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Keine Wohngeldbewilligung aufgrund von erhaltener Abfindung

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VG Bayreuth, Urteil v. 24.01.2018 – B 4 K 16.918 Titel:

Keine Wohngeldbewilligung aufgrund von erhaltener Abfindung Normenketten:

WoGG § 13, § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 6, § 15 Abs. 2, Abs. 3, § 19

EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1b, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1a SGB II § 11

Leitsätze:

1. Nach der Sondervorschrift des § 15 Abs. 2 Sä. 2 und 3 WoGG ist ein einmaliges Einkommen, zu dem auch eine Abfindung zählt (BT-Drs. 18/4897, S. 91), bei Zufluss innerhalb von drei Jahren vor Stellung des Wohngeldantrages den dem Zufluss folgenden drei Jahren zuzurechnen, wenn kein anderer

Zurechnungszeitraum festgelegt oder vereinbart worden ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

2. Für die anteilige Anrechnung der Abfindung ist es unerheblich, ob diese bereits durch Pfändungen vollständig aufgebraucht worden ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Ablehnung einer Wohngeldbewilligung, anteilige Anrechnung einer einmaligen Abfindung als wohngeldrechtliches Einkommen, verteilt auf 36 Monate, Zufluss einer Abfindung trotz Pfändung, Gesamteinkommen, Einkommensersatzleistung, Zeitpunkt der Antragstellung

Fundstelle:

BeckRS 2018, 15618  

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand 1

Der Kläger begehrt ab dem 01.08.2016 die Bewilligung von Wohngeld.

2

Der Kläger stellte am 03.08.2016 erstmalig einen Antrag auf Gewährung von Wohngeld für die von ihm und seiner Familie (Ehefrau und ein Kind) genutzte, 78,24 m² große Wohnung in der …Str. ... in … Die

monatliche Gesamtmiete einschließlich Nebenkosten beträgt laut Mietvertrag vom 28.05.2013/04.07.2013 408,74 €. Mieter der genannten Wohnung sind laut Mietvertrag der Kläger und seine Ehefrau. Nach der in den Akten befindlichen Betriebskostenabrechnung vom 28.06.2016 erhöhte sich die Gesamtmiete ab dem 01.08.2016 auf 411,74 €.

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Bis zum 30.06.2016 stand der Kläger in einem Arbeitsverhältnis mit der Firma … Nach der

Entgeltabrechnung für den Monat Juni 2016 erhielt er seinen Lohn in Höhe von 2.648,25 €, eine freiwillige Zulage in Höhe von 99,00 €, Urlaubsgeld in Höhe von 249,30 € sowie einen Arbeitgeberanteil zur

Vermögensbildung in Höhe von 26,59 € (alles Bruttobeträge). Außerdem erhielt er eine einmalige Abfindung in Höhe von 30.512,00 € brutto. Insgesamt ergab sich damit ein Bruttoentgelt für Juni 2016 von 33.535,14 €.

Nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben wies die Entgeltabrechnung einen

Nettoverdienst von 25.520,82 € aus. Aufgrund mehrerer Lohnpfändungen wurden dem Kläger im Juni 2016 tatsächlich aber nur 2.359,60 € auf sein Girokonto und weitere 40,00 € auf sein VB-Konto ausbezahlt.

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Vom 01.07.2016 bis 30.09.2017 bezog der Kläger von der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit W.

– Arbeitslosengeld I in Höhe von 45,44 € kalendertäglich (entspricht 1.363,20 € monatlich).

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Mit Bescheid vom 31.08.2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Wohngeldbewilligung für die Zeit ab dem 01.08.2016 ab, da sich aufgrund der Höhe des Gesamteinkommens der Haushaltsmitglieder unter

Berücksichtigung der maßgeblichen Miete kein Wohngeldanspruch errechne. Bei der Berechnung des anrechenbaren jährlichen Gesamteinkommens wurde die Abfindung anteilig in Höhe von 10.170,72 € (ein Drittel von 30.512,00 €) abzüglich einer Werbungskostenpauschale in Höhe von 1.000 € angesetzt.

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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 20.09.2016 Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass die Abfindung nur zum Teil angerechnet werden dürfe.

Grund hierfür sei, dass von der Abfindung erhebliche Lohnpfändungen abgezogen worden seien. Von dem in der Entgeltabrechnung im Monat Juni ausgewiesenen Gesamtnettobetrag in Höhe von 25.520,82 € habe dieser nur einen Betrag in Höhe von 2.399,60 € erhalten. Es handle sich nicht um einen Fall, in dem der Abfindungsbetrag durch Anschaffungen etc. verbraucht worden sei. Da das Wohngeldrecht auf den Zufluss abstelle und dieser nie stattgefunden habe, sei eine Anrechnung nicht möglich.

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Der Beklagte legte dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 07.10.2016 seine

Rechtsauffassung dar. Der Klägerbevollmächtigte vertiefte seine Rechtsauffassung mit Schreiben vom 02.11.2016 weiter und hielt den Widerspruch aufrecht. Der Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn daher mit Schreiben vom 14.11.2016 der Regierung von Unterfranken als zuständiger

Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vor.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2016, der dem Bevollmächtigten des Klägers am 29.11.2016 zugestellt wurde, wies die Regierung von Unterfranken den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Ablehnungsbescheid vom 31.08.2016 zwar hinsichtlich der zu berücksichtigenden Miete in Höhe von 416,87 € anstelle von richtig 408,74 € rechtswidrig sei, dass dieser Aspekt den Kläger jedoch nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletze, weil es auch nach Abhilfeprüfung bei der Wohngeldablehnung verbleibe. Letztendlich führten auch materielle Fehler des Ablehnungsbescheides im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch bei gebundenen Entscheidungen nicht zur Aufhebung des Bescheids, wenn der beantragte begünstigende Verwaltungsakt im Ergebnis zu Recht versagt worden sei.

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Zur Begründung wurde weiter ausgeführt, dass es nicht zu beanstanden sei, dass bei der anteiligen Anrechnung der Abfindung eine diesbezügliche Aufzehrung durch Pfändungen unberücksichtigt bleibe.

Wohngeldrechtlich maßgeblich sei nach § 15 Abs. 2 Wohngeldgesetz (WoGG) nämlich allein, dass dem Kläger die Abfindung innerhalb von drei Jahren vor der Antragstellung zugeflossen sei. Dieses im

Wohngeldrecht anzuwendende Zuflussprinzip entspreche der steuerlichen Behandlung von Arbeitslohn. Ein Zufluss von Arbeitslohn liege jedoch auch dann vor, wenn die gewährte Abfindung durch Pfändungen aufgebraucht werde. Zu den Einkünften seien nämlich auch Beträge zu zählen, die einbehalten worden seien, um hiermit Schulden zu decken. Dies gelte auch, wenn Einkünfte zur Tilgung von Schulden verpfändet oder abgetreten worden seien. Eine Unterscheidung finde hierbei im Steuerrecht nicht statt.

Gleiches habe sodann auch für das Wohngeldrecht zu gelten. Dem Kläger würden die Beträge indirekt insoweit zufließen, als er von einer Verbindlichkeit befreit werde (sog. abgekürzter Zahlungsweg). Bei einer Pfändung einer Forderung könne der Zufluss des Betrages in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem bei dem Gläubiger die Zahlung eingehe. Der Kläger könne nicht besser gestellt werden als schuldenfreie Antragsteller, die eine entsprechende Abfindung tatsächlich ausbezahlt bekämen.

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Mit Telefax vom 23.12.2016 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 13.02.2017 beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 31.08.2016, Wohngeld-Nummer … in Form des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2016 aufzuheben und

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2. den Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Wohngeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Abfindung dürfe bei der Wohngeldberechnung lediglich in Höhe des ihm tatsächlich durch Auszahlung auf sein Konto zur Verfügung stehenden Betrages berücksichtigt werden. Als Einkommen zähle nämlich regelmäßig nur das, was im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließe. Da das Wohngeld gem. § 1 WoGG der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens diene und damit eine Sozialleistung darstelle, gelte auch § 11

Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) mit der Maßgabe, dass als Einkommen nur bereite Mittel angerechnet werden könnten. Bereite finanzielle Mittel stünden dem Leistungsberechtigten nur dann zur Verfügung, wenn die Mittel kurzfristig und ohne wesentliche Zwischenschritte realisiert werden könnten, um den Bedarf zu decken. Der infolge von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen gepfändete Betrag des Arbeitseinkommens dürfe bei der Berechnung aber nicht als Einkommen berücksichtigt werden, da darüber keinerlei Verfügungsmöglichkeit des Betroffenen bestehe. Gleiches müsse auch im Rahmen der Pfändung einer Abfindung gelten, sodass der gepfändete Betrag in Höhe von 23.121,22 € unberücksichtigt bleiben müsse.

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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Sinne eines abgekürzten Zahlungsweges die einbehaltenen Beträge dem Kläger in dem Zeitpunkt indirekt zugeflossen seien, in dem sie die Schulden des Klägers tatsächlich gemindert hätten. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum SGB II bewirkten die gepfändeten Teile des Einkommens bei dem Kläger ebenfalls einen wertmäßigen Zuwachs und damit eine Veränderung des Vermögensstandes. Wegen der Verringerung anderweitiger

Verbindlichkeiten würden sie einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzen und seien mit Einnahmen in Geldeswert vergleichbar. Auch die gepfändeten Teile des Einkommens seien als solche daher regelmäßig zu berücksichtigen. Eine Nichtberücksichtigung entsprechender Zuflüsse hätte im Gegensatz dazu die Folge, dass die Schulden aus steuerfinanzierten Transfermitteln getilgt würden, was dem Grundsatz der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge widerspräche. Die Konstellation des „abgekürzten Zahlungsweges“ sei rechtlich daher nicht anders zu bewerten als die vollständige Ausbezahlung einer Abfindung, die im Anschluss überwiegend zur Schuldentilgung verwendet werde. Auch der klägerische Verweis auf § 11 SGB II bzw. auf das im Rahmen des SGB II anrechenbare Einkommen greife bereits aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtungen nicht durch. Das Wohngeld diene zwar gem. § 1 Abs. 1 WoGG der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familienfreundlichen Wohnens und sei dementsprechend als Sozialleistung (i.w.S.) einzuordnen. Im Gegensatz dazu solle die in Bezug genommene Grundsicherung für Arbeitssuchende gem. § 2 Abs. 1 SGB II Leistungsberechtigten

ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspreche. Dies diene somit dem Schutz des grundrechtlich geschützten Existenzminimums. Zudem wäre die Berücksichtigung gepfändeten Einkommens auch im SGB II die Regel.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe 15

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 31.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 22.11.2016 ist größtenteils rechtmäßig.

Soweit er rechtswidrig ist, wird der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, da ihm für den

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maßgeblichen Zeitraum kein Anspruch auf Wohngeld zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Beklagte hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

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1. Nach § 4 WoGG richtet sich das Wohngeld nach der Anzahl der zu berücksichtigenden

Haushaltsmitglieder (§§ 5 bis 8 WoGG), der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung (§§ 9 bis 12 WoGG) und dem Gesamteinkommen (§§ 13 bis 18 WoGG) und ist nach § 19 WoGG zu berechnen.

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1.1 Die nach § 9 Abs. 1 und 2 WoGG zu ermittelnde monatliche Miete beträgt weder, wie im Bescheid des Beklagten vom 31.08.2016 angegeben, 416,87 €, noch wie im Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 22.11.2016 ausgeführt, 408,74 €. Ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Betriebskostenabrechnung des Vermieters vom 28.06.2016 (Seite 49) hatte der Kläger ab dem 01.08.2016 eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung von 111,00 € zu bezahlen. Addiert man dazu die im

Mietvertrag vereinbarte Grundmiete von 300,74 € beträgt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete 411,74 €.

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1.2 Trotz der insoweit geringfügig fehlerhaften Berechnung der zu berücksichtigenden Miete liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wohngeld nicht vor. Der Beklagte hat bei der Berechnung des Gesamteinkommens die dem Kläger im Juni 2016 ausgezahlte Abfindung seines früheren Arbeitgebers in Höhe von 30.512,00 € zutreffend anteilig mit monatlich 847,56 € berücksichtigt.

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Für die Bewilligung und Bemessung des Wohngeldes ist das Familieneinkommen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WoGG) maßgebend, d. h. das gesamte Jahreseinkommen im Sinne des § 14 WoGG aller zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder abzüglich der Frei- und Abzugsbeträge nach §§ 17 f. WoGG. Der dem Kläger gewährte Abfindungsbetrag ist Teil der gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1b Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Berechnung des Jahreseinkommens zu berücksichtigenden Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (OVG Münster, U.v. 23.04.2012 –

12 A 2494/11 – juris Rn. 28; VG Würzburg, U.v. 08.03.2012 – W 3 K 11.960 – juris Rn. 24 ff.).

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Bei der Ermittlung des Jahreseinkommens sind nach §§ 15 Abs. 1, 25 WoGG grundsätzlich die Einkünfte zu Grunde zu legen, die im Zeitpunkt der Antragstellung – als dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt – im Bewilligungszeitraum zu erwarten sind. Nach der Sondervorschrift des § 15 Abs. 2 Sätze 2 und 3 WoGG ist jedoch abweichend davon ein einmaliges Einkommen, zu dem auch eine Abfindung zählt (BT-Drs. 18/4897, S. 91), bei Zufluss innerhalb von drei Jahren vor Stellung des Wohngeldantrages den dem Zufluss

folgenden drei Jahren zuzurechnen, wenn kein anderer Zurechnungszeitraum festgelegt oder vereinbart worden ist. Bei § 15 Abs. 2 WoGG handelt es sich um eine bloße Vorschrift über die Zurechnung von einmaligen Einkommen zu bestimmten Zeiträumen (VG Ansbach, U.v. 04.04.2013 – AN 14 K 12.02084 – juris Rn. 27 m.w.N.). Eine nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung ist daher auf drei Jahre nach dem Zuflussmonat zu verteilen. Mit dieser Zurechnungsregelung wird gewährleistet, dass solche zumeist erheblichen Geldbeträge nicht als Vermögenszuwachs zu behandeln sind, sondern als Einkommen über einen angemessenen Zeitraum verteilt anzurechnen sind (VG München, U.v. 27.04.2017 – M 22 K 16.1653 – juris Rn. 22).

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Der Kläger hat mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (30.06.2016) eine Abfindung in Höhe von 30.512,00 € brutto erhalten. Diese Abfindung ist ihm innerhalb von drei Jahren vor der Antragstellung am 03.08.2016 zugeflossen. Eine Vereinbarung, wonach ein anderer Zurechnungszeitraum bestimmt wird, wurde nicht vorgelegt. Daher hat der Beklagte im Ergebnis zu Recht den Bruttobetrag der Abfindung in Höhe von 847,56 € bei der Berechnung des Wohngelds im Bewilligungszeitraum ab dem 01.08.2016 berücksichtigt.

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Bei der anteiligen Anrechnung der Abfindung muss zu Recht unberücksichtigt bleiben, dass diese laut Vortrag des Klägers bereits durch Pfändungen wohl vollständig aufgebraucht worden ist. Das

Wohngeldgesetz sieht diesbezüglich keinen Ausnahmetatbestand vor. Maßgeblich ist nach § 15 Abs. 2 Satz

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3 WoGG allein, dass dem Kläger die Abfindung innerhalb von drei Jahren vor der Antragstellung zugeflossen ist. Daher hätte die Abfindung unproblematisch bei der Berechnung des Wohngelds

berücksichtigt werden müssen, wenn sie dem Kläger tatsächlich ausbezahlt worden wäre und er mit dem Geld anschließend selbst seine Schulden getilgt hätte. Eine Verwendung einmal zugeflossener Mittel ist wohngeldrechtlich nicht relevant (VG Ansbach, U.v. 04.04.2013 – AN 14 K 12.02084 – juris Rn. 38; VG München, U.v. 27.04.2017 – M 22 K 16.1653 – juris Rn. 25; OVG Lüneburg, B.v. 03.05.2011 – 4 LC 191/10 – juris Rn. 32). Dass die Abfindung aufgrund von Lohnpfändungen aufgezehrt wurde, kann

wohngeldrechtlich keinerlei Auswirkungen haben. Wegen der engen Verknüpfung der

Einkommensermittlung des Wohngeldrechts mit dem Einkommensteuerrecht (vgl. § 14 EStG) ist bei der Frage des Zuflusses grundsätzlich § 11 Abs. 1 EStG entsprechend anwendbar. Einnahmen fließen dem Steuerpflichtigen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu, sobald er über sie wirtschaftlich verfügen kann und infolgedessen bei ihm eine Vermögensmehrung eingetreten ist (vgl. auch Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG – Kommentar, Stand: 04/2016, § 15 Rn. 37, § 14 Rn. 42). Die Form des Übergangs der

wirtschaftlichen Verfügungsmacht ist unerheblich. Der Steuerpflichtige erlangt diese auch dann, wenn der Geld- oder Sachwert im abgekürzten Zahlungsweg an einen Dritten für Rechnung des Steuerpflichtigen geleistet wird (BFH, U.v. 15.11.2007 – VI R 66/03 – juris Rn. 11 m.w.N.). Daher schließen auch bereits im Leistungszeitpunkt bestehende gesetzliche oder obligatorische Verfügungsbeschränkungen die für den Zufluss erforderliche Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht grundsätzlich nicht aus. Bei einer Pfändung fließt der gepfändete Betrag dem Steuerpflichtigen in dem Zeitpunkt zu, in dem die Zahlung beim Gläubiger eingeht (BFH, U.v. 15.11.2007 – VI R 66/03 – juris Rn. 13; im Falle eines Wohngeldanspruchs vgl. OVG Lüneburg, U.v. 07.02.1991 – 14 L 151/89 – unveröffentlicht). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger durch die Lohnpfändungen im Juni 2016 eine Befreiung von seinen Verbindlichkeiten erlangt.

Damit ist eine Vermögensmehrung eingetreten und die gepfändeten Beträge sind ihm im Juni 2016 i. S. v. § 15 Abs. 2 Sätze 2 und 3 WoGG zugeflossen. Auf das Ausstellungsdatum der der Pfändung

zugrundeliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse kommt es damit nicht an.

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Anders als der Kläger meint, rechtfertigt auch ein Vergleich mit § 11 SGB II keine andere rechtliche Einschätzung. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch im Bereich der Grundsicherung für

Arbeitssuchende gepfändete Teile des Arbeitslohns grundsätzlich als Einkommen i. S. v. § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigt werden (BSG, U.v. 10.05.2011 – B 4 KG 1/10 R – juris Rn. 17 f.; Schmidt, in: Eicher/Luik [Hrsg.], SGB II, 4. Aufl. 2017, § 11 Rn. 26). Eine Ausnahme kommt nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn der Leistungsberechtigte die Rückgängigmachung der Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne weiteres realisieren kann, weil ihm dann bereite Mittel zur Bedarfsdeckung nicht zur Verfügung stehen (BSG, U.v. 10.05.2011 – B 4 KG 1/10 R – juris Rn. 19). Das Gericht kann die Frage offenlassen, ob der Kläger die Pfändung hätte rückgängig machen können. Die Rechtsprechung des BSG kann nicht uneingeschränkt auf den Bereich des Wohngelds

übertragen werden. Dies folgt aus dem an der Beseitigung von Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) orientierten existenzsichernden Charakters der SGB II-Leistungen. Im Bereich der Versorgung sozial Bedürftiger mit Wohnraum durch die staatliche Gewähr von Wohngeld werden dagegen primär wohnungsbaupolitische Ziele verfolgt (BayVGH, B.v. 19.08.2013 – 12 C 13.1519 – juris Rn. 13; OVG Lüneburg, B.v. 03.08.2007 – 4 OA 12/06 – juris Rn. 13). Dem Kläger hätte daher, wenn er ohne Wohngeld seine Existenz nicht mehr hätte sichern können – sozusagen als Notauffang – ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zugestanden, die – zumindest vom Grundsatz her – auch Kosten einer angemessenen Wohnung (§ 22 SGB II) umfasst hätten (so auch OVG Lüneburg, U.v. 07.02.1991 – 14 L 151/89 – unveröffentlicht).

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Bei Berücksichtigung der Abfindung als Bestandteil des Jahreseinkommens zuzüglich des dem Kläger im Bewilligungszeitraum als Einkommensersatzleistung (§ 14 Abs. 2 Nr. 6 WoGG, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) EStG) zugeflossenen Arbeitslosengelds ergibt sich aus § 19 WoGG kein Wohngeldanspruch.

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2. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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