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Beitrag des Online-Flyers Nr. 105 vom 25.07.2007.

UN üben scharfe Kritik an der deutschen Asylverweigerung

Dreijahresbilanz

Von Hans Georg

Drei Jahre nach dem ersten Berliner Vorstoß zur Errichtung von Migrantenlagern in den europäischen Urlaubsgebieten Nordafrikas schreitet die deutsche Flüchtlingsabwehr erfolgreich voran. Wie das

Bundesinnenministerium in diesen Tagen mitteilt, ist die Zahl nach Deutschland gelangter Asylbewerber im ersten Halbjahr 2007 erneut um ein Fünftel zurückgegangen. Die Zahl genehmigter Asylanträge ist auf unter 20 pro Monat gesunken.

Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen üben scharfe Kritik an der deutschen Asylverweigerung.

Nicht niedriger geworden ist die Zahl der Menschen, die wegen der anhaltenden Hochrüstung der europäischen Außengrenzen auf der Flucht ums Leben kommen. Im Juni, als in den reichen Staaten der EU die Hauptreisezeit begann, wurden im Mittelmeer allein zwischen den Stränden Nordafrikas und Siziliens 210 Menschen vermisst oder tot geborgen. Deutsche Unternehmen erproben in Feudaldiktaturen am Persischen Golf Technologien für noch effizientere Grenzabschottung, die den Charakter künftiger europäischer Maßnahmen erahnen lassen.

Lampedusa

Foto: www.keine-festung-europa.eu

Während die Opfer gegenwärtiger oder kommender deutscher Kriegshandlungen zum Verbleib in ihren Krisenregionen gezwungen werden, protestieren Verbände nach Deutschland eingeladener Arbeitsmigranten

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anlässlich des gestrigen "Integrationsgipfels" gegen diskriminierende deutsche Gesetze. Das kürzlich verabschiedete sogenannte Zuwanderungsgesetz ist nach Ansicht von Kritikern "klar verfassungswidrig".

Umfassend

Seit der damalige deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) im Juli 2004 verlangte, Migranten auf dem Weg nach Europa müssten in Nordafrika in Lagern interniert werden [1], hat die Bundesregierung bei der Hochrüstung der EU-Außengrenzen umfassende Erfolge erzielt. Sämtliche relevanten Küstenstaaten Afrikas von Senegal bis Libyen kooperieren mit der EU bei der Flüchtlingsjagd [2], unterhalten wie gewünscht Menschenlager [3] oder lassen sich von Brüssel Internierungs- und Abschiebemaßnahmen finanzieren [4].

Mit der eigens gegründeten Frontex-Behörde [5] unterstützt die EU die Verfolgung von Migranten im Mittelmeer.

Sukzessive werden Abschiebeverträge geschlossen, die die umstandslose Ausweisung unerwünschter Einwanderer legalisieren. Um dennoch nicht auf billigste Arbeitskräfte verzichten zu müssen, hat die deutsche

EU-Ratspräsidentschaft die sogenannte zirkuläre Migration auf den Weg gebracht.[6] Ausgewählte Einwohner von Armutsstaaten dürfen auf Anforderung europäischer Unternehmen für eine begrenzte Zeit zur Arbeitsaufnahme in die EU einreisen. Berlin hat durchgesetzt, dass die EU-Kommission bis Ende des Jahres "Pilotpartnerschaften" mit Ländern Afrikas vorbereitet, in deren Rahmen die "zirkuläre Migration" erprobt werden soll. Bereits im Februar wurde in Mali ein Rekrutierungszentrum (Centre d'information et de gestion des Migrations/CIGM) gegründet, das die kontrollierte Zufuhr afrikanischen Arbeitspersonals für Firmen in der EU steuert.[7]

Mindestens zehntausend

Die Folgen der europäischen Grenzhochrüstung sind desaströs. Das Europaparlament gab vor zwei Wochen vorsichtige Schätzungen von Experten bekannt, denen zufolge in den letzten zehn Jahren mindestens zehntausend Menschen bei Einreiseversuchen an den südlichen EU-Außengrenzen ums Leben gekommen sind - vor den

Urlaubsküsten Spaniens, Italiens und Griechenlands. Allein im Juni 2007 wurden zwischen den Stränden Nordafrikas und Siziliens 210 Menschen vermisst oder tot geborgen, teilt ein Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) mit.[8] Vermisst werden auch 53 Reisende, deren Fischerboot ein europäisches Spionageflugzeug am 21. Mai zwischen Libyen und Malta entdeckte. Während es gelang, die Bootsinsassen zu fotografieren und sie als eritreische Flüchtlinge zu identifizieren, wurden ernsthafte Rettungsversuche offenbar nicht unternommen. "Ihr Schicksal ist immer noch unbekannt", kritisierte der UNHCR-Mitarbeiter vor dem

Europaparlament.

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Alles unter Kontrolle?

Bild: www.fluechtlingsrat-hamburg.de Gesamtansatz Migration

Während die Bundesregierung die Hochrüstung am Mittelmeer "grundsätzlich begrüßt", verlangt sie eine

geographische Ausweitung des "Gesamtansatzes Migration". "Eine ausschließliche Stärkung der Südgrenzen" liegt demnach "nicht im Interesse Deutschlands"; vielmehr "sind (...) auch die Grenzen im Osten und Südosten

angemessen zu berücksichtigen", heißt es in einer Stellungnahme aus Schäubles Innenministerium. Über Ost- und Südosteuropa reist die überwiegende Mehrheit der Einwanderer mit Reiseziel Deutschland ein.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat die Übertragung der im Mittelmeer erprobten Abschottungspolitik "auf die östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der EU" bereits eingeleitet.[9] Um den längsten Abschnitt der dortigen Grenzen bemüht sich Frontex; die Behörde hat kürzlich ein Arbeitsabkommen mit dem Grenzschutz der Ukraine geschlossen.[10] Rumänien lässt seine lange südosteuropäische Grenze vom deutsch-französischen

Rüstungskonzern EADS abschotten. Das Unternehmen, das dort ein hochmodernes "integriertes

Grenzsicherungssystem" errichtet, erprobt gegenwärtig im Emirat Qatar den Aufbau eines radargestützten

"Überwachungs- und Schutzsystems" für Meeres-, Küsten- und Landgrenzen inklusive mehrerer Kommando- und Kontrollzentralen.[11] Experten schreiben den Golfstaaten, darunter Qatar, eine wichtige Rolle beim Experimentieren mit neuen Repressionsmethoden zu, da dort "keinerlei juristische oder administrative Hindernisse beim Einsatz (...) von Überwachungs- und Sicherheitstechnologie" existieren.[12]

Melilla

Foto: www.keine-festung-europa.eu Annulliert

Die Hochrüstung der Außengrenzen zahlt sich bereits jetzt aus. Wie das Bundesinnenministerium Tagen mitteilte, ist

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die Zahl der nach Deutschland gelangten Asylbewerber im ersten Halbjahr 2007 um mehr als 20 Prozent zurückgegangen - angesichts der weltweit zunehmenden Kriege, in die Deutschland in immer größerem Umfang verwickelt ist, ein erstaunlicher Trend. Ebenso bemerkenswert ist, dass die deutschen Behörden monatlich nur noch weniger als 20 Personen den Asylstatus gewähren (114 von Januar bis Juni 2007), obwohl Berlin behauptet, in Zukunft stärker gegen weltweit sich häufende Menschenrechtsverletzungen einschreiten zu müssen.

Für Empörung sorgt bei Menschenrechtsorganisationen und beim UNHCR, dass Berlin sich inzwischen das Recht zugesteht, einmal gewährte Asylanträge später zu annullieren. So haben mehr als 18.000 irakische Flüchtlinge inzwischen ihre Asylanerkennung verloren, müssen jederzeit mit ihrer Abschiebung rechnen und haben nur noch eingeschränkte Freizügigkeit in der Bundesrepublik. Dies hat große Unruhe unter Exilanten aus dem Kriegsgebiet hervorgerufen, kritisiert der UNHCR.[13]

Karikatur: Kostas Koufogiorgos www.koufogiorgos.de

Nationales Interesse

Auch unter Arbeitsmigranten in der Bundesrepublik ruft die Berliner Ausländerpolitik wachsende Unruhe hervor.

Ursache ist das sogenannte Zuwanderungsgesetz, das vor wenigen Tagen vom Bundesrat verabschiedet worden ist und nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten in Kraft treten kann. Danach werden unter anderem die Hürden für die Einbürgerung erhöht sowie die Zusammenführung von Familien erschwert. Kritiker nennen das Gesetz "antitürkisch" [14], die größten Verbände türkischer Einwanderer haben aus Protest die Teilnahme am sogenannten Integrationsgipfel boykottiert. Ursache ist, dass von den Restriktionen beim Familiennachzug vor allem Migranten aus der Türkei betroffen, Migranten aus reichen Ländern aber (insbesondere USA, Kanada und Japan) ausdrücklich ausgenommen sind.

Selbst Abgeordnete der Regierungskoalition halten die Diskrimierung von Einwanderern aus ärmeren Staaten für

"klar verfassungswidrig".[15] Doch muss das Diskriminierungsverbot hinter dem nationalen Interesse der Bundesrepublik zurückstehen und kann ohne weiteres preisgegeben werden, teilt die Bundesregierung mit: "Die Privilegierung ist dadurch gerechtfertigt, dass der Zuzug der Angehörigen dieser Staaten im besonderen

migrationspolitischen Interesse Deutschlands liegt".[16]

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[1] s. dazu Avantgarde der Lager, Festung und Schilys Schleuser

[2] s. dazu Opfer unbekannt, Entwicklungsmodell Tunesien, Größere humanitäre Krise, Eins zu zehn und Moderner Standard

[3] s. dazu Netzwerke der Flüchtlingsabwehr, Interview mit Dr. Paolo Cuttitta und Drei Fronten [4] s. dazu Moderner Standard

[5] s. dazu Die Herren der Meere, Frontex und Auf Leben und Tod

[6] s. dazu Import-Export, Lagerrevolten, Nicht verwertbar und Nachkriegsballast [7] s. dazu Rekrutierungsbüro

[8] Migrant deaths at sea: MEPs reiterate Member States' responsibilities; The European Parliament's Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs 03.07.2007

[9] EU-Innenminister setzen wichtige Schritte zur Stärkung von Freiheit und Sicherheit; Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums 13.6.07

[10] s. dazu Nachkriegsballast

[11] Le Qatar commande à EADS un système de couverture radar pour son territoire; Fondation Prometheus 03.06.2007

[12] Sicherheitstechnik am Golf gefragt; www.bfai.de 25.01.2007. S. auch Boomdiktaturen

[13] Deutschland: Irakern soll Flüchtlingsstatus nicht aberkannt werden; Human Rights Watch 10.07.2007

[14], [15] PRO ASYL: Deutschland wird unattraktiver, kälter und integrationsfeindlicher; Presseerklärung von Pro Asyl 05.07.2007

[16] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Geplante Regelungen zum Familiennachzug und Vermutungen zu "Scheinehen", "Scheinlebenspartnerschaften", "Zweckadoptionen" und Zwangsverheiratungen;

Deutscher Bundestag Drucksache 16/5498, 25.05.2007

Mehr im EXTRA-Dossier Festung Europa www.german-foreign-policy.com/ (PK) Kontakt:

http://www.nrhz.de info@nrhz.de

Referenzen

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