiheit und BIP je Einwohner alte Bundesländer, L-Index

0 5000 10000 15000 20000 25000

am wenigsten

frei weniger frei am meisten frei

Länder ohne Hamburg und Bremen wegen der Probleme der Erfassung des dortigen BIP je Einwohner

nominales BIP je Einwohner in Euro; Durchschnitt 1970 bis 2004

Wirtschaftliche Freiheit und BIP je Einwohner alle Bundesländer, K-Index

0 5000 10000 15000 20000 25000

am wenigsten frei

weniger frei am meisten frei

Länder ohne Hamburg und Bremen wegen der Probleme der Erfassung des dortigen BIP je Einwohner

nominales BIP je Einwohner in Euro; Durchschnitt1998bis 2004

Wirtschaftliche Freiheit und Wirtschaftswachstum

alte Länder, L-Index

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5

am wenigsten frei

weniger frei am meisten frei reales BIP, Venderung zum Vorjahr in %; Durchschnitt 1971 bis 2004

Wirtschaftliche Freiheit und Wirtschaftswachstum

alle Länder, K-Index

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5

am wenigsten

frei weniger frei am meisten frei reales BIP, Veränderung zum Vorjahr in %; Durchschnitt1998bis2004

(29)

noch Abbildung 7

Wirtschaftliche Freiheit und Arbeitslosigkeit alte Länder, L-Index

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0

am wenigsten frei

weniger frei am meisten frei Arbeitslosenquote in % der abhängigen Erwerbspersonen; Durchschnitt 1975 bis 2004

Wirtschaftliche Freiheit und Arbeitslosigkeit alle Länder, K-Index

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0

am wenigsten frei

weniger frei am meisten frei Arbeitslosenquote in % der abhängigen Erwerbspersonen; Durchschnitt1998bis 2004

Zu beachten ist, dass dieser graphische Vergleich keine Kausalität anzeigt. Wir können dar- aus nicht den Schluss ziehen, dass größere wirtschaftliche Freiheit, so wie wir sie messen, zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen führt. Möglicherweise ist die Kausalität auch um- gekehrt, dass nämlich ein schlechtes wirtschaftliches Ergebnis unsere Freiheitsmaße ent- sprechend beeinflusst. Doch regt der Vergleich zu weiteren Untersuchungen an.

Im folgenden untersuchen wir die Beziehungen zwischen gemessener wirtschaftlicher Frei- heit und verschiedenen Wohlstandsmaßen auf ihre statistische Korrelation. Abbildung 8 illustriert die Korrelation zwischen dem L-Index und dem Bruttoinlandsprodukt je Einwoh- ner der alten Bundesländer im Jahr 2004.14 Die nur schwach steigende Regressionsgerade zeigt, dass kein eindeutiger Zusammenhang besteht. Der Korrelationskoeffizient liegt nur bei 0,11. Das spiegelt den sehr schwachen Zusammenhang wider, der sich auch im graphi- schen Vergleich zeigte. Wie oben erläutert ist der einfache Vergleich anhand eines Jahres jedoch kein hinreichendes Indiz, um den theoretisch vermuteten Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Freiheit und wirtschaftlichem Wohlstand abzulehnen.

14 Bei diesem Korrelationstest sind Hamburg und Bremen trotz der in Fußnote 13 erläuterten Datenprobleme hinsichtlich des BIP je Einwohner berücksichtigt.

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