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Khalil Gibran. Sand und Schaum. Das Buch der Aphorismen. Neu übersetzt und illustriert

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Academic year: 2022

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Khalil Gibran

S and und S chaum

Das Buch der Aphorismen

Neu übersetzt und illustriert

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

© 2018 Hans-Josef Fritschi

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt ISBN 978-3-8370-1889-9

Übersetzung: Hans-Josef Fritschi

Illustrationen: Hans-Josef Fritschi unter Verwendung von Bildern Khalil Gibrans

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D ieses kleine Buch ist nichts anderes als eine Handvoll Sand und eine Handvoll Schaum. Obgleich ich in seine Sandkörner die Samen meines Herzens säte und auf seinen Schaum den Grund meines Herzens leerte, so ist und bleibt diese Sammlung dem Ufer

näher als dem Meer und dem begrenzten Wunsch näher als der Begegnung, die sich durch Worte nicht begrenzen lässt.

Im Herzen eines jeden Mannes und einer jeden Frau gibt es ein wenig Sand und ein wenig Schaum. Doch einige von uns enthüllen,

was sich im Gefieder ihres Herzens verbirgt, während andere sich davor scheuen.

Was mich betrifft, so bin ich unbefangen und erröte nicht.

Khalil Gibran über „Sand und Schaum“

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Einführende Gedanken

Es gibt Künstler, die verbindet man einzig mit einem Werk. Das ist auch bei Khalil Gibran so, dem Künstler der Philosophie und Philosophen der Künste, der mit seinem Meisterwerk „Der Prophet“ in die Literaturge- schichte eingegangen ist. Dieser 1923 erschienene mystisch-spirituelle Text, der bis heute eine literarische Einordnung kaum möglich macht, wurde in über 40 Sprachen übersetzt und entwickelte sich gerade in Zeiten der Hippiebewegung zu einer Art Kultbuch (vergleichbar mit Hermann Hesses „Siddhartha“). Aber auch Jahrzehnte nach dem Ende von Flower Power werden allein in den Vereinigten Staaten jährlich noch mehrere Millionen Exemplare des Werkes verkauft.

Die Jugend in den 1960er-Jahren sah im „Propheten“ eine Inspiration für die Befreiung aus der rationalistischen Welt und den moralischen Tabus der bürgerlichen Gesellschaft. Der Erfolg dieses Buches ließ jedoch die anderen Werke des Künstlers (sowohl literarische als auch zeichneri- sche) in den Hintergrund treten. Sicher mag das daran liegen, dass Khalil Gibran im „Propheten“ den Gipfel seines künstlerischen Schaffens erreicht hatte. Allerdings wird die Reduktion auf sein Hauptwerk dem Autor Gibran nicht wirklich gerecht.

Khalil Gibran war künstlerisch sehr produktiv. Seine ersten literarischen Werke verfasste er auf Arabisch. Nachdem er sich dauerhaft in New York niedergelassen hatte, veröffentlichte er aber hauptsächlich in eng- lischer Sprache. Meist illustrierte er die Bücher auch mit eigenen Zeich- nungen. Bevor „Der Prophet“ auf den Markt kam, hatte er schon elf Werke veröffentlicht, u. a. „Die rebellischen Geister“, „Die gebrochenen Flügel“, „Eine Träne und ein Lächeln“ und „Der Narr“. Aber erst mit dem

„Propheten“ kam für Khalil Gibran der große Durchbruch. Bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1931 sollten noch zwei hinzukommen: „Sand und Schaum“ sowie „Jesus Menschensohn“. Mehrere weitere Werke erschie- nen posthum.

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Khalil Gibran war ein hochsensibler Mensch und nahm die Welt um sich herum sehr aufmerksam wahr. Kurz nachdem er 1912 nach New York gezogen war, schrieb er: „Ich tue zurzeit nichts anderes als durch die Straßen dieser gigantischen Stadt zu gehen, und die Schatten gehen hinter mir her. Den ganzen Tag lang schaue ich mit tausend Augen und lausche mit tausend Ohren. Und wenn ich spätabends heimkehre, ent- decke ich immer wieder etwas Neues und höre neue Stimmen.“ Er sagte einmal, er brauche drei Stunden, um wieder zu sich selbst zu kommen und seine Ruhe wiederzufinden, wenn er eine Stunde unter Menschen war. All diese Eindrücke hielt Gibran in unzähligen Notizen fest: „Wo ich auch gehe und stehe, ich habe immer etwas zum Schreiben bei mir, und von all dem, was ich notiert habe, habe ich nie etwas weggeworfen.

Auf diese Weise besitze ich eine Sammlung kleiner Worte, die ich auf- bewahre.“ Gibran schrieb auf alles, was er für das Festhalten von Ge- danken nützlich befand: Papierfetzen, Theaterprogramme, Enden von Zigarettenschachteln oder zerrissene Briefumschläge.

1920 fasste er die Entscheidung, seine Notizen als Aphorismensamm- lung herauszubringen, damals noch unter dem Titel „Der Weg der sie- ben Tage“. Durch die intensive Arbeit am „Propheten“ sollte es jedoch bis zum Jahr 1926 dauern, bis der kleine Band – versehen mit einigen Zeichnungen aus der Hand des Autors – erschien, nun unter dem Na- men „Sand und Schaum“.

Die ausgesprochen bildhafte und melodiöse Sprache des „Propheten“

findet sich auch in diesen kurzen Texten wieder. Allerdings umfassen die Aphorismen das ganze Spektrum menschlichen Empfindens und Denkens. So finden sich leichte, fast humorvolle Wortspiele neben tief- gründigen und mitunter schwer verständlichen Gedankengängen. Vieles erinnert an Skizzen eines Malers, nur kurz angerissen, aber nicht ausge- arbeitet. Dies gerade macht den eigentlichen Reiz von „Sand und Schaum“ aus. Seine kurzen Texte laden zum Nachdenken und auch Weiterdenken ein. So ist es möglich, dass jeder Leser das Gelesene aus eigenem Blickwinkel interpretiert und die Worte für jeden eine persönli- che Botschaft übermitteln können.

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Es stellt sich natürlich die Frage, ob diese Gedanken für die heutige Zeit noch wertvoll sein können. Seit ihrem Erscheinen wurden Gibrans Texte nicht selten als schwärmerisch, verklärend und romantisierend kritisiert.

Man wird Mystisches, Spirituelles und Religiöses als tragende Elemente durchgehend in all seinen Schriften finden, und das war schon im frü- hen 20. Jahrhundert für manche ein Grund sie abzulehnen. Man kann vermuten, dass dies fast einhundert Jahre später nicht anders ist. Viel- leicht ist eine solche Abwehr heute sogar noch häufiger anzutreffen – außer in spirituellen oder esoterischen Kreisen.

Die Zeiten haben sich gewiss geändert, auch seit der Hippiebewegung, als Khalil Gibran mit seinen Worten das Lebensgefühl und die spirituelle Sehnsucht einer ganzen Generation ansprach. Die Aufbruchsgefühle von damals sind einer Ernüchterung gewichen. Zwar wurden inzwischen viele moralische Verkrustungen aufgebrochen, doch ging damit keine wahre Befreiung des Menschseins auf all seinen Ebenen einher. Die Visionen einer holistischen Verbundenheit von Natur, Geist und Mensch, die zu einer friedlichen und gerechten Gesellschaft führen sollten, sind ausgeträumt, und die Blumenkinder von damals beginnen inzwischen die Alten- und Pflegeheime zu bevölkern. Der technologi- sche Fortschritt, gegen den man damals noch aufbegehrte, hat seinen Siegeszug längst angetreten und ist mit der Beherrschung des Gens nun mitten ins Zentrum des Lebens selbst vorgedrungen.

Der Fortschritt des letzten halben Jahrhunderts betrifft jedoch nicht nur das Technologische, er greift inzwischen schon weit ins Philosophische, Kulturelle und Weltanschauliche hinein. Die Philosophie hat das Geistige scheinbar endgültig überwunden und das Materielle zur alleinigen Grundlage alles Existierenden erklärt. Eine szientistische Naturwissen- schaft beansprucht die Deutungshoheit nicht nur über Physik, Chemie oder Biologie, sondern auch über Kultur-, Sozial- und Geisteswissen- schaften. In der Medizin wird heilen künftig nur noch statthaft sein, wenn es auf anerkannter naturwissenschaftlicher Basis geschieht. Für die Psychologie gilt dasselbe und das Thema Religion soll sich im Laufe der Zeit von selbst erledigen – so die Hoffnung nicht weniger.

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Schließlich hat ein neoliberaler Raubtierkapitalismus entscheidend dazu beigetragen, dass das Gefühl der Verbundenheit mit den anderen und ein Bewusstsein für soziale Verantwortung immer mehr verloren ging.

Die Ideologie des „Jeder ist sich selbst der Nächste“ hat die Gesellschaf- ten – vom Einzelnen meist völlig unbemerkt – infiziert und droht sie nun zu untergraben und wie ein Krebsgeschwür zu zerstören.

Inmitten dieser äußerst verunsichernden Zeiten gibt es aber immer noch die Fragen von damals, wie beispielsweise jene nach dem Leben, seinem Ursprung, Sinn und Ziel – Fragen, auf die der Fortschritt keine Antworten geben konnte. Das Bedrückendste allerdings scheint zu sein, dass es diese Fragen noch immer gibt, sie jedoch scheinbar von immer weniger Menschen bewusst gestellt werden. In einer Welt des ständig verfügbaren Virtuellen, der pausenlosen Information, der subtilen Ma- nipulation unseres Denkens und Handelns und der gezielten Untergra- bung demokratischer Grundelemente scheint der Mensch als freies und selbstbestimmtes Wesen resigniert zu haben.

Dies nun ist eine zugegeben recht negative Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen Lage, die zu einem fatalistischen Resümee führen könn- te. Hier nun kommt Khalil Gibran wieder ins Spiel. Seine Schriften haben durchaus das Potenzial, die vom gegenwärtigen materialistisch- naturalistisch-kapitalistischen System beherrschten Menschen in ihrem Wesen anzusprechen und wieder mit den verschüttgegangenen Fragen zu konfrontieren. Schließlich ist es nicht so, dass dieses „System“ schon alles durchdrungen hat. Es gibt Gegenbewegungen, die immer lauter werden; solche auf mehr rationaler Grundlage (z. B. in Gesellschaft und Politik) wie solche auf spiritueller Ebene (z. B. in Religion und Mystik).

Dabei sind diese Gegenbewegungen über jene der 1960er-Jahre hin- ausgewachsen. Die Naivität, die teilweise in der 68er- sowie der Flower- Power-Bewegung anzutreffen war, hat zu Desillusionierung, aber auch Neubesinnung geführt.

Khalil Gibran könnte mit ein Impulsgeber vor allem für eine spirituelle Gegenbewegung werden, einer Spiritualität, die nicht zu einer privati-

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sierten Wellness-Esoterik degeneriert, wie es heutzutage leider immer öfter anzutreffen ist. Dort wird der suchende Mensch oft nur mit süßen Kalendersprüchen eingelullt und ihm ein innerlicher Friede-Freude- Eierkuchen-Zustand als persönliches Entwicklungsziel vorgegaukelt.

Gibran war ein durchaus mystischer, aber auch ein politischer Mensch.

Er steht mit seinem Leben und Werk für die Sehnsucht nach der verlo- renen Einheit, blendet dabei jedoch das Leid des Lebens und der Welt nicht aus. Im Gegenteil: Er will es durch Akzeptanz überwinden, nicht nur durch achtsame Selbstdistanzierung, sondern auch durch bejahen- des Annehmen. Nie aber soll dies zum Rückzug von der Welt und fata- listischem Achselzucken dem Leben gegenüber führen. Immer wieder fordert er seine Leser zum aktiven Tun auf. Nicht von ungefähr schließt er seine Aphorismensammlung mit dem Spruch ab: „Jeden Gedanken, den ich in Sprache eingemauert habe, muss ich durch meine Taten befreien.“

Wie kaum ein anderer Künstler verknüpfte Khalil Gibran östliches und westliches Denken und schuf daraus etwas gänzlich Neues. Dieses trägt Elemente für eine kommende Weltsicht in sich, die das Ganze in Natur und Mensch als Grundlage hat. Sein dichterisches Werk lässt ein solches neues Weltbild erahnen, wenn auch oft hinter poetischen Bildern ver- borgen. Die Trennung zwischen den menschlichen Individuen war für ihn ebenso eine Illusion wie die zwischen dem Menschen und der Natur – und selbst dem Göttlichen. Stets war es Gibrans Bestreben, diese Er- fahrung mitzuteilen und den Menschen für diese Art des Denkens die Augen zu öffnen.

Noch dienen die bekanntesten seiner Texte nur für Segenssprüche, Hochzeitswünsche oder poetische Deko zu sonstigen emotional bela- denen Feiern. Dass man damit aber die wahre Tiefe der Poesie Khalil Gibrans kaum erfasst, mag die Neuausgabe seiner Aphorismensamm- lung verdeutlichen.

Hans-Josef Fritschi

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S and und S chaum

Das Buch der Aphorismen

Stets an diesen Stränden wandernd, gehe ich zwischen Sand und Schaum.

Meine Fußspuren wird die Flut auslöschen, der Wind den Schaum davontragen.

Meer und Schaum aber bleiben.

Ewig.

Einmal, da füllte ich meine Hand mit Nebel. Als ich sie wieder öffnete, war der Nebel zu einem Wurm geworden.

Abermals schloss und öffnete ich meine Hand, und da war ein Vogel.

Und wieder schloss und öffnete ich die Hand, da stand in ihrer

Vertiefung ein Mensch mit traurigem Gesicht, der sich nach oben aufrichtete.

Da schloss ich meine Hand ein weiteres Mal und als ich sie öffnete,

war darin wieder nichts als Nebel.

Doch hörte ich ein Lied voll grenzenloser Anmut.

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Noch gestern nahm ich mich als Bruchstück war, das ohne jedes Gleichmaß in der Lebenssphäre zittert.

Heute nun weiß ich, dass ich die Sphäre bin und sich das ganze Leben in rhythmischen Fragmenten

in mir bewegt.

Wenn sie erwachen, sagen sie mir:

„Du und die Welt, in der du lebst, seid nur ein Sandkorn am unendlichen Strand eines unendlichen Meeres.“

In meinem Traum aber antworte ich ihnen:

„Das unendliche Meer bin ich. Und alle Lebewesen sind nur Sandkörner an meinem Strand.“

Nur ein einziges Mal machte man mich sprachlos.

Das war, als mich einer fragte: „Wer bist du?“

Gottes erster Gedanke war ein Engel.

Gottes erstes Wort war ein Mensch.

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Ehe uns vor Millionen von Jahren das Meer und der Wind in den Wäldern Worte gaben, waren wir sehnsüchtige Kreaturen,

ruhelos und unstet.

Wie aber sollen wir heute das Alter der Tage in uns ausdrücken, einzig mit den Klang längst vergangener Zeiten?

Es war nur ein einziges Mal, da die Sphinx sprach. Und sie sagte:

„Ein Sandkorn ist eine Wüste und eine Wüste ist ein Sandkorn.

Und nun lasst uns wieder schweigen.“

Ich hörte die Sphinx zwar, aber ich verstand sie nicht.

Einmal sah ich das Gesicht einer Frau und erblickte in ihm alle ihre noch nicht geborenen Kinder.

Und dann sah eine Frau in mein Gesicht.

Und da wusste sie von all meinen Vorfahren, die längst gestorben waren, noch ehe sie selbst geboren wurde.

Jetzt will ich mich selbst verwirklichen.

Aber wie sollte ich dies, außer ich würde zu einem Planeten, der intelligentes Leben beherbergt?

Ist das nicht eines jeden Menschen Ziel?

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Eine Perle ist ein Tempel, erbaut durch Schmerz um ein Sandkorn herum.

Welches Verlangen formte unsere Körper?

Und um welches Korn?

Würde Gott mich - einen Kieselstein - in diesen wunderschönen See werfen, so störte ich dessen Oberfläche mit unzähligen Kreisen. Wenn ich dann aber die Tiefe erreichte, breitete sich eine

tiefe Ruhe in mir aus.

Schenk mir Schweigen, und ich werde der Nacht trotzen.

Einst kannte ich einen Mann, dessen Gehör war ausgesprochen scharf. Aber er war stumm.

Er hatte seine Zunge in einer Schlacht verloren.

Heute weiß ich, in welcher Art Schlachten dieser Mann gekämpft hatte, bevor das große Schweigen über ihn kam.

Ich bin froh, dass er tot ist.

Die Welt ist nicht groß genug für zwei von uns.

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In dem Moment, als meine Seele und mein Körper sich liebten und vermählten, wurde ich ein zweites Mal geboren.

Lange lag ich im Staub Ägyptens, schweigend und ohne die Jahreszeiten wahrzunehmen. Dann jedoch gebar mich die Sonne

und ich erhob mich, um entlang den Ufern des Nils zu wandern, mit den Tagen singend, träumend mit den Nächten.

Und jetzt stampft die Sonne mit tausend Füßen auf meinem Leib, damit ich mich wieder in den Staub Ägyptens lege.

Doch, welch Wunder und Rätsel:

Dieselbe Sonne, die mich zusammenfügte, ist nicht in der Lage, mich zu verteilen. Immer noch stehe ich aufrecht, und sicheren

Fußes wandere ich weiter an den Ufern des Nils.

Erinnern ist eine Form des Begegnens.

Vergessen ist eine Form des Freiseins.

Es gibt keinen Raum zwischen der Erde und der Sonne für jenen, der aus den Fenstern der Milchstraße herabschaut.

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Wir messen die Zeit nach der Bewegung zahlloser Sonnen;

jene aber messen die Zeit mit kleinen Maschinen, die sie in ihren Taschen tragen. Nun sag mir:

Wie können wir uns je am gleichen Ort und zur gleichen Zeit treffen?

Die Menschheit ist ein Strom aus Licht, der aus der Endlichkeit in die Unendlichkeit fließt.

Ob die im Äther wohnenden Geister den Menschen wohl um seinen Schmerz beneiden?

Auf meinem Weg zur Heiligen Stadt traf ich auf einen anderen Pilger und ich fragte ihn: „Ist das wirklich der Weg zur heiligen Stadt?“ Und er entgegnete mir: „Folge mir, und du wirst die

Heilige Stadt in einem Tag und in einer Nacht erreichen.“

So folgte ich ihm. Wir wanderten viele Tage und Nächte, ohne aber die Heilige Stadt zu erreichen. Zu meiner Überraschung

aber wurde er böse auf mich, weil er mich in die Irre geführt hatte.

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Mach mich, o Gott, zur Beute des Löwen, bevor du das Kaninchen zu meiner Beute machst.

Man erreicht die Morgenröte nur auf dem Pfad der Nacht.

Mein Haus sagte zu mir: „Verlass mich nicht, denn hier wohnt deine Vergangenheit.“ Dann sagte die Straße zu mir:

„Komm, folge mir, ich bin deine Zukunft.“

Da sagte ich zu beiden, meinem Haus und der Straße:

„Weder habe ich Vergangenheit noch Zukunft. Denn wenn ich hier bleibe, ist ein Gehen in meinem Verweilen, und wenn ich gehe, ist ein Verweilen in meinem Gehen. Es sind nur Liebe und

Tod, die die Dinge ändern.“

Kann ich den Glauben in die Gerechtigkeit im Leben verlieren, solange die Träume jener, die in weichen Federn schlafen,

nicht schöner sind als die Träume jener, die auf der bloßen Erde schlafen?

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Es ist seltsam, aber das Verlangen nach bestimmten Vergnügungen scheint ein Teil meiner Schmerzen zu sein.

Siebenmal habe ich meine Seele verachtet:

Das erste Mal, da ich sie als demütig ansah, auf dass sie an Größe gewinne.

Das zweite Mal, als ich sah, wie sie vor Verkrüppelten hinkte.

Das dritte Mal, als sie zwischen Schwerem und Leichtem wählen konnte, und sie sich für das Leichte entschied.

Das vierte Mal, als sie ein Unrecht beging und sich selbst damit tröstete, dass auch andere Unrechtes tun.

Ein fünftes Mal, als sie etwas aus Schwäche unterließ und ihrer Langmut Stärke zuschrieb.

Das sechste Mal, als sie die Hässlichkeit eines Gesichtes

verachtete und nicht erkannte, dass es eine ihrer eigenen Masken war.

Und das siebte Mal habe ich meine Seele verachtet, als sie zu einem Lobgesang anhob und das für Kunst hielt.

Die absolute Wahrheit kenne ich nicht.

Aber ich stehe meiner Unwissenheit demütig gegenüber.

Und darin liegen meine Ehre und mein Lohn.

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Zwischen der kreativen Einbildungskraft eines Menschen und dem, was er erreicht, liegt ein Raum, den er nur mithilfe seiner

Sehnsucht durchschreiten kann.

Das Paradies liegt dort, hinter dieser Tür im nächsten Zimmer.

Aber ich habe den Schlüssel verloren.

Mag sein, ich habe ihn auch nur verlegt.

Du bist blind und ich bin taubstumm. Lassen wir uns deshalb die Hand reichen und einander verstehen.

Die Bedeutung eines Menschen liegt nicht in dem, was er erreicht. Sie liegt vielmehr in dem, was er sich zu erreichen sehnt.

Manche von uns sind wie Tinte, andere wie Papier. Wenn es nicht wegen des Schattens von einigen von uns wäre, wären einige von uns stumm. Wenn es nicht für das Lichte von einigen von

uns wäre, wären einige von uns blind.

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