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Gefangene oder Edelfrau? Zu einem semitischen Fremdwort der ägyptischen Soldatencharakteristik

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Academic year: 2022

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Originalveröffentlichung in: Die Welt des Orients 25 (1994), S. 17-20

Gefangene oder Edelfrau?

Z u einem semitischen F r e m d w o r t der ägyptischen Soldatencharakteristik Von Joachim Friedrich Quack, Tübingen

In einer Soldatencharakteristik des N e u e n Reiches1) findet sich als F r e m d w o r t die Bezeichnung einer vorderasiatischen Frau als sr.t. D i e Orthographie dieses Wortes im p L a n s i n g 10,5 ist 2), w ä h ­

rend der später bekannt gewordene Paralleltext p D e i r e l - M e d i n e h 35 Z . 6 loii-cvtÄQls!]]z u ergänzen ist3). Der Textzusammenhang ist fol­

gender:

„ D e r Sieg ist errungen und seine Majestät hat die G e f a n g e n e n zugewiesen

Bei der Rückkehr nach Ä g y p t e n .

D i e fremde Frau brach auf d e m M a r s c h z u s a m m e n , Sie w u r d e auf den N a c k e n des Infanteristen gelegt.

Sein Ledersack blieb liegen, andere n a h m e n ihn, Er w u r d e beladen mit einer sr.t.

Seine Frau und seine K i n d e r sind in ihrer Stadt,

aber er starb, ohne sie zu erreichen. (pLansing 10,3-6)4) Z u r D e u t u n g des Wortes sr.t w u r d e n verschiedene Vorschläge vorge­

legt. E r m a n und Lange übersetzen mit Vorbehalt als „ V o r n e h m e " u n d d e n k e n an ein F e m i n i n u m von hebr. "iiz> „Fürst"5).

Dagegen nehmen Blackman und Peet an, daß es sich u m eine allge­

meine Bezeichnung „Syrerin" handelt und denken auf Vorschlag v o n

') Z u r Textgattung „Soldatencharakteristik" generell siehe H.-W. Fischer-Elfert, Morphologie, Rhetorik und Genese der Soldatencharakteristik, G M 66 (1983), S. 45-65.

2) A . H . G a r d i n e r , Late Egyptian Miscellanies, B i A e 7 (Brüssel 1937), S. 109.

3) S. Sauneron, Les desillusions de la guerre asiatique (Pap. Deir el M e d i n e h 35), K e m i 8 (1968), S. 17-27, pl. II.

' ) Letzte Bearbeitung mit Literaturangaben H. Buchberger, W d O 20-21 (1989- 90), S.16f.

5) A . Erman, H. O. Lange, Papyrus Lansing. Eine ägyptische Schulhandschrift der 20. Dynastie. Det kgl. danske videnskabernes selskab, hist.-fil. medelleser X , 3 ( K o ­ penhagen 1925), S.92.

Die Welt des Orients 25/1994 S. 17-20, ISSN 0043-2547

© Vandenhoeck & Ruprecht 1994

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L a n g d o n an eine Lautentwicklung subaru > süru, v o n der ein Gentili- z i u m suru, fem. suritu abgeleitet sei6).

Schließlich versucht G r d s e l o f f , diese Vorschläge durch einen seiner M e i n u n g nach mit weniger Konjekturen belasteten zu ersetzen, nämlich durch eine V e r b i n d u n g mit akk. esirtu, für das er die Bedeutung „ G e - f a n g e n e " annimmt7). D i e s e Erklärung hält er für inhaltlich u n d phone- tisch problemlos.

G r s d e l o f f s D e u t u n g w u r d e , besonders seit C a m i n o s sie in seiner grundlegenden Bearbeitung aller neuägyptischen Miscellanies übernom- m e n hat8), allgemein anerkannt, explizit etwa v o n Sauneron bei seiner Publikation eines Duplikats z u m T e x t des Papyrus Lansing9) u n d v o n H e l c k in seiner Zusammenstellung asiatischer Fremdwörter im Ä g y p t i - schen10), implizit durch die Übersetzung „ G e f a n g e n e " etwa v o n Buch- berger11). D a g e g e n übersetzt Lichtheim schlicht „ w o m a n "1 2) , was aber k a u m eine exakte W i e d e r g a b e sein dürfte. Kurios ist die Behandlung des Wortes in Leskos neuägyptischem Wörterbuch. Lesko gibt zwar die Bedeutung „captive w o m a n "1 3) , verweist aber dafür weder a u f Grdse- loff n o c h auf C a m i n o s , sondern auf den Artikel v o n Blackman und Peet, die tatsächlich j a eine ganz andere Bedeutung postuliert hatten.

M i r scheinen gegen Grdseloffs Vorschlag schwerwiegende E i n w ä n d e m ö g l i c h , sowohl inhaltlich als auch phonetisch. Inhaltlich m u ß man feststellen, daß akk. esirtu durchaus nicht „ G e f a n g e n e " heißt, sondern v o n den modernen Wörterbüchern einhellig als „ K o n k u b i n e " wiederge- geben wird14). Diese Bedeutung ist aber im p L a n s i n g keineswegs nahe- liegend.

Phonetisch ist bereits d a s Fehlen der ersten Silbe bedenklich. G r d s e - loff bemerkt z w a r „ N o t r e graphie egyptienne

P -^.uQlt??

n e n o t e Pa s

>) A . M . Blackman, T. E.Peet, Papyrus Lansing: A Translation with Notes, J E A 11 (1925), S.292 A n m . 16.

7) B. Grdseloff, U n emprunt au semitique pour designer la femme captive de guerre, A S A E 51 (1951), S. 163-166.

») R . A . Caminos, Late Egyptian Miscellanies, Brown Egyptological Studies 1 ( L o n d o n 1954), S.408.

' ) K e m i 18 (1968), S.21 A n m . l .

10) W . Helck, Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. u n d 2. Jahrtausend v . C h r . , Ä A 5 (Wiesbaden2 1971), S.520 N r . 2 0 0 ; akzeptiert auch von D . S i v a n , Z . C o - c h a v i - R a i n e y , West Semitic Vocabulary in Egyptian Script o f the 14th to the 10th Centuries B C , Beer-Sheva V I (Jerusalem 1992), S.41.

» ) W d O 20-21 (1989-90), S. 17.

1J) Ancient Egyptian Literature II, The N e w Kingdom (Berkeley, L o s Angeles u.

L o n d o n 1976), S.172.

" ) L. Lesko, A Dictionary o f Late Egyptian, Volume 3 (Providence 1987), S.73.

" ) W . von Soden, Akkadisches Handwörterbuch I (Wiesbaden 1965), S.249; Chi- cago Assyrian Dictionary, V o l u m e 4, E (Glückstadt 1958), S.336f.

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le p h o n e m e d'attaque il est vrai mais cela ne constitue point une diffi- culte pour notre identification avec esirtu'^5), gibt j e d o c h keinerlei Be- gründung für diese Meinung. Selbst w e n n m a n einräumt, daß der Stimmabsatz im Akkadischen schwach ausgesprochen wurde, bleibt noch der Vokal e, der im Ägyptischen, das in dieser Zeit keine anlautenden Vokale kennt, durch ein / hätte gestützt werden müssen. Für die bei Grdseloffs Erklärung anzunehmende A p o k o p e der ersten Silbe fehlt jede Parallele, und als Gegenbeispiel kann man etwa den Ländernamen Assur bringen, der im Ägyptischen als 'Isr wiedergegeben wird16).

N o c h schwieriger ist ein von G r d s e l o f f überhaupt nicht kommentier- tes Problem, nämlich die Entsprechung von äg. s und akk. s. Sie scheint z w a r von der Transkription her naheliegend, ist aber tatsächlich alles andere als regulär. Hier gilt die Regel, daß semitisches s, sowohl akka- disch als auch westsemitisch, im Ägyptischen als c wiedergegeben wird, w ä h r e n d äg. s westsemitischem s u n d t entspricht17). Ursache hierfür ist, daß ursemitisches s3 affriziert als 's ausgesprochen w u r d e und diese Aussprache im 2.Jahrtausend v . C h r . noch in allen semitischen Spra- chen b e w a h r t wurde.

D a verschiedentlich noch mögliche A u s n a h m e n zu dieser prinzipiell allgemein anerkannten Regel gemacht wurden, scheint es mir sinnvoll zu zeigen, daß sie nicht stichhaltig sind. D i e von Helck angeführten Ausnahmen1 8) habe ich bereits anderswo zurückgewiesen1 9). Einige wei- tere Vorschläge w u r d e n von D o n n e r im R a h m e n eines Versuchs, das äg.

ssm „ P f e r d " mit d e m hebr. Plural coto zu verbinden, vorgelegt20). Sei- ne Beispiele sind j e d o c h ohne Beweiskraft. Entweder handelt es sich u m alte hamitosemitische Entsprechungen, bei denen andere Lautgeset- ze gelten als bei Entlehnungen2 1), oder um Entlehnungen des 1. Jahrtau- sends, als im Hebräischen und Aramäischen die ursprüngliche Affrizie- rung von s aufgegeben war22), oder um Fehler23). Hinsichtlich D o n n e r s

" ) A S A E 51, S.164f.

" ) Helck, Beziehungen2, S.279f.

" ) Helck, Beziehungen2, S.537f.; T.Schneider, Asiatische Personennamen in ägyptischen Quellen des Neuen Reiches, O B O 114 (Freiburg [Schweiz]/Göttingen 1992), S . 8 5 f . ; 397-399.

l s) Beziehungen2, S. 537; übernommen auch von Sivan, C o c h a v i - R a i n e y , West Se- mitic Vocabulary, S. 21.

" ) R d E 44 (1993), S.148, A n m . 3 2 .

2°) H . D o n n e r , Die Herkunft des ägyptischen Wortes P P ^ f c j i Pferd, Z Ä S 80 (1955), S.98f.

n) So wohl alle Belege bei Donner, Z Ä S 80, S.98f. A n m . 4 , ferner, falls überhaupt korrekt, msbb : sbb, S. 99.

" ) So die Belege auf S. 99.

" ) So das angebliche shw, Donner S.99, das, wie schon W B IV 211, 12 vermutet, Textfehler für hs „ K o t " ist.

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eigentlichem Anliegen sind die ägyptischen und semitischen Pferdebe- zeichnungen z w a r sicher nicht völlig voneinander zu trennen24), aber die Nichtentsprechung der Zischlaute sowie die Tatsache, d a ß im U g a - ritischen das Pferd gern mit d e m seltenen Zeichen i als ssw geschrieben w i r d , zeigen, d a ß beide aus einer dritten, offensichtlich nichtsemiti- schen Sprache entlehnt sind. Ich werde darauf an anderer Stelle aus- führlich zurückkommen.

A u c h Schneider2 5) erwägt bei seiner Untersuchung asiatischer Eigen- n a m e n die Möglichkeit, d a ß ägyptisches s gelegentlich semitischem s entsprechen könnte, j e d o c h ist an den konkreten Stellen N 109 (S.61 f.), N 194 (S.96), N 249 (S. 116) und N 390 (S. 184-186), w o er diese D e u - tung erwägt, stets eine andere Ableitungsmöglichkeit gegeben u n d auch sachlich mindestens gleich befriedigend. Schneider hat diese Vorschlä- ge offenbar nur gemacht, u m angesichts der Tatsache, daß Helck die Entsprechung äg. s : sem. * zuläßt, keine Möglichkeit auszulassen. M a n kann aber nunmehr definitiv festhalten, daß es keinen G r u n d gibt, an- z u n e h m e n , d a ß im 2. Jahrtausend äg. s jemals sem. J entspricht.

D e m n a c h ist die gängige Auffassung von sr.t als akk. esirtu inhaltlich wenig plausibel u n d phonetisch ausgeschlossen. E s bleibt noch, nach einer besseren D e u t u n g zu suchen. Hier denke ich, daß bereits die Erst- bearbeiter E r m a n u n d L a n g e mit ihrer Idee, ein F e m i n i n u m zu hebr. "iiz>

„Fürst, Oberster" anzunehmen, den eindeutig besten Vorschlag ge- macht haben. Dieses F e m i n i n u m ist im Hebräischen als m i ? „Fürstin, v o r n e h m e F r a u " konkret belegt, w a s phonetisch absolut regulär ent- spricht, weil die F e m i n i n - E n d u n g des Westsemitischen im 2. Jahrtau- send noch als t erhalten w a r u n d im Ägyptischen als t wiedergegeben wird26). Inhaltlich ist die D e u t u n g akzeptabel, da nach textlichen Bele- gen die Ä g y p t e r bei ihren Feldzügen auch Frauen v o n Fürsten und der Oberschicht erbeutet haben27). A u c h die Rücksicht gegenüber der sr.t, für deren Transport man sorgt, spricht für eine eher hochgestellte Per- son, wie bereits E r m a n und Lange erkannt haben28). M a n kann diese D e u t u n g also definitiv festhalten.

24) Neueste bibliographische A n g a b e n zur Diskussion bei P. Raulwing, Pferd und W a g e n im Alten Ägypten. Forschungsstand, Beziehungen zu Vorderasien, inter- disziplinäre und methodenkritische Aspekte. Teil I, G M 136 (1993), S . 7 1 - 8 3 ; bes.

S. 73-75.

" ) Asiatische Personennamen, S. 385.

" ) Sivan, C o c h a v i - R a i n e y , West Semitic Vocabulary, S. 40-42. Zur Entwicklung des auslautenden t der Femininendung s. ausführlich K. Beyer, Die aramäischen Texte v o m Toten M e e r (Göttingen 1984), S.95-97.

" ) Helck, Beziehungen2, S. 342-347.

2!) Papyrus Lansing, S.92.

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