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Die Rolle des Mikrobioms beim Kolonkarzinom

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A. Neuner, C. Schulz, Medizinische Klinik und Poliklinik 2, LMU-Klinikum, Ludwig-Maximilians-Universität München.

16. September 2020

Die Rolle des Mikrobioms beim Kolonkarzinom

Mittlerweile erlauben neue molekularbiologische Techniken detailliertere Einblicke in das humane Mikrobiom, als dies durch konventionelle kulturelle Techniken bisher möglich war. Hierdurch konnten in den vergangenen Jahren zahlreiche Assoziationen zwischen klinischen Phänotypen und

mikrobiellen Signaturen beschrieben werden. Auch für das kolorektale Karzinom (CRC) und

präkanzeröse Veränderungen der Dickdarmmukosa wird ein Einfluss des intestinalen Mikrobioms auf die Krankheitsentstehung und den Krankheitsverlauf diskutiert. Zudem konnte für andere

Tumorentitäten gezeigt werden, dass bestimmte Mikrobiomsignaturen mit dem Ansprechen auf onkologische Therapien assoziiert sind. Ebenso ist der Stellenwert der Mikrobiomdiagnostik für die (Früh-)Erkennung maligner Erkrankungen Inhalt wissenschaftlicher Untersuchungen. Unter dem Begriff „oncobiomics“ werden Forschungsarbeiten zum Einfluss des Mikrobioms auf die

Karzinogenese zusammengefasst. Der folgende Artikel soll den derzeitigen Kenntnisstand über die Rolle des Mikrobioms in der Pathogenese, der Diagnostik und der Therapie kolorektaler Karzinome und ihrer Vorstufen zusammenfassen.

Die Intensivierung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Gesamtheit aller mit dem menschlichen Organismus koexistierenden Mikroorganismen, umgangssprachlich als Mikrobiom zusammengefasst, hat einerseits sowohl neue Aspekte möglicher Zusammenhänge zwischen der mikrobiellen Kolonisation und der Entstehung von Krankheiten sowie andererseits eine mögliche Implikation zur Anwendbarkeit in Diagnostik und Evaluation des Therapieerfolgs aufgezeigt.

Neben neurodegenerativen und Stoffwechsel-Erkrankungen stehen insbesondere onkologische

Erkrankungen im Fokus der Wissenschaft. Allein dem Konzept der Koch´schen Postulate folgend, nach denen ein Pathogen eine definierte Erkrankung auslöst und dessen Eradikation folglich die Erkrankung heilen und ihre Komplikationen verhindern kann, sind jährlich über 2 Millionen Tumorerkrankungen weltweit auf eine infektiöse Genese zurückzuführen (1). Unter den gastrointestinalen Malignomen sind das Analkarzinom, das Magenkarzinom und das hepatozelluläre Karzinom häufig mit einer Infektion mit definierten viralen oder bakteriellen Pathogenen assoziiert. Auch für das CRC wurde die Annahme verfolgt, dass einzelne Komponenten des Mikrobioms an der Entstehung (prä-)kanzeröser

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Veränderungen beteiligt sind.

Die Mehrzahl der bisher veröffentlichten Arbeiten fokussierte sich dabei auf Analysen des fäkalen

Bakterioms; ferner wurden Arbeiten mit Analysen des mukosalen Bakterioms vorgelegt. Dennoch konnte bisher keine allgemeingültige Definition eines „gesunden Mikrobioms“ – auch nicht unter Verwendung molekularbiologischer Methoden – erfolgen. Lediglich größere interindividuelle Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen (2) oder intraindividuelle Veränderungen (in Abhängigkeit der Analyse von Zeitpunkt, Nahrungszufuhr und Antibiotikatherapien) lassen signifikante pathologische Veränderungen im Sinne einer „Dysbiose“ definieren/postulieren.

Generell entwickelt sich das intestinale Mikrobiom bereits ab dem Zeitpunkt der Geburt und unterliegt während des gesamten Lebens dauerhaften Veränderungen. Bekannte relevante Einflussfaktoren neben der Ernährung sind pharmakologische Interventionen, der genetische Hintergrund des Wirtes,

Komorbiditäten, Alter sowie der Stoffwechsel. Im unteren Gastrointestinaltrakt sind 3 dominante bakterielle Phyla nachweisbar: Firmicuten, Bacteroidetes und Actinobacteriae (3). Diesen werden relevante Funktionen für die Entwicklung des Immunsystems und die Aufrechterhaltung von metabolischen Funktionen zugeschrieben (4-7).

Der Einfluss des humanen Mikrobioms auf die kolorektale Karzinogenese

Dem intestinalen Mikrobiom werden zahlreiche Funktionen für die Aufrechterhaltung von Gesundheit und die Entstehung von Krankheiten zugeschrieben.

Während im Falle von Helicobacter-pylori-Infektionen direkte Interaktionen des Bakteriums mit dem Host als relevante Treiberfaktoren für die gastrale Karzinogenese beschrieben sind, konnte der Pathogenese des CRC hingegen bisher kein solches Konzept einer „Infektions-Präkanzerose-Sequenz“ durch definierte pathogene Keime zugrundegelegt werden. In großen Fall-Kontroll-Studien konnte gezeigt werden, dass durch wiederholte antibiotische Therapien ausgelöste Dysbiosen zu einem erhöhten Risiko für die Entstehung von Karzinomen des Gastrointestinaltrakts und anderer Lokalisationen führen (8, 9).

Aufgrund des einfachen Zugangswegs und der hohen Prävalenz präkanzeröser und kanzeröser Läsionen liegt eine große Anzahl von Studien zum Einfluss des intestinalen Mikrobioms auf die kolorektale

Karzinogenese vor. Derzeit wird die Theorie sog. Driver-Bakterien für die Karzinogenese favorisiert.

 

Verschiedene Ansätze, die eine relevante Rolle des (bakteriellen) Mikrobioms in der kolorektalen Karzinogenese diskutieren, werden verfolgt.

1. Unterschiede des Tumor- und Adenom-assoziierten Mikrobioms im Vergleich zur umgebenden gesunden Mukosa (10-12).

2. Die Transplantation von Faeces von Patienten mit CRC in keimfreie und physiologisch besiedelte Mäuse führt zur Induktion von Polypenwachstum, induziert prokarzinogene Signalwege und führt zu

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Veränderungen des mukosalen Immunzellmilieus (13).

3. Präklinische Tests konnten für verschiedene Bakterien Eigenschaften nachweisen, die durch pro- inflammatorische Toxine, reaktive Sauerstoffradikale oder direkte Weise auf oder Schutz vor der antitumoralen Immunregulation Einfluss auf die Entstehung (prä-)maligner Veränderungen haben können (14-18).

Analysen von Mikrobiomprofilen zeigen signifikante Unterschiede zwischen der Besiedlung von Tumorgewebe und der tumorumgebenden Mukosa. Zudem konnten im Tumorgewebe vermehrt Bakterien nachgewiesen werden, deren Herkunft üblicherweise in der Mundhöhle anzusiedeln ist (10).

Bakterielle Toxine haben das Potenzial, durch DNA-Schäden eine maligne Transformation zu induzieren (19, 20). Zudem werden aus entzündlich veränderten Zellen reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und Zyto- sowie Chemokine freigesetzt, die ein lokales Milieu mit dem Potenzial zu ROS-induzierter DNA-

Schädigung schaffen (21).

In humanen Biopsaten konnte eine signifikante Assoziation zwischen Probanden mit Adenomen mit low- grade intraepithelialen Neoplasien, tubulären Adenomen und serratierten Adenomen und dem Nachweis von Bacteroides fragilis nachgewiesen werden (14). Dieser Enterotoxinbildner hat das Potenzial,

proinflammatorische Zytokine zu aktivieren und den Wnt-Signalweg hochzuregulieren (16). Dieser Zusammenhang könnte ein Erklärungsmodell für eine mikrobiomgetriebene kolorektale Karzinogenese liefern. Keine signifikanten Ergebnisse jedoch wurden für Patienten mit CRC und high-grade

intraepithelialen Neoplasien gezeigt, was durch Veränderungen der bakteriellen Gemeinschaften im Zuge des Krankheitsverlaufs erklärt werden könnte.

Des Weiteren sind Fusobacterium spp. neben anderen Bakterien in den Fokus des Interesses gelangt.

Neben dem vermehrten Keimnachweis in Adenom-, Tumor- und Umgebungsgewebe konnte in

Mausmodellen gezeigt werden, dass eine Exposition mit Fusobacterium nucleatum zu einer Vermehrung der Anzahl von Tumoren und der mukosal infiltrierenden Myeloid-zellen führt. Diese und andere Befunde legen nahe, dass Fusobacterium spp. das Potenzial haben, ein proinflammatorisches Milieu, das für das Fortschreiten kolorektaler Neoplasien nötig ist, zu befördern. Dieser pro-inflammatorische Status führt zu einer (lokalen) Veränderung des intestinalen Mikrobioms mit einer Akkumulation spezifischer bakterieller Spezies wie Escherichia coli und Campylobacter jejuni, deren Metabolite und/oder Toxine potenziell DNA- Schäden auszulösen vermögen (22, 23).

Stellenwert von Mikrobiomsignaturen in der Diagnostik

Während die Detektion präkanzeröser und maligner Läsionen des Gastrointestinaltrakts (im klinischen Alltag) bisher noch eine Domäne der Endoskopie ist, wurden verschiedene Ansätze zur Integration von Stuhl- und Speicheldiagnostik zur Risikostratifizierung untersucht. Neben epigenetischen und

biochemischen Signaturen wurden durch die Entwicklung von mikrobiologischen

Hochdurchsatzverfahren auch bakterielle Signaturen auf ihre Einsetzbarkeit in der Früherkennung und

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Vorsorge des CRC untersucht.

Neben Studien an fäkalen und mukosalen Proben sind auch Mikrobiom-signaturen aus Speichelproben bezüglich ihrer Sensitivität und Spezifität zum Nachweis präkanzeröser und maligner Läsionen

durchgeführt worden. Mit einer falsch-positiven Rate von unter 10% konnten molekularbiologische Untersuchungen von Speichelproben und Zungenabstrichen bereits auf eine hohe diagnostische

Genauigkeit für nicht-invasive (!) Methoden zum Nachweis maligner gastraler Läsionen hinweisen (24, 25).

Für den Nachweis von CRC und Adenomen wurde in Studien mit kleinen Fallzahlen gezeigt, dass eine diagnostische Kombination aus oralen und fäkalen Mikrobiomsignaturen vergleichbare oder bessere Werte für Sensitivität (CRC: 76%, AUC 0,94; Adenome: 88%, AUC 0,98) sowie Spezifität (je ≥ 94%) liefert als publizierte Daten anderer (nicht-invasiver) Diagnostikverfahren (26). Überdies konnten durch den

Vergleich der Mikrobiomkomposition von gastrointestinalen Tumoren spezifische Cluster herausgestellt werden, die sich je nach Lokalisation des Primärtumors unterschieden (27). Größere Validierungsstudien sind ausstehend, um mikrobielle Patterns als ergänzende nicht-invasive Diagnostik etablieren zu können.

   

Einfluss des Mikrobioms auf die Therapie

Zwischen dem Mikrobiom und seinem Wirt besteht bei onkologischen Erkrankungen ein Wechselspiel. Es konnte nicht nur ein Einfluss mikrobieller Gemeinschaften auf das Ansprechen tumorgerichteter

Therapien gezeigt werden. Im Umkehrschluss beeinflussen auch onkologische und häufig assoziierte antibiotische Therapien die Zusammensetzung des (intestinalen) Mikrobioms. Strahlentherapie-induzierte Mukosaschädigungen führen nicht nur zu bakteriellen Translokationen, sondern auch zu Veränderungen der Stuhlfrequenz und der Rückresorption von Gallensäuren. In einer postradiogenen Dysbiosis lässt sich überdies eine Überexpression proinflammatorischer Gene (IL-1β und TNFα) nachweisen (35).

Neben Modellen zur gezielten Modulation des intestinalen Mikrobioms, um ein besseres

Therapieansprechen zu erzielen, existiert insbesondere im Bereich hämatologischer Therapien ein hohes Maß an Evidenz, dass der Grad der therapieassoziierten Toxizität von der Komposition des

Darmmikrobioms abhängt.

Es konnte gezeigt werden, dass klassische, auch in der adjuvanten oder palliativen Therapie des CRC eingesetzte Substanzen, durch Veränderungen des intestinalen Mikrobioms in ihrer Wirkung verändert werden (28). So ist die Wirksamkeit von Oxaliplatin einerseits abhängig von der mikrobiomvermittelten Expression proinflammatorischer Gene sowie andererseits von der Konzentration der von Myeloidzellen freigesetzten reaktiven Sauerstoffverbindungen. Auch konnte ein Einfluss des Mikrobioms auf das Ausmaß der polyneuropathischen Nebenwirkungen dieses Therapeutikums gezeigt werden (29). Ein positives Ansprechen auf Chemotherapeutika wie Cyclophosphamid korreliert mit einer therapie-

induzierten Zunahme der intestinalen Permeabilität, infolge derer Gram-positive Bakterien in die Lamina propria und lokoregionäre Lymphknoten translozieren, um dort konsekutiv zu einer Ausreifung von Th17-

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Zellen führen zu können (30).

Auch bei anderen Tumorentitäten spielt das Mikrobiom eine Rolle für die Therapie:

Untersuchungen von Patienten mit metastasiertem malignen Melanom konnten signifikante

Unterschiede der fäkalen sowie oralen Mikrobiomsignaturen zwischen Patienten mit erfolgtem und fehlendem Ansprechen auf eine anti-PD-1-gerichtete Checkpoint-Inhibitor-(CI)-Therapie zeigen. Bestätigt werden konnte dieser Effekt durch die Übertragung des fäkalen Mikrobioms sowohl der Responder als auch der Non-Responder auf keimfreie Mäuse und die Durchführung einer anti-PD-1-gerichteten Therapie nach Injektion von Melanomzellen (31). Auch bei anderen epithelialen Tumoren wie nicht- kleinzelligen Lungen-, Urothel- und Nierenzellkarzinomen konnten diese Unterschiede gezeigt und im Tiermodell reproduziert werden. Zudem konnte eine Abnahme des Therapieansprechens nach einer antibiotischen Therapie im zeitlichen Zusammenhang mit einer Anti-PD-1-Therapie gezeigt werden (32, 33). Als Kandidatenspezies wurden bisher Akkermansia muciniphila und Enterococcus hirae identifiziert.

Nach antibiotischer „Sterilisation“ von Mäusen konnte nach Supplementierung von A. muciniphila mit und ohne E. hirae die Responsivität auf eine PD-1-Blockade wieder rekonstituiert werden (32).

Für kolorektale Malignome liegen zum aktuellen Zeitpunkt lediglich Daten aus Mausmodellen vor. Es konnte gezeigt werden, dass die intragastrale Applikation von Lactobacillus-acidophilus-Lysaten

zusammen mit einer Anti-CTLA-4-Antikörpertherapie in einem BALB/c-Mausmodell zu einer signifikanten Verlangsamung von Tumorwachstum und einem Rückgang der Körpergewichtsabnahme führt. Mukosal konnte eine Zunahme der CD8+ T-Zellen und der CD4+, CD25+ und Foxp3+ Memory-T-Zellen bei

Abnahme der regulatorischen T-Zellen und der M2-Makrophagen gezeigt werden (34).

Effekte einer Modulation des intestinalen Mikrobioms ließen sich zusätzlich in der Therapie von CI- induzierten Nebenwirkungen zeigen. Im Mausmodell konnte die Ausprägung einer CI-induzierten Colitis durch die orale Applikation von Lactobacillus reuteri signifikant reduziert werden (36). Humane Studien zur Reduktion Chemo- und Strahlentherapie-assoziierter Diarrhoen konnten bei Anwendung von Probiotika eine Abnahme des Schweregrads der Symptome zeigen (37, 38). Auch die Anwendung

verschiedener Probiotika vor der operativen Therapie kolorektaler Karzinome wurde untersucht. Von den applizierten Mikrobiota war nur Lactobacillus johnsonii mukosa-adhärent und führte zu einer Abnahme darmpathogener Keime und aktivierter mukosaler Immunzellen (39).

Auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt die Daten analog zum zeitlichen Verlauf der klinischen Anwendung vorwiegend für CI-Therapien des malignen Melanoms vorliegen und an präklinischen Modellen evaluiert sind, sind Ergebnisse zu weiteren Tumorentitäten zu erwarten (40). Eine klinische Implikation neuer mikrobiologischer Messmethoden zur individuellen Prädiktion des Therapieansprechens einerseits sowie eine gezielte Modulation des gastrointestinalen Mikrobioms, etwa vor Einleitung einer CI-Therapie, zur Steigerung des therapeutischen Nutzens andererseits ist perspektivisch auch in der Domäne

gastroenterologischer Tumorerkrankungen möglich.

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Zusammenfassung und Ausblick

Durch die Entwicklung effizienter mikrobiologischer Analysemethoden konnten in den letzten Jahren neue Erkenntnisse gewonnen werden, die dem humanen Darm-Mikrobiom – analog zu bisher intensiver beforschten Krankheitsentitäten – einen zentralen Stellenwert in der Genese von intestinalen

Tumorerkrankungen, insbesondere des CRC, zuweisen. Hierbei spielt das individuelle Mikrobiom offensichtlich nicht nur eine relevante Rolle für die Pathogenese intestinaler (Prä-)Kanzerosen, sondern bietet auch das Potenzial, im klinischen Alltag in diagnostische und therapeutische Überlegungen zentral implementiert zu werden:

Studien konnten zeigen, dass wiederholte Therapien mit antibiotisch wirksamen Substanzen zu einer

„Dysbiosis“ führen, die das kolorektale Karzinomrisiko erhöht. Jedoch fließen bisher in die Indikationsentscheidung zur Anwendung von Antibiotika neben allgemeinen Risiken (Allergien, vorübergehende Diarrhoen, Resistenzinduktionen etc.) kaum konkrete Überlegungen ein, die die langfristigen negativen Folgen einer iatrogenen Verschiebung des natürlichen Darm-Mikrobioms berücksichtigen.

Perspektivisch wird es ein Ziel sein, durch eine indikationsgerechte Einschränkung und Anpassung notwendiger antibiotischer Therapien sowie durch die weitere Erforschung und Implementierung von Methoden zur Rekonstruktion des natürlichen Mikrobioms eine relevante Reduktion des Malignomrisikos im Sinne einer Primärprävention zu erreichen.

Tumoröses Gewebe bei Patienten mit CRC unterscheidet sich in seiner Mikrobiomsignatur von nicht- neoplastischer Mukosa. Im Mausmodell konnte der prokarzinogene Einfluss humaner Mikrobiome von Spendern mit CRC bereits gezeigt werden. Als Erklärung für solche Effekte stehen mittlerweile bestimmte Driver-Bakterien im Fokus: u.a. Bacteroides fragilis und Fusobacterium spp.. Als pathomechanistische Erklärung wird vornehmlich die Etablierung eines proinflammatorischen Milieus, u.a. durch bakterielle Toxine, mit konsekutiver DNA-Alteration diskutiert. Perspektivisch könnte der Nachweis bestimmter Bakterien oder derer Toxine, wie etwa das Enterotoxin von Bacteroides fragilis (ETBF), in Maßnahmen der (nicht-invasiven) Karzinom-Früherkennung bzw. Risikostratifizierung implementiert werden.

 

Aktuell werden zur Risikostratifizierung für die Indikationsstellung diagnostischer Maßnahmen v.a. die Parameter Alter und Geschlecht, eine positive Familienanamnese (vgl. Amsterdam-II-Kriterien) sowie eine genetische Vorbelastung (FAP, HNPCC) herangezogen. Diagnostisch stehen hierfür – neben Tests auf fäkales okkultes Blut (FOBT) oder die begrenzt aussagefähige Digital-Rektale-Untersuchung (DRU) – v.a.

invasive Maßnahmen wie die Koloskopie oder die Proktosigmoidoskopie zur Verfügung.

Forschungsergebnisse zeigen überdies eine vielversprechende hohe diagnostische Sicherheit von Mikrobiom-Analysen für das Vorliegen von kolorektalen (Prä-)Kanzerosen. Kombiniert ergeben sich für diese nicht-invasiven molekularbiologischen Untersuchungen (noch weiter zu validierender Studien) hohe Werte für Sensitivität und Spezifität; etwa durch kombinierte Analysen aus fäkalen und oralen Abstrichen.

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Ebenso könnten Mikrobiomsignaturen, die mit spezifischen Primärlokalisationen von gastrointestinalen Tumoren assoziiert sind, einen Einfluss auf das Ausmaß der weiterführenden Diagnostik haben. Der Nachweis von „Dysbiosen“ hat somit das Potenzial, einerseits als Marker von bestehenden (Prä- )Kanzerosen sowie andererseits als Risikofaktor für das Auftreten von Malignomen zu fungieren. Eine Integration dieser neuen nicht-invasiven Methoden in bestehende Algorithmen zur Früherkennung und Risikostratifizierung von intestinalen Tumoren könnte die bisherige Diagnostik ergänzen.

Es konnte gezeigt werden, dass ungünstige Mikrobiomzusammensetzungen nicht nur Indikator oder Driver für kanzeröse Entartungen sind, sondern auch die Wirksamkeit von Therapien gegen das jeweilige Malignom beeinflussen können: Dies bezieht sich etwa auf die Wirksamkeit von klassischen

Chemotherapeutika wie Oxaliplatin oder Cyclophosphamid sowie auf das Ausmaß Chemotherapie- induzierter Nebenwirkungen wie Polyneuropathien.

Mithilfe von Mausmodellen gelang bereits der Nachweis, dass eine gezielte Modulation des Mikrobioms, etwa durch Applikation von bakteriellen Lysaten, zur Verbesserung eines Ansprechens auf Chemo- oder CI-Therapien möglich ist.

Während bei einzelnen Tumorentitäten wie dem malignen Melanom umfangreiche Daten vorliegen, die einen relevanten Einfluss von individuellen Mikrobiomsignaturen auf die Therapie beschreiben, besteht für kolorektale Tumoren noch weiterer Forschungsbedarf. Schließlich ist v.a. eine breite mehr auf

Funktion als auf Assoziation ausgelegte Grundlagenforschung zu interindividuellen Unterschieden in der Mikrobiomkomposition nötig, um für Pathogenese, Diagnostik sowie Therapie relevante „Dysbiosen“

überhaupt sicher als solche identifizieren zu können. Grundsätzlich kann der Einsatz von

Mikrobiomanalysen sowie die zielgerichtete Modulation des individuellen Mikrobioms (Applikation bestimmter Mikrobiota, gezielte antibiotische Therapie etc.) einen wichtigen Beitrag für die

Weiterentwicklung der „personalisierten Medizin“ bei CRC liefern.

Es besteht kein Interessenkonflikt.

 

PD Dr. med. Christian Schulz

Oberarzt und Leiter der AG Klinische Mikrobiomforschung und oberer Gastrointestinaltrakt Med. Klinik und Poliklinik 2

LMU Klinikum

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Campus Großhadern/Innenstadt Marchioninistraße 15

81377 München

Tel.: 089/440072391

E-Mail: chr.schulz@med.uni-muenchen.de

cand. med. Alexander Neuner

Mitarbeiter AG Klinische Mikrobiomforschung und oberer Gastrointestinaltrakt

Med. Klinik und Poliklinik 2 LMU Klinikum

Campus Großhadern/Innenstadt Marchioninistraße 15

81377 München

E-Mail: alexander.neuner@med.uni-muenchen.de  

ABSTRACT

A. Neuner, C. Schulz, Medizinische Klinik und Poliklinik 2, LMU-Klinikum, Ludwig-Maximilians-Universität München.

 

Scientific findings from the field of “oncobiomics” prove that human microbiome plays a pivotal role in pathogenesis, diagnostics and therapy response of colorectal carcinoma (CRC) and its precancerous conditions. Tumorous tissue of colorectal carcinoma patients differs in microbiome signatures compared to non-tumorous samples. Altered microbiome compositions induce a local inflammatory-mutagenic milieu, in particular through release of toxins. Thus, repeated antibiotic therapies can lead to “dysbiosis”

that subsequently increases the risk of CRC. New non-invasive microbiome analysis demonstrated high diagnostic reliability for the presence of (pre-)cancerous conditions and for the evaluation of primary tumor localization. Unfavorable microbiome compositions affect the efficacy of classical

chemotherapeutic agents and modulate the extent of drug-induced adverse reactions. In mouse models application of bacterial lysates could improve response to treatment with chemotherapeutics and checkpoint inhibitors. Implementation of new molecular biological techniques and targeted microbiome modulation could make a crucial contribution to diagnostic and treatment of CRC.

 

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Keywords: Colorectal cancer, microbiome, microbota, oncobiomics  

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