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Hamitische Bestandtheile im Aethiopisehen.
Von Franz Fraetorins.
Durch Reinisch's unausgesetzte Bemühungen um die Kenntniss
der hamitischen Sprachen des mittleren Ostafrika's sind wir in die
Lage gekommen , den tiefen Einfluss dieser Sprachen auf die ver¬
schiedenen neuäthiopischen Dialekte, besonders das Amharische, der
früher höchstens vermuthet werden konnte, wenigstens etwas be¬
stimmter erkennen zu können. Man vergleiche z. B. das, was von
Roediger gelegentlich seiner Besprechung der Isenberg'schen Schriften
in der Allgem. Literatur-Zeitung vom Mai 1842 (namentlich Sp. 100
oben; Sp. 101, 2; Sp. 106, 3; Sp. 109, 6; Sp. 110, 7), was weitet
noch 1879 in meiner Amhar. Sprache S. 3—6 gesagt oder vielmehr
nicht gesagt worden ist, mit den an Reinisch's Arbeiteu anknüpfen¬
den Aufsätzen in Zarncke's Literar. Centralblatt 1884 Sp. 891 ff.
und Sp. 1798 ff. und (von D. H. Müller) in Kuhn's Literatur-Blatt
f. Orient. Philol. I, 434 ff. Der frübere Mangel an ziemlich jeder
Kenntniss der benachbarten hamitischen Sprachen drängte zwar fast
dazu. Nichtsemitisches aus dem Semitischen erklären zu wollen,
gleichwohl bleibt der von Nöldeke, die Semitischen Sprachen S. 61
Anm. 3 erhobene Vorwurf völlig zutreffend.
Zum grossen Theil eine Folge dieser Erkenntniss ist es , dass
man begonnen hat, kräftige Anfänge dieses hamitischen Einflusses
schon im Aethiopisehen zu suchen und zu flnden. Was Nöldeke
a. a. 0. S. 59, D. H. Müller a. a. 0. S. 440 sagen , klingt schon
ganz anders als Dillmann's, Gramm. §. 2 a. A. dargelegte Meinung.
Nichts destoweniger ist mau über einige allgemeine Betrachtungen
und Vermuthungen m. W. dabei noch nicht hinausgekommen ; und
der Zweifel, in welchen man beim Amharischen nicht selten geräth,
ob nämlicb eine dem Amhar. und dem Hamitischen gemeinsame
Erscheinung oder ein ihnen gemeinsames Wort semitischen oder
hamitischen Ursprungs ist, dieser selbe Zweifel hat sich aucb bereits
in Bezug auf das Aethiopische eingestellt. Während z. B. D. H.
Müller a. a. 0. 437 bagga Schaf im Bilin als Entlehnung aus
dem Aethiop. betrachtet, hält DiUmann, Deutsche Literaturz. 1888,
1111 0°7Ö des Geez doch eher für von den einheimischen Völkem entlehnt, als umgekehrt.
Im Folgenden ist ein erster Versuch gemacht, trotz aller noch
bestehenden Schwierigkeiten, wenigstens einige bestimmte gramma¬
tische Bildungen und Worte des Aethiopisehen als hamitisch zu
kennzeichnen. Es braucbt kaum gesagt zn werden, worin die an¬
gedeuteten Schwierigkeiten zumeist hegen : Wenn auch einzelne
Worte und Formen gewiss erst später Eingang gefunden haben
mögen, so hat sich die äthiop. Schriftsprache doch im Grossen und
Ganzen bekanntermassen bereits vor 1500 Jahreu fixirt; die in
Betracht kommenden hamitischen Sprachen kennen wir dagegen
erst aus diesem Jahrhundert, und im allgemeinen sind wir ge¬
neigt, solchen literaturlosen Sprachen wie die letzteren eine ganz
besonders rasche Veränderlichkeit zuzuschreiben. Sollte es sich nun
aber doch herausstellen, dass Bildungselemente rmd Worte, die das
Aethiopische vor 1500 Jahren den hamitischen Sprachen entlebnt
hat, noch heut in diesen erkennbar sind, so würde jene An¬
nahme jedenfalls nur mit Einschränkung Giltigkeit haben; vgl.
auch Literar. Centralbl. 1880 Sp. 1081 f., femer StoU, die Maya-
Sprachen der Pokom - Gmppe I. Vorw. S. V f. Eine andere
Schwierigkeit ist bereits oben berührt: Trotz Reinisch's rühmens¬
werther Arbeiten wissen wir von hamitischer Grammatik und vom
hamitischen Lexikon immerhin noch wenig genug, das GaUa ist
die einzige Sprache, von der ein einigermassen ausreichendes (aber
noch nicht ausgenutztes) Material vorliegt; vor allem aber fehlen
noch vergleichende hamitische Studien, die uns lehren könnten, was
ächt und zweifeUos hamitisch ist.
1) Die Abstraktbildung auf 5"•
Im Aethiop. findet bekanntlich in sehr lebendiger Weise Ab¬
leitung abstrakter Substantiva durch Anhängung der Endung 5*
an das Konkretum statt. Mit diesem 5" hängt jedenfalls eng zu¬
sammen das gleichem Zweck dienende seltne ^ sowie das im
Amhar. und Tna überaus häufige i^X"- Die übrigen semitischen
Sprachen kennen keine dieser Endungen in gleicher Anwendung,
und nur sehr künstlich und wenig wahrscheinlich ist das äth. 5*
mit ähnlich lautenden, aber ganz anders funktionirenden Endungen
der verwandten Sprachen verglichen worden (vgl. Dillmaun, Gramm.
§ 122; ZDMG. XXXII, 758 Zl. 15); das auch amh. Spr. S. 178
herbeigezogene njttja ist als än. key. selbst zu wenig sicher.
Im Bilin ist die Endung nä BUdungsmittel des gewöhnlichen
Infinitivs; die Endung när (aus nät) leitet abstrakte Substantiva
ab (Beinisch, Bilinsprache § 118 und 119). Ebenso ist im Chamir
nä Endung des Infinitivs , nät Endung abstrakter Substantiva
Praetorius, Hamitische Bestandtheile im Aethiopisehen. 319
(Reinisch, Chamirspr. I § 175 und 179); nicht anders im Quärä
(Reinisch, Quaraspr. I § 96 und 97). Vgl. noch Reinisch, Kafa-
sprache 1 § 33 g. Bereits Reinisch hat nä des Bilin mit äth. 5",
när des Bilin mit äth. verglichen, ohne indess eine Andeutung
darüber zu machen, ob und event, in welcher Richtung eme Ent-
lehmmg anzunehmen sein dürfte, ünd in der That, wenn weiter
keine Anhaltspunkte vorlägen, als die aus den genannten'Agau¬
sprachen zu entnehmenden, so würde nicht mit Sicherheit der Schluss
zu wagen sein, dass die in Rede stehenden Endungen im Aeth. und
Amh. aus dem Hamitischen entlehnt sind, denn die Agausprachen
sind auch ihrerseits so äusserst innig von äthiopischen Elementen
durchdrungen, dass eine Entlehnung auch in umgekehrter Richtung
wohl denkbar ist — und allem Anschein nach, wie wir sehen wer¬
den, bei zweien dieser Endungen auch wirklich stattgefunden hat.
In unendlich viel geringerem Grade als die Agausprachen ist
das Galla vom Aethiop. beeinflusst worden. Wenn wir nun nä als
abstraktbildende Endung auch im Galla finden, so ist es von vom¬
herein höchst wahrscheinlich, dass diese Endung ächt hamitisch
ist. Die Art und Weise, in der dieselbe im Galla vorkommt, schon
etwas erstarrt und von anderen Bildungen zurückgedrängt, macht
überdies noch ganz besonders den Eindruck des Alters und der
Ursprünglichkeit. Da ich nicht hoffen kann, meine Studien über
diese Sprache sobald zu einem drackfertigen Abscbluss zu bringen,
so glaube ich, den betrefi'enden Abschnitt aus meinem Manuscript
hier im Auszuge mittheilen zu dürfen:
„Mit dieser Endung nä finden wir nun auch im Galla noch
zahlreiche Abstrakta gebildet, wenn der Gebranch der Endung auch
keineswegs mehr frei erschemt. Beispiele: dl 5" Luc. 19, 46,
hanna Mt. 15, 19 (Cabagne) Diebstahl aus rh't'^"; J^l^
Luc. 12, 15 Geiz von dok verstecken; verhältnissmässig häufig
von der Stammbildung auf aj, wo dann aus aj5* lautgesetzlich e^i'
entstehen muss, so fh<3^? Schlechtigkeit, /^fk? Gleieh¬
niss; von Beflexivstämmen stets mit Schwund des charakteristischen
Dentals, wie Z,'^^' Gleiehniss (neben ■ '^4,'^
Frage'.
„Nur in einer besonderen Gebrauchsanwendung erscheinen diese
alten Infinitive auf nä frei von jedem Verbum gebildet und ohne
substantivischen Charakter, nämHch in der von Tutschek gramm.
S. 40 a. E. als Particip Perfekti aufgeführten und ibid. § 156 als
gleichbleibend in allen Personen und Zahlen geschilderten Form.
In Wirklichkeit ist dieses Particip vielmehr ein Gerundium, ein
tbatwörtlicher Infinitiv, gebildet von dem alten Infinitiv auf nä
durch Anfügung der Postposition ni. In der Baseler üebersetzung
•weniger gebränchlich (z. B. Ex. 3, 18, Apg. 10, 29), kommt dieses
Gemndinm bei Cahagne (vgl. Panlitschke, Harar S. 542 ff.) ansser-
ordentlich hänfig vor, z. B. inni tenan, bartolisa itti diatanim Mt.
5, 1 er sitzend, nahten sich seine Jünger ihm".
Anch im Afar sind einige Abstrakta auf nä zu belegen, so
asänä Aufenthalt während des Tages, Beinisch, Afar-Sprache
II, 24, kaldinä ibid. 75 Alter. Ob aber auch der gewöhnliche
Afarinfinitiv auf nän, den Reinisch a. a. 0. 51 mit dem Somali¬
infinitiv auf nin (aus nim) zusammenstellt, hierher gehört, ist mir noch unklar.
Es dürfte also anzunehmen sein, dass die äthiop. Abstrakt¬
endung f ursprünglich hamitisches Sprachgut ist, welches die ein¬
wandernden Semiten schon früh entlehnten, sei es gleich bei ihrem
Eintritt von den Afarleuten und den fast gleichsprachigen Sahos,
sei es erst später von den Agaus. — Aber von den Endungen 5" ^
nnd findet sich im Galla nicht die geringste Spur. Mit ihrem
auslautenden t sehen diese Abstraktendungen überdies durchaus
semitisch ans. Es scheint, als sei die hamitische Abstraktendung
5" erst im Aethiop. bez. Amhar. nach semitischer Weise zu
und weitergebildet worden und dann in dieser erweiterten
Gestalt ins Bilin, Chamir, Quärä zurückgewandert.
Im Galla sowohl wie in den Agausprachen tritt nä ganz eng
an den Wurzel- oder Stammauslaut des Verbums an, so dass beim
Zusammenstoss dieses Auslauts mit dem n die event, nöthigen laut¬
lichen Veränderungen eintreten. Aucb im Aethiop. trat 5" ur¬
sprünglich uumittelbar an das zn Gmnde liegende Concretum
an, wie die lautlichen Veränderangen deuthch erkennen lassen (vgl.
Nöldeke: GGA. 1886 S. 1014 f). Ist die oben gegebene Erklärung
der Endungen und richtig, so müssen auch sie ursprüng¬
lich unmittelbai- angetreten sein. Dass dies in der That der Fall
gewesen, zeigen zahlreiche Beispiele, welche Reinisch a. a. 0. für
die Agausprachen anführt, wie aräs-nar das Pflügen, haketim-
nät Faulheit, bär-ne Knechtschaft. Wenn jetzt in der über¬
lieferten Aussprache des Aethiop. sowie im Amhar. die Enduugen
^» ^r^. 5^ (immer?) mittelst eines sehr vernehmlichen 6 dem
Grundnomen angehängt werdeu, und wenn Nöldeke a. a. 0. in
einem älteren amhar. Text sogar eine Schreibung ^fl^ '. "^i^
Dreiheit nachweist, so wird hieran mindestens theilweis das Be¬
dürfniss Antheil haben, beim Zusammentreffen dreier Consouanten
eine bequemere Aussprache herbeizuführen. Dies bemerkt Reinisch
a. a. 0. auch für die Agausprachen, vgl. wäsgenä nicht hören.
Fraetorius, Hamitische Bestandtheile im Aethiopisehen. 321
libbcnäit neben libnät Klugheit. Sodann aber liegt vielleicht Ein¬
wirkung der von Eemisch, Chamirspr. 1 § 177, Quäräspr. I § 99 be¬
sprochenen, mit nä parallel laufenden nnd gleichbedeutenden Endung
änä vor, in welcher ä vermuthhch im Grunde besonderer verbaler
Stammauslaut ist (= Galla eiSä?). Jedenfalls aber möchte ich in
IfJfl^; "Kit" nichts UrsprüngUches sehen (in etwa den
Eest von O^J^ Abbad. diet. 562 sorte, espfece, qualite),
sondem nur Unbeholfenheit oder WiUkür des alten amhar. Schreibers.
An der von Nöldeke herbeigezogenen SteUe Wright, catal. Uest
man ausserdem noch ävi^ ] i^, X^H.A'fl/h.C i^,
AP^A^lJ-t--
2) A^nm
A^fl'Ti, das gewöhnl. Wort für Heuschrecke, ist
sicher bamitisch und hat mit Jaxi nichts zu thun. Es ist das
nomen unit, des 'Afarwortes anäwi: anawitä, zu welchem schou
Eeinisch, 'Afarspr. II, 22, äth. i\i[\fT\ verglichen hat. Es könnte
aber vieUeicht möglich scheinen, dass umgekehrt das Afarwort aus
dem Aethiopisehen entlehnt und als nomen unitatis aufgefasst sei,
welche Volksetymologie dann die Büdung des coU. anäwi zur Polge
gehabt habe. Man könnte dafür auch geltend machen, dass die
ebenfalls hamitische ChamUsprache deutlich das verstümmelte äthiop.
Wort aufgenommen habe (Reinisch, Chamirspr. II, 17). Aus diesem
Zweifel befreit uns wieder die Vergleichung des GaUa. Hier finden
wir das Wort in der Gestalt awanisä (Tutschek, Lexieon der Galla¬
sprache 9; Cecchi, Da Zeila aUe frontiere del Caffa III, 116),
ATi»! Exod. 10, 4. 12. 13. Hier ist isä die dem Galla eigen¬
thümliche Endnng des (bereits erstarrten und völUg an die Stelle
des coUektiven Singulars getretenen) nomen unitatis, wie itä im
Afar; die Büdung des nomen unit, ist bei diesem Wort also ächt
und althamitisch , es kann mitbin im Afar nicht erst aus dem
Aethiop. entlehnt sein.
Zu beachten ist, dass das hamit. t wie das griech. r sich im
Aethiop. als fll darsteUt'); nicbt minder, dass das hamitische,
jetzt als rein labial angegebene w durch äthiop. fJ ausgedrückt
ist. Ob sich in der äthiop. Form eine ältere hamitische Aussprache
mit dentilabialem w oder mit b erhalten hat? — AuffaUend ist,
dass das Wort im Tigrina mit unregelmässiger Aussprache anwötta
(Gramm. § 62 ult.) und unregelmässiger Betonung (Gramm. S. 139)
1) Vgl. Guidi, Le Traduzioni degli Evangelii in Arabo e in Etiopico pag. 34 (K. Acad. dei Lincei, Roma 1888).
Bd. XLIIL 21
überliefert ist; docb glaube ich hierauf keinen besonderen Werth
legen und diese Unregelmässigkeiten nicht mit dem Afarm-sprung
des Worts in Verbindung bringen zu dürfen.
3) AWO
Auch noch ein anderes Wort für Heuschrecken, der
gebr. Plural A5*YTf'Ö' ist hamitischer Herkunft. Dieser gebr.
Plural ist in regelmässiger Weise von dem Afarwort nnkdb (Reinisch,
'Afarspr. H, 21) gebildet, man erkennt in dem YY* noch das u
des hamitischen Singulars. Auffallend und bis jetzt nicht erklär¬
bar ist nur, dass das b des Grundworts in dem äthiop. PInral
geschwunden ist. Dass übrigens auch hier die Entlehnung nicht
etwa in umgekehrter Richtung stattgefunden hat, lehrt wiedemm
das Galla, wo rmküb, als korobisa (wieder erstarrtes nomen unit,
auf isä) wiederkehrend, sich als hamitisch ergiebt.
4)
(«RiO.) Hinterhalt und das von ihm denominirte
Verbum JST einen Hinterhalt legen, auflauern sind
schon durch das T fremder Herkunft stark verdächtig. Ich halte
das Wort für entlehnt dem Hamitischen, wenn ich seine Spur auch
nur im Galla nachweisen kann.
Obwohl weder bei Tutschek noch bei Cecchi erwähnt, ist die
Wurzel , oder auch mit prosthetischem Vorschlag
doch im Galla sehr gewöhnlich. Sie bedeutet zunächst einfach
sich verstecken ohne jede feindliche Absicht, so in der Baseler
Bibelübersetzung '. Gen. 4, 14 vor deinem
Angesicht werde ich mich verstecken, und so heisst
das Nomen /JA. Verborgenheit und weiter geradezu Zelt,
Schutz und ähnl., vrie Ps. 18, 12; 64, 3; 91, 1. Aber die
Wurzel kommt auch im Galla in der Bedeutung des feindlichen
Auflauems vor, so 7'?J?'th A./IA \ i(fl : ^ A^A» !
AjSrt»4^ ^'^> ^ Dorf lauert er, den
reinen Menschen zu tödten, ebenso im folgendeu Verse :
A.^A : An : A*?^ : o/Vfi-t : Kimficn:: \
/iA. ^ A.R'^ i fl''t4^ er lauert, wie ein Löwe ver¬
birgt er sich in seiner Höhle; er lauert, deu Armen
zu zerreissen, ZÄ^-t : A4^ .* A./;,Rfl .* ÄH. I ilf
Praetoritts, Hamitische BestandtheUe im Aetliiopischen. 323
^.]? ; nClrl?^ Luc. 11, 53 und lauernd suchten sie,
ein Wort aus dem Munde zu nehmen. Das Nomen /»A.
(p wird in der Baseler Uebersetzung immer durch Ä wieder¬
gegeben) halte ich für identisch mit äth. Ji.'J'-
Es ist sehr wohl möghch, dass diese Wurzel rip, sei es eben¬
faUs als rip oder als dip , auch im Agau, Afar, Saho existirt oder
existirt hat und von dort aus ins Aethiopische eingedmngen ist. Wenn
unsere dürftigen Vokabulare dieser Sprachen das Wort nicht ent¬
halten, so beweist das selbstverständlich nichts. Aber es erscheint
die Möglichkeit einer Herübernabme ins Aethiop. aus dem GaUa
auch nicht als ausgeschlossen, namentlich nicht, wenn wir annehmen,
dass vor 1500 Jahren Aethiopisch auch noch im Süden, in der
Heimath des Amharischen gesprochen wurde. — Ueber Wechsel
yon r und d vgl. Beiträge zur Assyriologie und vergl. semit.
Sprachwissensch. I, 45 f. ; ausserdem sei zu der doppelten Aussprache
und JS.O. bemerkt, dass auch im Galla für p oft b ge¬
sprochen wird.
5) 4>A^
<f>^'J Schuh, Sandale fordert aber eine Etymologie ans
dem Galla gradezu heraus. Das gewöhnliche Wort für Schuh,
Sandale ist im Galla 'OÄ- dialektisch wie gewöhnlich auch
"pn,. Ausser bei Tutschek lex. 35, Cecchi 137. 212, Lef. kope
souliers, ist das Wort in den Texten oft genug zu belegen.
Durch Vergleichung von Som. kab shoe, sandal (Hunter 171),
Afar kabel, dessen Auslaut ich allerdings nicht zu erklären ver¬
mag, ist das Wort wohl hinreichend als hamitisch gesichert ; keines¬
wegs unmöglich erscheint auch die Gleichsetzung mit ägypt. \h{t).
Zu "OÄ ist nun eine Pluralform "O^^ so gut denkbar,
wie z. B. zu {JS Weib: ij^'i- leb möchte es lediglich
für einen Zufall halten, wenn ich diese Pluralform bisher nicht
belegen kann, sondern nur immer "O A> • dessen Endung e höchst wahrscheinlich selbst schon collektivisch ist ; vgl. im Somali endungs¬
los kab. (Man wird auch leicht bemerken, dass in gewissen Texten,
so namentlich bei Cahagne, die Pluralform auffallend häufig ver¬
mieden und statt ihrer die Singularform in collektivem Sinne
gesetzt wird). Dieser Plural T^Ji'i scheint ins Aethiop. als
<t>/Ci aufgenommen zu sein. Das hamit. k tritt im Aeth. als q
auf, wie t in A'Jfl'Tl als t; in *t*J^'i kann überdies noch
assimilirende Wirkung des A angenommen werden.
Unterstützt wird die Annahme der oben dargelegten Ent¬
lehnung noch dm'ch die realen Verhältnisse, wenigstens so wie die-
selben heut liegen. Die eigentlichen Aethiopen, und zwar beide Geschlechter, gehen jetzt „durchweg" barfuss, vgl. Hartmann, Abys¬
sinien 68, 74; nur viele Priester benutzen „rothe geschnftbelte
Safianscbuhe, wie solche in den ägyptischen oder indischen Städten fabrizirt werden" a. a. 0. 73. Dem gegenüber heisst es vom Galla
a. a. 0. 154: ,An deu Füssen geht er entweder nackt, oder er
benutzt kunstlose Sandalen", und vom Somali a. a. 0. 191: „San¬
dalen von einfacher Form sind häufig iu Gebrauch".
6) 4°A<E
Obwohl das gemeinsemitische Verbum COP weiden sammt
mehreren Ableitungen (zu denen nocb COP^ Tmmpp, Gadla
Adäm 105) dem Aethiopisehen wohlbekannt ist, so fehlt der Sprache
doch ein dem^assyr. re'u, My'i, l^i, ^ entsprechendes Wort für
Hirt; an seine Statt ist ein dem Aeth. allein eigenthümliches
Wort unbekannter Etymologie, 4°A*E, getreten. Ebenso ist im
Tigre zwar das Verbum noch bekannt, aber, soviel wir wissen,
nicht mehr das alte Nomen agentis; dafür ein besonderes Wort
od. 't'AJB- Im Tigrifia und Ambar. scheint auch das
Verbum verschwunden zu sein.
4°A*E macht den Eindruck eines von einem Substantiv 4° A
mittelst der Endung ä*^ abgeleiteten Beziehungsnomens. Welcher
Bedentung ungeftlhr dieses 4° A gewesen sein wird , ist aus der
Analogie unseres Schäfer, amh. J^Z,^ (amh. Spr. § 144 d), mit
Wahrscheinlichkeit zu ersehen. Nun ist A?"? im Galla das ge¬
wöhnUche CoUectivum für Vieh, Rinder, Heerde, s. Tutschek
lexic. 160; Cecchi 219 lon gregge, armento; das Wort wird
ganz allgemein , nöthigenfalls auch von einer Schweine- und noch
anderen Heerde gebraucht. Die Endung ön ist hier dieselbe Plural¬
endung, welche wir in 4* /^'i voraussetzten. Dass das Wort echt
hamitisch ist, unterliegt keinem Zweifel; vgl. Beinisch, 'Afar-Spr.
II, 81, Bilmwörterbuch 260 (wo Af^i A'üf^ zu streichen
sein werden). Danach möchte ich ätb. 4°A*E für abgeleitet halten
von diesem Gallawort. Die Umstellung der beiden Liquidae wird
kaum ernstliche Bedenken erregen.
7) a)j?A
(DJ^J*1 loben, preisen sieht mit seinen drei Radicalen
und seinem Gebrauch als Pi'el zwar wie eine echt semitische Wurzel
aus, gleichwohl aber suchen wir in den verwandten Sprachen ver-
2 5
Praetorius, Hamitische Bestandtheile im Aethiopisehen. 325
geblich nach Anknüpfung. In der That scheint diese Wurzel sich
als hamitisch erweisen zu wollen. — Watä bedeutet nach Eeinisch,
Bilinwörterbnch 363 den hemmziehenden gewerbsmässigen Barden,
ebenso im Saho und 'Afar. .Gleich den böhmischen mnsikanten
ziehen in Nordost-Afrika männer von bans zu haus, welche bei
violin- oder harfenbegleitung improvisirte gesänge ausfiireu". Der herumziehende Sänger ist, danach zu schhessen, eine volksthümlicbe
Persönlichkeit in Nordost - Afrika. Natürhch genügt dieses watä
längst nicht, um (D»?^l daran anzuknüpfen ; wohl aber wird man
annehmen dürfen, dass das Tigre wort *P/njB chanteur (Mun¬
zinger) von watä herstammt
Trotzdem watä im Bilin, Saho, 'Afar t zeigt, gehört das Wort
wahrscheinhch zn derselben hamitischen Wurzel, welche im GaUa
wet und wed lautet (nicht ,wäta singen" wie bei Beinisch); beide
Dentale wechseln oft im GaUa. Vgl. Tutschek, lex. 151; Cecchi,
263. Für die Form mit d seien noch folgende sehr vermehrbare
SteUen aus der Baseler Bibelübersetzung beigebracht: TJ?.." Tl^."
TÄAi Ex. 15, 1 dieses Lied sangen sie, ÄTJR.4:i:P
Ex. 15, 21 sie sang. Also wedu das Lied und wedis, das
regelmässige Causativum, als Verbum singen. Von diesem wedis
singen scheint das äth. (D^tl in der nur leicht specialisirten
Bedeutung lobsingen, preisen ausgegangen zusein; QX'.^A»
bedeutet specieU noch') den Kirchengesang, nnd davon deno¬
minativ amh. ACDf^rt to siug and chant with music at
Divine Worship (Isenberg), A(D.?Ti chantre en fonction
(Abbadie). 1st diese Etymologie richtig, so erkennen wü: anch,
wamm äth. (Df^jfl als Steigerungsstamm gebraucht wird: Die
Sprache hielt das e mit dem ihm folgenden einfachen d des hami¬
tischen Wortes gerade nur passend fiir das Imperfect Indik.
JB'SJ^fl; von hier aus vrarde nach äthiop. Muster JB(D^tl,
(D^tl, arJ^Ü, u. s. f. gebildet.
8) ihl-nCf.
th.'i'dC,^ (entsprechend auch in den neuäthiop. Sprachen)
hat das semitische Wort für N a b e 1 ganz verdrängt. Nur im Tigi-e
kennt man nach Merx-Beurmann auch noch ssora, vieUeicht erst spät
1) Oder erst wieder von der Bedeutung preisen ausgeliend?
dem Arabischen entlehnt. Dass fh'J'flC^ hamitischen Ur¬
sprungs ist , wird kaum bezweifelt werden können ; weniger sicber
erscheint, welcher Einzelsprache es entnommen. Wir finden da eine
Reihe verschiedener, unter sich ofi'enbar zusammenhängender Formen,
die sämmthch an das äthiop. Wort mehr oder weniger anklingen,
ohne dass wir indess ihre Zusammenhänge verfolgen könnten. Am
leichtesten liesse sich fh'J'flC^ an das bereits von Reinisch,
Quaraspr. II, 65 herbeigezogene äg. IjrpS '), Äc'Ani und an die
Chamirform herbir anknüpfen. Aber vielleicht ist letzteres, ebenso
wie die Dembeaform gumber(ä), selbst erst wieder dem Aethiop.
entnommen. Wenigstens lautet das Wort im Bilin eteb(ä) ^), welches seinerseits mit Saho- Afar hondub zu stimmen scheint; an letzteres
knüpfen wieder an Som. hondur und Galla handur(ä).
9) rhO
itlC*?' die häufigste Bezeichnung für den Bock der Schafe
und Ziegen, ist dem 'Afar und Saho entlehnt. Nach Reinisch,
'Afarspr. II, 66 bedeutet bärgi „Eunuch, dem die Hoden zermalmt
worden". Dass das Wort auch von Thieren gebraucht wird, ist
zu ersehen aus Reinisch, Texte der Saho-Sprache 61, 2 hargi kiu
dabela ein castrirt seiender Bock; allein für sich das Thier
bezeichnend ibid. 63, 19 ya bärgi yök yäleyä mein Hammel
ist mir entlaufen. Die Bedeutung von ffiC? würde im
Aeth. also auf das männliche Thier überhaupt ausgedehnt sein.
1) Dies dio richtige Lesung, wie mir Herr Ad. Erman mittbeilt. „Das Wort mag etwa Helped gelautet haben".
2) Da nach Reinisch, Bilinwörterb. 57 etebä, ausser als /\^''fJ'J' ins Amh., auch als ^^'t^'fl '"s Tigre übergegangen ist, hat das Tigre mithin
«irei Ausdrücke für Nabel.
327
As-Sabti, der Sohn des Härün ar-Rasid.
Von Th. Söldeke.
S. 115 dieses Bandes nennt Völlers nach einem neaeren
süfischen Werke als einen der iwJLiis! den , Ahmed b. Härün ar-Ralld as-Sebtl" und fügt hinzu : ,Wer dieser Seht! ist, weiss ich nicht zu sagen , ich vermuthe , dass es eine Sagengestalt der Süfi's ist , wie
z. B. die Kairiner Volkssage auch einen Bahlül b. Härün ar-Rasid
kennt". Die Vermuthung von Völlers ist im Wesentlichen richtig.
Die älteste mir direet bekannte Stelle, wo as-Sabtl, Sohn des Härün,
erwähnt wird, ist im Anbang zu Ihn al-Qaisaränl (ed. de Jong)
S. 198. Da schreibt der 581 d.H. gestorbene Abü Müsä: „Zweitens
ist as-Sabtl ein Mann, von dem man sagt, er sei der Sohn des
Härün ar-RaSid gewesen, der das Asketenleben ergriffen, jeden Sabbat (vi^Jlw) um Lohn gearbeitet und die übrigen Tage Andachtsübungen
abgehalten habe; von ihm giebt es eme schöne Geschichte; er ist
in Baghdäd begraben ; man besucht sein Grab jeden Sabbat, und es
heisst ,das Grab des Sabbaters' (as-Sabti)". De Jong verweist
in der Anmerkung dazu auf ein wenig jüngeres Werk, wo diese
Geschichte des as-Sabtl ausfiihrlicher erzählt wird. Aus diesera
und anderen Werken, darunter einem von dem 597 d. H. in hohem
Alter gestorbenen Ibn al-Gauzl, hat Ibu Challikän seinen Artikel
über diesen Heiligen (Nr. 66 Wüstenfeld). Wir erfahren da noch
seine Kunja Abul 'Abbäs und sogar sein Todesjahr 184. Letzteres
hat auch Abul Mahäsin 1, 518; er erklärt ihn gar für den ältesten
Sohn, verwirft aber die von Einigen angenommene Identität des¬
selben mit dem von Völlers genannten Bablül (Buhlül) '). Von
as-Sabtl mag so noch manches Buch erzählen. Wir finden seine
Geschichte wieder in 1001 Nacht ed. Büläq^ 2, 312flF., wo der
wesentliche Zug mit dem Sabbat noch erhalten (S. 313), tmd ed.
Habicht 8, 234 ff., wo dieser schon verwischt ist.
1) Nach Abul Mahäsin 1, .511 war dies vielmehr ein frommer, weiser Wahnsinniger Bahlül b. 'Amr, der 183 slarb.