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Archiv "Bologna-Reform: Schwieriger Studienbeginn" (21.06.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 25

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21. Juni 2013 A 1269

B I L D U N G

D

ie Zeiten, in denen das Stu- dieren eine Phase des Bum- mels und Ausprobierens war, sind längst vorbei. Heutzutage bestim- men vor allem Zeit- und Leistungs- druck den Studienalltag. Dass viele junge Menschen weltweit damit nicht klarkommen, zeigen wissen- schaftliche Studien, die sich mit der psychischen und körperlichen Ge- sundheit von Studierenden befas- sen. So gibt es zum Beispiel zahl- reiche Belege dafür, dass viele Stu- dierende im Laufe des Studiums zu viel Alkohol, Zigaretten und Dro- gen konsumieren, an Gewicht zu- nehmen, sich selbst verletzen, an Depressionen und Burn-out leiden

oder an Suizid denken. Betroffen sind vor allem Studienanfänger.

In den USA und vielen anderen Ländern werden die Ursachen vor- wiegend bei den Studierenden ge - sehen. Zum Beispiel wird ange- nommen, dass Studierende, die ein gesundheitsschädigendes Verhalten zeigen oder psychisch erkranken, schon vor Studienbeginn psychisch labil, unreif und nicht studierfähig sind. Außerdem besitzen sie ein zu geringes Selbstwertgefühl und zu wenig Copingfähigkeiten, um mit den Veränderungen und Herausfor- derungen, die ein Studium mit sich bringt, fertig zu werden. Darüber hinaus gelten Anpassungsprobleme von Studierenden mit Migrations- hintergrund, eine wenig gefestigte Beziehung zu Dozenten und Be- treuern, Einsamkeit und mangelnde

Unterstützung durch Familie und Freunde als Risiken für psychische Erkrankungen bei Studierenden.

In Deutschland werden gänzlich andere Ansichten vertreten: Seit der Einführung der Bologna-Reform behaupten Kritiker und zahlreiche Pressevertreter relativ pauschal:

Durch die Reform haben sich Druck, Stress und Belastungen für die Studierenden deutlich erhöht.

Den heutigen Studienbedingungen ist kaum noch ein Studierender auf Dauer gewachsen. Die Reform ist allein schuld daran, dass immer mehr Studierende unter Leistungs- und Konzentrationsschwächen, Über- forderung und Burn-out-Syndro- men, Ängsten, Depressionen sowie Lethargie leiden und Antidepressiva oder leistungssteigernde Psycho- pharmaka einnehmen.

BOLOGNA-REFORM

Schwieriger Studienbeginn

Zeit- und Leistungsdruck bestimmen den Alltag von Studierenden.

Vor allem am Anfang leiden viele unter Depressionen und Burn-out.

Beratungsangebote und Stressbewältigungstrainings können helfen.

Foto: Fotolia/George Dolgikh

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A 1270 Deutsches Ärzteblatt

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21. Juni 2013 Dass die Anzahl der Betroffenen

in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, bezweifeln je- doch einige Wissenschaftler. So stellte zum Beispiel ein Wissen- schaftlerteam um den Psychiater und Psychotherapeuten Prof. Dr.

Rainer Holm-Hadulla von der Psy- chotherapeutischen Beratungsstelle für Studierende des Studenten- werks Heidelberg fest, dass die

Zahl der psychisch erkrankten Stu- dierenden seit längerem bei circa 20 bis 25 Prozent liegt. Davon leiden die meisten unter depressiven Ver- stimmungen, mangelndem Selbst- wertgefühl und Prüfungsängsten.

„Der Vergleich mit früheren Studi- en zeigt, dass die Häufigkeiten psy- chischer Beschwerden in den letz- ten 15 Jahren konstant geblieben sind, bis auf eine Ausnahme: Prü- fungsängste! Diese haben zwischen 1993 und 2008 um 51 Prozent zu- genommen“, berichten Holm-Ha- dulla und Kollegen.

Auch Psychologen um Cassan- dra Klug von der Universitätsmedi- zin Göttingen sehen die Frage, wel- chen Anteil die Studienreform an der psychischen Belastung von Stu- dierenden hat, differenzierter. Die Wissenschaftler haben 535 Daten- sätze der psychotherapeutischen Ambulanz für Studierende der Uni- versität Göttingen aus den Jahren 2006 bis 2010 analysiert und die psychische Belastung von Bache- lor- im Vergleich zu Diplom- und Magisterstudierenden verglichen.

„Die ratsuchenden Bachelorstudie- renden erwiesen sich nicht als ge- nerell belasteter“, stellen die Auto- ren fest. Lediglich zu Beginn des

Studiums litten die Bachelorstudie- renden stärker unter psychischen Belastungen und „Uni-Problemen“

als die Diplom- und Magisterstu- dierenden.

Zudem gibt es verschiedene Meinungen über die Inanspruch- nahme von Hilfsangeboten. So wird zum Beispiel in den USA wie auch in Deutschland in der Presse und in einigen Fachzeitschriften berichtet,

dass psychologische und psycho- therapeutische Beratungsstellen ei- nen großen Zulauf hätten und kaum über genügend Kapazitäten verfüg- ten, um der Nachfrage gerecht zu werden. Andererseits heißt es, dass sich die Anzahl der Hilfesuchen- den, die in Beratungsstellen vor - stellig würden, kaum erhöht hätte.

Als Grund hierfür wird unter ande- rem genannt, dass viele Studieren- den nicht wüssten, dass es solche Hilfsangebote gibt. Darüber hinaus spielen Scham und Angst vor Sti g - matisierung und Chancenminde- rung durch die Offenlegung einer psychischen Erkrankung, etwa in Hinblick auf eine Verbeamtung, eine Rolle.

Um die Belastungen von Studie- renden zu senken, müssten nach Meinung von Klug und Kollegen die universitären Bedingungen ver- ändert und die Beratungsangebote ausgebaut werden, insbesondere für Studienanfänger und junge Ba- chelorstudierende. Hilfreich könn- ten darüber hinaus spezielle Vorbe- reitungen und Trainings für Erst - semester sein, wie sie beispiels - weise am Universitätsklinikum Gießen für junge Mediziner ange- boten werden. Dort werden Studie- renden bereits zu Studienbeginn über Arbeitsbelastung, Lebensqua- lität, gesundheitliche Risiken (zum Beispiel Alkoholkonsum) und Prä- ventionsmöglichkeiten (etwa Be- wegung, Entspannung) im Medi-

zinstudium und im Arztberuf infor- miert. Darüber hinaus wird ein spe- zielles Stressbewältigungsprogramm für angehende Mediziner durchge- führt. Darin werden Methoden zum Umgang mit Stress und Prüfungs- ängsten, Lernstrategien und auto- genes Training vermittelt. Eine wei- tere Möglichkeit, wie Studierende mit psychologischen und sozialen Kompetenzen ausgestattet werden können, um das anstehende Studi- um zu bewältigen, ist ein Pro- gramm, das Wissenschaftler um Colleen Conley von der Loyola University Chicago, USA, entwi- ckelt haben. Im Rahmen eines „pro- sozialen Wellness-Seminars“ ver- mittelten sie Erstsemestern Tech - niken der Entspannung, Stressbe- wältigung, Emotionsregulation und Selbstfürsorge, mit dem Ergebnis, dass diese Erstsemester deutlich weniger Probleme als ihre Kommi- litonen hatten, sich an den Univer- sitätsalltag anzupassen und wäh- rend des Studiums gesund zu blei- ben. Die Studie aus Chicago zeigt, dass Universitäten nicht nur in hervorragendes Personal und mo- dernste Lehrmittel, sondern auch in die psychische Gesundheit ihrer Studierenden investieren sollten, um leistungsfähige Akademiker

hervorzubringen.

Marion Sonnenmoser In Deutschland

wird die Bologna- Reform dafür ver- antwortlich gemacht, dass immer mehr Studierende unter Leistungs- und Kon-

zentrationsschwä- chen sowie Überfor- derung leiden.

Prüfungsängste haben in den letzten 15 Jahren

um 51 Prozent zugenommen.

Foto: dpa

LITERATUR

1. Castillo L, Schwartz S: Introduction to the special issue on college student mental health. Journal of Clinical Psychology 2013;

69(4): 291–7.

2. Conley C, Travers L, Bryant F: Promoting psychosocial adjustment and stress man - agement in first-year college students.

Journal of American College Health 2013;

61(2): 75–86.

3. Eisenberg D, Hunt J, Speer N: Mental health in American colleges and universi- ties. Journal of Nervous and Mental Disea- se 2013; 201(1): 60–7.

4. Holm-Hadulla R, Hofmann FH, Sperth M, Funke J: Psychische Beschwerden und Stö- rungen von Studierenden. Psychotherapeut 2009; 54(5): 346–56.

5. Jurkat HB, Richter L, Cramer M, Vetter A, Bedau S, Leweke F, Milch W: Depressivität und Stressbewältigung bei Medizinstudie- renden. Nervenarzt 2011; 82(5): 646–52.

6. Klug C, Strack M, Reich G: Belastungen von Bachelor- und Diplom-Studierenden. Psy- chotherapeut 2013; 58(2): 159–64.

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Referenzen

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