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er häufigste bösartige Tumor bei Männern jen- seits des 50. Lebensjah- res ist das Prostatakarzinom.Es steht in der Krebssterb- lichkeitstabelle der Männer hinter dem Bronchialkarzi- nom und dem Dickdarmkrebs an dritter Stelle. Weil der Tu- mor oft erst in fortgeschritte- nem Stadium entdeckt wird, ist die palliative Behandlung des bereits metastasierten oder nicht mehr lokal be- grenzten Karzinoms von be- sonderer Bedeutung.
Als therapeutische Mög- lichkeiten kommen dabei die Orchiektomie oder die che- mische Kastration mittels LHRH-Analoga in Frage.
Das Behandlungsprinzip be- steht in beiden Fällen in ei- nem Hormonentzug. In etwa 80 Prozent der Fälle ist das Prostatakarzinom hormon- sensibel und reagiert auf die Androgendeprivation, wie sie durch die chirurgische Ka- stration oder die kontinuierli- che Applikation von LHRH- Analoga erreicht wird, mit ei- ner Tumorregression.
Für die Orchiektomie als Therapiemethode sprechen nach Ansicht von Professor Dr. H. Schulze (Dortmund) in erster Linie die niedrigen Kosten des Eingriffs. Außer- dem treten danach weder feminisierende Symptome noch kardiovaskuläre Kom- plikationen auf. Als nachtei- lig werden von vielen Patien- ten aber die psychische Bela- stung durch den Eingriff so-
wie dessen Irreversibilität be- trachtet.
LHRH-Analoga bewir- ken, wenn sie kontinuierlich oder als Depot-Präparat ge- geben werden, nach einem anfänglichen Testosteronan- stieg, dem sogenannten Flare-up, einen Abfall des männlichen Sexualhormon- spiegels auf Kastrationsni- veau. Der initiale Testo- steronanstieg kann dabei das Tumorwachstum stimulieren.
Um dies zu vermeiden, sollte etwa eine Woche vor der LHRH-Analoga-Therapie mit der Gabe eines Antiandro- gens, etwa Flutamid, begon- nen werden. Darauf hat Schulze bei einem wissen- schaftlichen Symposium der Hoechst AG anläßlich der Einführung von Profact De- pot®(Buserelin) in Frankfurt hingewiesen.
Die meisten Patienten be- vorzugen offenbar die medi- kamentöse Therapie. Dies habe eine Studie mit 150 Pati- enten mit metastasiertem Prostata-Karzinom ergeben, die gemeinsam mit ihren Ehefrauen intensiv über die beiden Behandlungsmöglich- keiten aufgeklärt wurden, be- richtete Schulze. Ein Viertel
aller Patienten entschiede sich danach für die Orchiek- tomie wegen der Einfachheit des Eingriffs und des zu er- wartenden Erfolgs.
Verbesserte Lebensqualität
Drei Viertel bevorzugten die LHRH-Analoga-Thera- pie. Sie wollten in erster Linie eine Operation vermeiden, setzten auf den Erfolg der Be- handlung und waren von der einfachen Anwendung über- zeugt. Für sie war auch die Empfehlung des Arztes aus- schlaggebend. Nach drei Mo- naten hielten 93 Prozent der Patienten und 91 Prozent der Ehefrauen ihre damalige Ent- scheidung für richtig. Drei Jahre später wurde der Ein- fluß der gewählten Therapie auf die Lebensqualität und den psychosozialen Status während der ersten sechs Mo- nate nach Therapiebeginn un- tersucht. Dabei schnitten die Patienten, die die LHRH- Analoga-Therapie gewählt hatten, deutlich besser ab.
Die Ergebnisse einer offe- nen, nicht vergleichenden
multinationalen Studie zur Wirksamkeit und Kinetik der neuen Zwei-Monats-Depot- Formulierung des LHRH- Analogons Buserelin bei 239 Patienten mit fortgeschritte- nem Prostatakarzinom stell- te Professor Dr. Gerd Lud- wig (Frankfurt) vor.
Es habe sich gezeigt, daß das LHRH-Analogon aus der Depotformulierung sicher und gleichmäßig freigesetzt werde, so daß die Testoste- ronspiegel konstant unter- halb des Kastrationsniveaus gehalten werden könnten.
Dies gelte auch noch nach 1 000 Therapietagen. Vorteil- haft sei auch, daß nach zwei Monaten erst 85 Prozent der Substanz abgebaut werden, so daß der Arzt immer über eine 14tägige Sicherheitsre- serve verfügt, die dem Patien- ten einen zusätzlichen zeitli- chen Spielraum läßt.
Die Lebensqualität wurde auch in dieser Studie durch das LHRH-Analogon günstig beeinflußt. So habe sich die Leistungsfähigkeit im ersten Behandlungsjahr nahezu ver- doppelt. Auch die Schmerz- intensität konnte bei Patien- ten mit Metastasen deutlich gemindert werden, erklärte Ludwig weiter. Insgesamt sei die klinische Wirksamkeit des Depot-Buserelins ver- gleichbar mit der einer opera- tiven Kastration. Die verlän- gerte Wirkdauer sei insbe- sondere im Hinblick auf die Patientencompliance von Vorteil. Susi Ajnwojner
A-1210 (74) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 18, 3. Mai 1996
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