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Die fiberendoskopische evaluation des Schluckens (FeeS®) in der Geriatrie – mit besonderer Berücksichtigung des akuten Schlaganfalls

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Schwerpunktthema

NeuroGeriatrie 2010; 7 (2_3): 59 – 64

Die fiberendoskopische evaluation des Schluckens (FeeS ® ) in der Geriatrie – mit besonderer Berücksichtigung des akuten Schlaganfalls

Beobachtbare Symptome und therapeutische Interventionen

J. Keller, H. F. Durwen

Klinik für Akut-Geriatrie und Neurogeriatrie, St. Martinus-Krankenhaus Düsseldorf

Zusammenfassung

In diesem Artikel werden die Vorteile und die Durchführung der fiberendoskopischen Evaluation des Schluckaktes in Anlehnung an das Standard-FEES®-Protokoll dargestellt, welches erstmalig von Susan Langmore, einer amerikanischen Sprachtherapeutin, vorgestellt wurde. Es ist ein objektives und reliables Verfahren zur Untersuchung oropharyngealer Schluckstörungen. Insbesondere bei akuten Schlaganfallpatienten höheren Lebensalters können Dysphagien verschiedene Auffälligkeiten wie einen insuffizienten pharyngealen Bolustransport sowie endolaryngeale Penetrationen und Aspirati- onen hervorrufen und zu schweren Komplikationen wie Malnutrition oder Dehydration sowie zu einer längeren stationären Verweildauer führen. Ein hoher Anteil dieser Patienten aspiriert »still«, worunter ein endotracheales Eindringen von Bolusmaterial ohne protektiven Husten oder andere direkte Zeichen einer Schluckbeeinträchtigung verstanden wird. Im Hinblick darauf ist das Risiko einer Pneumonie bei aspirierenden Patienten am höchsten. In diesem Zusammenhang ist bekannt, dass die klinisch- neurologische Untersuchung und die Sensitivität von Bedside-Untersuchungen, die üblicherweise von Sprachtherapeuten durchgeführt werden, alleine nicht ausreichen, um Aspirationen sicher zu erkennen.

Aus diesem Grund ist eine apparative Zusatzdiagnostik, wie sie in diesem Artikel beschrieben wird, zwingend notwendig. Daher sollten die in diesem Bereich tätigen Ärzte und Sprachtherapeuten über ein ausführliches Wissen in Bezug auf Indikation und Durchführung verfügen, um die spezifischen dysphagischen Symptome identifizieren und protektive wie therapeutische Maßnahmen planen zu können.

Schlüsselwörter: FEES®, Geriatrie, akute zerebrovaskuläre Erkrankungen, Bedside-Schluckasssess- ment, Dysphagiesymptome, Pathomechanismen, therapeutische Interventionen

the fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing (FeeS®) in geriatric units – with special focus on acute stroke. Observerable symptoms and therapeutic interventions

J. Keller, H. F. Durwen abstract

This article shows the advantages and procedure of the fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing, according to the standard FEES®-protocol, which was first introduced by Susan Langmore, an ameri- can speech and language pathologist. It is an objective and reliable tool to assess oropharyngeal swal- lowing disorders. Especially in the elderly patients suffering from an acute stroke, dysphagia may lead to several symptoms, like insufficient pharyngeal bolus transport as well as endolaryngeal penetration and aspiration and can cause severe complications, like malnutrition, dehydration and a prolonged length of hospitalisation. A significant number of these patients aspirates silently, which means, that bolus material enters the endotracheal space without inducing a protective cough or any other direct signs of swallowing impairment. According to these findings, pneumonia risk is the highest in stroke patients with aspiration. In this case it is known, that the clinical neurological evaluation as well as the sensitivity of bedside evaluations alone, carried out especially by speech and language pathologists, is not sufficient to detect these kinds of aspiration. An apparative tool, like the fiberendoscopy of swallowing, described in this article, is needed. Therefore physicians as well as speech and language

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Einleitung

Die fiberendoskopische Evaluation des Schluckaktes (FEES®) ist ein von Susan Langmore 1988 erstmalig beschriebenes, apparatives Verfahren zur Diagnostik oropharyngealer Dysphagien, die häufig Folge von mit höherem Lebensalter assoziierten neurogenen Erkran- kungen sind. Insbesondere bei akuten Schlaganfallpa- tienten konnte inzwischen hinreichend belegt werden, dass Schluckstörungen einen unabhängigen Prädikator für das Entstehen einer Pneumonie darstellen und somit für eine hohe Mortalitätsrate in dieser Patientenpopulation verantwortlich sind [8, 9]. Da die teilweise sehr schnell ablaufenden physiologischen Schluckgesten sowie ihre Beeinträchtigungen nur unvollständig durch die logopä- dische Diagnostik erfasst werden können, hat sich die Fiberendoskopie des Schluckaktes in den letzten Jahren zu einem unverzichtbaren Bestandteil des klinischen Dyspha- giemanagements entwickelt und wurde bereits in vielen Kliniken als obligater diagnostischer Standard etabliert.

Neben der unkomplizierten und für den Patienten sehr schonenden Durchführung bietet sie die Möglichkeit, mittels direkter Bildgebung am Monitor spezifische dys- phagische Symptome, wie insuffizienter pharyngealer Bolustransport bzw. Eindringen von Bolusmaterial in die Luftwege, sog. Aspirationen, frühzeitig zu erkennen. Damit liefert sie die Grundlage für erste protektive Maßnahmen zur Aspirationsprophylaxe sowie logopädisch vermittelte therapeutische Interventionen, welche im fiberendosko- pisch-diagnostischen Setting auch direkt hinsichtlich ihrer Wirksamkeit beurteilbar sind.

Die besondere Bedeutung der fiberendoskopischen Diagnostik bei schlaganfallbedingter Dysphagie

Neben den verschiedenen Parkinson- und dementiellen Syndromen werden vor allem zerebrovaskuläre Insulte zu einem hohen Prozentsatz auch von Störungen der Schluckfunktion begleitet [11]. In diesem Zusammenhang konnte inzwischen hinreichend belegt werden, dass nicht nur Hirnstammläsionen, sondern auch unilaterale korti- kale Infarkte bei etwa 50 % der Betroffenen zu schweren Beeinträchtigungen des hochkomplexen neuromuskulären Schluckvorganges führen können. Vorwiegend handelt es sich dabei um

– Störungen der willkürlichen Steuerung von Boluspräpa- ration und -Containment,

– Verzögerung bzw. Fehlen der zeitgerechten Initiierung des Schluckreflexes,

– sensible Störungen im faciooralen und pharyngealen Bereich,

– unvollständige ventrokraniale Bewegung des hyolaryn- gealen Komplexes,

– cricopharyngeale Relaxationsstörungen.

Bei multimorbiden geriatrischen Patienten treffen diese Dysfunktionen auf ein von entsprechenden Alterungs- prozessen ohnehin schon verändertes muskuloskelettales System und können das Outcome zusätzlich ungünstig beeinflussen.

Dabei weisen insbesondere akute Schlaganfallpatienten eine hohe Inzidenz dysphagieinduzierter Pneumonien auf.

Grund dafür ist die Tatsache, dass etwa 50 % der Aspira- tionen bei dieser Patientengruppe ohne protektiven Hus- ten verlaufen (sog. »stille Aspirationen«) und daher im stationären Alltag häufig unerkannt bleiben. Vor diesem Hintergrund ist eine zeitnahe, differenzierte Diagnostik unverzichtbar.

Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass die herkömmliche logopädisch-kli- nische Untersuchung, welche u. a. Schluckversuche mittels unterschiedlicher Konsistenzen sowie die Supervision der Nahrungsaufnahme beinhaltet, wenig reliabel ist und iso- liert durchgeführt nur unbefriedigende Sensitivitäts- und Spezifitätswerte aufweist [2, 15]. Ein wesentlicher Nach- teil der logopädischen Diagnostik liegt vor allem darin, dass sich Störungen evidenter pharyngealer Schluckgesten ihrer direkten Beobachtung entziehen. Diese stehen aber, wie Warnecke et al. mittels fiberendoskopischer Untersu- chungen zeigen konnte, bei ca. 75 % der akuten Schlagan- fallpatienten im Vordergrund [18].

Auch sind die in neuerer Zeit entwickelten Bedside-Scree- ning-Tests, sog. »Aspirationsschnelltests« [3, 4, 6, 10, 12, 16], die Schluckversuche mittels unterschiedlicher Mengen Wasser vorsehen und teils noch andere Parameter, wie z. B. die Intensität des willkürlichen Hustens, Dysarthrie, Dysphonie etc. in die Beurteilung mit einbeziehen, zwar zur Identifikation von Hochrisikopatienten geeignet, nicht jedoch zum Erkennen stiller Aspirationen. Diese kommen jedoch – wie oben schon erwähnt – insbesondere bei akutem Schlaganfall, aber auch bei unterschiedlichen Par- kinsonsyndromen und anderen neurodegenerativen Erkran- kungen häufig vor [5, 13].

Während die Videofluoroskopie lange Zeit als »Gold- standard« der Schluckdiagnostik galt, konnte inzwischen gezeigt werden, dass die fiberendoskopische Evaluation des Schluckaktes (»fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing« – FEES®), die einem von Langmore [7] ent- pathologist should have precise knowledge of the indication and use of this method, in order to identify

different dysphagic symptoms as well as planning early protective and therapeutical interventions.

key words: FEES®, geriatric units, acute stroke, bedside-swallow assessment, dysphagic symptoms, pathomechanisms, therapeutical interventions

© Hippocampus Verlag 2010

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Schwerpunktthema Die fiberendoskopische Evaluation des Schluckens (FEES®) in der Geriatrie

wickelten Standardprotokoll folgt, durchaus komplementär einsetzbar ist [19]. Infolgedessen wurde sie bereits auf vielen Stroke Units und in Akutgeriatrien als diagnosti- scher Standard etabliert und hat sich aufgrund ihrer hohen Sensitivität und Spezifität bewährt.

Für das klinische Dysphagiemanagement bietet sie auch bei älteren bis hochbetagten Patienten eine Reihe von Vor- teilen, die im Folgenden kurz dargestellt werden:

n Im Gegensatz zur Videofluoroskopie, bei der die Pati- enten eine gewisse Zeit aufrecht sitzen müssen, ist sie als Bedside-Diagnostik direkt am Krankenbett durch- führbar und eignet sich daher auch zur Untersuchung von immobilen und nur wenig belastbaren Patienten.

n Sie ermöglicht das Erkennen auch stiller Aspirationen und somit ein erstes Einschätzen des Schweregrades der Dysphagie.

n Die Wirksamkeit kompensatorischer Maßnahmen sowie verschiedener Schlucktechniken ist direkt am Monitor beobachtbar.

n Sie bedarf nur eines geringen zeitlichen Aufwandes.

n Durch die Möglichkeit der digitalen Videodokumentati- on wird ein erneutes Betrachten und die Diskussion der Befunde im Team möglich.

n Sie ist in der Schulung von Angehörigen einsetzbar, indem diese bei der Untersuchung mit anwesend sind und ihr Verhalten beim Essenreichen durch direktes Bio- feedback entsprechend modifizieren können.

n Die während des Bolustransportes für das menschliche Auge sehr schnell ablaufenden Schluckgesten und sich ändernden Boluspositionen sind auch »Bild für Bild«

bzw. in Zeitlupe darstellbar und ermöglichen so eine genauere Evaluation.

n Im Gegensatz zur Videofluoroskopie tritt keine Strahlen- belastung auf.

n Sekret- und Speichelmanagement sind direkt beobachtbar.

Im Spezielleren eignet sich die endoskopische Schluck- untersuchung, wie eine weitere Studie von Warnecke et al. darlegt, auch zur Diagnostik der myasthenen Dyspha- gie mittels des sog. FEES-Tensilon-Tests (zur genaueren Beschreibung s. [20]). Darüber hinaus konnte in einer aktu- ellen Studie der gleichen Münsteraner Forschergruppe mit der endoskopischen Schluckdiagnostik erstmalig auch eine positive Reaktion in den Schluckfunktionen auf L-Dopa- Gaben bei zwei Patienten mit progressiver supranuklearer Blickparese nachgewiesen werden [17].

Die Nachteile der FEES® bestehen in der fehlenden Dar- stellbarkeit der pharyngealen Phase, da Velumelevation, pharyngeale Kontraktion und laryngeale Elevation die Sicht auf die Schluckpassage verlegen (sog. »white out«). Die an anderen Stellen häufig aufgeführten möglichen Komplika- tionen, wie Laryngospasmen oder vasovagale Reaktionen, wurden in einem Kollektiv von 300 akuten Schlaganfall- patienten nicht beobachtet. Die Inzidenz von selbstlimi- tierendem Nasenbluten lag dabei bei 6 % [19]. Auch in unserem Kollektiv von etwa 1000 geriatrischen Patienten

mit unterschiedlichen Grunderkrankungen traten in keinem einzigen Fall die oben beschriebenen lebensbedrohlichen Komplikationen auf. Auch Schleimhautverletzungen waren äußerst selten und ebenfalls selbstlimitierend.

Allerdings ist unserer Erfahrung nach eine Durchführung bei Patienten mit ausgeprägter motorischer Unruhe bzw.

fortgeschrittenen kognitiven Störungen nur sehr einge- schränkt bis gar nicht möglich. So konnte bei einigen dementen Patienten das Endoskop zwar komplikationslos transnasal eingeführt werden, die orale Transportphase und damit auch der Schluckreflex ließen sich nach oraler Bolusapplikation jedoch nicht auslösen. Möglicherweise wirkte das komplexe Untersuchungssetting zusammen mit der nasopharyngeal applizierten Sonde zu irritierend auf den Patienten. Insofern mag eine moderate neurologische Medikation im Vorfeld durchaus hilfreich bei der Umset- zung der Untersuchung sein.

Zur Durchführung der fiberendoskopischen Schluckdiagnostik Ein an eine Kamera und Kaltlichtquelle angeschlossenes Endoskop mit einem Durchmesser von etwa 3,5 mm wird transnasal, vorzugsweise im unteren Nasengang, zunächst bis kurz vor den Übergang von hartem zu weichem Gaumen eingeführt. Durch die direkte Darstellung der Strukturen am Monitor gehört hier bereits die Überprü- fung der Suffizienz des velopharyngealen Abschlusses bei Phonation und willkürlichem Speichelschluck zu dem bei Langmore [7] beschriebenen Standard. Nach weiterem Vorschieben des Endoskops über den weichen Gaumen erhält man einen Blick auf die pharyngeale Schluckpassa- ge (s. Abb. 1).

Aus dieser Position erfolgt nun die Beurteilung folgender weiterer Ebenen:

1. Ruhebeobachtung

Hier werden Schleimhautbeschaffenheit, anatomische Strukturen sowie der Sekretstatus beurteilt. Letzterem kommt hinsichtlich des Schluckens eine besondere Bedeutung zu, da sich ein eingeschränktes Speichel- bzw. Sekretmanagement proportional zur Aspirationsge- fahr verhält (s. Abb. 2).

abb. 1: Position des Endoskops zur Evaluation des Schluckens mit Blick auf den geöffneten Larynx

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2. Funktionstestung (ohne Nahrung)

Beurteilt werden die Symmetrie der Stimmlippenbewe- gungen bei Phonation auf [hi] oder [e], repetitive Phona- tion [ta ta ta] zur Überprüfung der Diadochokinese sowie die Suffizienz des Glottisschlusses bei willkürlichem Luftanhalten über mehrere Sekunden, was Vorausset- zung für die sog. supraglottische Schlucktechnik ist.

3. Funktionstestung (mit Nahrung)

Die Nahrung wird vorher mit blauer Lebensmittel- farbe eingefärbt und dem Patienten in verschiedenen Konsistenzen und Mengen verabreicht (zur genaueren Beschreibung s. [7]. Dabei stellt sich ein physiologischer Schluck wie in Abbildung 3 beschrieben dar.

Endoskopisch zu beobachtende Dysphagiesymptome und die ihnen zugrundeliegenden möglichen Pathomechanismen Die in der endoskopischen Diagnostik zu beobachtenden Dysphagiesymptome (s. Tab. 1) sind Ausdruck spezifischer Pathomechanismen (in kursiv und in Klammern) und entstehen häufig vor dem Hintergrund neuromuskulärer Beeinträchtigungen bzw. von Sensibilitätsdefiziten. Deren Identifikation ist eine notwendige Voraussetzung für die Planung therapeutischer Interventionen, die traditionell in den Aufgabenbereich der Logopädie fallen.

Bei Penetrations- bzw. Aspirationsereignissen ist auf deren zeitliche Relation zur Schluckreflextriggerung zu achten.

So unterscheidet man prä-, intra- und postdeglutitive Penet- rationen bzw. Aspirationen, je nachdem ob sie vor, während

oder nach der Reflextriggerung auftreten (s. Abb. 4). Intra- deglutitive Penetrationen/Aspirationen sind endoskopisch nicht direkt beobachtbar.

In die Beurteilung des Ausprägungsgrades der Schluckstö- rung sollte in jedem Fall auch die Tiefe der Bolusinvasion bzw. die Suffizienz der Reaktion des Patienten auf die oben beschriebenen Symptome mit einfließen. Hierfür hat sich die sog. Penetrations-Aspirationsskala von Rosenbek [14] (s. Tab. 2) als geeignetes Instrument erwiesen, dessen

abb. 2: Massive Speichelpenetration und -aspiration bei Patienten mit Wal- lenberg-Syndrom; retropharyngeale Passageeinengung unklarer Genese

a) b) c)

d) e)

abb. 3: Endoskopische Darstellung des physiologischen Schluckaktes:

a) Blick auf die pharyngeale Schluckpassage mit der noch geöffneten Epiglottis, b) Bolusspitze erreicht Zungengrund, c) während der pha- ryngealen Phase wird die endoskopische Sicht verlegt (»white out«), d) Blick auf die sich öffnende Epiglottis (Larynx kehrt in Ausgangspositi- on zurück), e) Blick auf die nun wieder vollständig geöffnete Epiglottis

n Leaking: Vorzeitiges Abgleiten von Bolusteilen in die pharyngeale Schluckpas- sage [eingeschränkter glossovelarer Abschluss während des Bolus-Contain- ments von Flüssigkeiten]

n pharyngeale Residuen in Valleculae, Sinus pirifomes bzw. auf Postcricoid- region. Einseitige Residuen in Sinus piriformes deuten auf eine unilaterale Pharynxschwäche hin [eingeschränkte Zungenbasisretraktion, schwache pha- ryngeale Kontraktion, eingeschränkte laryngeale Elevation, unvollständige Öffnung des oberen Ösophagussphinkters]

n Penetration: Eindringen von Bolusteilen in den Aditus bis oberhalb oder auf Stimmlippenniveau [verzögerte Schluckreflextriggerung, eingeschränkter glossovelarer Abschluss, eingeschränkte laryngeale Elevation]

n Aspiration (Eindringen von Bolusmaterial in den subglottischen Raum) [ver- zögerte Schluckreflextriggerung, eingeschränkter glossovelarer Abschluss, eingeschränkte laryngeale Elevation, eingeschränkter Glottisschluss]

tab. 1: Endoskopisch beobachtbare Dysphagiesymptome PA° 1 Material penetriert nicht

PA° 2 Material penetriert, liegt oberhalb der Glottis und wird aus dem Aditus laryngis entfernt

PA° 3 Material penetriert, liegt oberhalb der Glottis und wird nicht aus dem Aditus laryngis entfernt

PA° 4 Material penetriert, liegt auf den Stimmbändern und wird aus dem Aditus laryngis entfernt

PA° 5 Material penetriert, liegt auf den Stimmbändern und wird nicht aus dem Aditus laryngis entfernt

PA° 6 Material wird aspiriert, wird in den Aditus laryngis oder weiter nach oben befördert

PA° 7 Material wird aspiriert, kann trotz Anstrengung nicht aus der Trachea herausbefördert werden

PA° 8 Material wird aspiriert, kein Versuch, es aus der Trachea zu ent- fernen

tab. 2: Penetrations-Aspirationsskala nach Rosenbek et al. (deutsche Übersetzung: Keller, J., 2007)

abb. 4: Beispiel einer prädeglutitiven Aspiration; a) Flüssigkeit überspült die noch geöffnete Epiglottis, b) nachfolgende Aspiration

a) b)

a) b)

(5)

Schwerpunktthema Die fiberendoskopische Evaluation des Schluckens (FEES®) in der Geriatrie

diagnostische Treffsicherheit in einer Studie von Colodny [1] bestätigt wurde und die beispielsweise zwischen Aspi- rationen mit suffizientem Clearing und stiller Aspiration unterscheidet.

Logopädisch-therapeutische Interventionen im Hinblick auf endoskopisch beobachtbare Dysphagiesymptome

Während der Diagnostik ist in der Regel ein Vor- und Zurückschieben des Endoskops notwendig, um die Auffäl- ligkeiten hinsichtlich insuffizienter Atemwegsprotektion und/oder ineffektivem pharyngealem Bolustransport zu erkennen. Daher versteht sich die fiberendoskopische Evaluation des Schluckens auch als ein dynamisches und weniger als statisches Untersuchungsverfahren. Dieser Dynamik folgend, sollten bei Auffälligkeiten auch direkt entsprechende kompensatorische Haltungsänderungen, Hilfsmittel (z. B.: Schnabelbecher mit kleiner Öffnung) oder spezifische Clearingmanöver wie Räuspern, Nach- schlucken oder -trinken hinsichtlich ihrer Effektivität getestet werden. Dies setzt von Seiten des behandelnden Schlucktherapeuten ein hohes Maß an Flexibilität und Wis- sen bezüglich unterschiedlicher Methoden der Bolusappli- kation und -modifikation zum einen, zum anderen auch ausreichende Kenntnisse im Hinblick auf anzuwendende kompensatorische Verfahren voraus (s. Abb. 5)

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über einige fiberendoskopisch beobachtbare Haltungsänderungen und Schlucktechniken sowie deren Indikation bei unterschied- lichen Dysphagiesymptomen:

Schlussbetrachtung

Die fiberendoskopische Evaluation des Schluckaktes nach FEES®-Standard ist ein verlässliches und objektives Ver- fahren zur Diagnostik oropharyngealer Dysphagien und ist nicht nur auf Stroke Units und neurologischen Inten- sivstationen einsetzbar. Aufgrund der hohen Inzidenz von mit Dysphagien assoziierten Erkrankungen in geriatrischen

Abteilungen kommt ihr gerade auch dort ein besonderer Stellenwert zu. Dabei ist zu betonen, dass es nicht nur um das Erkennen von Aspirationen zur Einleitung erster pro- tektiver Maßnahmen geht.

Wie die Erfahrung zeigt, ist beispielsweise ein nicht uner- heblicher Anteil geriatrischer Patienten aufgrund unter- schiedlicher Vorerkrankungen bereits mit einer PEG-Anla- ge versorgt. Häufig ist dabei unklar, ob eine orale Beikost – wenn auch nur in adaptierter Form – überhaupt möglich ist.

Im Hinblick auf die Gewährleistung eines Höchstmaßes an Lebensqualität und vor dem Hintergrund der im Text auf- geführten unkomplizierten und schnellen Durchführbarkeit der FEES®, sollte in diesen Fällen eine zeitnahe bildge- bende Diagnostik nicht nur eine Möglichkeit darstellen, sondern ist allein schon aus ethischen Gründen zu fordern.

Ähnliches gilt für Schlaganfallpatienten. So sollte in einer endoskopischen Verlaufskontrolle festgestellt werden, ob eine initial als notwendig erachtete Kostform (z. B. streng pürierte Konsistenzen und angedickte Flüssigkeit) nach Verbesserung der Symptomatik überhaupt noch notwendig ist. Veränderungen der Konsistenz zu Breikost hin sind zwar ein nachweislich wirksames Mittel zur Behandlung dysphagischer Auffälligkeiten, wirken sich jedoch auch negativ auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten aus.

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass eine Therapieplanung, die sich allein auf die neurologischen und logopädisch-klinischen Untersuchungen beschränkt, in den meisten Fällen vage bleibt und weder die Ansprü- che der modernen Dysphagiologie erfüllt noch zu einer sicheren und adäquaten Versorgung der betroffenen Pati- enten beitragen kann.

Vor diesem Hintergrund ist eine standardmäßige Verfügbar- keit der fiberendoskopischen Technik für alle Abteilungen, die sich mit Schluckstörungen auseinandersetzen und somit insbesondere auch für die Geriatrie zu fordern. Die Tatsache, dass die Diagnostik und Therapie oropharynge- aler Dysphagien vorwiegend eine Domäne der Logopädie darstellt, unterstreicht die Notwendigkeit eines fundierten Wissens bezüglich der Indikation, Durchführung und Aus- wertung fiberendoskopischer Untersuchungen eines jeden im Bereich der geriatrischen Frührehabilitation tätigen Arztes und Sprachtherapeuten.

Dysphagiesymptome Mögliche therapeutische Interventionen Leaking (vorzeitiges Abgleiten des Bolus

in die Schluckpassage), prädeglutitive Penetration/Aspiration

Kopfanteflexion, (super-/) supraglot- tisches Schlucken

Einseitige pharyngeale Residuen Kopfrotation zur betroffenen Seite mit erneutem Nachschlucken Residuen in Valleculae Kräftiges Nachschlucken ggf. mit

Flüssigkeit (wenn bei dieser Konsis- tenz vorher eine Aspiration ausge- schlossen wurde), ggf. Kopfantefle- xion

Residuen auf Postcricoidregion Kopfdrehung nach rechts oder links mit erneutem Nachschlucken tab. 3: Valleculare Residuen (a) mit anschließend suffizientem Clearing durch Nachschlucken unter endoskopischem Biofeedback (b)

abb. 5: Valleculare Residuen (a) mit anschließend suffizientem Clearing durch Nachschlucken unter endoskopischem Biofeedback (b)

a) b)

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Literatur

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Danksagung

Wir danken Herrn Prof. Dr. Rainer Dziewas, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster, für die Bereitstellung aktu- eller Veröffentlichungen der Münsteraner Forschergruppe.

Interessenvermerk:

Es besteht kein Interessenkonflikt.

Korrespondenzadresse:

Dipl.-Sprachheilpäd. J. Keller

Klinik für Akut-Geriatrie und Neurogeriatrie (Chefarzt: PD Dr. H. F. Durwen)

St. Martinus Krankenhaus Düsseldorf Gladbacherstraße 26

40219 Düsseldorf

E-Mail: j.keller@martinus-duesseldorf.de

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