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Heute auf Seite 3: „Eine sofortige Öffnung ist wichtig"

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Heute auf Seite 3: „Eine sofortige Öffnung ist wichtig"

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UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FQR DEUTSCHLAND

Jahrgang 41 - Folee 32 Erscheint wöchentlich 1 1 A l i n i l C t l Q Q n Landsmannschaft Ostpreußen e.V. C 5524 C

jamgdiig «»i roigeoz Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt I I . MUgUSI I y » U Parkallee 84y86, 2000 Hamburg 13 U U

40 Jahre Charta:

E i n m a l i g i n d e r W e l t

Kohl trotz Respekt vor Vertriebenen für Anerkennung

„Die Charta der deutschen Heimatvertrie- benen war eine der größten moralischen Lei- stungen i n der Geschichte der Bundesrepu- blik Deutschland", rief Bundeskanzler H e l - mut K o h l den Z u h ö r e r n i m prall gefüllten Kursaal in Stuttgart-Bad Cannstatt zu. In einer Feierstunde gedachten sie, Vertreter aller Landsmannschaften u n d prominente Gäste des öffentlichen Lebens, unter ihnen auch der b a d e n - w ü r t t e m b e r g i s c h e Ministerpräsi- dent Lothar Späth, auf Einladung des B d V der Charta, die genau vierzig Jahre zuvor i n Stuttgart v e r k ü n d e t worden war.

K o h l strich i n seiner Festrede vor allem die u n ü b e r s e h b a r e n Leistungen der Vertriebe- nen beim Aufbau der westdeutschen Demo- kratie hervor. M i t ihrem feierlichen Verzicht auf H a ß u n d Rache h ä t t e n sie, so der Kanz- ler, den Grundstein gelegt für einen Neuan- fang i n Frieden u n d r r e i h e i t . Dieses leuch- tende Beispiel der Heimatvertriebenen sei angesichts des schweren Unrechts, das an ihnen geschehen war, „ w o h l einmalig i n der Welt".

Der verbreiteten Ahnungslosigkeit über die Geschichte des deutschen Ostens u n d der Vertreibung hielt K o h l entgegen, d a ß „ein Volk, das die Geschichte nicht kennt, die Zukunft nicht meistern w i r d " . Der Blick dürfe aber nicht allein auf die Vergangenheit f i - xiert bleiben. Es gelte, ein Europa des Frie- dens u n d der Freiheit z u schaffen. D e n Grenzen m ü s s e i h r trennender Charakter genommen werden.

Die Voraussetzung, die der Bonner Regie- rungschef als unerläßlich für seine V i s i o n nannte, mischte i n die bis dahin v o n Harmo- nie u n d Z u s t i m m u n g g e p r ä g t e A t m o s p h ä r e eine z u m Teil lautstark vorgebrachte A b l e h - nung: K o h l wiederholte seine Ü b e r z e u g u n g , d a ß ein friedliches Miteinander der Volker nur auf der Basis der Anerkennung aller Grenzen, „ w i e sie jetzt verlaufen", denkbar ist. Dies gelte auch für die Grenze zwischen Polen u n d Deutschland, w i e er die Oder- Neiße-Linie bezeichnete.

D u r c h den Druck der Vier Siegermächte sei er z u r Anerkennung dieser Grenze ge- zwungen, wollte er die Wiedervereinigung nicht aufs Spiel setzen.

Der P r ä s i d e n t des Bundes der Vertriebe- nen, D r . Herbert Czaja, widersprach dieser Darstellung ganz entschieden. Der Beitritt der D D R z u m Grundgesetz sei ein inner- staatlicher Vorgang nach einer Verfassung, die die drei Westmächte längst gebilligt hätten.

Teüe des v o n K o h l zitierten Drucks k ä m e n gar nicht v o n a u ß e n , sondern seien „ h a u s g e - macht". Czaja wörtlich: „Viele Deutsche haben monatelang d e m gesamtdeutschen Souve- r ä n vorgegriffen, i n der P o l i t i k , i n d e n Medien. A n die friedensstiftende W i r k u n g einer totalen Preisgabe des deutschen

Aus dem Inhalt

Seite

Helgoland 100 Jahre deutsch 2

Capitale Berlin 4

Ostpreußen in Mitteldeutschland « 9 Preußen und Livland ... 10 A m Strand von Nimmersatt 11 Gedenken an Charlotte Keyser 17

„dies academicus" in M ü n c h e n 19 Machtkampf in Südafrika 20

Ostens vermochte der BdV-Präsident erst recht nicht z u glauben. A l l e i n e i n t r a g f ä h i g e r A u s g l e i c h k ö n n e die Grundlage für die Zukunft sein.

Czaja machte deutlich, d a ß ein solcher Ausgleich nur auf der Basis der Anerken- nung aller unveräußerlichen Menschenrech- te der Betroffenen möglich w ü r d e . Daß der B d V z u einem Ausgleich bereit ist, machte sein Präsident anhand der zahlreichen Vor- schläge des Verbandes z u diesem Thema ersichtlich. Grundlage der Politik des B d V sei es dabei immer gewesen, d a ß es keine neue Vertreibung u n d Unterjochung geben dürfe. Doch i m Rahmen des europäischen Einigungsprozesses w i e s Czaja auf d i e Möglichkeit hin, ein „souveränes, europäisch institutionalisiertes Territorium" jenseits von Oder und N e i ß e z u errichten.

Hierin k ö n n t e n nicht nur Polen und Deut- sche einträchtig und gleichberechtigt zusam- menleben. Dieses Gebiet w ü r d e zur Brücke zwischen den beiden Völkern, i n der der zweihundertjährige Gegensatz sowie Chaos u n d N o t abgebaut werden könnten.

F ü r den Moment sieht Czaja die Sicherung

der G r u p p e n - u n d Individualrechte der ^ r # _ i • • • • n

Ostdeutschen als vorrangig aiju H i e r z u ge- V e r z i c h t d e S t a D l l l S i e r t O s t e U r O D a V o l l s t ä n d i g h ö r e auch, d a ß Versuche unterbunden wer-

den, die Eingliederungsgesetze für Deutsche

War eigens zur Gedenkstunde vom St Wolfgangsee nach Stuttgart gekommen: Bundes- kanzler Helmut Kohl, der die „Charta der Heimatvertriebenen würdigte Foto Jüttner

aus d e m Osten z u liquidieren. Aussiedler d ü r f t e n nicht „ z u Vogelfreien" gemacht werden.

Bei der Situation der deutschen Volksgrup- pen i m Osten sieht Czaja schon Fortschritte.

Er sei froh, neben den Delegierten aus M i t - teldeutschland auch z u solchen erstmals sprechen z u k ö n n e n , die i n den Heimatge- bieten standgehalten hätten, u n d n u n den- noch ungehindert teilnehmen könnten. A u s Ost- u n d W e s t p r e u ß e n , Danzig, Schlesien, dem Sudetenland, Ungarn, Siebenbürgen und dem Banat waren Vertreter angereist.

Hans Heckel

Nördliches Ostpreußen:

Seitdem sich das Problem der Wiederher- stellung der Einheit unseres Vaterlandes auf die Ebene der vollziehenden Wirklichkeit gestellt hat, scheint z u m Ritual z u gehören, Vertriebene dafür z u loben, d a ß sie sich nicht auf die abschüssige Bahn v o n H a ß , Rache und Gewalt begeben haben. Es braucht hier nicht eigens nochmals betont z u werden, d a ß diese Leidenschaften bekanntlich blind für die Beurteilung politischer Wirklichkeiten ma- chen, insofern also ohnehin auszuscheiden hatten, sondern es kommt bei diesen A r g u - menten mitunter das Gefühl hoch, als sei jede nur irgendwie v o m herkömmlichen M a ß

Zwischenlösungen für Königsberg?

Interessante Vorschläge eines Bischofs / Pläne der Wirtschaft

Mit einem bedeutsamen Vorschlag, der auch als akzeptable Zwischenlösung für das russisch verwaltete nördliche Ostpreußen gelten könnte, wartete dieser Tage der lutherische deutsche Bischof von Riga in Lettland auf, wonach diese Region sich ausgezeichnet dafür eigne, die von Stalin verjagten Rußlanddeutschen, die in Kasachstan und anderen entlegenen Teilen Rußlands leben, dort anzusiedeln. Bischof Harald Kalnis meinte, daß die gegenwärtige dünne Besiedlung - es leben gegenwärtig nur etwa 50 Bewohner pro Quadrat- kilometer (Westdeutschland 250) - eine Besied- lung geradezu nahelege.

Wie aus einer jüngsten Umfrage sowjetischer Behörden hervorgeht, seien in Königsberg inzwi- schen etwa 1300 Deutsche ansässig geworden.

Dieser bischöfliche Vorschlag korrespondiert möglicherweise mit der unlängst vom russischen Parlament erlassenen Erklärung, wonach das nördliche Ostpreußen zu einer wirtschaftlichen Sonderzone gehöre, die für „ausländische" Inve- storen besonders geeignet sei.

Auch wenn bisher noch mit erheblichen büro- kratischen Behinderungen zu rechnen ist, insbe- sondere bei den Einreiseformalitäten, so könnte dies doch ein erster Schritt sein, um das nördliche Ostpreußen aus dem Status der Isolierung her- auszubringen. Auch die westdeutsche Wütschaft

scheint sich für diesen Schritt entschieden zu haben.

Wie Friedrich Wilhelm Christians, Aufsichtsrats- vorsitzender der Deutschen Bank, unlängst in Mos- kau erklärte, befürworte er seit langem die sowje- tischen Vorstellungen, die davon ausgingen, das nördliche Ostpreußen zu einem Mustergebiet deutsch-russischer Zusammenarbeit zu machen, wobei für die interessierten Deutschen Ansied- lungsfreiheit gelten solle.

Noch scheint die sowjetische Führung gerade über diesen Punkt uneinig zu sein, wobei insbe- sondere darauf verwiesen wird, daß auch in Bonn in diesem Bereich mehr als äußerste Zurückhal- tung geübt werde. Angeblich, um nicht „polni- sche Ängste" zu schüren. Uneinigkeit scheine freilich auch noch bei einigen Funktionären der Rußlanddeutschen vorzuherrschen, die sich ins- besondere einseitig auf die Rückkehr in das Wolgagebiet kaprizierten. Doch während man in Bonn offenbar noch zaudert und zögert, reagiert Warschau in gewohnter Manier offensiv. Man hofft auf das Erlahmen des sowjetischen Behaup- tungswillens in Sachen deutsch-sowjetischer Zusammenarbeit: Letzte Woche fuhr demonstra- tiv ein polnisches Schiff vom Frischen Haff über Pülau m die Ostsee, was den Polen bisher von den Sowjets verweigert worden war. Bejubelt von den Polen, als sei eine Schlacht gewonnen worden. P. F.

abweichende Meinung im Bereich Ostdeutsch- land auch schon eine Art Ausbruch von jener oben beschriebenen Gewalt.

Sofern sie aber den entschlossenen, den wagemutigen Schritt der Alternative z u gehen scheint, der sich natürlich an den Eckpfosten der Rechtsstaatlichkeit u n d der konformen Verfassungswirklichkeit auszurichten hat, kommt - je nach politischem Herkommen - der unterschwellige Ruf auf, als w ü r d e n jene Untugenden gewissermaßen jäh u n d alles vernichtend bei den Vertriebenen herausbre- chen. Der Unmut richtet sich auch auf jene Kräfte, die das unerläßliche Vorfeld der geschichtlichen Argumente ins Feld führen wollen, so, als w ü r d e n diese unsittliche oder unappetitliche Dinge hervorkehren, die man eben i n honoriger Gesellschaft nicht schlicht- weg beim Namen nennt. Doch was bringt das? Sollte man sich diesen Z w ä n g e n beu- gen, also gleichsam den guten Ton, das Ele- ment des überall Geachteten schon für die Tat überhaupt nehmen, dann gliche dies jenen beklagenswerten Menschen, die zwar über- all gut gelitten, aber keineswegs für voll genommen werden. Oder vielleicht auch jenem Soldaten, der sich r ü h m t e , auf allen Kriegsschauplätzen dabei gewesen z u sein, aber nie den Kopf aus der Deckung genom- men hat.

Wenn vor Jahrzehnten Parteien, die auch heute noch i m Bundestag vertreten sind, lauthals verkündeten: „Verzicht ist Verrat", dann ist keineswegs einzusehen, warum diese griffigen Formeln nun keine Gültigkeit mehr haben sollten. E i n Blick auf die Karte des politischen Geschehens dieser Tage zeigt uns deutlich, d a ß die Welt keineswegs vor dem unmittelbaren A u s b r u c h paradiesischer Z u s t ä n d e steht (Irak/Kuweit-Konflikt), son- dern d a ß sich das Band der Kriege u n d militärischen Auseinandersetzungen von einer nicht mehr erkennbaren Anfangszeit her bis in eine noch nicht überschaubare Zukunft zieht, ohne d a ß es je z u reißen „ d r o h t e " .

Es ist keineswegs absehbar noch sonstwie einleuchtend, w a r u m die R ü c k g a b e v o n

(2)

Politik

11. A u g u s t 1990 - Folge 32 - Seite 2

deutscher Erde die Gefahr eines Krieges v e r g r ö ß e r n sollte, womit nicht einmal blau- ä u g i g i n dem Sinne argumentiert werden k ö n n t e , wenn w i r es einmal haben, dann werden w i r schon weitersehen... Die unein- geschränkte Rückgabe Ostdeutschlands ent- spricht umgekehrt durchaus friedenssichern- der Argumentation, da sie zumindest eine G e w ä h r d a f ü r w ä r e , d a ß diese Regionen wirtschaftlich u n d ö k o l o g i s c h gesunden w ü r d e n , womit sie zweifellos z u einem Hort der V e r s t ä n d i g u n g u n d des ausgleichenden Friedens werden u n d damit mehr als alles andere auch z u einer A n n ä h e r u n g z u den i n diesem Jahrhundert so arg gebeutelten Sla- wen werden k ö n n t e .

D a ß diese, ob n u n Polen oder Russen, v o n einem wiederhergestellten Deutschland nur profitieren w ü r d e n , braucht mit d e m Ver- weis auf die hohen A n t e ü e deutscher L e i - stungen i n Wirtschaft, Architektur u n d ver- waltungs- u n d staatsrechtlicher Bereiche bei diesem Leserkreis nur kurz u n d nebenher e r w ä h n t z u werden. U n d das Gerede v o n einem Deutschland, das dann z u g r o ß u n d damit z u einer Gefahr für Europa oder die Welt werden w ü r d e , findet vielleicht bei manchen Liebhabern einschlägiger Fernseh- sendungen Beachtung, stimmt aber damit noch keineswegs. D e r H i n w e i s auf den deutschen Verzicht v o n Kernwaffen g e n ü g t schon. U n d auch sonst gibt es bei uns keinen Hinweis auf besondere Erwähltheit, wie es der schon i m Juli entlassene englische Politi- ker Ridley mit einer neueren Ä u ß e r u n g ge- tan hat, indem er v o n seinem V o l k sagte: „In vielen Dingen sind w i r das bewundernswer- teste V o l k i n Europa" (Sunday Express). M a n mag dies als eine Feststellung gelten lassen, die jemand i m Ü b e r s c h w a n g seiner natio- nalstolzen Empfindungen v o n sich gegeben hat, aber man m ö g e dann auch gelten lassen, d a ß sich Deutschland nach so vielen Jahren der D e m ü t i g u n g aufmacht, sich seiner ei- gentlichen Bestimmung erneut z u besinnen.

U n d die heißt allemal friedfertig z u sein, gerecht z u sein. A u c h g e g e n ü b e r den slawi- schen Völkern. Freilich auch i n Grenzen, die dem Völkerrecht g e m ä ß sind.

Peter Fischer

Jubiläumsfeier:

Rot ist die Kant, w e i ß ist der Sand...

Einhundert Jahre Rückgabe der einzigen deutschen Hochseeinsel Helgoland an das Deutsche Reich

„Einen Knopf gegen eine Hose" h ö h n t e n die Kritiker. Adressat ihres Spottes war der damalige deutsche Reichskanzler Graf von Caprivi, der am 1. Juli 1890 mit Großbritan- nien den Helgoland-Sansibar-Vertrag abge- schlossen hatte. In i h m verzichtete das Deutsche Reich zugunsten G r o ß b r i t a n n i e n s auf seine Schutz- u n d Handelsrechte auf Sansibar u n d i m Sultanat W i t u an der afrika- nischen Ostküste gegen die Ü b e r l a s s u n g der seit 1807 englisch verwalteten Insel Helgo- land.

Vermutlich schon zwischen 3000 und 1800 v. C h r . besiedelt, findet sich erste sichere Kunde ü b e r die Insel schon i m 7. Jahrhun- dert. Ü b e r viele Jahrhunderte lebten die Bewohner von Fischfang u n d Seefahrt, w o h l auch v o n etwas Viehzucht. A l s die Helgo- l ä n d e r das bis 1700 als Schafsweide genutzte

„ W i t t e K l i f f " allerdings z u m Steinbruch machten, wurde dieses so beschädigt, d a ß die gewaltige Sturmflut der Neujahrsnacht

Wie

ANDERE es sehen:

„Popieluszko?

Nie gehört!"

Die Kolonialreiche sind vergangen, aber H e l g o l a n d ist seit C a p r i v i s Vertrag b e i Deutschland geblieben. A m 9. A u g u s t die- ses Jahres jährt sich z u m einhundertsten Male der Tag, an dem auf der Insel der U n i o n Jack eingeholt u n d die Flagge des Deutschen Reiches auf dem roten Felsen i n die H ö h e stieg. Tags darauf lief die kaiserliche Yacht die Insel an u n d Kaiser W i l h e l m II. wurde von 12 000 Menschen, die meisten eigens herbeigereist, begeistert gefeiert.

Aufruf:

aUfc

Rechte aller Vertriebenen wahren

Mitteldeutsche Ländervertreter formulieren auch eigene Interessen

Appell an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Volkskammer der DDR

zur Wahrung der Rechte der deutschen Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik bei den künftigen Einigungsverhandlungen und den Verhandlungen mit den Nachbarn Deutschlands.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Wir, die Vertreter der sich in den Ländern der noch bestehenden DDR bildenden Vertriebenenorganisatio- nen, appellieren an Sie, in Wahrung der Interessen der am härtesten vom Schicksal Deutschlands in diesem Jahrhundert Betroffenen, der Heimatvertriebenen, in den künftigen Verhandlungen folgende berechtigte Anlie- gen zu berücksichtigen:

1. Unterstützung der Verbände der Heimatvertriebenen bei der Wahrung und Erhaltung ihrer landsmann- schaftlichen Identität und ihres Kulturgutes, Förderung ihrer Arbeit auf der Grundlage der Charta der Heimatvertriebenen und Anerkennung des Verständigungswillens der ostdeutschen Volksgruppen auf der Grundlage der historischen Wahrheit.

2. Einbeziehung der in der DDR lebenden Heimatvertriebenen in den Lastenausgleich.

3. Den Deutschen in den Ostgebieten des Deutschen Reiches darf bei der bevorstehenden gesamtdeutschen Wahl das Wahlrecht nicht vorenthalten werden.

4. In einem künftigen deutsch-polnischen Vertragswerk muß gewährleistet sein, daß gebiets-, Vermögens- und individualrechtliche Fragen unter Achtung der Menschenrechte und allgemein gültiger Normen des Völ- kerrechts gleichzeitig geklärt werden.

Für die Gründungsausschüsse der BdV-Landesverbände in Mitteldeutschland

Dr. Reinhard Anders MdV Dr. Reinhard Zirm Norbert Nowak - Brandenburg - - Thüringen - - Berlin-Ost -

Georg Janovsku MdV Helga Seegers-Nagel - Sachsen/Sehl Lausitz - - Sachsen-Anhalt -

Aber deufcche G e r i c h t e auf H e l g d a n d

begann nicht erst am 9. oder 10. August 1890. ^ de r Text des Deutschlandlie- des i n die Feder. E i n D e n k m a l erinnert heute daran. Seitdem ist H e l g o l a n d aus der deut- schen Nationalgeschichte nicht mehr weg- zudenken.

N a c h d e m die Insel 1890 auch politisch an das Deutsche Reich ü b e r g e g a n g e n war, wurde sie wegen ihrer strategisch g ü n s t i g e n Lage, ca 70 k m v o r der K ü s t e inmitten der Deut- schen Bucht, Weser- u n d E l b e - M ü n d u n g beherrschend, z u m M a r i n e s t ü t z p u n k t mit einer i n den Felsen gehauenen Festung aus- gebaut.

Bei Kriegsbeginn 1914 w u r d e n die Bewoh- ner v o n der Insel evakuiert, d a m a n engli- sche A k t i o n e n fürchtete. N a c h den Bestim- mungen des Versailler Vertrages m u ß t e n 1919, nach der deutschen Kriegsniederlage, die Befestigungen geschleift w e r d e n . In den Zwischenkriegsiahren erholte sich die Insel e i n i g e r m a ß e n , aber die schlimmste Leidens- zeit stand ihr noch bevor. Trotz ihrer militä- risch geringen Bedeutung i m l ä n g s t entschie- denen K r i e g richtete sich der letzte 1000- Bomber-Angriff der Briten, v o n L o r d Cher- w e l l alias F. A . L i n d e m a n n geplant, am 18.

A p r i l 1945 gegen das E i l a n d . In einer Orgie der Vernichtung fraß die Bombenwalze al- les, was Menschenhand auf H e l g o l a n d ge- schaffen hatte. D i e Bewohner, die das Infer- no ü b e r l e b t hatten u n d benommen aus den Stollen taumelten, hatten die.Orientierung auf der Insel verloren. D i e Ü b e r l e b e n d e n m u ß t e n die Insel verlassen u n d Helgoland w u r d e z u m U b u n g s z i e l britischer Bomber- p ü o t e n . 1947 versuchten die Briten, die Insel vollends a u s z u l ö s c h e n . M i t 6700 Tonnen Sprengstoff, die Stärke einer kleineren Atom- bombe, sollte die Insel ausradiert werden.

Doch nachdem sich die tausende Meter hohe Sprengwolke verzogen hatte, zeigte sich, daß der K e r n der Insel nicht i m M e e r verschwun- den war. Verkleinert u n d zerrissen hatte Hel- goland die sinnlose Barbarei „ ü b e r l e b t " .

1950 landeten z w e i deutsche Studenten auf der Insel, u m die Weltöffentlichkeit aufzu- r ü t t e l n . 1952 gaben die Briten nach und Helgoland an die Bundesrepublik zurück.

D i e Bewohner konnten z u r ü c k k e h r e n und Deutschland hatte seine einzige Hochsee- insel wieder. J o a c h i m Weber Zeichnung aus

„Die Weir

1720/21 die Insel i n z w e i Teüe zerriß, u n d aus dem Weißen Kliff w u r d e die heutige D ü n e .

Politisch gehörte Helgoland seit 1714 z u D ä n e m a r k . U m 1800 bewohnten 510 Fami- lien die Insel. 1807 zog sich die d ä n i s c h e Besatzung kampflos z u r ü c k , als die Englän- der kamen u n d v o n der Insel Besitz ergrif- fen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts k a m auf der Insel ein neuer Erwerbszweig hinzu, der auch heute fast die einzige Erwerbsgrundla-

P

e der Bevölkerung darstellt: der Bade- u n d remdenverkehr. In den Jahrzehnten v o n 1840-1870 kurten vornehmlich A d l i g e , F a - brikanten usw. aus ganz Europa auf der Insel.

Keineswegs nur aus Teutschland, denn die alten Kurlisten weisen Städte aus ganz Euro- pa auf, v o n Brüssel bis St. Petersburg. N i c h t z u dieser G r u p p e g e h ö r t e der Breslauer Germanistikprofessor u n d Dichter des V o r -

Symposion:

Die beiden Seiten einer Medaille

Redeauszug „40 Jahre Charta der deutschen Heimat vertriebenen"

V O N Dr. OTTFRIED HENNIG MdB, SPRECHER DER L A N D S M A N N S C H A F T OSTPREUSSEN

UNABHÄNGIGE W O C H E N Z E I T U N G FÜR D E U T S C H L A N D Chefredakteur: Hugo Wellems

Verantwortlich für den redaktionellen Teil (32) Politik, Zeitgeschehen, Jugend:

Peter Fischer (37), Ansgar Graw, Hans Heckel (30) Kultur, Unterhaltung, Frauenseite:

Silke Osman (33) Geschichte, Landeskunde,

Literatur und Aktuelles:

Horst Zander (34)

Heimatkreise, Gruppen, Mitteldeutschland und Leserforum:

Herbert Ronigkeit, Silke Berenthal (36) Ostpreußische Familie:

Ruth Geede Bonner Büro: Jürgen Liminski

Anzeigen (41) und Vertrieb (42): Karl-Heinz Blotkamp Anschrift für alle: Parkallee 84/86, 2000 Hamburg 13. Verlag: Landsmannschaft Ostpreußen e. V., Parkallee 86, 2000 Hamburg 13. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Landsmannschaft Ost- preußen. - Bezugspreis Inland 7,90 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 9,40 DM monatlich. Bankkonto: Landesbank Hamburg BLZ 200 500 00, Konto-Nr. 192 344. Postgirokon-

A to für den Vertrieb: Postgiroamt Hamburg, Konto-Nr. 84 26-204; für Anzeigen: Postgi- / 1 \ roamt Hamburg, Konto-Nr. 907 00-207. - Für unverlangte Einsendungen wird nicht / v \ gehaftet. Rücksendung erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. - Druck Gerhard Rautenberg, / \ 2950 Leer (Ostfriesland), Telefon (04 91) 42 88

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„Wenn wir Rückschau halten auf das nun zu Ende gehende Jahrhundert, dann hat die vor zweihundert Jahren aus dem Gedankengut der französischen Revolution entstandene Leitidee des homogenen Nationalstaates in ihrer totalen und nationalistischen Ubersteigerung unendliches Leid verursacht. Sie paßt eben nicht für Mitteleuropa, wo seit Jahrhunderten mehrere Nationalitäten miteinander in einer Region wohnen. Immer wieder - bis in unsere Tage hinein - wurde versucht, Staat und Nation dadurch zur Deckung zu brin- gen, daß die herrschende Nation fremde Volks- gruppen unter Anwendung psychologischen Drucks oder nackter Gewalt zum Verlassen ihrer Heimat zwang. Seit 1913 traf dieses grausame Schicksal in Europa u. a. viele Millionen Türken, Bulgaren, Ukrainer, Weißrussen, Juden, Griechen, Polen, Finnen und nicht zuletzt Deutsche. Wir Deutsche sind dabei Täter und Opfer, Vertreiber und Vertriebene zugleich gewesen. Dem Frieden hat diese nationalistische Politik der europäischen Staaten nicht gedient, denn Frieden hat wenig mit der willkürlichen Festlegung von Grenzen, aber viel mit der Achtung vor dem Recht von Menschen und Völkern und ihrer Geschichte zu tun.

Frieden und Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Es muß gerecht zugehen, es muß Ge- rechtigkeit herrschen, wenn man einen Frieden will, der mehr ist als ein Zustand, in dem nicht geschossen wird. Das Menschenrecht auf die Heimat - nicht auf irgendeine, sondern auf die Heimat - gehört untrennbar dazu. Wer Menschen aus ihrer Heimat vertreibt oder ihnen die Heimat zur Fremde macht, der ist nicht gerecht und dient nicht dem Frieden. Lassen Sie mich nur den Blick auf die Gegenwart und in die Zukunft richten die so eng mit der Vergangenheit verknüpft sind!

Europa hat sich binnen weniger Monate entschei- dend verändert. Der Ostblock gehört der Vergan- genheit an. Stalins Imperium löst sich auf. Un- garn, Polen und die Tschechoslowakei werden nicht mehr von Kommunisten regiert und sind auf dem Weg zur Europäischen Gemeinschaft des Westens. Litauen, Estland, Lettland und andere smd dabei, sich von Moskau zu lösen und ihre Unabhängigkeit zu erringen - von den 15 Sowjet- republiken haben sich sieben als mehr oder weniger unabhängig von der Moskauer Zentrale erklärt.

Der rumänische Diktatur Ceausescu wurde in einer blutigen Revolution hingerichtet. Sein bulgarischer Kollege Schiwkow mußte zurücktreten. Und in Berlin regiert erstmals seit 1933 eine demokrati- sche Regierung mit dem Auftrag der Wähler, das deutsche Volk wieder in einem Staat zu vereini- gen Alles spricht dafür, daß dieser Auftrag noch w - ! r ie m ,ahr e r f ü l l t w i r d- nachdem mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie dem Abbau der unmenschlichen Grenzen der erste große Schritt bereits Wirklichkeit geworden ist.

ich widerstehe an dieser Stelle - wie ich zuge- be, ungern - der für einen Politiker reizvollen

Versuchung, die Haltung der Parteien zur deut- senen hmheit und zum jüngsten Prozeß des

^isammenwachsens im Wechsel der Zeiten zu 5>eieuchten. Das wäre ein abendfüllendes eigenes

ihema. Wir haben auch bei uns keinen Mangel an opportunistischen Wendehälsen, denen Par- teitaktik über alles z u gehen scheint,

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Z e i s t S i c h w i e c»e r einmal, wenn der Wind

r w u ,u ' „d r e h e n s i c h auch a l le Wetterfahnen, weshalb sollte man sich auch nicht an Wetterfah- n Ü ! ?1!6m e r e n>w e n n man den rechten Kurs sucht, und die größte und vom offensichtlichsten upportunismus getriebene Wetterfahne darf und wird kein Kanzler der Deutschen werden!"

(3)

11. August 1990 - Folge 32 - Seite 3

Interview

J u r i j I w a n o w (62) lebt als Schriftstel- l e r u n d Bestsellerau- t o r - von seinen ins- gesamt 30 Titeln sind mehrere ü b e r s e t z t w o r d e n , u . a. i n s Japanische - in K ö - nigsberg. N a c h d e m er als blutjunger Rot- armist 1945 b e i den Kämpfen u m die ost-

E

reußische Provinz-

auptstadt dabei war, entwickelte er e i n immer s t ä r k e r e s Interesse für die v o n der U d S S R 1946 in K a l i n i n g r a d umbenannte Stadt. Iwanow, Vorsitzender der „ K a l i n i n -

?

;rader Sektion des sowjetischen K u l t u r - onds", reiste u n l ä n g s t als erster Bürger der Stadt nach Flucht u n d Vertreibung i n die B u n d e s r e p u b l i k . I m Interview gibt der Literat, der auch schon für unsere Wochen- zeitung geschrieben hat (siehe „ E i n e Reise aus K a l i n i n g r a d nach K ö n i g s b e r g u n d z u - rück", Folgen 17 b i s 20/90, jeweils S c h l u ß - seite), A n t w o r t e n auf zahlreiche Fragen u m eine Stadt, die langsam, aber sicher aus dem D u n k e l totaler Isolation heraustritt: War- u m wurde die Ö f f n u n g für Touristen noch nicht vollzogen? W i e weit s i n d die P l ä n e für eine wirtschaftliche Sonderzone i m nördlichen O s t p r e u ß e n gediehen? Wie wirkt sich die E n t w i c k l u n g i m B a l t i k u m aus? U n d w i e viele Deutsche leben heute i n K ö n i g s - berg?

Frage: Herr Ixvanow, wann haben Sie begonnen, sich für die Geschichte Königsbergs zu interessie- ren?

Iwanow: Diese Thematik hat mich von dem Augenblick an fasziniert, in dem ich die Stadt zum ersten M a l sah. Das war i m A p r i l 1945 beim Angriff auf Königsberg. Zunächst war dieses Interesse eine eher kindliche Neugier- de. Aber 1961 habe ich dann bereits meinen ersten Fremdenführer, einen Führer durch das

„Kaliningrader Gebiet?' veröffentlicht. In dem Manuskript habe ich auch schon auf den ost- preußischen Ursprung dieser Stadt und die Deutschen, die dort gelebt haben, hingewie- sen. Aber leider sind alle Sätze und Abschnitte mit diesen Hinweisen der ideologischen Zen- sur vor der Drucklegung zum Opfer gefallen.

D i e K ö n i g s b e r g e r Börse (heute

„ I n t e r n a t i o n a l e s Haus der Seeleute"):

Wirtschaftliche Situation w i r d immer

problematischer Foto aus R. Heidemann, Verbotenes Ostpreußen

Aber ist Kaliningrad denn überhaupt noch Königsberg? Ist nicht die Historie durch die Zer- störungen im und nach dem Krieg völlig ausge- löscht/

Iwanow: Sehr vieles ist leider zertrümmert worden oder später zerfallen. Darum bemüht sich der Kulturfonds, in Verbindung mit alten Königsbergern in der Bundesrepublik, um den Wieaeraufbau wichtiger Kulturdenkmäler.

Eines der Projekte ist der Königsberger Dom.

Außerdem soll das alte Kant-Denkmal, wie es Christian Daniel Rauch geschaffen hat, wieder erstehen. Eine Zeitlang stand an seiner Stelle Ernst Thälmann - aber jetzt ist das Podest wieder frei...

Glückwunsch. Haben Sie zeitliche Vorstellun- gen?

fen. Andere sind beispielsweise Deutsche aus dem Baltikum, die ebenfalls im Laufe der Zeit zugezogen sind und häufig erst jetzt, nach der allgemeinen Liberalisierung, sich z u ihrer Nationalität bekennen. Mitunter stammen sie von einem deutschen und einem anderen, etwa litauischen, Elternteil ab.

Haben diese Deutschen Kontakt untereinander?

Iwanow: U m diese Kontakte herzustellen, wurde inzwischen eine „Deutsche Gesellschaft"

in Königsberg gegründet.

Im Verband der Sowjetbürger deutscher Natio- nalitätgibt es den Plan, im nördlichen Ostpreußen einen Ersatz für die 1941 von Stalin zerschlagene Autonome Republik der Rußlanddeutschen einzu- richten. Wird darüber in Königsberg diskutiert?

Iwanow: Ja, dieser Plan ist mir bekannt. Es

Jurij Iwanow:

„ E i n e sofortige Öffnung ist wichtig"

Der Königsberger Schriftsteller über Situation und Perspektiven des nördlichen Ostpreußen

Vor der Glasnost-Ära leider verständlich, denn bis vor kurzem war ja wohl jeder Hinweis auf die tatsächliche Geschichte Königsbergs verboten und unmöglich?

Iwanow: Ja, das stimmt.

Kalinin als einstiger enger Weggefährte Lenins und Stalins steht heute in der Sowjetunion nicht mehr hoch im Kurs. Wie lange wird sich die Stadt denn noch den Namen Kaliningrad zumuten las- sen?

Iwanow: Im Herbst letzten Jahres fand in Moskau eine Wissenschaftler-Konferenz des sowjetischen Kulturfonds statt, wo Fragen der Namensänderungen - nicht nur Königsberg betreffend - erörtert wurden. Dabei formulier- te man die Empfehlung, 30 alte Städte wieder zurückzubenennen, darunter Königsberg und zum Beispiel auch Tilsit. U n d im Alltag unse- rer Stadt wird heute auch wieder ganz offen über die Geschichte gesprochen, Begriffe wie Königsberg und Ostpreußen werden wieder allgemein oenutzt.

Iwanow: Das Kant-Denkmal soll schon i m A p r i l 1991 fertig werden - zum 267. Geburts- tag des Philosophen.

Gibt es denn noch alteingesessene Königsberger, die bis heute dort leben und Innen Tips geben können?

Iwanow: Praktisch alle Deutschen sind nach Kriegsende vertrieben worden, mit Ausnah- me von ganz wenigen, die in einigen Betrieben als Arbeitskräfte festgehalten wurden. Und dazu vielleicht noch einige wenige, die ihr Deutsch- tum verbergen und sich a ß Litauer ausgeben konnten.

Im Januar dieses Jahres gab es eine Volkszählung in Königsberg. Wie viele Einwohner der Stadt sind danach Deutsche?

Iwanow: Im Stadtgebiet sind es nach dieser Zählung heute 3000 Deutsche.

Das sind demnach später Hinzugezogene, even- tuell Wolga-Deutscher

Iwanow: Z u m Teil sind es in der Tat Deut- sche aus Kasachstan, die oftmals lange bean- tragt haben, nach Königsberg ziehen z u dür-

Im G e s p r ä c h v o r dem R e d a k t i o n s g e b ä u d e unserer Zeitung i n der Hamburger Parkallee:

Jurij Iwanow und Ansgar Graw, der das Interview führte

geht in der Tat um die Errichtung einer Auto- nomen Republik in Nord-Ostpreußen, also nicht um eine eigenständige Republik oder gar die Loslösung. Aber eine solche Republik müßte selbstverständlich multikultureller und multi- nationaler Natur sein, jeder müßte dort leben dürfen.

Gibt es Chancen für eine Realisierung?

Iwanow. Im Moment ist es sehr schwierig oder sogar unmöglich, eine Prognose abzuge- ben. Wie in der gesamten UdSSR türmen sich in Königsberg gewaltige aktuelle Probleme - die Fragen der Wirtschaft, die Folgen der bal- tischen Entwicklung, das allgemeine Verhält- nis zwischen Deutschland und Sowjetunion.

Erst wenn es in diesen Fragen klare Linien gibt, wird man auch nachgeordnete Probleme in der einen oder anderen Weise angehen können.

Es heißt, daß sich inzwischen auch außerhalb der Stadt, also im nördlichen Ostpreußen viele Deut- sche angesiedelt haben. Manche nennen die Zahl 20 000?

Iwanow: Die Zahl kenne ich nicht, sie wird auch insgesamt nicht einfach und in jedem Fall zuverlässig zu ermitteln sein.

Stichwort Litauen: Wie wirkt sich Wilnas Loslö- sung von Moskau auf Ostpreußen aus? Welche Auswirkungen hatte die Blockade-Politik Moskaus?

Iwanow: Z u Spannungen ist es dadurch jedenfalls nicht gekommen, i n keiner Weise.

Auch die Grenzen blieben für uns nach Litau- en und von Litauen her offen. Problematisch für die Litauer dürfte aber gewesen sein, daß sie zuvor aus Ostpreußen Heizmaterialien, vor allem auch Dieselkraftstoff, geliefert bekamen, was dann auf Geheiß von oben vorüberge- hend beendet wurde.

Womit wir bei der Wirtschaft sind. Was wird denn aus den Überlegungen, im nördlichen Ost- preußen eine freie Wirtschaftszone einzurichten?

Iwanow: Nun, es sind bereits viele Verträge diesbezüglich unterzeichnet worden. In ande- ren Fällen werden noch Verhandlungen ge- führt und stehen z u m Teil kurz vor dem Abschluß. Hier scheint aber auch Eile geboten.

Denn infolge der Entwicklung i m Baltikum

und der allgemeinen wirtschaftlichen Situa- tion droht Nord-Ostpreußen in völlige Isolie- rung zu geraten.

Warum gibt es dann noch keine klare, definitive Politik?

Iwanow: Ich hoffe, die Politik i n dieser Angelegenheit wird sehr bald klarer. Und ich hoffe, d a ß auch die Militärs die Notwendig- keit einsehen und erkennen, wie problema- tisch die Versorgung in Zukunft werden wird.

Am 4. Juli hatte ja der Kaliningrader Stadt-Sowjet schon verkündet, Königsberg sei nunmehr für den Tourismus geöffnet. Warum und von wem wurde wenig später diese Zusage wieder zurückgenom- men?

Iwanow. Vor allem das Militär hat hier sei- nen Einfluß geltend gemacht, und außerdem der Sowjet des Oblastes, der - i m Gegensatz zu den Verantwortlichen in der Stadt - die Meinung vertreten hat, für eine Öffnung sei es noch z u früh, die Region müsse zunächst vorbereitet werden. Das heißt, auch diese Kräfte sind nicht definitiv gegen eine Öffnung der Region, aber ihnen geht die Entwicklung z u schnell. Chrumenko, der Vorsitzende des Stadt- Sowjets, hat mir noch vor meiner Abreise in die Bundesrepublik versichert, d a ß er aber trotzdem an der Forderung nach sofortiger Öffnung festhalte und daß der entsprechende Beschluß des Stadt-Sowjet nicht zurückgenom- men werde.

Aber der Sowjet des Oblast läßt nicht mit sich reden?

Iwanow: Auch dort sind von 100 Deputier- ten 30 schon der Ansicht, d a ß die Öffnung dringend notwendig sei. Denn auch sie sind überzeugt, daß auf andere Weise die wirtschaft- liche Perspektive der Region miserabel ist.

Wie sieht denn der Alltag in Königsberg gegen- wärtig aus? Wie klappt die Versorgung?

Iwanow: Die Situation ist schon jetzt sehr schlimm. Die meisten Lebensmittel gibt es nur gegen Lebensmittelkarten. Vieles ist ausschließ- lich auf dem Markt erhältlich. Brot, Milchpro- dukte aller Art, auch Zucker ist ausreichend vorhanden. Aber Heisch oder Käse findet man nicht mehr in den Geschäften, nur noch auf dem Markt. Sie als Deutscher können sich in die Situation überhaupt nicht hineinversetzen.

Und uns hilft eigentlich nur noch unser Humor.

Was sagt denn Boris Jelzin, der Präsident Ruß- lands, zu der Idee einer Öffnung des Gebietes?

Iwanow: Wir haben ihm einen Brief geschrie- ben, in dem wir um seine Unterstützung bit- ten. Von Jelzin ist bekannt, daß er auf unserer Seite steht. Und er hat sogar schon geäußert, wenn Moskau sich weiter dagegen sperre, werde die Russische Föderative Sowjet-Republik - zu der Königsberg ja gehört - die Öffnung von sich aus durchsetzen. Auch für die Einrich- tung einer Freihandelszone in dem Gebiet hat er auf einer Tagung des Obersten Sowjet Rußlands plädiert.

Vytautas Landsbergis, Parlamentspräsident Li- tauens, hat kürzlich einmal die Prognose geäußert, Nord-Ostpreußen werde in baldiger Zukunft ent- weder zu Litauen oder zu Polen gehören, aber bestimmt nicht mehr zu Rußland.

Iwanow: Also, von polnischen Ansprüchen auf dieses Territorium ist mir nichts bekannt.

Das Verhältnis zu Litauen ist etwas kompli- zierter. Dort wollen einige Leute beweisen, daß die Hälfte des nördlichen Ostpreußens, bis zur Pregellinie, früher einmal von der Bevölke- rung her litauisch gewesen sei. Ich bin aber sicher: Was auch immer geschehen w i r d , Königsberg wird niemals z u Litauen oder zu Polen gehören.

(4)

Politik

Ens CflptruficnMait 11. A u g u s t 1990 - Folge 32 - Seite 4

I n K ü r z e

Königsberg nun doch offen

D i e o s t p r e u ß i s c h e Landeshauptstadt ist nach Informationen eines Hamburger R e i - seunternehmens n u n doch z u g ä n g l i c h . D e r russische P r ä s i d e n t Jelzin s o l l danach der Bitte des B ü r g e r m e i s t e r s v o n K ö n i g s b e r g nachgekommen sein, die Stadt für T o u r i - sten z u öffnen.

Polen will alles

Nach Sicherung der Oder-Neiße-Linie rich- tet sich die Warschauer Expansionspolitik jetzt offenbar auf Nord-Ostpreußen. Als ersten Schritt wurde in Polen jüngst das bisher vorenthalte- ne Durchfahrtsrecht polnischer Schiffe vom Frischen Haff in die Ostsee über Pillau gefei- ert.

„Berlin undenkbar ohne Königsberg"

Hans Mundorf, Journalist beim westdeut- schen „Handelsblatt", wies kürzlich auf die zentrale Bedeutung Königsbergs für Berlin als Hauptstadt hin. Ohne die Stadt am Pregel u n d andere p r e u ß i s c h e Metropolen h ä t t e Berlin nie eine so große Rolle spielen kön- nen. Berlins Gegenwart ist laut Mundorf auch gekennzeichnet von der durch polnischen und sowjetischen Expansionismus geschaffenen Amputation dieser anderen Zentren Preußens u n d Deutschlands.

Walser hilft Dresden

Martin Walser, diesjähriger „Ricarda-Huch"- Preisträger der Stadt Darmstadt, hat den größ- ten Teil des Preisgeldes in Höhe von 10 000 Mark der Dresdner Bürgerinitiative für den Wiederaufbau der durch alliierte Terrorangrif- fe am 13. Februar zerstörten Frauenkirche ge- spendet.

PDS milliardenschwer

M i t einem Finanzpolster von schätzungs- weise mehreren Milliarden Mark bereitet sich die SED-Nachfolgerin P D S nun auf ihren Vormarsch nach Westdeutschland vor. Vor- schläge, mit den Erben Stalins zusammen- zuarbeiten, stoßen i n weiten Teilen der L i n - ken, bis hinein i n die SPD, auf offene Ohren.

fit

An unsere Leser im Norden

Dr. C a r l Gustaf Ströhm, Osteuropa- Korrespondent der „Welt", spricht auf einer Vortragsveranstaltung der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft am 12. September 1990 u m 19.30 U h r i n der Patriotischen Gesellschaft i n H a m - burg z u m Thema „Revolution i n Ost- u n d Mitteleuropa - Chancen u n d Ge- fahren".

Vergleich;

Capitale Berlin - auf den Pfaden Wiens?

Emnid: Sachsen und Thüringer zu 85 Prozent für alte Hauptstadt / Doch Gegner formieren sich auch

Die Debatte über die zukünftige deutsche Hauptstadt dauert an. Für Millionen ist die Frage längst entschieden. Auch in den schwie- rigsten Nachkriegsperioden w ä h r e n d der Blockade und angesichts der Mauer, die quer durch die deutsche Hauptstadt lief, gab es nie einen Zweifel, d a ß Berlin die Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands sein w ü r d e .

Aber die Gegner formieren sich. Z u ihnen gehört nunmehr auch der baden-württember- gische Ministerpräsident Lothar Späth, der es für richtig hielt, öffentlich sein Erstaunen über die angeblich in Deutschland ausgebrochene Berlin-Euphorie zu äußern.

In einem Punkt hat er recht: Es ist kaum zu fassen, d a ß von interessierter Seite noch ein- mal eine Berlin-Diskussion in Gang gebracht worden ist. Viele Argumente - von den K o - sten bis zur Lage - smd schon genannt wor- den. Auch dieser Test hat ergeben, d a ß Berlin vorne Hegt. Aber noch ist der Kampf u m den zukünftigen Sitz der deutschen Hauptstadt nicht entschieden.

Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang den Blick auf eine andere Hauptstadt eines deutsch- sprachigen Staates zu werfen: auf Wien. Nie- mand hat nach dem Kriege gezögert, Wien für die einzig denkbare Hauptstaat Österreichs zu halten, aber die Geschichte Wiens zeigt, daß die Völker und Nationen mit der Ward und der Pflege ihrer Hauptstadt sehr sorgsam umgehen sollten. Wien ist ein Beispiel dafür, denn Hauptstadt im eigentlichen Sinne des Wortes ist Wien bis zum Ende des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" in den Jahren 1804-1806 nie gewesen.

Der Reichstag hatte keinen festen Sitz. Er wanderte. Erst seit 1663 wurde Regensburg der immerwährende Sitz der Tagungsstätte der Fürsten des Reiches, die ihre Zusammenkünf- te mit dem anspruchsvollen Wort „Reichstag"

umschrieben. Gelegentlich ist - manchmal i m Scherz - gefragt worden, ob Maria Theresia eine deutsche oder eine österreichische Kaise- rin gewesen sei. Ihre Basis war das Erzherzog- tum Österreich mit Wien, aber österreichische Kaiserin war sie nicht. Ihr Gemahl - Franz I.

von Lothringen - war kurze Zeit Oberhaupt des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation", und seine Gemahlin - eben Maria Theresia - war Kaiserin des Reiches, jenes staatenbundähnlich konstruierten Gebildes, das keine eigentliche Hauptstadt kannte.

Im späteren Mittelalter - im Jahr 1273 - endete im Reich die „kaiserlose, die schreckliche Zeit".

Das Geschlecht der Habsburger folgte und blieb - abgesehen von einigen Unterbrechungen for- mell bis 1806 an der Spitze. Es folgte der Deutsche Bund mit einem Bundestag in Frank- furt am Main. Eine Periode erbitterter Rivali-

Glück wünsch:

Dr. Herbert Hupka wird 75 Jahre

BdV-Vize gründet bereits 1948 die Landsmannschaft Schlesien

Z u m ersten M a l seit der Vertreibung i m Oktober 1945 konnte Dr. Herbert H u p k a vor wenigen Wochen seine Heimat besuchen. E i n schöneres Geburtstagsgeschenk konnte es für den seit 1968 amtierenden Bundesvorsitzen- den der Landsmannschaft Schlesien, der am 15. August sein 75. Lebensjahr

vollendet, kaum geben.

Dabei wurde rierbert H u p - k a , der sich w i e k a u m ein zweiter Vertriebenenpolitiker für Ostdeutschland, vor allem aber für seine schlesischen Landsleute einsetzt, gar nicht dort geboren, sondern i m fer- n e n C e y l o n . Seinen V a t e r Professor Dr. Erich H u p k a und dessen hochschwangere Frau Therese hatte es dorthin ver- schlagen, als sie auf dem W e g nach Tsingtau i n C h i n a i m H a f e n d e r c e y l o n e s i s c h e n Hauptstadt C o l o m b o einen Zwischenstopp einlegten u n d Kj

von der englischen Kolonial- , ,

macht interniert wurden. W i r d 7 5 : D r- H- H u p k a Erst i m Alter v o n vier Jah-

ren betrat H u p k a i m Sommer 1919 schlesi- schen Boden. Hier erlebte er später als Schü- ler des Evangelischen Gymnasiums Ratibor, wie sich das völkerrechtswidrige Versailler Diktat der Siegermächte auswirkte. Weite Teile Ost-Oberschlesiens waren ja an Polen abge- treten worden, obwohl die betroffene Bevöl- kerung ganz anders abgestimmt hatte. Nicht zuletzt dieser Zeitabschnitt dürfte p r ä g e n d gewesen sein für das Handeln und Wirken

des Vertriebenenpolitikers H u p k a i n den Nachkriegsjahren.

1940 schloß Herbert H u p k a sein Studium der Philosophie an der Universität Leipzig ab, w a r anschließend bis Mitte 1944 Kriegs- teilnehmer u n d erlebte am 30. M ä r z 1945

den Einmarsch der Roten A r - mee i n Ratibor. Zusammen mit seiner Mutter gelangte er nach M ü n c h e n .

H i e r hob er 1948 mit d e m Schlesierverein die Landsmann-

tät zwischen Preußen und Österreich beherrsch- te dann das staatspolitische Feld des zentralen Europas. Der Bund war schwach. Bismarck, der vorübergehend Preußen in Frankfurt als Gesandter beim Deutschen Bundestag vertrat, bemerkte, d a ß die Frankfurter Vertreter der deutschen B u n d e s l ä n d e r ihre umfassende Tätigkeit in der Regel bis zum Mittagessen erledigt hätten.

Doch zurück nach Wien. Dort regierte seit 1804 der Kaiser von Österreich. Wien war Metropole und Hauptstadt. Diese Herrschaft dauerte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges.

kerung b e g r ü ß t e A n s c h l u ß zustande. 1945 erlebte Klem-Österreich seine Wiedergeburt.

Dieser Teü der Entwicklung wurde mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages i m Jahr 1955 abgeschlossen. .

Seitdem b e m ü h t sich Osterreich mit Hilfe einer relativ erfolgreichen Wirtschaftspolitik u m den ökonomischen Fortschritt. Die Metro- pole Wien bietet sich - fast wie Genf - als Sitz internationaler Behörden und Einrichtungen an. Die kulturelle Tradition wird gewahrt. Doch es bleibt so: Für die heutige Konstruktion des Staates Österreich - der zweiten Republik - ist Mit den Verträgen von St. Germain und Tria- die Hauptstadt Wien z u groß und das Land zu non wurde die ö s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e klein. Die Attraktionskraft Wiens für mterna-

tionale Behörden hält sich m Grenzen. Ehe Bewerber stehen nicht gerade Schlange. Die Randlage Wiens erschwert die weitere Ent- wicklung. Der NeutraÜtätsvertrag aus dem Jahr 1955 lähmt außenpoÜtische Entfaltungsmög- lichkeiten und den Zugang z u internationalen Organisationen.

U n d Berlin? Denken w i r an die zwanziger Jahre. Was haben die Berliner und ihre Gäste und Freunde damals aus der deutschen Haupt- stadt gemacht: Eine w e l t b e r ü h m t e Metropole mit enormen Attraktionskräften, vor allem auch i m kulturell-künstlerischen Bereich. Die Her- ausforderungen des Zweiten Weltkrieges, der Blockade und der Mauer hat die Stadt - wenn auch mit vielen Blessuren - überstanden. Jetzt ist die T ü r geöffnet. Die Chancen für eine bemerkenswerte Entwicklung sind groß. Sie wurden verspielt, wenn kleinkarierte Provin- zialisten unci allzu ängstliche G e m ü t e r Berlin seiner Hauptstadtfunktion i m wiedervereinig- ten Deutscnland berauben w ü r d e n .

Eine große Stadt - gleich ob Wien oder Berlin - braucht eine klare Konzeption u n d eine er- kennbare Perspektive. In Wien hapert es da- bei, aus G r ü n d e n , die kaum reparabel sind. In Berlin sind viele Voraussetzungen für eine bemerkenswerte Zukunft gegeben. W i r müs- sen sie nur nützen. Werner M ü h l b r a d t Doppelmonarchie z u den welthistorischen

Akten gelegt. In dem fast nur von deutsch- sprachigen Österreichern bewohnten Reststaat hatte die Stadt Wien sofort eine führende Position. M i t 1,63 Millionen Einwohnern lebte ein Viertel der österreichischen Bevölkerung in der Hauptstadt Wien. Das heutige Öster- reich hat 7,32 Millionen Einwohner. Oft wur- de erklärt, Wien sei ein Wasserkopf. Die Bun- desländer spielten so gut wie keine Rolle und der Staat „Österreich sei eine Fehlkonstruk- tion, dessen Gestalt nur aus der geschichtli- chen Entwicklung z u verstehen und z u erklä- ren sei. Eine Zahl mag diese Behauptung bele- gen. In der K. und K-Monarchie machten die Deutsch-Österreicher und die Ungarn nur zwei Fünftel der Bevölkerung des Gesamtstaates aus.

Die anderen drei Fünftel (die Italiener, die Ru- mänen und die slawischen Bevölkerungsteile) kümmerten sich in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg vornehmlich u m die Vertretung ihrer besonderen nationalen Ziele.

Rest-Österreich b e m ü h t e sich u m eine enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich und bezeichnete sich in der Verfassung als Teil des Deutschen Reiches. Doch die Siegermächte ver- hinderten diese Form der Kooperation und auch die in den 30er Jahren geplante Zolluni- on. 1938 kam der von der Mehrheit der Bevöl-

Mitteldeutschland:

Endlich Gelder aus den EG-Töpfen

Der einzige Nettozahler sollte Geld für die Einheit abfordern

M i t dem nun absehbaren Beitritt der Län- der der vormaligen D D R zur Bundesrepu- blik Deutschland werden eben diese L ä n d e r auch Mitglied der Europäischen Gemeinschaf- ten. Das v o n den Kommunisten i n vierzig Jahren heruritergewirtschaftete Mitteldeutsch- land ist damit aber auch der sozial wirtschaft- lich schwächste G r o ß r a u m innerhalb der E G . Z w a r gibt es i n den s ü d e u r o p ä i s c h e n L ä n - dern Regionen, man denke an T e ü e S ü d i t a - liens u n d Siziliens, i n denen das Pro-Kopf- Einkommen noch niedriger liegt als i m der- zeitigen T h ü r i n g e n oder Mecklenburg, aber berücksichtigt man den Zustand der Bau- substanz, die ökologischen Schäden etc., dann w i r d die zweifelhafte Spitzenreiterrolle M i t - teldeutschlands deutlich.

U n d w ä h r e n d i n Bonn überlegt w i r d , w i e der wöchentlich steigende Geldbedarf für die Sanierung der DDR-Wirtschaft aufge- bracht werden kann, nachdem man sich nicht z u r Erhebung eines das nationale Z u s a m - mengehörigkeitsgefühl förderlichen N o t o p - fer ä l a Bertin entschließen konnte u n d auch Steuererhebungen ausgeschlossen hat, w i r d eine der wichtigsten potentiellen Finanzie-

N u n ist eine Situation gekommen, w o die Bundesrepublik, die i n den n ä c h s t e n Jahren durch die Eingliederung der mitteldeutschen L ä n d e r schweren finanziellen Belastungen ausgesetzt sein w i r d , ihre Rolle v e r ä n d e r n k ö n n t e : Zumindest v o r ü b e r g e h e n d als ge- samtdeutscher Staat Nicht-Nettozahler z u sein.

D e n n die M ö g l i c h k e i t e n , die ausgeschöpft werden k ö n n e n , sind viele.

D a sind z u n ä c h s t die Z a h l u n g e n i m Rah- men der E G - A g r a r m a r k t o r d n u n g , die auch für die Ü b e r s c h ü s s e b z w . die Umstrukturie- rung der DDR-Landwirtschaft i n Anspruch genommen werden k ö n n e n . H i e r b e i handelt es sich beileibe nicht u m kleine S ü m m c h e n , denn die E G - A g r a r m a r k t o r d n u n g mit ihrer Garantieabnahme auch der Ü b e r p r o d u k t i o n verschlingt z w e i Drittel i n d e n Fonds der Gemeinschaft.

Da sind weiterhin die EG-Strukrurprogram- me zur R e g i o n a l f ö r d e r u n g , A n p a s s u n g zu- rückgebliebener Industrieregionen usw. Aber die D D R w i r d auch M i t g l i e d i n der „Euro- p ä i s c h e n Gemeinschaft für K o h l e u n d Stahl"

(EGKS), der sogenannten M o n t a n u n i o n . Daß schaff Schlesien aus der Taufe rungsquellen bisher kaum gesehen: Eben die die D D R der w e l t g r ö ß t e P r o d u z e n t von

Braunkohle ist, die minderwertiger als Stein- kohle u n d für die hohe Luftverschmutzung in Mitteldeutschland u r s ä c h l i c h ist, n ü t z t ihr dabei allerdings nicht, denn diese spielt auf d e m E G - M a r k t keine Rolle. A n d e r s sieht es aber mit der Stahlindustrie aus: A u c h hier sind die K a p a z i t ä t e n i n der D D R z w a r zu hoch u n d werden sich auf dieser H ö h e nicht halten lassen, aber für d i e erforderliche Umstrukturierung k ö n n e n die Kassen der M o n t a n u n i o n i n erheblichem M a ß e i n A n - spruch genommen werden.

Nicht vergessen sollte man auch die Eura- tom, die gemeinsame Organisation z u r fried- lichen N u t z u n g der Kernenergie, die zur Sanierung der baufälligen D D R - A t o m m e i l e r herangezogen werden k ö n n t e . H i e r tun sich für eine verantwortliche deutsche Politik viele Möglichkeiten auf, und Fachleute haben jüngst errechnet, d a ß die D D R ü b e r acht Milliarden M a r k aus den EG-Säckeln i n A n s p r u c h neh- men k ö n n t e , aber selbst nur z w e i Milliarden einzuzahlen brauchte. Nichts spricht dage- gen, das auch z u tun. J o a c h i m Weber u n d wirkte fortan, z u n ä c h s t in

den Reihen der SPD, ab 1972 bei der C D U , als unbeirrbarer u n d k o m p r o m i ß l o s e r Streiter für die Sache Ostdeutschlands. Seine Ä m t e r als Bundestagsabgeord- neter und Vizepräsident des B d V gaben ihm dabei zusätzlich Rück- halt. Seine Glaubwürdigkeit und seine fachliche Kompetenz eb- neten i h m d e n s c h w i e r i g e n Z u g a n g z u den M e d i e n , ver- schafften i h m nicht nur Gehör, sondern auch Respekt. Die her- a u s f i n d e rolitische, kulturelle u n d gesell- schaftliche Arbeit Hupkas fand neben Kritik auch ihre W ü r d i g u n g . Unter anderem wur- de er mit dem Bayerischen Verdienstorden u n d d e m G r o ß e n Bundesverdienstkreuz geehrt. U n d bestätigt wurde letztlich damit das, was es hier noch einmal festzuhalten gilt: Herbert H u p k a hat sich u m seine H e i - mat Schlesien verdient gemacht.

Herbert Ronigkeit

Europaische Gemeinschaft mit ihren zahl- reichen Fonds u n d Hilfsmöglichkeiten für wirtschaftlich benachteiligte Regionen.

Umdenken scheint auch hier schwerzufal- len, denn allzusehr hatte man sich i n den vergangenen Jahren an die - v o n den Bon- nern freilich s e l b s t g e w ä h l t e - Rolle des Zahlmeisters g e w ö h n t , auch dies einer der zahlreichen Sonderwege und Alleingänge der deutschen P o l i t i k . D e n n w ä h r e n d a l l e n anderen EG-Mitgliedern aus den gemeinsa- men Töpfen menr zufloß, als sie i n diese hineinsteckten, war es der Bundesrepublik vorbehalten, als einziger Nettozahler den anderen L ä n d e r n ü b e r Jahre hinweg diese Zahlungen z u leisten. U n d Bonn zeigte sich stets g r o ß z ü g i g . Beim Auftreten v o n Finan- z i e r u n g s l ü c k e n oder bei der Eingliederung der A g r a r - Ü b e r s c h u ß l ä n d e r Spanien u n d Portugal in die E G , war es stets die deutsche Seite, die z u m Scheckbuch griff, wenn alle anderen EG-Mitglieder nicht mehr bereit waren, h ö h e r e Beiträge der Gemeinschafts- kasse zur Verfügung z u stellen.

(5)

11. August 1990 - Folge 32 - Seite 5 £ u 5 C f i p r n i t o u f a u

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FBI-Direktor

J. E. Hoover deutete gegenüber dem Weißen Haus die Möglichkeit einer Entführung des Herzogs von Windsor an.

Doch Historiker vermuteten längst, daß dies nur

eine Maßnahme war, um den Monarchen

„weit vom Schuß"

zu halten.

Geschiehtskorrektur:

Edward VIII: Nach den Bahamas verbannt?

Der Herzog von Windsor galt als ein steter Befürworter eines Ausgleichs mit Deutschland

Ingolstadt/Washington - Der Zeitgeschicht- lichen Forschungsstelle Ingolstadt hegt ein Schreiben des früheren Direktors des „Fede- ral Bureau of Inverstigation" (FBI), John Edgar Hoover, an das Weiße Haus v o m 23. A p r i l 1942 vor, i n welchem der amerikanische Geheimdienstchef auf die Möglichkeit einer Entführung des Herzogs von Windsor durch die Deutschen aufmerksam macht. Der i m Dezember 1936 wegen seiner unstandesge- m ä ß e n Heirat mit emer geschiedenen A m e - rikanerin v o m englischen Thron z u r ü c k g e - tretene E d w a r d VIII. amtierte seit Juli 1940 als Gouverneur der Bahamas-Inseln i n Nas- sau u n d fühlte sich dort angeblich v o n ei- nem deutschen Kommando-Unternehmen bedroht. Es sollte den Herzog i n deutsche Gewalt bringen, u m i h n s p ä t e r gegen R u - dolf H e ß , der sich seit seinem England-Flug i m M a i 1941 i n britischem Gewahrsam be- fand, auszutauschen. FBI-Chef Hoover be- rief sich i n seiner v o n einem „persönlichen und speziellen Kurier" ü b e r b r a c h t e n Mittei- lung auf eine „vertrauliche Quelle" aus der Umgebung des Herzogs.

W i e ernst die B e f ü r c h t u n g e n E d w a r d s genommen wurden, zeigte sicn an der Ver- s t ä r k u n g seiner persördichen Schutztruppe.

Sie w u r d e auf 200 kanadische Elitesoldaten e r h ö h t u n d bewachte den Herzog rund u m die U h r .

Kundschafter, die diese lückenlose Bewa- chung bemerkten, legten sie freilich weniger als S c h u t z m a ß n a h m e denn als Ausdruck des Mißtrauens gegenüber dem ehemaligen König aus. F ü h r t e n doch viele die A b d a n k u n g Edwards VIII. nicht so sehr auf dessen L i a i - son mit Elisabeth Wallis Warfield, geschie- dene Simpson, zurück, als vielmehr auf die deutschfreundliche Einstellung des Königs, die nicht i n das Konzept der amtierenden Regierung g e p a ß t habe. Die Ernennung des ehemaligenMonarchen z u m Gouverneur der Bahamas-Inseln sei nur erfolgt, u m den k ö n i g l i c h e n Deutschland-Sympathisanten möglichst „weit v o m S c h u ß ' z u haben. A u f den Tausende v o n Kilometern entfernten Karibik-Inseln war der ehemalige König dem

Einflußbereich Berlins weitgehend entzogen u n d konnte schwerlich i n die europäischen Geschehnisse eingreifen; insbesondere konn- te er von Nassau aus wenig zugunsten eines deutschen Friedensvorschlags tun.

Tatsächlich galt E d w a r d VIII. als Befür- worter eines Ausgleichs mit Deutschland und hatte sich w ä h r e n d einer Deutschlandreise i m Herbst 1937 anerkennend ü b e r Errun- genschaften des „Dritten Reiches" ausgespro- chen. Der „ b e w u n d e r n s w e r t e n Organisation des Winterhilfswerkes" hatte er sogar eine

g

ersönliche Spende zukommen lassen. Sein esuch bei Hitler am 22. Oktober 1937 auf dem Obersalzberg verstärkte allgemein den Eindruck, d a ß der ehemalige englische König ein „Freund des neuen Deutschland" sei und den NS-Führer für einen bedeutenden M a n n halte. Des Herzogs vertraulicher Brief v o m Juli 1940 an seinen Nachfolger Georg V I . und seine umgehende Entsendung auf die Bahamas am 10. Juli 1940, als Hitler nach seinem Sieg über Frankreich sein „Friedens- angebot" an England formulierte, scheinen gleichfalls in diese Richtung z u deuten.

Mehr Klarheit i n alle diese M u t m a ß u n g e n w i r d sich erst bringen lassen, wenn auch die noch unter V e r s c h l u ß gehaltenen „ H e ß -

Papiere" freigegeben u n d der Forschung zugänglich gemacht werden. Die Freigabe des Hoover-Briefes k ö n n t e ein erster Schritt dazu sein. D r . A l f r e d Schicke!

Jubiläum:

„An der Etsch und im Gebirge..."

Südtirol feierte das 800jährige Bestehen des Deutschen Ordens

D e r H o c h - u n d Deutschmeistermarsch erklang auf dem Ritten oberhalb Bozens, als sich ein langer Festzug zur Deutschordens- kommende u n d der aus dem Jahre 1211 stammenden Deutschordenskirche in Bewe-

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ung setzte. Südtirol feierte das 800jährige estehen des Deutschen Ordens. Der G r u n d dafür war ein zweifacher: N u r wenige Jahre nach der O r d e n s g r ü n d u n g vor A k k o n i m Jahre 1190 ü b e r n a h m e n die Brüder i m wei- ßen Mantel mit dem schwarzen Kreuz Bur- gen u n d Hospitäler i n der Bailei „ A n der Etsch u n d i m Gebirge". In Lengmoos auf dem Ritten sicherte der Orden die alte K a i - serstraße, den St. Ulrichspaß, den Weg v o n Deutschland nach Italien. Ihn benutzten nicht nur Kaiser u n d Könige, sondern auch die Hochmeister, K o m t u r e u n d alle anderen O r d e n s a n g e h ö r i g e n , die v o m Ordensstaat in O s t p r e u ß e n z u den Ordensniederlassungen in R o m , A p u l i e n oder Sizilien m u ß t e n . E i n H o s p i z g e w ä h r t e Schutz u n d Hilfe. Z u m anderen verdankt der Orden Südtirol sein Überleben. V o n Hitler i n Deutschland u n d Ö s t e r r e i c h verboten, waren es vor allem Priesterkonvent in La na und Schwesternkon- vent i n Lanegg, die für Kontinuität sorgten.

A b e r auch auf dem Ritten selbst ist der Orden seit 1211 ohne Unterbrechung prä- sent. N o c h heute betreut er vier v o n den sechs Pfarreien. Der derzeitige Hochmeister, Dr. A r n o l d Wieland (Wien), wurde auf dem Ritten geboren u n d konnte jetzt zusammen mit hohen geistlichen W ü r d e n t r ä g e r n aus Rom, Österreich, der Schweiz u n d der Bun- desrepublik ein Pontifikalamt feiern, in dem auch zwölf bekannte Persönlichkeiten Süd- tirols als Famiiiaren in den Deutschen Orden aufgenommen wurden. Z u ihnen gehörten Landesrat für Schule u n d Kultur der deut- schen und ladinischen Volksgruppe, Dr. Bruno Hosp, u n d der Landeskonservator für Sudti- rol. . ,

Letzterer war an der Restaurierung der aus dem Jahre 1430 stammenden Kommende beteiligt, die ein wechselvolles Schicksal hinter

sich hat. V o n nun ab dient der erste Stock Ausstellungen zur Geschichte des Ordens, w ä h r e n d das zweite Stockwerk der 14 000 Seelengemeinde Ritten für Kunstausstellun- gen und Konzerte zur Verfügung steht. Der Orden stiftete also ein Kulturhaus für den Ritten, der auch für Deutsche eine beliebte Sommerfrische ist.

Durch den Wandel i m Ostblock sieht sich der Orden vor neue Aufgaben gestellt. In der CSFR konnte Hochmeister Wieland i n - zwischen den alten Hochmeistersitz in Freu- denthal besuchen und mit der Gemeinde einen großen Gottesdienst feiern. Die bisher i m Untergrund lebenden Deutschordensschwe- stern k ö n n e n wieder in Tracht in der Öffent- lichkeit erscheinen und in der Sozialarbeit wirken: Noch ist unklar, welche Niederlas- sungen der Orden zurückerhält, die sich insgesamt nicht i m besten baulichen Zustand tennden. Neue Hoffnungen gibt es auch in Slowenien, w o der Orden bis heute Pfarr- seelsorge treibt. In Laibach wurde dem Orden die große Kommende mitten in der Stadt von Tito genommen. Inzwischen ist die lan- ge als Unterstellplatz für Bänke und Stühle der „Ljubljanaer Festspiele" genutzte Kirche wieder ihrer eigentlichen Bestimmung über- geben worden. Was aus der Kommende wird, in der heute Verwaltungsstellen der Stadt arbeiten, ist unklar. Der Orden selbst hatte ein Einfamilienhaus am Rande der Stadt erworben und von dort aus seine Seelsorge weiter betrieben.

Beim Hoch- und Deutschmeistermarsch auf dem Ritten erinnerten sich manche Österrei- cher daran, d a ß das österreichische Hoch- u n d Deutschmeisterregiment heute als U N O t r u p p e bei Kuneitra auf dem Golan Dienst tut. Damit befinden sich junge Solda- ten als „Blauhelme" mit dem Zeichen des Ordens an ihren Uniformen wieder in der N ä h e Palästinas, w o der Orden vor achthun- dert Jahren seinen Anfang nahm.

Norbert Matern

„Freie gesamtdeutsche Wahlen dürften i m Ergebnis eine Mehrheit für die gemäßigten konservativen Parteien u n d die Sozialdemo- kraten bringen."

Das ist nicht eine vertrauliche Wahlpro- gnose eines Meinungsforschungsinstituts für den 2. Dezember 1990, sondern steht i m

„Intelligence Report N o . 6993" v o m 12. Juli 1955 des Washingtoner A u ß e n m i m s t e r i u m s , abgedruckt i n der neuesten Nummer der von der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI 8070 Ingolstadt, Schillerstr.

37) herausgegebenen „ZH-Informationen".

Es ist nicht das einzige Dokument, das sich i n Faksimile i n den „ZFI-Informationen"

findet. A u f insgesamt fünf Seiten sind acht weitere aufschlußreiche Dokumente in A b - lichtung ausgebreitet; darunter eine Resolu- tion pomischstämmiger Amerikaner v o m 30.

August 1942, in welcner nach der Kommen- tierung der „ZFI-Informationen" die heutige polnische Position gegenüber Deutschland und der Oder-Neiße-Linie „bereits vorweg- genommen ist", ein Brief Kardinal Frings' mit der Bitte u m Aufklärung der Schicksale verschleppter Jugendlicher, em Schreiben des Bischofs von Fort Wayne (Indiana) an Präsi- dent Roosevelt mit der Anregung, die deut- schen Bischöfe bei der Behandlung des deutschen Volkes z u Rate z u ziehen, sowie zwei Aufstellungen über jüdische Gemein- schaften i n Eichstätt und Garmisch-Parten- kirchen.

Der Leser erhält also eine Fülle weitge- hend unbekannter zeitgeschichtlicher Akten, deren Vervollständigung die Zeitgeschicht- liche Forschungsstelle in Aussicht stellt und den Beziehern der ZFI-Informationen" z u - gänglich machen w i l l .

Leserbriefe

Verhandlung möglich

Betr.: Folge 25/90, Seite 11, Memelland Litauen hat sich 1990 mit dem Stand v o m 16. Februar 1918 selbständig erklärt. Weder z u diesem Zeitpunkt noch vorher gehörte das Memelland z u Litauen. Z u r Zeit ist es unter litauischer Verwaltung. Jetzt w ä r e der Zeitpunkt, das Land Deutschland z u r ü c k z u -

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eben. D a weder die Bundesrepublik noch ie D D R eine gemeinsame Grenze mit dem Land haben, wäre der Anschluß an den Bezirk Königsberg gegeben. Deutsche Finanz- u n d Wirtschaftskreise verhandeln wegen einer Wirtschaftsfreizone mit der UdSSR. Dort könnten auch Rußlanddeutsche eine Heimat finden. Über die Mitbenutzung des Meme- ler Hafens ist eine Verhandlung möglich.

Walter Schmidtke, Varel

Treffend dargestellt

Betr.: Folge 30/90, Seite 1, „Polens Selbstisolie- rung" von Ansgar Graw

Ich bin selbst kein Ostpreuße, lese aber das Ostpreußenblatt seit vielen Jahren mit gro- ß e m Interesse, weil es Dinge anspricht, die zu sagen oder z u schreiben - freuncuich gesagt - „ u n b e q u e m " sind und die man deshalb m der allgemeinen Presse kaum finden kann.

In dem o. g. Artikel, der die Situation an sich sehr treffend darstellt, fand ich einen, nach meinem Empfinden, recht fatalen Satz:

„Noch am 27. Juni 1948 zitierte das ,Neue Deutschland' den SED-Politiker Otto Grote- wohl. .." Dieser Satz ist sachlich nicht falsch, Otto Grotewohl war 1948 ein SED-Pohtiker.

Aber hier wurde vergessen, dazu z u sagen, d a ß er vorher ein SPD-Mann gewesen war.

Ich hatte „ d a s G l ü c k " , 1945/46 i n der Sowjetzone z u leben, und ich habe bis heute nicht vergessen, wie widerlich die S P D - F ü h r u n g i n der Sowjetzone sich u m den

„ Z u s a m m e n s c h l u ß der A r b e i t e r k l a s s e "

bemühte (SPD + K P D = SED). Ich habe damals auch noch erlebt, wie man Menschen aus den nichtigsten G r ü n d e n „einsammelte" und wenig später, als ich schon mich abgesetzt hatte, erfuhr ich, d a ß die Russen mit der K P D das Lager Buchenwald weiter betrie- ben. M i t diesen Menschenverächtern tat sich also die SPD zusammen und ihr Vorsitzen- der Otto Grotewohl war sich nicht z u scha- de, sich über diesen Z u s a m m e n s c h l u ß auf den Sessel des Ministerpräsidenten z u hie- ven, u m dann der Vernichtung seiner SPD- Genossen in Buchenwald und Sachsenhau- sen und anderen K Z von hoher Warte z u z u - sehen.

Ich meine schon, d a ß derartige Einzelhei- ten nicht unter den Teppich kommen soll- ten. Walter Schacht, M ü n s t e r

Budapest:

Entschädigung für Ungarndeutsche

Magyaren richteten ein Schadensersatzamt für Kriegsfolgen ein

Der Ministerrat in Budapest hat die Ein- richtung eines Schadensersatzamtes beschlos- sen, das sich mit Kriegsfolgeschäden befas- sen wird. Es liegen in der zuständigen Abtei- lung des ungarischen Innenministeriums 86 000 Anträge auf Entschädigung für Ver- mögenseinbußen vor, die der deutschen Be- völkerung als Folge des Zweiten Weltkrie- ges entstanden sind.

In Fünfkirchen hatte die Recsker Gesell- schaft Wiedergutmachung für die Ungarn- deutschen gefordert. In diesem Zusammen- hang wurde auf Arbeitslager hingewiesen, in denen die Deutschen schuften m u ß t e n . Moralisch seien die einstigen Opfer rehabili- tiert, nun m ü s s e auch die finanzielle Wie- dergutmachung folgen. D i e A n s p r ü c h e werden für ausgesiedelte Nationalitäten auf den 31. Dezember 1944 zurückdatiert. Diese Regelung bezieht sich jedoch anscheinend nur auf die vertriebenen Ungarndeutschen.

Weiter ist vorgesehen, den Boden an Bau- ern zurückzugeben, die 1947 enteignet wur- den und die neute noch in der Landwirt- schaft arbeiten.

In Ungarn kam es von Dezember 1944 bis Februar 1945 zur Verschleppung deutscher Zivilpersonen durch die Rote Armee. Diesen

Verschleppungen waren arbeitsfähige Män- ner i m Alter von 16-45 und arbeitsfähige Frauen von 18-35 Jahren ausgesetzt. Etwa ein Viertel der Verschleppten überlebte die unmenschlichen Bedingungen in den Arbeits- lagern nicht. Die Überleoenden wurden meist nach Deutschland ausgesiedelt. Die deutsche Bevölkerung wurde auch durch die Enteig- n u n g s m a ß n a h m e n als ethnische G r u p p e schwer geschädigt. Die Bodenreform sowie die Enteignung von land- und forstwirtschaft- lichem Vermögen von „Landesverrätern und V o l k s f e i n d e n , wie die Deutschen jgenannt wurden, führten z u einer Entwurzelung der bäuerlichen Bevölkerung und stellten einen schweren Eingriff in den Bestand der deut- schen Volksgruppe dar. Die durchgeführte Enteignung Bewirkte eine V e r ä n d e r u n g der Struktur der deutschen V o l k s g r u p p e i n Ungarn, die auch Auswirkungen auf den Zusammenhalt hatte. Durch die nach der Enteignung einsetzende Landflucht wurde die gewachsene Familienstruktur verändert.

Die ehemals selbständigen Landwirte fan- den Arbeit in Industriebetrieben oder sie verdienten ihren Lebensunterhalt als G r u - benarbeiter. Das bäuerliche Element wurde durch die M a ß n a h m e n der Kommunisten weitgehend zerstört. A d o l f W o l f

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