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Für eine wirksame Umsetzung der OECD-Leitsätze sind funktionierende Kontaktstellen essentiell

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Für eine wirksame Umsetzung der OECD-Leitsätze sind funktionierende Kontaktstellen essentiell

Aktuelle Entwicklungen zu den OECD-Leitsätzen in Deutschland

Cornelia Heydenreich, Germanwatch Juni 2007

Die OECD-Leitsätze sind das aktuell umfassendste und weitreichendste Instrument für globale Unternehmensverantwortung. Bei der Umsetzung der Leitsätze spielen die Nationalen Kontaktstellen eine essentielle Rolle. Immer wieder stehen sie in der Kritik – Germanwatch konzentriert sich dabei v.a. auf die deutsche Kontaktstelle. Dieser Artikel beschreibt die aktuellen Entwicklungen auf deutscher Ebene sowie international: Die Leitsätze erhielten in den vergangenen Monaten verstärkte Aufmerksamkeit durch die G8-Staaten, den UN-Sonderberichterstatter, das EU-Parlament und das deutsche Parlament. Außerdem reichten unlängst deutsche Nichtregierungsorganisationen (NRO) zwei Beschwerden gegen deutsche Unternehmen ein.

Vielfältige Mängel bei der Umsetzung der Leitsätze

Es mehrt sich die Kritik an der Umsetzung der OECD-Leitsätze. Die Nationalen

Kontaktstellen (NKS), die für die Bearbeitung der Beschwerdefälle und die Umsetzung der Leitsätze zuständig sind, stehen im Zentrum der Kritik. So stellte der Sonderberichterstatter der UN für Menschenrechte und Unternehmen, John Ruggie, in seinem Bericht vom Februar 2007 fest, dass zwar einige Nationale Kontaktstellen in ihrer Arbeit transparenter geworden seien, aber die „Gesamtleistung ist höchst unterschiedlich“.

Im März 2007 nahm das Europäische Parlament in seiner Entschließung zu

Unternehmensverantwortung auf die OECD-Leitsätze Bezug und rief die EU-Kommission sowie die Mitgliedsstaaten dazu auf, „die Arbeit der nationalen Kontaktstellen zu verbessern, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit Berichten über angebliche Verstöße, die weltweit im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit von den europäischen Unternehmen und ihren Zulieferern begangen wurden“.

G8-Staaten zu den OECD-Leitsätzen

Auch die G8-Regierungen beziehen sich in ihrer Abschlusserklärung vom 7. Juni 2007 mehrfach auf die OECD-Leitsätze. U.a. heißt es bezüglich der sozialen Verantwortung von Unternehmen: „Hierbei verpflichten wir uns, international vereinbarte Standards im Bereich der sozialen Verantwortung von Unternehmen und im Arbeitsrecht (wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ... ) [...] und besseres staatliches Handeln durch die in den OECD-Leitsätzen genannten Nationalen Kontaktstellen aktiv zu fördern.“ Damit verweisen die G8-Regierungen auch auf bestehende Mängel in der bisherigen Umsetzung der OECD-

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Leitsätze und fordern eine wirksamere Tätigkeit der Nationalen Kontaktstellen. Im nun anstehenden Folgeprozess des G8-Gipfels von Heiligendamm sollte dieses Vorhaben aktiv aufgegriffen werden.

Forderungen in Deutschland

Die deutsche Kontaktstelle kann nicht als Vorreiter bezeichnet werden, wenn es um die Verbreitung und Umsetzung der OECD-Leitsätze geht. In den vergangenen Monaten haben NRO und Gewerkschaften, aber auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung der

Bundesregierung sowie Bundestagsabgeordnete, mehrfach eine verbesserte Anwendung der Leitsätze in Deutschland angemahnt.

Ein Bündnis von fünfzehn deutschen NRO, koordiniert von Germanwatch, übermittelte dem Deutschen Bundestag im November 2006 ein umfassendes Empfehlungspapier mit

Vorschlägen für eine strukturelle und inhaltliche Reform der Arbeit der deutschen

Kontaktstelle. Die Kontaktstelle sollte zukünftig interministeriell angebunden werden, die Bearbeitung der Fälle sollte transparenter erfolgen und bei der Interpretation der Leitsätze vor allem Zulieferfragen weitgehender berücksichtigen. Zudem sollte eine nationale

Überprüfungsinstanz für OECD-Beschwerdefälle eingesetzt werden, die bei kontroversen Entscheidungen der Kontaktstelle oder bei prozeduralen Unzulänglichkeiten die strittigen Fragen aufgreift. Weiterhin sollte der Bundestag darauf hinwirken, die OECD-Leitsätze an staatliche Instrumente wie Hermesbürgschaften oder das öffentliche Vergabewesen zu koppeln (vgl. www.germanwatch.org/corp/oecd-bt06.htm).

Bundestag wird aktiv

Auf der Basis dieser Vorschläge führten eine Reihe von Abgeordneten Gespräche mit NRO- Vertretern. Darin haben sie Interesse geäußert, seitens des Parlaments aktiv zu werden. Erste konkrete Schritte können bereits verzeichnet werden: Walter Riester, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat die OECD-Leitsätze im Februar in einer Bundestagsrede thematisiert und u.a. eine stärkere Transparenz bei der Arbeit der deutschen NKS angemahnt. Im Juni lud die Arbeitsgruppe für Wirtschaftliche

Zusammenarbeit der SPD zu einem Fachgespräch zu den OECD-Leitsätzen und unterstützte eine Reihe der von NRO und Gewerkschaften vorgetragenen Forderungen. Bündnis 90 / Die Grünen forderten Anfang des Jahres in einem Antrag zu Rohstoffökonomien mehr

Transparenz sowie eine institutionelle Reform der deutschen NKS. Des Weiteren stellte die Linksfraktion Ende 2006 eine Große Anfrage zu Corporate Accountability, u.a. mit einem Fragenkatalog zu den OECD-Leitsätzen. Die Antwort der Bundesregierung wird nach der Sommerpause erwartet und mündet in einer Parlamentsdebatte zum Thema.

Jahresbericht der Nationalen Kontaktstelle

NRO hatten konkret angeregt, dass der Bundestag den Jahresbericht der NKS debattieren sollte. Der Bericht muss von der Kontaktstelle jeweils im Vorfeld des Jahrestreffens der Kontaktstellen, also Mitte Juni, bei der OECD eingereicht werden. Vertreter des Bundestages, die im Juni den Bericht anfragten, hat die NKS mit dem Verweis auf einen bisher nur auf Englisch vorliegenden „internen Bericht“ vertröstet.

Andere Kontaktstellen veröffentlichen dagegen ihren Bericht an die OECD regelmäßig im Internet. Dies haben NRO seit längerem auch für Deutschland gefordert. Auf der Website der deutschen NKS war im vergangenen Jahr erstmals eine deutsche Kurzfassung des ohnehin

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kurzen Berichtes zu lesen. Mit der mageren Berichterstattung trägt die NKS nicht zur ausreichenden Transparenz bei. So besteht derzeit weiter der Eindruck, es habe in

Deutschland bislang erst drei Beschwerdefälle gegeben. Seit der Überarbeitung der Leitsätze im Jahre 2000 haben deutsche NRO und Gewerkschaften jedoch bereits elf Beschwerden vorgebracht. Allein drei davon wurden abgewiesen, was der Website der NKS nicht zu entnehmen ist. Andere Kontaktstellen sind diesbezüglich transparenter und haben, wie z.B.

die niederländische NKS, auch in solchen Fällen öffentliche Erklärungen abgegeben, in denen Beschwerden abgewiesen wurden.

„Investment nexus“

In Deutschland wurden viele der Beschwerden wegen eines angeblich fehlenden

Investitionsbezugs, eines nicht näher definierten „investment nexus“, abgelehnt. Diesen Terminus führte der Investitionsausschuss der OECD im Jahr 2003 ein, nachdem NRO die ersten Beschwerden mit Zulieferbezug eingereicht hatten. Im Juni 2007 kritisierte der Sonderberater des UN-Sonderberichterstatters Ruggie öffentlich, dass Kontaktstellen diesen

„investment nexus“ nutzen, um wichtige Beschwerden abzulehnen und forderte dagegen eine sehr weitreichende Interpretation dieses Terminus.

Aktuelle Beschwerdefälle gegen deutsche Unternehmen

Der Leiter der deutschen Kontaktstelle argumentiert, die wenigen Beschwerden zeigten, dass deutsche Unternehmen sich größtenteils sehr tadellos im Ausland bewegten. Dieser Schluss lässt jedoch unberücksichtigt, dass viele derer, die bisher eine Beschwerde vorgebracht haben, mit der Bearbeitung eher unzufrieden waren. In der Folge überlegen NRO und andere Akteure vor dem Hintergrund ihrer begrenzten Kapazitäten, ob sie tatsächlich eine Beschwerde

einreichen sollten.

Die Behandlung von Beschwerden ist der wichtigste Maßstab zur Bewertung der Umsetzung der OECD-Leitsätze. Die deutsche Kontaktstelle hat nun mit zwei kürzlich von NRO

eingereichten Beschwerden eine neue Chance bekommen, hier ein transparentes und faires Verfahren im Rahmen der OECD-Leitsätze durchzuführen.

Am 5. Juni reichte Transparency International eine Beschwerde gegen 57 deutsche Unternehmen ein. Dabei geht es um vermutete Verletzungen der OECD-Leitsätze zu Korruptionsbekämpfung im Rahmen des UN „Oil for Food Programme“.

Erste Beschwerde zum Klimawandel

Im Mai 2007 brachte Germanwatch eine OECD-Beschwerde gegen Volkswagen vor. Darin wird angeklagt, dass der Automobilkonzern aufgrund seiner klimaschädlichen Produktpalette in ungebührlichem Maße zum menschgemachten Klimawandel beitrage. Die Konzernstrategie - einschließlich der Lobbyaktivitäten - stimme nicht mit dem erklärten Politikziel der EU überein, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Germanwatch hat bei Volkswagen fünfzehn Verstöße gegen die OECD-Leitsätze festgestellt, v.a. gegen mehrere Paragraphen des Umweltkapitels, aber auch gegen die Allgemeinen Grundsätze der Leitsätze, das Kapitel über Offenlegung von

Informationen und das Kapitel zum Verbraucherschutz. Dies ist die erste OECD-Beschwerde, die Auswirkungen von Konzernaktivitäten auf den Klimawandel thematisiert (siehe

www.germanwatch.org/corp/vw.htm).

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- 4 - Öffentliches Interesse an Beschwerdefällen

Sowohl die Beschwerde von Transparency International als auch die von Germanwatch erlangten ein umfangreiches Medienecho, z.T. mit sehr detaillierten Informationen auch über die OECD-Leitsätze und die Nationale Kontaktstelle. Es berichteten u.a. Spiegel Online, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Handelsblatt, die Financial Times Deutschland und das Managermagazin. Allein die Beschwerde gegen Volkswagen war Thema in über 50 Zeitungen und Online-Medien.

Zwar äußerte die NKS wiederholt ihr Missfallen gegenüber der medialen Verbreitung der Beschwerdefälle. Allerdings ist das öffentliche Interesse für Instrumente wie die OECD- Leitsätze am ehesten im Rahmen von konkreten Fällen zu wecken. Ansonsten bleiben diese Instrumentarien in der Regel zu abstrakt und sind allenfalls der Fachöffentlichkeit bekannt.

Unternehmen und Finanzmarkt reagieren auf Beschwerden

Auch Unternehmen registrieren die OECD-Leitsätze meist erst im Rahmen von konkreten Beschwerden. Mancher Unternehmensvertreter hat sich erstmals mit dem Instrument befasst, nachdem eine Beschwerde gegen die eigene Firma eingereicht wurde. Von den größten 100 Unternehmen in Deutschland beziehen sich immerhin 18 auf die OECD-Leitsätze, erwähnen sie im Nachhaltigkeitsbericht oder auf der Website. Einige Unternehmen haben die Leitsätze in ihren Verhaltenskodex integriert oder verpflichten sich zu ihrer Einhaltung. Die wenigsten haben jedoch analysiert, was die OECD-Leitsätze für ihr eigenes Unternehmen bedeuten, wie erste Ergebnisse einer Umfrage von Germanwatch zeigen.

Akteure des Finanzmarktes reagieren zunehmend auf OECD-Beschwerden gegen

Unternehmen, wie u.a. am Echo auf die VW-Beschwerde deutlich wird. Auf einer Konferenz der OECD im Juni 2007 kritisierten u.a. Vertreter von Pensionsfonds, dass die Umsetzung der Leitsätze mangelhaft sei und insbesondere die Verletzung der Leitsätze nicht klar in

Stellungnahmen benannt werde. Für eine Unternehmensbewertung seien klare Aussagen erforderlich.

Modell-Kontaktstelle

Diese und andere Kritik hat das internationale NGO-Netzwerk OECD Watch aufgegriffen und eine Modell-Kontaktstelle entwickelt. Darin werden Best-Practice-Erfahrungen und NGO- Anforderungen an die Arbeit von Nationalen Kontaktstellen zusammengestellt. In einem mehrmonatigen Prozess aus Konferenzen und E-Mail-Befragung hat OECD Watch diesen Modellentwurf mit allen Stakeholdergruppen diskutiert und daraus eine Fassung erstellt, die im Oktober 2007 der OECD vorgestellt wird.

Manche NKS wurden in den vergangenen Jahren bereits umstrukturiert. So ist die britische Kontaktstelle inzwischen interministeriell organisiert. Ein Steering Committee wacht über die Arbeit der NKS. In den Niederlanden ist die NKS unabhängiger von der Regierung

strukturiert und besteht nun aus einem Expertenkreis. Zudem erhält die NKS ein eigenes Budget für die Arbeit. In Kanada wird die Schaffung einer Ombudsstelle diskutiert.

Deutschland ist dagegen von der Modell-Kontaktstelle strukturell und in der Fallbearbeitung noch sehr weit entfernt. Im Lichte von G8-Gipfel und den weiteren genannten Prozessen stünden der deutschen NKS deshalb einige Fortschritte gut.

Kontakt: Cornelia Heydenreich, heydenreich@germanwatch.org

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