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SCHIFFS MELDUNGEN
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SPEK TRUM BÜCHER
Bilcungsroman
Hommage an Neufundland
E. Annie. Proulx: Schiffs- meldungen, aus dem Ameri- kanischen von Michael Hof- mann, List Verlag, München, Leipzig, 1995, 394 Seiten, ge- bunden, 39,80 DM
Quoile — der Name ist die alte englische Schreibweise für eine Taurolle — ist in jeder Beziehung vom Pech ver- folgt. Schon als Kind wird er immer wieder verspottet und gehänselt, weil er dick und ungeschickt ist. Schließlich schlägt er sich als drittklassi- ger Zeitungsreporter in ver- schiedenen Städten im Staat New York durch. Seine Ehe- frau vernachlässigt die beiden Kinder und den Haushalt;
außerdem stellt sich bald her- aus, daß sie nicht Quoile, son- dern die Männer im allge- meinen liebt. Nach sechs- jähriger Ehe verliert Quoile kurz nach dem gemeinsamen Selbstmord der Eltern auch seine Frau, die bei einem Au- tounfall ums Leben kommt.
Mit 36 Jahren steht er vor dem Nichts.
Das alles würde schon rei- chen, um einen ganzen Ro- man zu füllen. Doch die ei- gentliche Geschichte von
„Schiffsmeldungen" entwik- kelt sich erst jetzt. Quoile zieht mit einer Tante und sei- nen Töchtern auf einen öden Felsvorsprung nach Neufund- land, den seine Familie eine Generation zuvor verlassen hatte. Er arbeitet als Lokalre- dakteur einer Zeitung, wo er für die sogenannten Schiffs- meldungen zuständig ist. Er bezieht das Haus seiner Vor-
fahren, das von Gespenstern heimgesucht wird. Aus den
„Schiffsmeldungen" entwik-
kelt er eine eigenständige Ko- lumne, in der er über Merk- würdigkeiten und Katastro- phen auf See berichtet. In- dem er sich von seiner Ver- gangenheit löst, blüht Quoile
immer mehr auf und findet schließlich sogar sein Glück.
Dieser seltsame Roman von einer rauhen, unwirtli- chen Natur, Sonderlingen und Gespenstern zieht den Leser unmerklich immer mehr in seinen Bann, auch wenn der distanzierte Stil die Identifizierung mit den Hauptfiguren zunächst er- schwert. Doch das mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Buch ist so facettenreich, daß es schließlich keinen un- berührt läßt. So ist es nicht nur ein moderner Bildungsro- man, es ist gleichzeitig auch eine Liebesgeschichte und ei- ne Hommage an die Land- schaft Neufundlands. Und nicht zuletzt ist „Schiffsmel- dungen"
auch humorvoll und von einer
bemerkenswerten Lebensfreude.Gisela Klinkhammer, Köln
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 27, 7. Juli 1995 (11) A-1893
