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Wir brauchen ein atmendes System

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Academic year: 2021

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BLICKPUNKT

Was verbindet Oviedo, die Hauptstadt der Autonomen Region Asturien in Nordspani- en, mit der Zukunft des deutschen Wissen- schaftssystems? Der Konnex besteht nicht zwangsläufig, aber er ergibt sich aktuell:

Die Max-Planck-Gesellschaft wird dort im Herbst für ihr Engagement in der internati- onalen Zusammenarbeit geehrt. Der Prinz- von-Asturien-Preis, mitunter auch „spani- scher Nobelpreis“ genannt, ging zuvor an so renommierte Organisationen wie das In- ternationale Rote Kreuz und den Roten Halbmond oder die Weltgesundheitsorga- nisation. Man mag erstaunt sein, dass wir als deutsche Forschungsgesellschaft in ei- nem Atemzug genannt werden mit Einrich- tungen, deren internationales Wirken sich schon am Namen ablesen lässt. Aber: Diese Ehre reflektiert in wunderbarer Weise, dass die Max-Planck-Gesellschaft ebenso Inter- nationalität verkörpert.

Internationalität ist integraler Bestandteil unserer Mission. Denn Spitzenforschung organisiert man nur dann erfolgreich, wenn die Forschungsstätten – in diesem Fall die Max-Planck-Institute – attraktiv sind für he- rausragende Nachwuchstalente und Spit- zenwissenschaftler aus aller Welt. Und wenn man Rahmenbedingungen schafft, dank derer sich diese Forscher hinreichend kreativ entfalten können. Aber wir wollen nicht nur „die besten Köpfe“ ins eigene Land holen – wir sind auch Partner in zahlreichen internationalen Forschungsnetzwerken.

Als solche werden wir ausgewählt nach den Kriterien des bestmöglichen Beitrags, nach Renommee und Leistungsfähigkeit. Die Ein- bindung in solche Netzwerke – sei es durch

die Etablierung von Auslandsstandorten oder durch Kooperationsinstrumente wie Partnergruppen und Max Planck Center – und die sichtbare Präsenz in der internatio- nalen Spitze sind ein wesentlicher Beitrag der Max-Planck-Gesellschaft zum deutschen Wissenschaftssystem.

Und genau hier erreicht der Prinz-von- Asturien-Preis die deutsche Systemdebatte:

Der Wettbewerb zwischen den Wissensöko- nomien wird schärfer, Deutschland muss sich dieser Herausforderung stellen, um sei- ne führende Position als Forschungs- und Innovationsstandort und damit seine Wohl- standsbasis zu erhalten und auszubauen.

Schließlich entstehen über 90 Prozent des weltweiten Wissens außerhalb unserer Lan- desgrenzen; fast zwei Drittel aller Publikati- onen aus der Max-Planck-Gesellschaft sind das Ergebnis internationaler Zusammenar- beit. Das verdeutlicht, von welch enormer Bedeutung es ist, an länderübergreifenden Innovationsnetzwerken beteiligt zu sein.

Strukturen, insbesondere in der Spitzenfor- schung, müssen dem Rechnung tragen, In- ternationalisierung muss nach innen und nach außen erfolgen. Wir dürfen daher die Diskussion über die Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems nicht nur aus einer rein nationalen forschungspoli- tischen Perspektive führen – das würde schlichtweg zu kurz greifen.

Unser Wissenschaftssystem ist geprägt durch seine vielfältige Struktur aus Hoch- schulen und außeruniversitären Organisa- tionen, aus forschenden Unternehmen, Forschungsförderern et cetera. Dabei ist es gelungen, die außeruniversitären Organi- sationen mit einer jeweils spezifischen Mission auszustatten: So ist es die Aufgabe der Helmholtz-Gemeinschaft, im Rahmen der Programmforschung wissenschaftliche Infrastrukturen für alle Akteure bereitzu- stellen, Fraunhofer soll die Brücke zur In- dustrie schlagen, die Max-Planck-Gesell- schaft folgt dem Auftrag Spitzenforschung.

Und so schreibt der Wissenschaftsrat zu Foto: Axel Griesch

Internationalität ist integraler Bestandteil

unserer Mission

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atmendes System

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Recht in seinen im Juli veröffentlichten Empfehlungen, dass eine „grundlegende Systemreform“ nicht erforderlich sei, die funktionale und institutionelle Vielfalt eine

„unbedingt zu erhaltende Stärke“.

Tatsächlich ist dieses vielgestaltige und bezugsreiche System mehr als die Summe seiner Teile. Es lässt sich mit einem Ökosys-

tem vergleichen, dessen Fähigkeit, Wasser und Rohstoffe bereitzustellen, hochgradig vom Ausmaß seiner biologischen Vielfalt abhängt. Erst die Unterschiede zwischen funktionellen Gruppen führen dazu, dass mit zunehmender Anzahl die vorhande nen Ressourcen effektiver genutzt werden und somit auch die Produktivität des Systems wächst. Übertragen auf das Wissenschafts- system, bedeutet dies: Ein wissenschaftli- cher Mehrwert für das Gesamtsystem ent- steht nur durch die Kooperation profilier- ter, komplementär ausgerichteter Akteure.

Umso mehr verwundert dann, wenn die Hochschulen in den Empfehlungen des Wis- senschaftsrats zum künftigen zentralen Organisator im System erhoben werden.

Hier muss ich widersprechen: Eine Univer- sität kann nicht die Max-Planck-Gesell- schaft organisieren, und Max-Planck-For- schungsprojekte werden nicht lokal in den Köpfen von Rektoren entwickelt. Wir müs- sen Themen und Orte selbst auswählen können, wenn wir weiterhin dem Anspruch gerecht werden wollen, Spitzenforschung zu leisten.

Nichtdestotrotz gibt es eine funktiona- le Partnerschaft, und sie wird gelebt! Bei- spiel: 70 Prozent der im Rahmen der Exzel- lenzinitiative erfolgreichen Exzellenzcluster

sind unter Teilhabe von Max-Planck-Institu- ten entstanden; 80 Prozent unserer Direk- toren sind auch Universitätsprofessoren.

Und natürlich hat sich die Max-Planck-Ge- sellschaft in den vergangenen zwei Jahren mit zahlreichen Beiträgen an der Debatte zur Zukunft des Wissenschaftssystems be- teiligt und in ihren Gremien die zentralen wissenschaftspolitischen Fragen ausgiebig erörtert. Die vom Wissenschaftsrat ange- regte Profilentwicklung und Differenzie- rung im Hochschulsektor deckt sich mit un- serem im jüngst vorgelegten Positionspa- pier formulierten Vorschlag zur Etablierung von Exzellenz- und Profilstandorten. Dabei bedeutet die Differenzierung von Standor- ten mitnichten, dass bestehende Schwer- punktbildungen in Forschung oder Lehre nachrangig oder weniger förderungswür- dig würden. Und ich möchte betonen: Wir brauchen ein atmendes System. Wer gut ist, soll aufsteigen können. Dabei wird es auf die Köpfe ankommen. Gelingt es, ein, zwei Spitzenkräfte zu rekrutieren, so kann in ei- nem Bereich Wegweisendes entstehen. Das System muss Übergänge erlauben.

Allerdings vermisse ich Instrumente, die sicherstellen, dass es im Rahmen des vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Zu- kunftspakts zu der notwendigen weiteren Profilschärfung der Akteure kommt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Bedin- gungen für wissenschaftlichen Wettbewerb und effektive institutionelle Governance er- halten und fortentwickelt werden. Denn die Entwicklung der vergangenen Jahre hat eben auch – bei aller Dynamik und interna- tional anerkannten Stärke des deutschen Wissenschaftssystems – gezeigt, dass es hier nicht immer wissenschaftsgeleitet zu- geht. Nicht jede Kooperationsstruktur ori- entiert sich an wissenschaftlicher Leistungs- fähigkeit, und nicht jede Aktion folgt einer wissenschaftlich nachvollziehbaren Logik.

Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir eine unabhängige Systemevaluation. Sie wäre in meinen Augen eine notwendige Er-

gänzung der jetzt vom Wissenschaftsrat aufgezeigten Weiterentwicklung. Dass eine solche fundierte Außensicht wichtige Impulse geben kann, hat die DFG/MPG- System evaluation von 1999 gezeigt. Einer der Vorschläge war, die Zusammenarbeit mit den Hochschulen im Rahmen unserer Mission gezielt auszubauen.

Nach der erfolgreichen Etablierung von inzwischen mehr als 60 International Max Planck Research Schools in Kooperation mit den Hochschulen wäre deshalb beispiels- weise denkbar, das äußerst erfolgreiche Mo-

dell der internationalen Max Planck Center, die mit weltweit führenden Forschungsein- richtungen wie dem US-amerikanischen Princeton oder dem japanischen Riken als gemeinsame Kooperationsplattformen be- trieben werden, auf das Inland auszuwei- ten. Dabei würden sich mindestens ein Max-Planck-Institut, eine deutsche Univer- sität, ein ausländischer und gegebenenfalls weitere Partner zu einer themenbezogenen Kooperation zusammenschließen. Die Max- Planck-Gesellschaft könnte so zum Türöff- ner für Forschungsnetzwerke mit den welt- weit Besten werden – und würde damit ein- mal mehr ihrer Rolle im deutschen Wissen- schaftssystem gerecht.

Peter Gruss,

Präsident der Max-Planck-Gesellschaft PETER GRUSS

Peter G

Türöffner für

Forschungsnetzwerke mit den weltweit Besten Das Gesamtgefüge ist

mehr als die Summe seiner Teile

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