• Keine Ergebnisse gefunden

Die VDW und die Pugwash Conferences on Science and World Affairs

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Die VDW und die Pugwash Conferences on Science and World Affairs"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die VDW und die Pugwash Conferences on Science and World Affairs

Klaus Gottstein

1. Die deutsche Beteiligung an Pugwash und die Gründung der VDW

Mit einer gewissen Berechtigung kann man sagen, dass die Gründung der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) am 1. Oktober 1959 zwei miteinander verknüpfte Ursachen hatte:

 die „Göttinger Erklärung“ von achtzehn deutschen Atomforschern vom 12. April 1957,

 und die Entstehung der Pugwash Conferences on Science and World Affairs, von denen bis September 1959 bereits fünf stattgefunden hatten.

Einer der Unterzeichner des Russell-Einstein-Manifests, das dann zur ersten Pugwash- Konferenz führte, hat auch die Göttinger Erklärung unterschrieben. Es war der Nobelpreisträger Max Born. Er war bis 1933 Professor für theoretische Physik in Göttingen gewesen, hatte dann in Edinburgh den Lehrstuhl für Natural Philosophy innegehabt, hatte sich nach seiner Emeritierung nach dem Krieg in Bad Pyrmont niedergelassen und beteiligte sich von dort aus wieder am akademischen Leben in Deutschland. In gewissem Sinne beginnt hier also die deutsche Beteiligung an der Geschichte von Pugwash. Natürlich ist auch Albert Einstein gebürtiger Deutscher. Aber Einstein hat sich nach 1945 verbeten, noch von Deutschland in Anspruch genommen zu werden. Man kann ihm das nicht verdenken.

Die erste der Pugwash-Konferenzen war vom 7. bis zum 10. Juli 1957 in dem kleinen kanadischen Fischerdorf Pugwash veranstaltet worden. Deutsche Wissenschaftler waren noch nicht dabei, obwohl Max Born, Adolf Butenandt, Otto Hahn, Werner Heisenberg und Boris Rajewsky Einladungen erhalten hatten. Das Anliegen der „Göttinger Achtzehn“ und die Ziele der Pugwash-Konferenzen hatten viele Berührungspunkte.

Insbesondere war ihnen gemeinsam, dass sie vor den großen Gefahren eines mit Atomwaffen geführten Krieges warnten und zu einer atomaren Abrüstung aufriefen.

Eine Zusammenarbeit lag daher nahe. Die ursprüngliche Zurückhaltung führender deutscher Wissenschaftler wegen einer zunächst vermuteten „Linkslastigkeit“ dieser Zusammenkünfte, an denen mitten im Kalten Kriege sowjetische Wissenschaftler beteiligt waren, konnte überwunden werden, als sich zeigte, dass auch einige eher konservative westliche Wissenschaftler mitmachten.

Die erste Pugwash-Konferenz war erfolgreich verlaufen, hatte in Parallel- und Plenarsitzungen die auch heute noch aktuellen Themen „hazards arising from the use of atomic energy in peace and war“, „control of nuclear weapons“ und „the social responsibility of scientists“ behandelt und hatte die Beratungsergebnisse in einer umfassenden Erklärung herausgegeben.1

1 Diese und einige der folgenden Angaben über die ersten vier Pugwash-Konferenzen wurden dem Buch von J. Rotblat, Scientists in the Quest for Peace, The MIT Press, Cambridge 1972 entnommen

(2)

Es wurde beschlossen, diese Art von Konferenzen fortzusetzen. Diese Aufgabe wurde einem Continuing Committee übertragen, dem unter Vorsitz von Lord Russell vier gewählte Vertreter (aus Großbritannien Powell und Rotblat, aus den USA Rabinovitch und aus der Sowjetunion Skobeltzyn) angehörten. Dieses Continuing Committee traf sich vollzählig vom 18.-20. Dezember 1957 in London. Als Gast war Carl Friedrich von Weizsäcker (CFvW) zugegen, der die Einladung wohl einem Brief an Powell zu verdanken hatte, in dem er das Fernbleiben der deutschen Wissenschaftler erläutert und zugleich Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreitet hatte.

Die zweite „Pugwash-Konferenz“ fand vom 31. März bis zum 11. April 1958 in dem kanadischen Wintersportort Lac Beauport statt. Diesmal nahm CFvW teil. Die Mehrzahl der Teilnehmer kam aus den Atomwaffenstaaten USA, Sowjetunion und Großbritannien; das war beabsichtigt. Die Beratungen auf der 12 Tage dauernden Konferenz waren unter die Titel „The dangers of the present situation“, „The means of eliminating the immediate dangers“ und „The means of relaxing tension“ gestellt. Die vorgetragenen Papiere füllten zusammen mit den Sitzungsberichten vier Bände mit nahezu eintausend Seiten. CFvW lernte hier die amerikanische „Arms Control Schule“

kennen, derzufolge eine atomare Abrüstung erst dann möglich sein wird, wenn zwischen den „Supermächten“ ein atomares Gleichgewicht erreicht ist, das beiden Seiten Sicherheit vor einem atomaren Erstschlag der Gegenseite dadurch gewährt, dass die Fähigkeit zu einem vergeltenden Zweitschlag unzerstörbar geworden ist. Die Erkenntnisse, die CFvW in Lac Beauport gewonnen hatte, brachte er nach seiner Rückkehr in einer Artikelserie in der Zeitschrift DIE ZEIT unter dem von der Redaktion gewählten Titel „Mit der Bombe leben“ einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis.

Insbesondere dieser Titel entfremdete CFvW zunächst einem Teil der „Göttinger Achtzehn“, die – wie Born und Hahn – zu dem Schluss kommen zu müssen meinten, CFvW sei der Sache der Achtzehn in gewissem Sinne untreu geworden.2 Die Professoren Hönl und Kliefoth, die an der dritten Pugwash-Konferenz in Kitzbühel und Wien teilnahmen, konnten sich CFvW nicht mehr als Leiter oder Sprecher einer deutschen Pugwash-Gruppe vorstellen. Walther Gerlach setzte sich jedoch dafür ein, dass CFvW wegen seiner vielfältigen politischen Verbindungen und seines Engagements der noch zu gründenden deutschen Pugwash-Gruppe angehören sollte.3 Ursprünglich hervorgegangen ist die VDW aus Überlegungen der Physiker Gerd Burkhardt, Werner Kliefoth und Karl Wolf. Sie waren zur Unterzeichnung der

„Göttinger Erklärung“ nicht eingeladen worden, waren aber der Überzeugung, dass viele deutsche Wissenschaftler – wie auch sie selbst – den Wunsch hätten, im Sinne dieser Erklärung tätig zu werden und an der Verbreitung ihres Gedankenguts teilzuhaben. Sie schlugen zu diesem Zweck die Gründung einer Vereinigung von Wissenschaftlern vor und baten die 18 Unterzeichner der Göttinger Erklärung um Mitarbeit. Diese waren auch nach der Veröffentlichung ihrer Erklärung in Kontakt geblieben. Sie trafen sich meist nach den Bonner Sitzungen des Arbeitskreises Kernphysik und auch einmal auf Einladung von CFvW in Bad Neuenahr, um die weiteren Entwicklungen zu besprechen. Themen waren u.a. die Fragen einer

2 Elisabeth Kraus, Von der Uranspaltung zur Göttinger Erklärung, Königshausen & Neumann, Würzburg 2001, S. 302

3 loc.cit., S. 313

(3)

Beteiligung an den Aktionen „Kampf dem Atomtod“ (nur Max Born beteiligte sich dann) und des „Japan Council Against Atomic and Hydrogen Bombs“ (trotz aller Sympathie wurde grundsätzlich die Beteiligung an fremden Aktionen abgelehnt, um die eigene Wirksamkeit nicht zu beeinträchtigen). Auch die Veröffentlichung der Vienna Declaration in den großen deutschen Tageszeitungen und eine Reaktion auf die Stationierung von Raketen mittlerer Reichweite für die NATO in Deutschland waren Themen. Der Aufruf von Linus Pauling gegen die Atomwaffenversuche in der Atmosphäre wurde jedoch von den meisten der Göttinger Achtzehn unterschrieben.4 Eine zweite „Göttinger Erklärung“ wurde erwogen, aber ein für alle akzeptabler Text kam nicht zustande.

Die Bemühungen um eine nicht nur auf die Göttinger Achtzehn beschränkte deutsche Pugwash-Gruppe führten dann am 1. Oktober 1959 in Berlin am Rande der jährlichen deutschen Physikertagung zu der erwähnten Gründung der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).

Eine Vorbesprechung zu deren Gründung hatte im April 1959 in München stattgefunden. Neben CFvW zeigten Gerlach, Born, Burkhardt und Kliefoth besonderes Interesse an einem solchen Zusammenschluß. Ihren vereinten Kräften gelang es schließlich, auch den zunächst zögernden Otto Hahn zum Beitritt zu gewinnen. Dieser hatte Bedenken geäußert, ob er als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft nicht verpflichtet sei, Neutralität zu wahren und einer in manchen Kreisen als „linkslastig“

angesehenen Vereinigung lieber nicht beizutreten. Er konnte dann aber von der Überparteilichkeit der Gruppierung, die auch konservative Warner vor den Atomkriegsgefahren zu ihren Mitgliedern zähle, überzeugt werden.5

2. Die VDW und die Bundesregierung

CFvW nahm an dieser dritten Pugwash-Konferenz nicht teil; Teilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland waren neben den erwähnten Physikern H. Hönl und Kliefoth die Physiker Max Born, Burkhardt und H. Lenz sowie der Physiker G. Rienäcker aus der DDR. An der vierten Pugwash-Konferenz (Baden bei Wien, 25. Juni bis 4. Juli 1959) war CFvW dabei, wieder als einziger Deutscher. Bei dieser kleineren Konferenz erörterten 25 hochrangige Wissenschaftler aus Großbritannien, den USA, der UdSSR, Kanada und China unter Ausschluss der Öffentlichkeit Fragen der Rüstungskontrolle und der globalen Sicherheit. Schon vor seiner Abreise nach Lac Beauport hatte CFvW Besuche im Auswärtigen Amt und im Verteidigungsministerium gemacht. Nach der Konferenz von Baden suchte er in Wien die deutsche Botschaft auf.

Er wollte der Regierung damit zu verstehen geben, dass seine „von ihr unabhängigen politischen Meinungen nicht meine Loyalität zur verfassungsmäßigen Regierung trüben.“6

4 loc. cit., S. 292

5 loc.cit., S. 323 ff

6 loc. cit., S. 314

(4)

Auch später bemühte sich die VDW stets, die Ergebnisse der Pugwash-Arbeit den deutschen Regierungsstellen zugänglich zu machen zu machen und umgekehrt die Denkweisen der Regierung zu akuten Problemen bei den Pugwash-Diskussionen in Rechnung zu stellen.

CFvW sah in den Pugwash-Konferenzen und in der Gründung einer deutschen Pugwash-Gruppe offenbar einen Weg zu den von ihm angestrebten und auch von Verteidigungsminister Strauß bei seinem Gespräch mit Vertretern der Göttinger Achtzehn angemahnten7 internationalen Wissenschaftlerkonferenzen über Atomwaffenkontrolle und Abrüstung. In seinem Buch „Wahrnehmung der Neuzeit“8 findet sich auf Seite 133 folgende Beurteilung der Pugwash-Bewegung:

„Politisch gesehen wurde diese Bewegung zu einem nicht ganz unwichtigen Instrument inoffizieller Diplomatie, einem Gesprächsforum, in dem Wissenschaftler, vom offiziellen politischen Auftrag entlastet, einiges vordiskutierten, was nachher die Politiker übernehmen konnten. Moralisch war die Bewegung wichtiger, wenn auch im direkten Zusammenhang wirkungsloser. Sie war eine der Stellen, an denen Wahrheiten hörbar wurden, die im Machtkonflikt unterdrückt werden müssen. Denn im Machtkampf kann man die Wahrheit nicht sagen, und doch wird in letzter Instanz der geschichtliche Machtkampf durch die Wahrheit entschieden – auch wo die Wahrheit und somit der Ausgang tragisch ist.“

Das Interesse der Bundesregierung an den Ergebnissen der Pugwash-Treffen war durchaus wahrnehmbar. Auch gab es eine gewisse Bereitschaft zur Kooperation. Der Vorstand der VDW hat sich stets um ein gutes Verhältnis zur Bundesregierung bemüht, die ja beraten werden sollte, selbst wenn – oder gerade, wenn – man mit der offiziellen Politik nicht übereinstimmte und, wie in den Fällen der Notstandsgesetzgebung oder des Schutzraumbaus, vor den negativen Folgen des geplanten Aktionen glaubte warnen zu müssen. Manche Bundesregierungen wussten unsere Haltung zu schätzen und ermöglichten eine Zusammenarbeit zwischen Regierungsvertretern und deutschen Pugwash-Teilnehmern. Bundesaußenminister und Vizekanzler Willy Brandt empfing drei prominente VDW-Mitglieder (Raiser, Menzel und Glubrecht) zum Meinungsaustausch über die Ergebnisse der großen Pugwash-Konferenz von Ronneby (siehe unten). Er zeigte sich interessiert an den Stellungnahmen zum Atomwaffensperrvertrag und äußerte die Bitte, über die Pugwash-Delegierten der östlichen Staaten den dortigen Regierungen einen richtigeren Eindruck über die deutsche Haltung zu diesem Vertragsentwurf zu vermitteln. Er erklärte sich bereit, in zukünftigen Konferenzen über seinen Planungsstab den bundesdeutschen Teilnehmern Material zur Verfügung zu stellen, ohne ihre Handlungs- und Entscheidungsfreiheit auf der Konferenz selbst in irgendeiner Weise beeinflussen zu wollen.9 Willy Brandt war es auch, der sich als Außenminister und Vizekanzler der großen Koalition bereit gefunden hatte, 1967 der Pugwash-Konferenz in Ronneby ein Grußtelegramm zu senden und damit dem Beispiel führender Politiker des Auslands zu folgen.

7 loc.cit., S. 252

8 Carl Hanser Verlag, München 1983

9 VDW-Rundbrief Nr. 31/32 (März 1968)

(5)

Die Ergebnisse der Ronneby-Konferenz wurden von Horst Afheldt auf einer Sitzung der Studiengruppe Politik und Strategie im Haus Rissen (Institut für Politik und Wirtschaft) im Oktober 1967 dem Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, dem Kommandeur der Heeresoffiziersschule und weiteren hohen Offizieren erläutert. Ich besprach mit General Altenburg, damals Generalinspekteur der Bundeswehr, im Bundesministerium der Verteidigung auf der Hardthöhe die deutsche Haltung zu Abrüstungsfragen, um auf der damals bevorstehenden Pugwash-Konferenz in Polen von konkreten Tatsachen ausgehen zu können. Mehrfach fanden Gespräche mit Referatsleitern des Auswärtigen Amtes statt, und in einem Fall nahm einer von diesen an einem Pugwash-Workshop in Genf teil, um seine Gedanken dort in die Diskussion einbringen und die Ansichten insbesondere der Teilnehmer aus den Warschauer-Pakt- Staaten direkt zur Kenntnis nehmen zu können. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Andreas Meyer-Landrut, vorher - und später noch einmal - Botschafter in Moskau und sodann Staatssekretär des Bundespräsidialamtes zur Zeit von Bundespräsident Richard v. Weizsäcker, gab für den gesamten Vorstand der VDW ein Arbeitsessen in den Räumen des Auswärtigen Amtes. Die deutschen Teilnehmer an Pugwash- Konferenzen wurden zur gegenseitigen Information und Berichterstattung mehrfach im Auswärtigen Amt und im Bundesministerium der Verteidigung auf hoher Ebene empfangen. Die große Pugwash-Konferenz in München (August 1977) wurde vom Bundesminister für Forschung und Technologie (Matthöfer) eröffnet, dessen Haus die Finanzierung der Konferenz, die offiziell durch die VDW erfolgte, übernommen hatte.

Der Bundespräsident (Walter Scheel), der Bundeskanzler (Helmut Schmidt) und der Generalsekretär der Vereinten Nationen (Kurt Waldheim) sandten Grußbotschaften.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker verlieh Professor Rotblat anläßlich seines 80.

Geburtstags in Anerkennung seiner Verdienste um Entspannung und Rüstungsbegrenzung 1989 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern, das ihm in London von Botschafter Freiherr von Richthofen überreicht wurde. Dazu versammelte sich das britische Pugwash-Komitee in der Deutschen Botschaft in London.

Allerdings gab es auch warnende Stimmen gegen eine zu enge Zusammenarbeit der deutschen Pugwash-Gruppe mit der Bundesregierung. So zeigte sich Prof. Menzel (Institut für internationales Recht der Universität Kiel) bestürzt über den Umstand, dass Prof. Raiser im Vorfeld des Empfangs bei Bundesaußenminister Brandt dem Auswärtigen Amt Originalpapiere sowjetischer Teilnehmer an der Pugwash-Konferenz in Ronneby überlassen hatte. Damit habe er nicht nur die Pugwash-Regeln verletzt, nach denen der Inhalt aller Konferenzpapiere und aller Diskussionsbemerkungen nur im Einverständnis mit den Autoren oder aber anonym zitiert werden darf. Vielmehr habe er auch die deutsche Pugwash-Gruppe in eine Abhängigkeit von der Bundesregierung gebracht. Diese werde nun auch künftig, insbesondere bei finanziellen Hilfeleistungen, die Herausgabe ausländischer und deutscher Pugwash-Beiträge erbitten können und die VDW dadurch in eine schwierige Lage bringen, so meinte Prof. Menzel. (Dass die Pugwash-Gruppen der Sowjetunion, der DDR und der anderen osteuropäischen Länder ständig zu einer solchen Verletzung der Pugwash-Regeln gezwungen waren, steht auf einem anderen Blatt.) Übrigens sind die von Herrn Menzel befürchteten nachteiligen Folgen nicht eingetreten. In der Sache, was die Pugwash-Regeln betrifft, hatte er allerdings recht.

(6)

Eine gewisse Erschwernis für unser Bemühen, den Ergebnissen der Pugwash- Konferenzen Gehör bei der Bundesregierung zu verschaffen – besonders zu Zeiten der ersten CDU-geführten Regierungen und der Hallstein-Doktrin - , war der Umstand, dass die Pugwash-Zentrale in ihrem Bemühen um Neutralität im Ost-West-Konflikt schon früh Wissenschaftler aus der DDR zur Teilnahme eingeladen hatte und außerdem die offizielle Bezeichnung der Bundesrepublik „Federal Republic of Germany“ vermied. In den Pugwash-Verlautbarungen wurden die beiden Deutschlands meist als German Democratic Republic und German Federal Republic bezeichnet, was den bundesdeutschen Offiziellen natürlich nicht gefiel. Ich habe daher zu erreichen versucht, dass auch unser Staat – wie alle anderen Staaten – von Pugwash so bezeichnet wird, wie er sich selbst bezeichnet. Professor Rotblat versuchte zudem, zur Vorbereitung der 11. Pugwash-Konferenz (Dubrovnik 1963), die dem Thema „Sicherheit in Mitteleuropa“ gewidmet sein sollte, die Vertreter der beiden Deutschlands zu einer gemeinsamen Erklärung zu veranlassen, in der die Punkte, in denen man übereinstimmte, und diejenigen, in denen man nicht übereinstimmte, kenntlich gemacht werden sollten. Prof. Burkhardt als Vorsitzender der VDW und der bekannte Physiker Prof. Steenbeck vom Forschungsrat der DDR waren dazu auch bereit und trafen sich in Jena und Hannover zur Ausarbeitung eines derartigen Textes. Es kam aber nur zu zwei getrennten Vorlagen, weil die gewünschte gemeinsame Unterschrift für die VDW, die auf ein gutes Verhältnis zur Bundesregierung bedacht war, wegen der Hallstein-Doktrin nicht möglich erschien.10

Aber auch Pugwashites anderer westlicher Staaten hatten das Problem mit ihren Regierungen, dass Pugwash wegen seiner Bereitschaft, auch Wissenschaftler aus der Sowjetunion und den Staaten des Warschauer Pakts als gleichberechtigte Teilnehmer zu Wort kommen zu lassen, oft als pro-sowjetisch und „links“ angesehen wurde. Dies war auch der Grund, warum die Bundeskanzler der ersten Bundesregierungen sich nicht entschließen konnten, den Pugwash-Konferenzen eine Grußbotschaft zu senden, wie sie auf entsprechende Anfrage im Bundestag mitteilen ließen. Dabei hatten wir die Hoffnung, dass die sowjetischen Teilnehmer, die – wie wir wussten – alle Reden und Vorkommnisse der Konferenz ihren Behörden genau berichten mussten, die auf den Pugwash-Konferenzen diskutierten Möglichkeiten zu Abrüstung und Entspannung höheren Orts zur Kenntnis bringen würden, wie auch wir das bei unseren Regierungen taten. Allerdings hat sich später herausgestellt, dass die sowjetischen Wissenschaftler, die zu Pugwash-Konferenzen reisen durften, zu Hause kaum irgendeinen politischen Einfluss hatten. Sie wurden durch die auf Pugwash-Konferenzen immer anwesenden und als Politikprofessoren getarnten KGB-Angehörigen genau überwacht und widersprachen daher – anders als die westlichen Wissenschaftler – in ihren Verlautbarungen niemals der eigenen Regierung. Immerhin haben ihre Berichte vermutlich dazu beigetragen, dass die sowjetische Führung allmählich zu der Überzeugung kam, der bisher stets als Begründung für die sowjetische Rüstung dienende Glaube an einen bevorstehenden Überfall der NATO auf die Sowjetunion sei nicht mehr gerechtfertigt. Die Beteuerungen sowjetischer Teilnehmer, die Regierung der Sowjetunion lasse sich vom Russell-Einstein-Manifest leiten und habe auf die Herstellung chemischer und bakteriologischer Waffen verzichtet, sind jedoch durch die inzwischen bekannt gewordenen Tatsachen widerlegt worden.

10 Brief Steenbeck an Prof. E. Brüche vom 6.7.1967 in Akte 47 der VDW-Akten

(7)

Eine Folge des Misstrauens westlicher Stellen gegenüber Pugwash war, dass die im reichen Westen stattfindenden Pugwash-Tagungen häufig mangels großzügiger finanzieller Unterstützung in einem äußerlich frugalen Rahmen stattfanden:

Unterbringung im Studentenwohnheim, Essen in der Universitätsmensa. Im darbenden Osten hingegen wohnten wir in den besten Hotels und schwelgten bei den offiziellen Festessen in den luxuriösesten Speisen und den besten Weinen.

3. Die Themenwahl bei Pugwash und bei der VDW und die fachliche Kompetenz der Teilnehmer

Im Laufe der Zeit erweiterten die Pugwash-Konferenzen das Spektrum der von ihnen behandelten Themen. Neben den Gefahren der nuklearen Rüstung, die den Anlass zu ihrer Gründung im Gefolge des Russell-Einstein-Manifests gegeben hatten und die stets im Mittelpunkt des Pugwash-Interesses blieben, und den damit zusammenhängenden Themen der nuklearen Abrüstung, der Krisenstabilität, der Verhinderung nuklearer Proliferation wurden auch die Probleme der chemischen und biologischen Waffen, der konventionellen Rüstung und des Waffenhandels sowie allgemeine Fragen von Friedenserhaltung und globaler Sicherheit, einschließlich der Konfliktlösung in regionalen und ethnischen Konflikten in die Tagesordnungen der Pugwash- Konferenzen, -Symposien und –Workshops aufgenommen. Dazu gehörten auch die Probleme nachhaltiger Entwicklung in der „Dritten Welt“, von Bevölkerungswachstum und Migration, von Umweltzerstörung und Energieverschwendung. Die VDW hatte schon bald nach ihrer Gründung die Untersuchung solcher globalen Probleme, die direkt oder indirekt die Sicherheit der heutigen Menschheit und der kommenden Generationen gefährden, in ihr Programm einbezogen.

Noch immer gilt, wie es in der offiziellen Kurzbeschreibung der Pugwash-Konferenzen heißt, dass es deren Zweck sei, aus aller Welt einflussreiche Wissenschaftler und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammenzubringen, die sich mit der Reduzierung der Gefahr bewaffneter Konflikte befassen und nach kooperativen Lösungen für globale Probleme suchen. Mit der Erweiterung der Thematik erweiterte sich auch der Kreis der auf den Pugwash-Konferenzen vertretenen wissenschaftlichen Disziplinen. An den frühen Pugwash-Konferenzen hatten fast ausschließlich Naturwissenschaftler, überwiegend Physiker, teilgenommen. Einige der Gründungsväter der Pugwash-Konferenzen wie Leo Szilard waren der Ansicht, dass dies auch so bleiben sollte. Letzterer schrieb dem Verfasser 1963:

„Because there is in science an objective measure of success, which is lacking in the other categories in which you are interested, those whose names are known in science are, by and large, much better people than those whose names are known in other fields. This gives you in science a pre-selection upon which you can then impose another selection, based on the knowledge of the personal, intellectual and moral, qualities of each individual. …

To sum up: I would not exclude anyone because he is not a scientist if he has the required personal qualifications, but neither would I go to any

(8)

great effort outside the field of science, in order to find people with the required personal qualifications, unless I cannot find a sufficient number of people who fully qualify among the scientists who are available.”

Diese leider recht überhebliche, aber für die Anfangszeit von Pugwash nicht untypische Sichtweise, bei der auch die leichtere Verständigung unter Naturwissenschaftlern wegen der gemeinsamen Fachsprache eine Rolle spielte, wurde mit der Zeit und der fortschreitenden Entwicklung in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft überwunden. Im Verlauf der Jahrzehnte hat sich die Zusammensetzung der Pugwash-Konferenzen geändert. Heute sind die Geisteswissenschaften prominent vertreten. Die heutigen Pugwash meetings erreichen oft gleichzeitig die drei Ziele, die sich Pugwash gesteckt hat: den Aufbau persönlicher Kontakte über nationale und weltanschauliche Grenzen hinweg, die wissenschaftliche Diskussion der zu lösenden Probleme mit der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen, sowie die Vorbereitung und Ausführung von Aktionen zu deren Implementierung.

Ein wesentliches Ergebnis der Pugwash-Konferenzen zur Zeit des Kalten Krieges soll nicht unerwähnt bleiben: die Entstehung persönlicher Freundschaften über nationale und ideologische Grenzen hinweg. Das erleichterte sehr die Kommunikation in möglichen Krisenzeiten. So haben zwanglose Gespräche am Lagerfeuer an einem polnischen See nach der 16. Pugwash-Konferenz in Zoppot nach Auskunft von Beteiligten sehr zum gegenseitigen Verständnis beigetragen. Auch unter den Gattinnen der Teilnehmer entstanden im Lauf der Jahre viele Freundschaften, was die Neigung zur Aufrechterhaltung der gegenseitigen Kontakte noch verstärkte.

Sowohl an den Pugwash-Konferenzen als auch an den Veranstaltungen der VDW beteiligten sich in den ersten Jahren prominente und jedenfalls etablierte Wissenschaftler, Akademiemitglieder, Institutsdirektoren, Regierungsberater. Seit den siebziger Jahren wurden in steigendem Maße bei beiden Institutionen auch jüngere Wissenschaftler und fortgeschrittene Studenten zugelassen. Seit 1970 gab es die Einrichtung Student/Young Pugwash in Ergänzung und am Rande der Pugwash- Konferenzen, zu der über die VDW auch eine Reihe junger deutscher Wissenschaftler und Studenten Zugang fand.

Noch etwas hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten geändert: Die öffentliche Kritik an der Arbeit der Naturwissenschaftler ist gewachsen, so dass es heute nicht mehr wie in den Gründungszeiten zutrifft, dass Naturwissenschaftler und insbesondere Physiker einen größeren Einfluss auf die Politik besitzen als Wissenschaftler anderer Disziplinen und daher bessere Kommunikatoren sind.

Es ist interessant, die Titel und Themen der jährlichen Pugwash-Konferenzen und der Jahrestagungen der VDW zu vergleichen:

Jahr Pugwash VDW

1960 Disarmament & World Security Macht und Ohnmacht der Wissenschaft. Die Beengung der

Wissenschaft durch staatliche Maßnahmen.

Radioisotopenverwendung in der

(9)

Medizin. Die gegenwärtige Situation der radioaktiven Verseuchung. Die Freiheit des Staatsbeamten in seiner

Meinungsäußerung

1961 Disarmament & World Security Staatsschutz und Freiheit der Wissenschaft. Die Wirkungen

„kleiner“ Kernwaffen und die sich daraus ergebenden Völkerrechtsfragen

1962 Scientists & World Affairs Gefahren für die Demokratie aus der innenpolitischen Entwicklung

1963 Current Problems of Disarmament &

World Security

Politische Situation der Bundesrepublik Deutschland.

Weltordnung und Weltsicherheit – Ein Lehrfach

1964 Disarmament & Peaceful Collaboration among Nations

Überblick über die Probleme von Big Science. Bipolarität und Pluralismus in

der Weltpolitik der Gegenwart. Über die Naturgeschichte der Aggression

1965 International Cooperation for Science

& Disarmament.

Science in Aid of Developing Countries

Außenpolitische Möglichkeiten der näheren Zukunft

1966 Disarmament & World Security, Especially in Europe

Die Situation der Menschen in der Zukunft der technischen

Welt

1967 Scientists & World Affairs Auswirkungen der modernen Biologie

1968 Current Problems of Peace, Security

& Development

Weltsicherheit und Europäische Sicherheit

1969 World Security, Disarmament, and Development

Die Rolle der Wissenschaft in der technischen Welt 1970 Peace & International Cooperation:

A Programme for the Seventies Wer steuert die Forschung – wie frei ist die Wissenschaft?

1971 Problems of World Security, Environment & Development

Disparitäten der

Wissenschaftsentwicklung in den Industrie- und Entwicklungsländern

1972 Scientists & World Affairs Wissenschaftspolitik – Prioritäten in der Forschung

1973 European Security, Disarmament &

Other Problems

Grenzen des Wachstums 1974 Disarmament, Energy Problems &

International Cooperation

Beeinflussung von Politik durch Wissenschaft

(10)

1975 (Jan. 1976)

Development Resources & World Security

Technische, wirtschaftliche und politische Bedingungen der

Energieversorgung

1976 Disarmament, Security &

Development

Technologie in Entwicklungsländern

1977 Peace & Security in a Changing World

Arzt, Patient und Arzneimittelangebot

1978 Global Aspects of Disarmament &

Security

Die Neugestaltung der Meeresnutzung 1979 Development & Security Wissenschaft und öffentliche

Verantwortung – 20 Jahre nach der Gründung der VDW

1980 Arms Limitations, Security &

Development

Mikroelektronik und Dezentralisierung 1981 Arms Limitations: The Search for

Peace in a World of Crisis

Aspekte und Perspektiven einer rüstungsgestützten Sicherheitspolitik

1982 The Current Danger of Nuclear War: The Relevance of the Russell-Einstein Manifesto

Today

Medizin als Technologie 1983 Avoiding Nuclear and Other Wars

and Reversing the Arms Race

Energiesysteme im wirtschaftlichen Wandel 1984 1984 and Beyond: Science, Security

and Public Opinion

Chancen des Friedens 1985 East-West Conflicts and the Third

World: Interrelationships and Implications for Peace

Zeit und Wirklichkeit – Umbruch im wissenschaftlichen

Denken 1986 Co-existence, Cooperation and

Common Security

Arbeitsgesellschaft und Identität 1987 From Confrontation to

Rapprochement: 30th Anniversary of Pugwash

Internationale Wissenschaftspolitik – Kooperation für Krieg oder Frieden?

1988 Global Problems and Common Security

Demokratische Verantwortung für Wissenschaft – ja. Aber wie?

1989 Building Global Security through

Cooperation Umwelt und Entwicklung

1990 Towards a Secure World in the 21st Century

Funktionswandel der Bündnisse im Rahmen der Umgestaltung des Ost-

West-Verhältnisses

Aufschlussreich ist auch der Vergleich der Themen, mit denen sich die Arbeitsgruppen der Pugwash-Konferenzen und die Studiengruppen der VDW beschäftigten. Hier ein Beispiel aus den Jahren 1972 – 1974:

Jahr Pugwash VDW

1972 Disarmament Program for the Near Future

Disarmament in Europe

Mechanisms for European Security and European

 Arzneimittelversorgung

 Europäische Politik

 Interdisziplinäre

Bevölkerungswissenschaft

(11)

1972 Cooperation

Security of Developing Nations

Problems of Developing Nations

International Aspects of Environment Problems

Scientists and Society

World Resources and Population Problems

 Probleme der Entwicklungsländer

 Probleme der Mitbestimmung

 Soziale Verteidigung

 Spezielle Probleme der Präventivmedizin

 Zivilisationsfolgen 1973 Disarmament and Limitation

of Strategic Weapons

Disarmament in Europe

European Security and Cooperation

Social, Economic and Political Limits of the Application of Science and Technology for

Development in the Third World

Radioactive Pollution of the Environment in Connection with the Energy Problem

Europäische Politik

Interdisziplinäre

Bevölkerungswissenschaft

Probleme der Entwicklungsländer

Soziale Verteidigung

Zivilisationsfolgen

Probleme der Mitbestimmung

Arzneimittelversorgung

Spezielle Probleme der Präventivmedizin

1974 Current Problems of Arms Control and Disarmament

European Security and Force Reductions

Peace and Security in the Middle East

Security and Arms Problems in Other Areas

Different Approaches to International Co-operation in Science and Technology

The Energy Problem

 Probleme der Entwicklungsländer

 Soziale Verteidigung

 Europäische Politik

 Probleme der Mitbestimmung

 Arzneimittelversorgung

 Sozialpolitik

 Forschungsplanung - Forschungsprioritäten

Auffällig ist zwar eine gewisse Parallelität der Themen im Bereich der Rüstungskontrolle, aber auch die Eigenständigkeit der VDW bei der Auswahl der von ihr behandelten Problemfelder. In dieser Eigenständigkeit kommt die Tatsache zum Ausdruck, dass die VDW eben nicht nur aus Teilnehmern von Pugwash-Konferenzen bestand, wobei aber auch diese in der VDW nicht nur eine nationale Gruppe zur Verbreitung des „Pugwash-Gedankens“ sahen sondern durchaus eine selbständige Wissenschaftler-Vereinigung zur Diskussion wissenschaftlicher Fragen von brennender politischer Relevanz. Die Ziele der Pugwash-Bewegung stellte J. Rotblat auf einer Zusammenkunft der europäischen Pugwash-Gruppen in Genf im April 1961 dar, über die Kliefoth im 9. VDW-Rundbrief vom Juli 1961 berichtete:

1. Versuch, auf die Regierungen Einfluss zu gewinnen;

(12)

2. Information der Naturwissenschaftler (Scientists) und Beeinflussung ihrer Haltung;

3. Beeinflussung der öffentlichen Meinung.

Diese Ziele stimmten mit denen der VDW überein.

4. Die VDW-Berichterstattung über Pugwash

Die Nachrichtenblätter der VDW, „VDW-Rundbrief“ und „VDW intern“, enthielten sehr häufig Berichte der deutschen Pugwash-Teilnehmer über Verlauf und Ergebnisse der von ihnen jeweils besuchten Pugwash-Veranstaltungen. Dies geschah meist in gründlichen Analysen, wie z.B. in dem sehr ausführlichen (21 Seiten) Bericht von E. Heimendahl im VDW-Rundbrief Nr. 8 (Sondernummer) vom Februar 1961 über die 6. Pugwash-Konferenz in Moskau (27.11. bis 5.12. 1960), an der 24 Wissenschaftler aus den USA teilnahmen, darunter Prof. J. Wiesner, der Berater für Abrüstungsfragen von Präsident Kennedy, und andere hochrangige Experten. Die Bundesrepublik Deutschland war nur durch zwei VDW-Mitglieder vertreten, den VDW-Vorsitzenden Burkhardt und den VDW-Geschäftsführer Heimendahl. Die DDR hatte ebenfalls nur zwei Wissenschaftler entsandt, während die UdSSR durch eine sehr prominente Delegation von Akademiemitgliedern vertreten war. Heimendahls Bericht gibt einen ausgezeichneten Überblick über den damaligen Stand der Diskussion zwischen den

„Supermächten“ zu Fragen von Abschreckung und Rüstungskontrolle mitten im Kalten Krieg und von der vermittelnden Rolle, die Pugwash dabei zu leisten imstande war. Zu nennen wäre hier auch der fünfzehnseitige, sehr aufschlussreiche, analytische Bericht11 von Prof. G. Burkhardt über die offenen und scharfen, angesichts der Wiederaufnahme sowjetischer Atomversuche spannungsgeladenen Diskussionen auf der 7. und der 8.

Pugwash-Konferenz in Stowe (USA) vom 4. bis 17. September 1961 unter Beteiligung von 36 überwiegend prominenten amerikanischen Wissenschaftlern mit guten Regierungsverbindungen und 10 sowjetischen Wissenschaftlern, ferner der detaillierte Bericht von Horst Afheldt12 über die Diskussionen auf der 11. Pugwash-Konferenz in Dubrovnik (20. bis 25. September 1963), zu der übrigens u.a. Präsident John F.

Kennedy und Generalsekretär Walter Ulbricht Grußbotschaften sandten, aber kein Vertreter der Bundesregierung. Über die 12. Pugwash-Konferenz in Udaipur (Indien) vom 24. Januar bis 1. Februar 1964 und die 13. Pugwash-Konferenz in Karlsbad (Tschechoslowakei) vom 13. bis 19. September 1964 gaben E. Menzel und G. Burkhardt nachdenkliche und informative Berichte.13 Auch der zehnseitige Bericht von Prof. Werner Kliefoth über die 17. Pugwash-Konferenz im September 1967 in Ronneby (Schweden) zur Zeit des Vietnamkriegs sollte hier erwähnt werden, auf der das Problem der Verhütung eines Atomkriegs und die mit dem Nonproliferation- Vertrag zusammenhängenden Fragen ein besonderes Gewicht gehabt hatten. Die ausführlichen Berichte über die Ergebnisse der Pugwash-Konferenzen, -Symposien und -Workshops wurden auch in den folgenden Jahren in „VDW-intern“ fortgesetzt. Auf den Jahrestagungen der VDW gab der Pugwash-Beauftragte der VDW regelmäßig einen

11 VDW-Rundbrief Nr. 13, Februar 1962

12 VDW-Rundbrief Nr. 17/18 vom Dezember 1963/Januar 1964

13 VDW-Rundbrief Nr. 22 vom März 1965.

(13)

Bericht über alle Fragen, welche die Pugwash-Konferenzen und die deutsche Beteiligung an ihnen betrafen.

Über die 21. Pugwash-Konferenz in Sinaia (Rumänien) vom 26. bis 31. August 1971 berichtete Ulrich Albrecht kritisch wegen der geringen Priorität, die bei Pugwash bis dahin den Entwicklungs- und Umweltproblemen, von deren zentraler Bedeutung für die Zukunft er überzeugt war, gegenüber dem traditionellen Pugwash-Thema der Rüstungsproblematik eingeräumt worden war. In seinem Bericht14 zur 23. Pugwash- Konferenz in Aulanko (Finnland) bedauerte Wilfried von Bredow, dass von den 108 Teilnehmern nur zwei aus der Bundesrepublik kamen, nämlich die VDW-Vertreter Horst Afheldt und er selbst. Wenigstens so viele deutsche Teilnehmer, wie es Arbeitsgruppen gab, wären erwünscht gewesen. In Anlehnung an die Diskussionen auf früheren Pugwash-Konferenzen gab es in Aulanko für die Arbeitsgruppen die folgenden Themen:

 Abrüstung und Begrenzung strategischer Waffen

 Abrüstung in Europa

 Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit

 Soziale, ökonomische und politische Grenzen der Anwendung von Wissenschaft und Technologie zur Entwicklung (in der Dritten Welt)

 Radioaktive Umweltverschmutzung im Zusammenhang mit dem Energie- Problem

5. Pugwash-Veranstaltungen in Deutschland

Auch in der westdeutschen Pugwash-Gruppe, der VDW, änderten sich die fachliche Zusammensetzung der Mitglieder und die Schwerpunkte der Arbeit, zumal in der Bundesrepublik Deutschland als einem Nicht-Kernwaffenstaat – wenn auch noch immer Stationierungsgelände für Atomwaffen – die Fragen der Kernwaffen weniger im Vordergrund standen als in den „Atommächten“. Immerhin fanden in Deutschland (Ost und West) drei Pugwash-Konferenzen (Mühlhausen 1976, München 1977, Berlin 1992) und elf Pugwash Workshops und Symposien statt: “European Security” 1968 in Kiel,

„Overcoming Protein Malnutrition in Developing Countries“ 1970 in Oberursel,

“Economic and Social Aspects of Disarmament” 1971 in Leipzig, “Chemical Warfare”

1976 in Mühlhausen, “Problems of Militarily-Oriented Technologies in Developing Countries” 1976 in Feldafing, “Chemical Warfare” 1977 in Köln, “Confidence- Building Measures” 1981 in Hamburg, “Conventional Forces in Europe” im März und November 1985 in Pöcking, “Chemical Warfare” 1987 in Berlin-Ost und “Political Conditions for Peace and Security in Europe: Obstacles and Perspectives” 1988 in Bochum. Die Münchener Pugwash-Konferenz „Peace and Security in a Changing World“ von 1977 mit 223 Teilnehmern war die bis dahin größte. Sie wurde erst 1992 durch die von Frau Falter im Namen der VDW organisierte 42. Pugwash-Konferenz mit 274 Teilnehmern übertroffen. Das oben genannte Achte Pugwash Symposium in Oberursel „Overcoming Protein Malnutrition in Developing Countries“ im Mai 1970 wurde von der VDW-Studiengruppe “Probleme der Entwicklungsländer” ausgerichtet und führte zu wichtigen Empfehlungen, die auf dem nachfolgenden

14 VDW intern Nr 27, Dezember 1973.

(14)

Welternährungskongress in Den Haag von beteiligten VDW-Mitgliedern vertreten wurden. Insbesondere wurde davon abgeraten, lediglich eine Wachstumsrate von 6 % als Entwicklungsziel anzustreben. Vielmehr wurde empfohlen, in einem „multiple target planning“ u.a. die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens, den Abbau von Arbeitslosigkeit, die Verbesserung der Bildung und der Lebensmittelversorgung durch gezielte Programme für die Entwicklungsländer anzustreben.15

Auf der Pugwash-Konferenz in München befassten sich 1977 acht parallel tagende Arbeitsgruppen mit sämtlichen Themen, die sich zu dieser Zeit auf der Bearbeitungsliste von Pugwash befanden. Es waren die folgenden:

1. Nuclear Arms Control and Disarmament

2. Arms Control and Disarmament in the Non-Nuclear Realm

3. Co-existence, Détente and Cooperation between Nations and Systems 4. Security of Developing Nations

5. Development Problems of the Economically Poor Nations 6. Energy, World Resources, and Population Trends

7. Environmental Hazards of Global Concern 8. Science, Scientists and Society

Wie man sieht, sind diese Themen nach drei Jahrzehnten noch nicht veraltet. Eine Konferenz mit dieser Tagesordnung würde auch im Jahre 2009 durchaus als aktuell empfunden werden.

6. Reaktionen von Pugwash und der VDW auf akute politische Entwicklungen. Die Okkupation der Tschechoslowakei nach dem „Prager Frühling“ als Beispiel.

Interessant ist, wie einerseits Pugwash, andererseits die VDW auf dramatische außenpolitische Entwicklungen wie die Besetzung der Tschechoslowakei durch Truppen des Warschauer Pakts reagierten. Gerade an diesem Beispiel wurde wieder deutlich, dass die osteuropäischen Pugwash-Teilnehmer – anders als ihre westlichen Kollegen – im allgemeinen nicht die Möglichkeit hatten, Handlungen ihrer eigenen Regierungen zu kritisieren. Die Leitung der Pugwash-Konferenzen nahm, um den Zusammenhalt der Pugwash-Bewegung nicht zu gefährden, auf diesen Umstand Rücksicht. So kann man in den Proceedings der 19. Pugwash-Konferenz in Sochi, USSR vom Oktober 1969 im Bericht der Working Group 2 („European Security“) nachlesen, dass das ursprünglich vorgesehene Thema „Czechoslovakia and European Security“ auf dringende Bitte der tschechoslowakischen Teilnehmer („We implore you, please, fulfil our humble request“) von der Tagesordnung gestrichen wurde, weil es die inneren Angelegenheiten der Tschechoslowakei berühren würde, welche das tschechoslowakische Volk selbst zu lösen fähig sein müsse.

Schon auf der 18. Pugwash-Konferenz in Nizza im September 1968, kurz nach der am 21. August 1968 erfolgten Okkupation der Tschechoslowakei hatte es, wie Horst Afheldt auf der anschließenden Marburger Jahrestagung der VDW berichtete, kaum Streit über dieses Ereignis gegeben. Vielmehr wurde die Konferenz nach Afheldts

15 VDW-Information Nr. 3/1970 (20.6.1970).

(15)

Worten zu einer unter angenehmen Begleitumständen tagenden „Voyeur Society“. Wie schon früher im Fall Vietnam einigte man sich in der öffentlichen Verlautbarung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: „Die Ereignisse in der Tschechoslowakei wurden diskutiert. Verschiedene und oft in Konflikt stehende Ansichten wurden ausgedrückt über die Gründe und die Berechtigung der Gegenwart fremder Truppen in der CSSR.“

Dennoch darf man annehmen, dass die geäußerten Gedanken in unerwarteter Weise nachgewirkt haben könnten, so wie die privaten Gespräche über den Vietnam-Krieg auf der 16. Pugwash-Konferenz 1966 in Zoppot später zu den Pariser Friedensgesprächen führten.

Auch die Mitglieder der VDW nahmen die Besetzung der CSSR als vollendete Tatsache hin, die zwar von großer politischer Bedeutung als Zeichen für den Umgang der UdSSR mit „Abweichlern“ unter ihren Verbündeten war, aber an der man als Wissenschaftler nichts ändern könne. Die VDW-Studiengruppe „Civilian Defence“ sah allerdings in dem zivilen Widerstand der tschechoslowakischen Bevölkerung eine Bestätigung des von ihr studierten und weiterentwickelten Konzepts der gewaltfreien Obstruktion gegen militärische Besatzer. Der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht glaubte sogar im zivilen Widerstand in der CSSR das Werk „westdeutscher Fachleute für konterrevolutionäre Tätigkeit“ zu erkennen, wie Theodor Ebert, der Vorsitzende dieser VDW-Studiengruppe im Rundbrief Nr. 34 der VDW vom März 1969 berichtete. In Wirklichkeit hatte es keine Verbindungen der VDW zum tschechoslowakischen Widerstand gegeben.

Bei anderen Gelegenheiten, bei denen noch die Chance und sogar die Notwendigkeit gegeben war, den Gang der politischen Entwicklung zu beeinflussen, waren Vorstand und Arbeitsausschuss der VDW durchaus zu öffentlichen Verlautbarungen bereit. So befürworteten sie 1967 in einem Kommuniqué den Abschluss des Atomwaffensperrvertrags und warnten vor einer Überbetonung der noch zu klärenden Kontroll- und Wettbewerbsfragen. Über dieses Kommuniqué berichtete CFvW auf der Pugwash-Tagung vom Mai 1967 in Marienbad (CSSR) und trug dadurch zur Zerstörung des Misstrauens gegen die Motive der Bundesrepublik Deutschland bei der Verzögerung der Unterschrift unter den Vertrag bei.

7. C. F. von Weizsäcker, das Starnberger Institut und Pugwash

Eine nicht unbedeutende Rolle bei der Diskussion der „Pugwash-Themen“ in Deutschland spielte das 1970 in Starnberg gegründete Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt unter seinem Gründungsdirektor CFvW. Das Jahrbuch 1970 der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften nennt als Arbeitsgebiete des neuen Instituts u.a.

„Pragmatische Probleme des Weltfriedens, der Industriegesellschaft (Umwelt, Wissenschaftspolitik) und der Entwicklungsländer“, also Gebiete, die den Mitgliedern der VDW ebenso wie den Verantwortlichen der Pugwash-Konferenzen am Herzen lagen. Mehrere der Mitarbeiter des Starnberger Instituts hatten die Arbeit an solchen Themen bereits in den sechziger Jahren in der von der Oskar-Mahr-Stiftung finanzierten und unter der offiziellen Leitung von CFvW stehenden Hamburger Forschungsstelle der VDW begonnen. Nach Gründung des Starnberger Instituts wechselten einige von ihnen

(16)

allmählich dorthin über. Die „Kriegsfolgenstudie“ über die genauen Wirkungen eines auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geführten Atomkriegs war dann die erste größere Publikation des Starnberger Max-Planck-Instituts.16 Auch die zahlreichen Starnberger Arbeiten über die Welternährungskrise, die Lage der Entwicklungsländer und eine mögliche neue Weltwirtschaftsordnung gehen auf schon in Hamburg begonnene Untersuchungen zurück.

CFvW selbst hat nach der vierten Pugwash-Konferenz in Baden bei Wien nur noch eine Pugwash-Konferenz (München 1977) und einige wenige Pugwash Workshops besucht, die an für ihn leicht erreichbaren Orten stattfanden, u.a. in Feldafing und Pöcking und 1967 in Marienbad, wo er auf Henry Kissinger traf, mit dem ihn dann eine langjährige Freundschaft verband. Stattdessen übernahm sein Mitarbeiter Horst Afheldt die Wahrnehmung der Pugwash-Veranstaltungen. Er und die von ihm geleitete Arbeitsgruppe „Kriegsfolgen und Kriegsverhütung“ der VDW und später des Starnberger Instituts zogen großen Nutzen aus dem Meinungsaustausch und den internationalen Kontakten, die die Pugwash-Veranstaltungen ermöglichten. Afheldts Mitarbeiter Albrecht von Müller war immerhin bei 17 Pugwash-Veranstaltungen dabei.

An einigen Pugwash-Symposien mit wirtschaftlichen Themen beteiligten sich die Mitglieder der Starnberger Ökonomie-Gruppe Jürgen Heinrichs, Otto Kreye und Utz Peter Reich.

8. Die Sonderrolle der VDW als Pugwash-Gruppe

Als deutsche Pugwash-Gruppe spielte die VDW eine Sonderrolle in der internationalen Pugwash-Gemeinschaft. Nach den Pugwash-Regeln bestehen die nationalen Pugwash- Gruppen aus den „Pugwashites“ des jeweiligen Landes, also aus allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern jeden Landes, die jemals an einem Pugwash-Treffen teilgenommen haben. Die Pugwash-Gruppe der Bundesrepublik Deutschland war eine Ausnahme von dieser Regel. Aus den geschilderten historischen Gründen hatte die VDW die Rolle der Pugwash-Gruppe übernommen, obwohl sie viele Mitglieder hatte – auch Vorstandsmitglieder – , die niemals an einer Pugwash- Veranstaltung teilgenommen hatten und deren Interessengebiete damals auch nicht zu den Pugwash-Themen gehörten. Ein vorübergehend verfolgter Plan, innerhalb der VDW eine spezielle Pugwash-Gruppe einzurichten, um dadurch den Pugwash-Regeln Genüge zu tun, wurde nicht weiter verfolgt, und so hatte die VDW stets ein „Reservoir“

geeigneter Experten (oder konnte solche rekrutieren) für die jeweils auf der Tagesordnung der nächsten Pugwash-Veranstaltung stehenden Themen.

So wurde die VDW als Pugwash-Gruppe der Bundesrepublik Deutschland eine der aktivsten Pugwash-Gruppen, in der nicht nur VDW-Mitglieder mitwirkten. Zahlreiche deutsche Wissenschaftler zählten im Laufe der Zeit zu den regelmäßigen Teilnehmern der Pugwash-Konferenzen, -Symposia und -Workshops. Von 1958 bis 2007 haben 245 verschiedene deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, nicht nur VDW- Mitglieder, an Pugwash-Veranstaltungen teilgenommen. Zum Beispiel nahmen bis heute Horst Afheldt an 35, Hans-Peter Dürr an 20, Hellmut Glubrecht an 23, Klaus

16 Carl Friedrich von Weizsäcker (Herausgeber), Kriegsfolgen und Kriegsverhütung, Carl Hanser Verlag, München 1970.

(17)

Gottstein an 42, Knut Ipsen an 13, K. Lohs an 30 und Götz Neuneck an 24 Pugwash- Veranstaltungen teil. Sprecher („Convener“) der deutschen Pugwash-Gruppe waren nacheinander K. Gottstein, H.-P. Dürr, U.Albrecht und Götz Neuneck. Dem Pugwash Council gehörten in Folge H. Glubrecht, H.-P. Dürr und G. Neuneck an. Wenn ich mich richtig erinnere, war der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Verfügung gestellte finanzielle Beitrag der VDW an die Zentrale der Pugwash- Konferenzen über lange Zeit der drittgrößte aller Beiträge der nationalen Pugwash- Gruppen, nach denen der USA und Großbritanniens.

9. Die Wechselwirkung deutscher Institute mit Pugwash

Die Arbeit der VDW erschöpfte sich keineswegs in der Mitwirkung an den Pugwash- Konferenzen. Einzelne VDW-Mitglieder veranstalteten unabhängige Konferenzen zu Themen, die den auf Pugwash-Konferenzen behandelten nahe verwandt waren.

Beispiele sind die vom Leiter des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Prof. Fritz Baade, einberufene Ost-West-Konferenz führender Ökonomen über die wirtschaftlichen Konsequenzen einer radikalen Abrüstung (Kiel, 5. bis 9. März 1961)17 sowie die Reihe der von der Forschungsstelle Gottstein in der Max-Planck-Gesellschaft mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft veranstalteten internationalen Konferenzen, die ebenfalls eine hochrangige Beteiligung aufwiesen.18 Die auf den Pugwash-Konferenzen hergestellten Kontakte mit ausländischen Wissenschaftlern - besonders aus Osteuropa und der Sowjetunion, aber auch aus den westlichen Ländern und aus der sogenannten Dritten Welt – spielten eine wichtige Rolle.19 Die erwähnte Reihe von internationalen Konferenzen, die von der Forschungsstelle Gottstein zur Frage der gegenseitigen Perzeptionen in der Strategic Defence Initiative (SDI) und bei den Zielvorstellungen im Ost-West-Konflikt und später beim Aufbau des neuen Europa veranstaltet wurde, ging letztlich von Pugwash- Erfahrungen aus, wenn auch der Kreis der beteiligten Wissenschaftler über den auf Pugwash-Konferenzen anzutreffenden Kreis hinausging. Andererseits haben deutsche Wissenschaftler mit ihren Instituten und ihren Beziehungen wichtige Beiträge zur Pugwash-Arbeit geleistet. Hier sind besonders die Workshops on Chemical Warfare zu nennen, an denen die deutsche chemische Industrie mitgewirkt hat, die auch zur Besichtigung ihrer Anlagen eingeladen hatte, sowie die Workshops on Conventional Forces, bei denen die von Horst Afheldt und Albrecht von Müller entwickelten Vorstellungen von "Non-Offensive Defence" Gegenstand eingehender Diskussionen waren. Zu nennen wäre auch das von Graf Baudissin und seinen Mitarbeitern am

17 Ausführlicher Bericht von F. Baade in VDW-Rundbrief 10/11 (September/Oktober 1961)

18 U.S.-German Workshop on the Political, Strategic-Operational, Economic and Psychological Aspects of the Program to Investigate Possibilities for Strategic Defense (SDI), 14.-18. Dezember 1986,

International Workshop on “Western Perceptions of Soviet Goals. Is Trust Possible?”, November 1987, International Conference on “Mutual Perceptions of Long-Range Goals. Can the United States and the Soviet Union Cooperate Permanently?”, 28. Mai bis 1. Juni 1989,

International Conference “Integrated Europe? Eastern and Western Perceptions of the Future”, 26.-30. März 1989,

International Conference “Tomorrow’s Europe. The Views of Those Concerned”, 2.-5. Juni 1991.

Alle fünf Konferenzberichte wurden als Bücher im Nomos- bzw. Campus-Verlag publiziert (Herausg. K. Gottstein)

19 Für den Fall des Starnberger Max-Planck-Instituts siehe C. F. von Weizsäcker, Der bedrohte Friede, Hanser 1981, Seite 203

(18)

Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg vorbereitete und durchgeführte Pugwash-Symposium on Confidence-Building Measures, bei dem besonders die psychologische Komponente der Vertrauensbildung eine wichtige Rolle spielte. Von dieser Veranstaltung gingen viele Impulse aus. Dass Friede nicht durch technische oder administrative Maßnahmen geschaffen werden kann, sondern allein durch behutsames Eingehen auf die psychologischen Befindlichkeiten der zu "befriedenden" Menschen und deren historische, wirtschaftliche und soziale Wurzeln, ist seither unter verschiedenen Aspekten immer wieder Thema deutscher Beiträge zu Pugwash-Konferenzen und zu anderen Veranstaltungen gewesen. Es kommt eben auf den Abbau von Feindbildern an. Man kann es auch so ausdrücken wie CFvW auf der Pugwash-Konferenz in München 1977: "Disarmament does not lead to a solution of political problems but the solution of political problems opens a way toward disarmament."

Bekanntlich haben die Pugwash-Konferenzen seit ihrem Beginn im Jahre 1957 nicht unwesentlich zum Krisenmanagement und zur Entspannung im Kalten Krieg und zum Zustandekommen wichtiger Abkommen zur Rüstungskontrolle und zur Vertrauensbildung beigetragen. Man kann in diesem Zusammenhang den Partial Test Ban Treaty von 1963 nennen, mit dem Kernwaffentests in der Atmosphäre, unter Wasser und im Weltraum verboten wurden, sowie den Atomwaffensperrvertrag von 1968, den ABM (Anti-Ballistic Missile) -Vertrag von 1972, die Biowaffen-Konvention von 1972, die Abrüstungsgespräche SALT (Strategic Arms Limitation Talks) und die KSZE (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Mit Hilfe der VDW hatten deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Möglichkeit, über die Pugwash-Verbindungen an diesen wichtigen Entwicklungen teilzunehmen.

10. Danksagung

Herrn Hans-Joachim Bieber danke ich für die Durchsicht älterer Jahrgänge der Nachrichtenblätter der VDW aus dem Archiv der VDW und für die Kopie von Artikeln mit Bezug auf Pugwash.

VDW und Pugwash edit

(siehe auch: VDW und Pugwash, Deutsche Pugwash-Beteiligung, Pugwash und VDW, CFvW und Pugwash, Erinnerungen an Pugwash)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Menschen werden weiter Mauern bauen, um sich abzugrenzen und sich – vermeintlich oder tatsächlich – zu schützen. Doch Menschen können auch Brücken

Die dritte Realität ist, dass die euro- päischen Verteidigungshaushalte im Verlauf des letzten Jahrzehnts gesun- ken sind und auf absehbare Zeit auch nicht signifikant steigen

Aktuell melden die Krankenhäuser im DIVI Register zu 36 Prozent einen regulären Betrieb, 33 Prozent sehen den Betrieb teilweise eingeschränkt und rund 25

Vorwort ... Teil: Grundlagen der Störerhaftung im öffentlichen und privaten Recht ... Die gesetzliche Ausgangslage ... Vergleiche aus der Rechtsprechung ... Analyse: Die

Flufigeroll einen bevorzugten Grundwasserleiter bil det, der noch lange nach dem Verschwinden des ober irdischen Wasserlaufs durchflossen wird (Grahmann 1925), gewinnt

scheint vielen Kollegen anderer Facher, aber auch Ver waltungsleuten, als anmafiend. Dafi allein die Geo graphie in ihrer modernen Ausrichtung das Ziel ver folgt, das

Als wichtigste Hindernisse der sprachlichen Ver- englischung schälen sich heraus: (1) Das Vorhandensein von Sprachinseln; (2) das Alter der Gruppe, das (a) die

„einen besonderen Charakter, durch eine Art eigener Geistessphäre, sie wenden andere Metho - den an, sie verlangen jede andere Menschen, Menschen von anderem Interesse, Menschen