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Hummer mal anders: Grabungsfund einer Hummer- schere aus der 2. Hälfte des 13. Jhd. als Hinweis auf mittelalterliche Nutzung des Hummers als Delikatesse?

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Hummer mal anders: Grabungsfund einer Hummer- schere aus der 2. Hälfte des 13. Jhd. als Hinweis auf

mittelalterliche Nutzung des Hummers als Delikatesse?

R. Samariter 1 , P. Kaute 1 ,

I. Schmalenbach 2 , S. Harzsch 3

1 Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Landesarchäologie, Domhof 4/5, 19055 Schwerin, www.kulturerbe-mv.de

2 Biologische Anstalt Helgoland, Meeresstation, Alfred-Wegener-Institut für Polar und Meeresforschung, Ostkaje 1118, 27498 Helgoland

3 Universität Greifswald, Zoologisches Institut & Museum, AG Cytologie und Evolutionsbiologie, Soldmannstrasse 23, 17498 Greifswald

1. Das Fundstück:

Propodus des 4. Thorakopoden (Cheliped) eines mittelalterlichen Hummers

4. Wahrscheinliches modernes Gegenstück: Europäischer

Hummer Homarus gammarus 3. Mögliche Fanggebiete:

Verbreitung des Europäischen Hummers in Nordeuropa und

Greifswalder Heringsvitten.

6. Genuß von Krebsen. Miniatur, Wiener Handschrift des

Tacuinum sanitatis, mittleres 14.

Jhdt (Laurioux B. 1999,

Tafelfreuden im Mittelalter, 79).

2. Fundort Altstadt Greifswald - Ecke

Hunnenstrasse/Friedrich-Loeffler-Straße (Plan von 1707):

eine mittelalterliche Brunnensetzung (Eichenholz) aus dem Jahre 1261, die um 1280 verfüllt wurde.

5. Der mögliche Transportweg per Schiff vom Fanggebiet

betrug minimal 300 km

Propodus

Dactylus

Kogge, Siegel der Hansestadt Stralsund

Greifswalder Heringsvitten

Dem Marktflecken Greifswald wird 1250 von Wartislaw III. von Pommern (1210-1264) das Lübecker Stadtrecht verliehen (PUB 514). Die Fischereigerechtigkeit erhalten die Greifswalder Fischer um etwa 1270 von Herzog Barnim I. (1210-1278). Sie erstreckt sich von der Spandowerhagener Wiek bis zur Peene und von dort zum Ruden. Die

Fischfangrechte für die Dänische Wiek besaßen die Greifswalder bereits (Dähnert, J. C. Pommersche Bibliothek, Bd. 4, 397). Im archäologischen Fundgut finden sich regelmäßig Hinweise auf Fischfang und Konsum in Form von Angelhaken, Netzschwimmern, -senkern, Netzflickern, Fischskeletten, Muschel- und Austernschalen, Krebstiere dagegen sind extrem selten.

Bei archäologischen Untersuchungen des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern wurde 2012 in der Greifswalder Altstadt ein aus Eichenholz gezimmerter 2,20 m x 2,30 m großer Brunnen entdeckt (Abb. 2). Seine Sohle lag bei 0,70 m unter HN und reichte damit in den Grundwasserspiegel. Er wurde 1261 (oder kurz danach) angelegt (dendrochronologische Untersuchung Dr. K.-U. Heußner, Deutsches Archäologisches Institut Berlin) und nur kurz als Brunnen genutzt. Bereits um 1280 ist er aufgegeben und mit Lehm, Sand und Mist verfüllt worden. Aus der Verfüllung stammt der bemerkenswerte Fund einer Hummerschere, genauer des Propodus der Chela (Abb.

1).

Morphologisch lässt sich diese Schere mit großer Wahrscheinlichkeit dem Europäischen Hummer (Homarus gammarus) zuordnen (Abb. 4), wobei eine Zugehörigkeit zum

Amerikanischen Hummer (Homarus americanus) nicht ausgeschlossen werden kann, da es sich hier nur um ein Bruchstück handelt. Eine Identifizierung der Art und Population ist in erster Linie nur molekulargenetisch möglich (Triantafyllidis et al. 2005. Mar. Biol. 146:223-235). Das ca. 7 cm lange Fundstück hat eine rote Farbe wie sie sowohl bei

gekochten Hummern aber auch bei Exuvien und gealterten Panzern von toten Tieren auftritt (Abb. 4). Zur Zeit der Hanse wurden Güter im Ostseeraum überwiegend auf dem Seewege transportiert. Zieht man das heutige Verbreitungsgebiet des Europäischen Hummers in Betracht (Abb. 3), kommen als Greifswald am nächsten gelegene Fanggebiete Skagerak, Kattegat und die schwedische Westküste bis an den Norden des Öresundes heran in Betracht (Dybern B. I. 1973. Helgoländer. Wiss. Meeresunters. 24:401-414).

Sollte der Fang dann tatsächlich in Greifswald als Delikatesse angeboten worden sein, muss man für den Transportweg der lebenden Tiere auf dem Schiff mindestens 300 km veranschlagen (Abb. 5). Die Hummerüberreste könnten nach dem Konsum des Tieres einfach in dem Brunnen „entsorgt“ worden sein. Bereits 1280 (Kattinger D. 2000,

Greifswald Geschichte der Stadt. 39) besaß die Hansestadt Greifswald Heringsvitten (also Heringsanlade- und handelsplätze) auf Skanör und Falsterbo (Abb. 3). Der Transport lebender Hummer von den Vitten nach Greifswald war wesentlich aufwendiger und damit auch kostspieliger als der von Heringen, die mit Salz konserviert und in Tonnen per Schiff verhandelt wurden.

In dem wohl bekanntesten römischen Kochbuch, im Kochbuch des Apicius, werden Gerichte mit Meereskrebsen wie Taschenkrebsen, anderen Krabben, Meeresspinnen,

Garnelen, und Langusten aufgeführt. In mittelalterlichen Kochbüchern hingegen werden meist nur unspezifisch „Krebse“ erwähnt, vermutlich als Oberbegriff für Krustentiere, die nicht weiter differenziert wurden. In den Tacuinum Sanitatis Handschriften finden sich mehrfach Abbildungen zum Verzehr von Krustentieren, bei denen meist ein Diener anwesend ist - ein Hinweis auf die gehobene Stellung der Genießer (Abb. 6). Dass Krustentiere selten bei Ausgrabungen gefunden werden, mag auch der Verwendung des Panzers geschuldet sein, zu dem es in den Handschriften heißt: "...wenn man aus ihnen und ihren Schalen Asche macht und sie ißt, oder mit Enzian gemischt trinkt, so ist das gut gegen den Biß eines tollwütigen Hundes..." (Laurioux B. 1999, Tafelfreuden im Mittelalter, 79).

Greifswalder Heringsvitten

Referenzen

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