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Mechanik I / Prof. Popov / Vorlesung 28 Reibung
Literatur: Hauger, Schnell und Groß. Technische Mechanik 1 (Statik), 9. / R.C. Hibbeler. Technische Mechanik 1, 8.1.-8.7.
I. Haftreibung und Gleitreibung
In dieser Vorlesung untersuchen wir nur die trockene oder Coulomb'sche Reibung zwi- schen festen Körpern. Durch sehr ausführliche experimentelle Untersuchungen hat Coulomb (1736-1806) festgestellt, dass die Reibungs- kraft R zwischen zwei Körpern, die mit der
Normalkraft N aneinan- dergedrückt sind, in erster, grober Nähe- rung folgende einfache Eigenschaften hat:
A) Die Haftreibung (auch statische Reibungs- kraft) Rs, die zu überwinden ist, um den Kör- per in Bewegung zu setzen, ist proportional zur Anpreßkraft N:
s s
R =µ N.
Der Koeffizient µs heißt statischer Reibungs- koeffizient. Er hängt von der Materialpaarung ab, weist aber dagegen fast keine Abhängig- keit von der Kontaktfläche und Rauhigkeit der Oberflächen auf. Bereits Coulomb hat festge- stellt, dass µs mit der Standzeit wächst. Dies wird aber in den meisten einfacheren Anwen- dungen vernachlässigt.
B) Die Gleitreibung (auch kinetische Rei- bungskraft) Rk ist die Widerstandskraft, die nach dem Überwinden der Haftung wirkt.
Coulomb hat experimentell folgende Eigen- schaften der Gleitreibungskraft festgestellt:
- Gleitreibung ist proportional zur Anpreßkraft N
k k
R =µ N
- Sie weist keine wesentliche Abhängigkeit von der Kontaktfläche und Rauhigkeit der Oberflächen
- Der kinetische Reibungskoeffizient ist nähe- rungsweise gleich dem statischen Reibungs- koeffizienten:
k s
µ ≈µ
- Die Gleitreibung hängt nicht (bzw. nur sehr schwach) von der Gleitgeschwindigkeit ab.
Oft wird angenommen, dass µk mit der Ge- schwindigkeit schwach abnimmt. Das gilt aber nicht immer, (z.B. nicht bei Gummireifen für kleine Gleitgeschwindigkeiten).
Anders als oft behauptet, haben die statischen und kinetischen Reibungskräfte die gleiche physikalische Herkunft und können in vielen mechanischen Aufgaben nicht getrennt vonei- nander betrachtet werden. Auch der Unter- schied zwischen dem statischen und kineti- schen Reibungskoeffizienten erweist sich als relativ, da oft entweder der Übergang vom statischen zum Gleitkontakt kontinuierlich stattfindet (das ist der Fall im angetriebenen Rad1) oder die "Haftreibung" sich in Wirk- lichkeit als Gleitreibung bei sehr kleinen Ge- schwindigkeiten entpuppt (das ist der Fall bei Gummireibung, z.B. Gummireifen auf der Straße1).
II. Reibungswinkel
B1. Auf einer geneigten Ebene liegt ein Klotz (Haftreibungskoeffizient zwi- schen beiden sei µs). Wie groß darf der Neigungswinkel werden, damit der Klotz nicht rutscht?
Lösung: Bei maximalem Neigungswinkel wird die Reibungskraft ihren ma- ximalen Wert R=µsN er- reichen. Kräftegleichgewicht in diesem kritischen Zustand (im gezeigten Koordinaten- system) lautet
x: mgsinϕ µ− sN =0 y: N−mgcosϕ=0 daraus folgt
tanϕ µ= s-
Tangens des "Rutschwinkels" ist gleich dem statischen Reibungskoeffizienten. Dieser Winkel heißt "Reibungswinkel".
B2. Unter welchem kleinsten Winkel muß die Kraft F gerichtet sein, damit der Klotz nicht
rutscht?
Lösung: Es ist leicht zu ver- stehen, dass diese Aufgabe äquivalent zu der vorigen ist, nur muß man ϕ durch π/ 2−ϕ ersetzen. Die Antwort ist also:
1 Diese komplizierten physikalischen Zusammenhänge können aber erst durch eine aufwendige Betrachtung der Kontaktmechanik eines angetriebenen Rades aufge- deckt werden. Hierfür ist das Modul "Kontaktmechanik und Reibungsphysik" empfohlen (jedes WS).
2 cotϕ µ= s.
Selbstverständlich kann man dieses Ergebnis aus dem Kräf- tegleichgewicht noch einmal herleiten:
y: N−Fsinϕ=0 x: Fcosϕ µ− sN =0. Daraus folg die obige Gleichung.
B3. Kippende Kiste
Drückt man auf eine Kiste seitlich, so tritt bei tief ge- legenen Berührungspunkt Gleiten ein, bei hoch gele- genem dagegen Kippen.
Aus der Grenzhöhe zwi- schen Gleiten und Kippen läßt sich der Reibungswin- kel ebenfalls bestimmen.
Im Grenzfall setzen Gleiten und Kippen gleichzeitig ein, d.h. die Bodenreaktion wirkt an der rechten Bo- denkante und die Rei- bungskraft erreicht dabei ihren Maximalwert
R=µsN. Aus dem Kräfte- und Momentengleichgewicht folgt dann:
N =G, F =µsN =µsG, −Fh Gb+ / 2=0;
2 2 s
Gb b
h= F = µ ⇒ b/ 2 s h =µ . III. Selbstsperrung
An einer auf einer senk- rechten Stange verschieb- baren Führungsbuchse ist ein Arm befestigt, an dem ein Gewicht verschiebbar angeordnet ist. Solange sich das Gewicht weit genug außen befindet, wird es durch die Reibungskräfte, die in den Eckpunkten der Führungsbuchse auftreten, gehalten (Selbstsperrung).
Aus dem Kräf- tegleichgewicht in horizontaler Rich- tung folgt, dass beide Reaktionskräfte N in Eckpunkten be-
tragsmäßig gleich sind (so sind sie im Bild eingezeichnet). An der Grenze zwischen Glei- ten und Selbstsperrung erreicht die Reibungs- kraft R seinen maximalen Wert R=µsN. Aus dem Kräftegleichgewicht in vertikaler Richtung 2µsN− =G 0 und Momenten- gleichgewicht bezüglich des Zentrums der Buchse Gl−2N 2h+2µsN 2d =0 folgt für die kritische Länge lc:
2 2
s s
h d l = µ − . IV. Keil rein, Keil raus
Aus dem Gleichgewicht in vertikaler Richtung für den anzuhe- benden Kör- per gilt G=Ncos / 2θ −µsNsin / 2θ .
Daraus folgt
cos / 2 ssin / 2 N G
θ µ θ
= −
Aus dem Gleichgewicht für den Keil in horizonta- ler Richtung folgt dann
1 2 sin / 2 2 s cos / 2 F = N θ + µ N θ oder
1
sin / 2 cos / 2 2 cos / 2 sin / 2
s s
F G θ µ θ
θ µ θ
= +
−
Beim Rausholen des Keils erhalten wir
cos / 2 s sin / 2 G=N θ +µ N θ
cos / 2 ssin / 2 N G
θ µ θ
= +
2 2 sin / 2 2 s cos / 2 F = − N θ + µ N θ oder
2
sin / 2 cos / 2 2 cos / 2 sin / 2
s s
F G θ µ θ
θ µ θ
− +
= +
Die Kräfte F2 und F1 stehen im Verhältnis
2 1
sin / 2 cos / 2 cos / 2 sin / 2 cos / 2 sin / 2 sin / 2 cos / 2
s s
s s
F F
θ µ θ θ µ θ
θ µ θ θ µ θ
− + −
= ⋅
+ +
Für kleine θ gilt: 2
1
1 s 1
s
F
F µ θ
µ
= − +
V. Thermisches Kriechen VI. Seitliche Kraft
VII. Seilreibung