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Der Film in einem Bild. Die Kunst der Verdichtung: Christie’s South Kensington versteigert Vintage-Kinoplakate aus den 1950er bis 1970er Jahren

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Der Film in einem Bild

Die Kunst der Verdichtung: Christie’s South Kensington versteigert Vintage-Kinoplakate aus den 1950er bis 1970er Jahren. Von Jürgen Müller

Ercole Brini (1907-1989), Blow-up, Plakat von 1966; Christie’s South Kensington (Taxe 7/900 Pfund)

D

EM SCHAUEN EINES FILMS gehen mehrere ästhe­

tische Schwellenerfahrungen voraus. Zuerst sieht man ein Kinoplakat, dann meist einen Trailer des betreffenden Films. Auch danach, bei der Auffüh­

rung, wird das Spiel mit der Erwartungshaltung des Zuschauers fortgesetzt. Dem eigentlichen Film ist ein Vorspann vorgeblen­

det, der nicht nur von den am Film beteiligten Schauspielern und Technikern berichtet, sondern in verdichteter Form eine eigene Geschichte erzählt. Nicht selten werden Motive gezeigt, die im Laufe des Films eine wichtige Rolle spielen werden, die man aber paradoxerweise erst am Ende verstehen kann. Kein anderes Bildmedium hat das 20. Jahrhundert so sehr bestimmt wie das Kino mit seiner Fähigkeit, Spannung zu erzeugen.

Wenn Christie’s nun ein Konvolut von Vintage-Plakaten aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts ver­

steigert, so zeigt das, wie sehr Filme das Leben im Sinne einer solchen Spannungsästhetik bestimmt haben. In hoher Auflage

sind diese Plakate damals erschienen, was ihrem Status als Kultobjekt offensichtlich nicht im Wege steht. Diese Objekte der Popkultur haben immensenAnteil an der Identitätsbildung einer Generation. Lieblingsfilme, Lieblingsschauspielerinnen und - Schauspieler oder auch -regisseure sagen mehr über einen aus als viele Beteuerungen. Beatles oder Stones? Godard oder Truf- faut? Bardot oder Hepburn? Wer ist der bessere Bond? Sean Connery oder Roger Moore? Das Kino ist ein Wunschort. Man kann sich unsterblich verlieben, ohne dass der Partner einem dies übel nehmen könnte.

Wenn zu Beginn dieses Artikels an den Vorspann erinnert wur­

de, so deshalb, weil Kinoplakate seit den 1950er Jahren auf den Vorspann Bezug nehmen. Seit damals wurden diese ursprüng­

lich voneinander unabhängigen Formen aufeinander abge­

stimmt. Es war der Grafikdesigner Saul Bass, der während seiner Zusammenarbeit mit dem Regisseur Otto Preminger di­

ese Entwicklung einleitete. Bei Christie's werden zwei Arbeiten von Bass zum Kauf angeboten, die dies belegen. Vor allem sein Plakat für Premingers „Anatomy of a Murder“ ist hinreißend schön. Der Künstler Bass pflegte einen eleganten Modernismus, bei dem er immer um einen reduzierten Einsatz künstlerischer Mittel bemüht war. Lediglich zwei Farbflächen sind übereinan­

der gestellt und zeigen eine grafisch abstrahierte Leiche und den Titel; eine Idee, die auch im Vorspann Verwendung findet.

Bass liefert ein ebenso cooles wie elegantes Design, wobei es kein Zufall sein kann, dass die Musik zum Film von Duke El­

lington stammt. Neben diesen minimalistischen Entwürfen gibt es bei der Versteigerung auch berühmte Filmplakate, die den Sexappeal der Hauptdarstellerinnen ins Zentrum stellen, bei­

spielsweise zu Luis Bunuels „Belle de Jour“, Fellinis „La Dolce Vita“ oder Michelangelo Antonionis „Blow-Up“.

Im Zentrum der Auktion am 15. Juni stehen zahlreiche James- Bond-Plakate, wobei der gemalte Entwurf des Künstlers Ro­

bert McGinnis zu „Diamonds Are Forever“ aus dem Jahre 1971 sicherlich die exklusivste 007-Memorabilie darstellt- Der Schätzpreis vonl8/24 000 Pfund macht dies deutlich - zu­

mal, wenn man bedenkt, dass viele Plakate lediglich mit 300 Pfund taxiert sind. Der Entwurf von McGinnis jedenfalls zeigt den britischen Geheimagenten in der typischen Bondpose, die linke Hand auf seinem rechten Bizeps: Aufmerksam fi­

xiert er einen Gegner, den man nicht sehen kann - seine Luger im Anschlag.

Man darf gespannt sein, zu welchen Preisen die Filmplakate zugeschlagen werden. Ihr objektiver Wert lässt sich schwer bemessen, sind sie doch Teil einer Erinnerungskultur, die durchaus sentimental ausfallen kann. Welchen Bond man bes­

ser findet, ist eine Frage, die man jedenfalls nicht unabhängig vom eigenen Alter beantworten kann.--- ---"

Jürgen Müller ist Professor für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Dresden. Er schrieb unter anderem „Taschens 100 Filmklassiker 1915-2000. Filme des 20. Jahrhunderts“ (Taschen Verlag 2008).

Auktionen Vorschau Originalveröffentlichung in: Weltkunst 81 (2011), Nr. 6, S. 70

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