Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 50|
17. Dezember 2010 A 2503 (bis 12 Monate; RR 1,81; 95%-KI1,42–2,32) als auch bei längerer Therapie (mindestens 24 Monate;
RR 1,71; 95%-KI 1,15–2,53). Die number needed to treat (NNT) für eine vom Patienten berichtete Ver- besserung betrug bei Kurzzeitbe- handlung 5,6, bei Langzeitbehand- lung 3,4. Bei der durch den Untersu- cher beurteilten Wirkung sprachen mehr Patienten bei kurzzeitiger Fi- nasterid-Behandlung an (RR 1,80;
95%-KI 1,43–2,26; NNT = 3,7); zur
längeren Behandlung lagen keine Daten vor. Auch anhand der Haar- zählung sowie bei fotografischer Dokumentation ergab sich eine bes- sere Wirkung von Finasterid. Aller- dings gab es häufiger erektile Funk- tionsstörungen (RR 2,22; 95%-KI 1,03–4,78; number needed to harm 82,1) und andere Sexualstörungen (RR 1,39; 95%-KI 0,99–1,95). Fi- nasterid wurde wegen Nebenwirkun- gen jedoch im Vergleich zu Placebo nicht signifikant häufiger abgesetzt.
Fazit: Für die Therapie der andro- genetischen Alopezie mit Finaste- rid hat eine systematische Über- sicht mit qualitativ mäßig guter Evidenz ergeben, dass die Wahr- scheinlichkeit einer von Patien - ten und Untersuchern wahrgenom- menen Besserung bei längerer Be- handlung bei etwa 30 % liegt.
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Mella JM et al.: Efficacy and safety of finaste- ride therapy for androgenetic alopecia. Arch Dermatol 2010; 146: 1141–50.
Verschiedene Formen der individuel- len Behandlung und der Familienthe- rapie werden bei Anorexia nervosa angewendet, ohne dass diese bislang systematisch evaluiert worden wä- ren. Kleinere Studien mit positiven Ergebnissen gibt es für eine auf Her - anwachsende fokussierte individuel- le Therapie (adolescent-focused indi- vidual therapy, AFT) sowie für ei ne familienbasierte Therapie (FBT).
AFT setzt vor allem auf Stärkung von Autonomie, Selbstvertrauen, Indivi- duation und Selbstbewusstsein und schließt Elterntreffen ein, während FBT vor allem auf das Erreichen des Zielkörpergewichts mit Unterstüt- zung der Eltern und die Verbesserung der Funktion der Familie abstellt.
In einer randomisierten Studie verglichen US-amerikanische Psych - iater und Verhaltenstherapeuten bei- de Verfahren bei 121 Teilnehmern (12 bis 18 Jahre alt) mit einer An - orexie nach DSM-IV (nur eine Amenorrhö war nicht zwingend ge- fordert). Sie erhielten über ein Jahr insgesamt 24 Stunden ambulante Behandlung nach einer der beiden Methoden. Primärer Endpunkt war der Anteil an Kom plettremissionen (≥ 95 % des geschlechts-, alters- und körpergrößenabhängigen Normal- gewichts plus eine Abweichung von höchstens einer Standardab- weichung im globalen Score der Eating Disorder Examination). Ein sekundärer Endpunkt waren mindes- tens partielle Remissionen (> 85 % Norm gewicht).
Gegen Ende der einjährigen Be- handlungsdauer waren 42 % der Patienten in der FBT-Gruppe und 23 % von ihnen in der AFT-Gruppe in kompletter Remission. In einem
„Mixed effects“-Modell war dieser Unterschied statistisch nicht ganz signifikant (p = 0,055), wohl je- doch nach 6 Monaten (40 vs. 18 %, p = 0,03) und nach einem Jahr (49 vs. 23 %, p = 0,02). Die number needed to treat (NNT) für FBT lag zu diesen beiden Zeitpunkten bei 5 bzw. 4. Bei den Remissionen (mindestens partiell) war die FBT am Ende der Therapie signifikant überlegen (89 vs. 67 %, p = 0,02,
NNT = 5), nicht aber ein halbes und ein Jahr später. Die Rezidivrate ein Jahr nach Vollremission war in der FBT-Gruppe mit 10 % ausge- sprochen niedrig, in der AFT-Grup- pe lag sie bei 40 %.
Fazit: Die Ergebnisse, teilten die Autoren mit, favorisierten die fami- lienbasierte Therapie bei Heran- wachsenden mit Anorexie, auch wegen der sehr niedrigen Rezidiv- rate. Die individuelle Behandlung sei aber für Familien, die sich damit wohler fühlten, eine ebenfalls prak- tikable Alternative. Josef Gulden
Lock J et al.: Randomized clinical trial compar - ing family-based treatment with adolescent- focused individual therapy for adolescents with anorexia nervosa. Arch Gen Psychiatry 2010; 67: 1025–32.
PSYCHOTHERAPIE BEI ANOREXIA NERVOSA
Niedrige Rezidivrate bei familienbasierter Therapie
GRAFIK
keine Remission
Komplette und partielle Remissionsraten nach individueller (adolescent-focused individual therapy, AFT) und familienbasierter Therapie (FBT) (EOT: Ende der Behandlung)
partielle Remission komplette Remission
EOT 6-Monate- Follow-up
12-Monate- Follow-up
6-Monate- Follow-up
12-Monate- Follow-up EOT
In den Balken: Zahl der Patienten; modifiziert nach Arch Gen Psychiatry 2010; 67: 1028
Remission (in Prozent)