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Die slowakische Familie im Wandel: Vergleich zwischen traditioneller und moderner
Landbevölkerung
Guran, Peter; Filadelfiova, Jarmila
Veröffentlichungsversion / Published Version Zeitschriftenartikel / journal article
Zur Verfügung gestellt in Kooperation mit / provided in cooperation with:
Verlag Barbara Budrich
Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:
Guran, P., & Filadelfiova, J. (2000). Die slowakische Familie im Wandel: Vergleich zwischen traditioneller und moderner Landbevölkerung. Zeitschrift für Familienforschung, 12(1), 105-123. https://nbn-resolving.org/
urn:nbn:de:0168-ssoar-291116
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Forschungsnotizen
Peter Guräri & Jarmila Filadelfiovä
Die slowakische Familie im Wandel
Vergleich
zwischen traditioneller und modernerLandbevölkerung
Zusammenfassung
In welcher Weise verändert sich die Familie und wie reagiert sie auf den umfassenden gesellschaftlichen Wandel seit den
politi¬
schen Umbrüchen von 19899 Welche Rolle spielt die Gemeindemitihrem spezifischen kulturellen Hintergrund bei der
Bildung
neuer Strategien zur Problemlosung in der Familie9 Welche Verhaltensmuster in der Familie sindneu,welche sind noch traditio¬
nell und welche bleiben vomWandel unbe¬
rührt9
Dies sind einige der Fragen, denen das mehrjährige
Forschungsprojekt
„Die Fami¬lie und die Gemeinde in
Mitteleuropa"
nachging Dieser vorliegende Artikel greift aufErgebnisse des Forschungsprojekteszu¬
rück undversucht, am
Beispiel
der auf dem Land lebenden Familie in der Slowakei ei¬nige Tendenzen zuillustrieren,diebeispiel¬
haft für die
mitteleuropäische
Regioninsge¬samtseinkonnten
DieUntersuchung bestätigtzunächst den starken Einfluss der Gemeinde, vor allem ihres kulturellen Hintergrunds, auf die Werthierarchien sowie auch auf konkrete Verhaltensmuster in der Familie Es zeigte sich, dass die
Akzeptanz
traditioneller Mu¬ster um so starker ist, je homogener die Gemeinde (in
Bezug
aufReligiosität
und Nationalität) und je geschlossener sie ist (dh je weniger mobil ihre Einwohnersind) Auch unter veränderten gesamtgesell¬schaftlichen
Bedingungen
reproduzieren sichindiesem Umfeldmeistenstraditionelle Strategien der Problemlosung In offenen und heterogenen Gemeinden werden dage¬gen neue Strategien und Wertstrukturen eher
akzeptiert,
und die Verhaltensmuster innerhalb der Familie weisen eine stärkere PluralitätaufEs zeigtesich ferner, dass sich die Ver¬
haltensmustertrotz derenormen Geschwin¬
digkeit des gesamtgesellschaftlichen Wan¬
delsgenerellnurlangsamverändern Zudem verlaufen diese Veränderungen keineswegs linearvon der traditionellen hin zurmoder¬
nen Familie Oft sind sie
gegenläufig,
siebilden scheinbar widersprüchliche Kombi¬
nationen aus
Wertonentierungen
und kon¬kreten Verhaltensformen Die neunziger Jahreerweisensichentsprechend auch inder Slowakei alsAusgangspunktfüreinePlurali¬
sierungvonFamihenformen und -strukturen
Schlagworte Strategien zur Problemlosung
in der Familie, Gemeinde, traditionelles Umfeld, modernes Umfeld, wirtschaftliche Situation derFamilien,Wertstrukturen
Abstract
How is the family changing, and how is it reacting to the comprehensive social changesthat have taken placesince the po¬
litical upheavals of 19897 What is the role
of theCommunity, withits
specific
culturalbackground,
in the creation of newfamily strategies9
Whichfamily
behaviours arenew, which are traditional, and which re- mainuntouchedby the
changes9
Those aresome of the questions
investigated by
thelongitudinal
research project Family andCommunity
in Central Europe The follow¬ing articie draws on
empincal
results fromthis research projectand usesthe rural Slo- vakian
family
as an example to lllustratesome trends that could be
applicable
toCentral
Europe
ingeneralFirst, the research confirms that the Community,
especially
its cultural back¬ground,
has a strong influence on value stmctures and on concretefamily
behav¬iours It is clear that acceptance of tradi¬
tional modeisis strongerwhen theCommu¬
nity is more homogenous (with respect to rehgion and
nationality)
and more isolated (1e lower inhabitantmobihty)
In such anenvironment, even given new social condi¬
tions, thereis
usually
aregeneration oftra¬ditional
problem-solving
strategies In open and heterogeneous communities, on the other hand, there is greater acceptance ofnew strategies and value stmctures, and there is a wider vanety of
family
behav¬iours
Furthermore, appears that
despite
the greatspeed
ofchange
insociety as awhole,family
behaviourischanging slowly
Inad¬dition,the
developments
arenotlinear from traditional-to-modernfamily
behaviour There are oftendevelopments
in opposite directions,yielding apparently contradictory
combmations offamilyvalues andconcrete behaviours It seems that in Slovakia, as elsewhere, the nineties
began
the diversifi- cationoffamilymodeis andstmcturesKeywords Family problem-solving
strate¬gies, community, traditional and modern environments, economic Situation of fami¬
lies, valuestmctures
Theoretische Grundlagen
Inder
Entwicklung
derBeziehungsmuster
und der Strukturen innerhalb der Fami¬lie im
mitteleuropäischen
Raum sind inden letzten Jahrzehntenviergrundlegende
Tendenzenerkennbar
1
Demokratisierung
derinnerfamiliaren Beziehungen
- allmählicher Wandelvon der traditionellen
patriarchalischen Struktur,
basierend auf der Autorität des Mannes und derUnterordnung
der Kindergegenüber
ihrenEltern,
zumo¬dernenund
gleichberechtigten Beziehungen,
sowohl inBezug
auf Geschlecht als auch auf dieGeneration,
2
Individualisierung
derinnerfamiliaren Beziehungen
- allmählicherÜbergang
von sozial
definierten,
vorrangig durch die Herkunft des Einzelnen bestimm¬ten
Beziehungen
hin zuüberwiegend
freigewählten
und gemeinsam ausge¬handelten
Beziehungen,
3
Dynamisierung
der Familie - die Familie wird offener undzuganglicher
fürVeränderungen,
die dergesellschaftliche
Wandelmitsichbringt,
aber auch für individuelleEntwicklung
einzelnerFamilienmitglieder,
4
Pluralisierung
vonFamilienstmkturenund-formen
-dieser Prozessknüpft
andie
übrigen
an und bedeutet dieBildung
eines immerbreiteren undkomplexe¬
ren
Spektrums
von innerfamiliarenBeziehungsmustern
und Famihenstruktu-ren, die sich nach neuen, individualisierten Verhaltensmustern richten
(Nave-
Herz,1991,
Rousselu a,1992)
Alle diese Prozesse konnte man zusammenfassend und etwas vereinfacht als
Übergang
von der traditionellen zur modernen Familie bezeichnen(Gurän
&Filadelfiovä, 1997)
DieserÜbergang
istjedoch
auch in denmitteleuropäischen
Landern nichteinheitlich und
geradlinig
Zumindest lassen sichInkonsistenzen im Verhalten(auf
individueller sowie auf familiärerEbene)
und in den Werthierar¬chien entdecken Die Menschen kombinieren Werte, die unvereinbar zu sein
scheinen,
zB inBezug
aufPolitik,Religiosität
oder auf sozialeBeziehungen
Derslowakische
Soziologe
VKrivy spricht
in diesemZusammenhang
von einem„normativen Chaos"
(Krivy, 1996)
Vor dem
Hintergrund
unterschiedlicher sozialer Umfelder(Gemeinden
bzwRegionen,
indenen Familienleben)
lasst sich wiederumvon einerUngleichmaßig-
keit der
Entwicklung
undvonparalleler
ExistenzunterschiedlicherFamihenformen
und unterschiedlicher
Problemlosungsstrategien
in der Familiesprechen
Starkemakrogesellschafthche Veränderungen (in Mitteleuropa
nach1989)
sind nur der Ausloser fürVeränderungen
der Verhaltensmuster in der Familie, die dasSpek¬
trum der
„neuen" Strategien
zurProblemlosung
in derFamilie eher differenzieren alshomogenisieren
Bei derBestimmung
derRichtung
und derDynamik
dieserVeränderungen
ist oft der soziokulturelleHintergrund
der Gemeinde bzw der Re¬gion entscheidend Auf verschiedene inkonsistente VerhaltensformenvonFamilien machen auch
ungarische
undpolnische Soziologen
aufmerksamSpeder beispiels¬
weise
spricht
von einer„Mehrgleisigkeit
der ökonomischenSicherung
der Farmhe"
(Speder, 1995),
ähnliche Inkonsistenzen erwähnenSztompka
im Zusammen¬hang
mit der „Kultur des Vertrauens"(Sztompka, 1998)
oderTyszka
bei der Be¬schreibung
der„multiaspektalen integralen Analyse
des Familienlebens"(Tyszka, 1989)
Die These von der einheitlichenEntwicklung
der Verhaltensmuster in der Familie undder FamihenformenvomTraditionellen zumModernen werdenin den letzten Jahrzehntenjedoch
auch schon von den westlichen Autoren inFrage
ge¬stellt
(Beck,
Giddens &Lash,1994, Bertram, 1997,
Hondnch, 1997u a)
In der Slowakei scheint es, dass die Inkonsistenz zwischen dem Verhalten und den
Einstellungen
in hohem Ausmaß auch einAusdruck des starken Strebens derBevölkerung
nachKonformität
ist Esgeht
um die Konformität mit vielen und inVielem
Bezuglich
derVerhaltensmusterin derFamilie lassen sich zumindestzweiFormen unterscheiden
a) Konformität
nach Innen, zum unmittelbaren Umfeld DieAnpassung
an die Eltern, an die Famihentraditionen und etablierten Famihenformen Die Grun¬de für diese Form der Konformität sind unterschiedlich, der
wichtigste
istwahrscheinlich das
Angewiesen-Sein
auf die Hilfe der Eltern bzw derübrigen
Familie
(finanziell,
inBezug
auf dieWohnung,
durchPflegebedurftigkeit etc)
b) Konformität
nachAußen,
zum erweiterten Umfeld DieAnpassung
an dieGemeinschaft bzw dieGeseilschaft, diedaraufberuht,dass sich unterden ge¬
gebenen Bedingungen
andere als diegesamtgesellschaftlich
bzw lokal übli¬chen familiären Verhaltensmusternurschwerdurchsetzten lassen Der äußere
Druckzur Konformität ist viel zustarkund die Tradition ihrer
Ablehnung
istschwach.
In den
angedeuteten Zusammenhängen
taucht dieFrage auf,
inwieweit das unmit¬telbare soziokulturelle Umfeld der
Familie,
also die Gemeinde mit ihrerspezifi¬
schen Kultur und ihrer sozialen
Situation,
mit ihrerreligiösen
und nationalen Zu¬sammensetzung,Einfluss hat auf den Prozess des
Übergangs
vondertraditionellenzurmodernen Familie. Es taucht die
Frage auf,
ob das Umfeld derGemeinde Ein¬fluss hat auf die
Bildung
neuerStrategien
zurProblemlösung
in der Familie und wie sie dieAnpassungsfähigkeit
der Familie währendder Zeit der Transformation beeinflusst. Was entsteht innerhalb derBeziehungen
und Strukturen neu und waswirdanTraditionellemzu neuemLeben erweckt?
Methodik
Die Studie stützt sich auf
empirische Ergebnisse
des internationalenProjekts
„Fa¬milie und Gemeinde in
Mitteleuropa",
das von 1995 bis 1997durchgeführt
wurde.Das
Projekt
umfasste viermitteleuropäische
Länder: DieSlowakei, Polen,
die TschechischeRepublik
undUngarn.
DieDatenerhebung
bestandvorrangig
in einerschriftlichen
Befragung
vonausgewählten
Haushalten anhand eines standardisier¬ten
Fragebogens.
Sie erstreckte sich auf die Jahre 1996 und 1997.Das
Hauptanliegen
desProjekts
war zumeinen dieAnalyse spezieller
Problemeder Familieund des Familienlebensvordem
Hintergrund
einesbeschleunigten
ge¬sellschaftlichen Wandels und zum anderen das
Aufzeigen
von Grenzen bzw. vonverbleibenden
Spielräumen
für eineAnpassung
derBevölkerung
an diesen Wan¬del. Das Ziel des internationalen
Vergleichs,
der durch eine Auswahldemogra¬
phisch
und kulturellmöglichst
ähnlich strukturierter Gemeinden in den verschie¬denenGesellschaften
ermöglicht
werdensollte,
wares,zumindest Anzeichen einesmöglichen
Einflusses verschiedenerpolitischer
und ökonomischer Gesellschafts¬bedingungen
auf dasFamilienverhaltenaufzuzeigen.
Mehreresozialwissenschaftliche
Untersuchungen belegen,
dass einSpezifikum
der Slowakei und der gesamten
mitteleuropäischen Region
in derVergangenheit
immer der starkeEinflussdes
„Gemeinschaftlichen"
und des„Familiären"
auf das Verhalten der Individuen war. Der Einflussgesamtgesellschaftlicher
Rahmenbe¬dingungen dagegen,
der äußere Druck durch Institutionen undNormen,
wurde durch die dörfliche Gemeinde(durch
ihren kulturellen undreligiösen Charakter,
durch die lokale
Ausübung
staatlicherVerwaltungshoheit
und die lokale Selbst¬verwaltung
und nicht zuletzt durch dasgesellschaftliche
Leben in derGemeinde)
sowie durch den familiären
Hintergrund
in hohem Maße modifiziert oder ge¬dämpft.
Aus diesem Grundlegten
die Forscher bei derAnalyse
der sozialen „Ko¬sten" der wirtschaftlichen Transformation Wert auf den dörflichen und auf den fa¬
miliären
Hintergrund.
Inder
Untersuchung
wurden dreiMethoden derDatenerhebung angewandt:
Er¬stens narrative Interviews mit Bewohnern der
ausgewählten Gemeinden,
zweitensAufzeichnungsbogen
mit statistischenAngaben
zu den Gemeinden und drittens standardisierteBefragungen
vonHaushaltenindenausgewählten
GemeindenDer Auswahlvon Gemeinden in der Slowakischen
Republik
gingeineTypolo-
gisierung aller Gemeinden in der Slowakei hinsichtlich ihrer Famihenstrukturen voraus, die sich auf
Angaben
aus derVolks-,
Haus- undWohnungszahlung
ausdem Jahr 1991 stutzte Alle 2 822 Gemeinden wurden in elf aufeiner Dimension
angeordneten Typen eingestuft
Die Pole der Dimension bzw die beiden gegen¬sätzlichsten
Typen
wurden mit den Etiketten„traditionell"
und „modern" über¬schrieben Die Skala
„traditionell"
versus„modern"
wurde anhand der Anteile und der Strukturen der verschiedenen Famihenhaushalte in den Gemeindengebildet
Dabei waren vier Indikatoren entscheidend Erstens der Anteil von
vollständigen Famihenhaushalten,
zweitensder Anteil vonunvollständigen,
also von Ein-Eltern- Famihen, drittens der Anteil von kinderreichen Familien und viertens der Anteilvon Drei- und Mehr-Generationen-Familien Die Autoren gingen vonder Annah¬
meaus, dass die Struktur der Haushalte und der Familien die Verhaltensmuster in
denFamilien
widerspiegelt,
unddass diese wiederumvonpolitisch-ökonomischen,
von kulturellen und
demographischen
Faktoren beeinflusst sind(Kertzer, 1991)
Nach der Kontrolle derdemographischen
Faktoren, d h nach der Ausnahme vonGemeinden miteinem überdurchschnittlichen Anteil der alten
Bevölkerung
sowievonjenen mit einem unterdurchschnittlichen Anteil von Frauen im fertilen Alter, wurden für dieweitere
Erhebung
sechs Gemeinden mit traditionellen Verhaltens¬musternindenFamilien und sechs Gemeinden des modernen
Typs ausgewählt
Dakeine Gemeinde stadtischen Charakters dem traditionellen
Typ entsprach,
führteder
Anspruch,
verzerrende Drittvariablen auszuschließen,dazu,
dass auch unter den modernen GemeindennurSiedlungen
auf demLande, alsoDorfer,ausgewählt
werdenmussten Soreduzierte sich der
Vergleich
letztlich aufzweigegensätzliche Typen
vonVerhaltensmustern inden Familien inlandlichen GemeindenFür die slowakischen Gemeinden suchte man dann in den
übrigen
NationenPendants
aufgrund
von vier KriterienGemeindegroße,
Struktur der in der Ge¬meinde vertretenen Nationalltaten, Konfessionsstruktur und
geographische Lage
der Gemeinde In die
Untersuchung
wurden schließlich zwölfslowakische,
vier tschechische,dreipolnische
und vierungarische
Gemeindeneinbezogen
Die endgültige
Anzahl derFragebogen
war 722 für die Slowakei(wobei
eine Hälfte die traditionellen und die andere Hälfte die modernen Gemeindenrepräsentierte),
390für dieTschechische
Republik
und206 für Polen1
Wertvorstellungen
imallgemeinen
Vor allem ließ sich eine sehr hohe Stabilität
grundlegender Wertorientierungen
nachweisen Trotz der
gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen
-auch in derLebenswelt der dorflichen Gemeinden (zB auf dem
Arbeitsmarkt)
- zeigte sich wahrend der letzten fünf bis sechs Jahre nur eine sehr kleineVerschiebung
in denWerthierarchien der
Bevölkerung
Darüber hinaus sind für die Werthierarchien nochfolgende Zusammenhange
charakteristischa)
Eine stärkere Korrelation mit kulturellen Merkmalen der Gemeinde(religiöse
und nationale
Zusammensetzung,
Intensität derMigration)
als mit sozio¬demographischen
Charakteristika des Individuums selbst(Alter, Geschlecht, Bildung);
b)
Einestetige Verlagerung
der Priorität hinzuFamilieundnächsterVerwandt¬schaft:
Nach der„Gesundheit"
wird dieSorge
umdie„Familie"
zumzweitsta¬bilsten Wert, dessen
Wertigkeit unabhängig
vondemographischen
und sozia¬lenMerkmalen
gleichermaßen
hocheingeschätzt wird;
c)
Ein starkerEinfluss
der sozialen Werte der Gemeinde:Wertorientierungen
passen sich in hohem Maßean dieWertestrukturan,die in der Gemeinde all¬
gemein
verbreitet und anerkanntist;
der Grad derAnpassung
erhöht sich pro¬portional
zurWohndauer in derGemeindebzw. in der nahenUmgebung;
d)
Eine stärkere Identifikation mit den in der Gemeinde verbreiteten Wertorien¬tierungen
führt zu einerhöheren Wahrscheinlichkeit derFortführung
traditio¬neller,
bewährterProblemlösungsstrategien
in derFamilie(z.B.
wird die Ver¬schlechterung
der wirtschaftlichenSituationvorallem durch das Verlassen des Landes und durch Arbeitssuche im Auslandgelöst).
Den
Untersuchungsergebnissen zufolge
behält die Familiegegenwärtig
und zu¬künftig
die höchste Priorität in den Werthierarchien derBevölkerung.
Als diewichtigste Wertorientierung
wurde sie in den einzelnen Gemeinden von 90 bis 100% der Bewohnerbezeichnet,
als vollkommenunwichtig
von niemandem. DieStellung
der Familie und ihrer einzelnenMitglieder (Kinder, Eltern, Verwandte) spielt
eineeindeutig
dominante Rolle in der Wertstruktur der Slowakei. Siezeigte
sich sowohl in Gemeinden mit traditionellen als auch in solchen mit modernen Verhaltensmustern in der Familie. In dieser Hinsicht
gibt
es auch keine nennens¬werten Unterschiede hinsichtlich des
Geschlechts,
desAlters,
der Kinderanzahl oder derBildung:
Die Familie bildet in der Lebenswelt derBürger
der Slowakei eineuniversaleWertpriorität.
Als zweiter Wert in der
Rangfolge
der Prioritäten erscheint die„Arbeit".
Für sehrwichtig
halten ihn in den einzelnen Gemeindenungefähr
60% der Bevölke¬rung. Bei dieser
Einschätzung
kommenjedoch
bereits differenzierende Drittvaria¬blen ins
Spiel,
vorallem dieBildung:
DieBedeutung
der Arbeitsteigt proportional
zur
Bildung.
Einewichtige
Rollespielt
auch die Kinderzahl: DieBedeutung
derArbeitund der beruflichen
Durchsetzung
sinktproportional
zurAnzahl der Kinder.Diese Korrelation
bestätigt
einweiteres Mal die dominanteStellung
derFamilie.Unterden
wichtigsten Wertorientierungen
istandritter Stelle die„Religion"
zunennen. Die
Wichtigkeit
vonReligion
schwanktjedoch
sehr starkje
nach der Art der Gemeinde. Besonders deutlich kommt dies in derUnterscheidung
zwischenGemeinden mit traditionellen und Gemeinden mit modernen Verhaltensmustern in der Familie zum Ausdruck: In den traditionellen Gemeinden wurde die
Religion
als
wichtigster
Bestandteil des Lebens von61,5%
derBefragten angeführt.
In mo¬dernen Gemeinden waren es mit
18,1%
weitausweniger.
Ein sogroßer
Unter¬schied wurde in
Bezug
auf keine anderenWertorientierung registriert.
Gewisse Unterschiede sind in der
Einschätzung
derWichtigkeit
von„Freunden"
und von
„Reisen"
zu erkennen. DieBedeutung
dieser Werte wird in den Gemein¬den mit modernen Verhaltensmustern in der Familie
jeweils
leicht höhereinge-
schätzt Die starke
Orientierung
auf die Familie wirdin modernen GemeindenzumTeil durch dieebenfalls starke
Bindung
an Freunde und durcheinegrößere
Offen¬heit nach außen
aufgewogen
2.
Soziale Offenheit / Soziale Geschlossenheit
Das Ausmaß der sozialen Offenheit bzw Geschlossenheit der untersuchten Ge¬
meinden wurde zum einen mittels des
Ausmaßes
anAkzeptanz gegenüber
ausge¬wählten
Problemgruppen
in derBevölkerung
erfasst und zum anderen mittels des Grades an Identifikation derBevölkerung
mitder Gemeinde bzw mit anderen so¬zialen Kreisen
(Kirche,
Herkunftsort,Nationetc)
Das
niedrigste
Ausmaß an Toleranz zeigt sichgegenüber Drogenabhängigen
Etwa 70% der
Bevölkerung
wurden sichDrogenabhängige
nicht als Nachbarn wünschen In Hinsicht auf denniedrigen
Konsum vonDrogen
in der ländlichenUmgebung (die
meisten Bewohner aufdem Lande haben keine direkteErfahrung damit)
istdaseinziemlich hoher AnteilIn der
Beziehung
zu den Roma kommt in den traditionellen Gemeinden einstarker Einfluss
persönlicher Erfahrungen
zum Ausdruck Durchschnittlich 66%der
Bevölkerung
wurden sich keineRoma-Mitburger
als Nachbarn wünschen, und derWiderwille zum Zusammenleben mitRomasteigtmarkant mit ihrer Anzahlinder Gemeinde Dort, wo sie mehr als ein Drittel der
Bevölkerung
bilden, äußern sich biszu 96% derBefragten
ablehnend, dort, wo sieetwaeinViertel der Bevöl¬kerung
darstellen, 80% etc In Gemeinden, woüberhaupt
keine Romaleben, be¬wegen sich die Anteilevon
Ablehnung
um 30% In allen Fallen steigtdas Ausmaßan Intoleranz
gegenüber
den Roma mit dem Alter Hinsichtlich derBildung
undanderer
sozio-demographischer
Merkmale zeigen sich keinenennenswerten Unter¬schiede Esscheint,dass Gemeinden,diesozial
geschlossen
sind(d
h national und konfessionellhomogen,
mit einer Mehrzahl an Heiraten innerhalb der Gemeinde und mit einer geringenMobilität),
sich auchlangfristig
vor demEindringen
derRoma in ihre Gemeinschaft verschlossen bzw sie aus der Gemeinschaft ausge¬
schlossenhaben
Der Grad derToleranz
gegenüber
Alkoholikern und Menschen mit kriminellerVergangenheit
istintraditionellen Gemeinden hoher Vor allem dieAkzeptanz
vonAlkoholikern ist in manchen traditionellen Gemeinden überraschend hoch 20 bis 30% über dem Durchschnitt
Hinsichtlich der
Bildung
demokratischer Strukturen erscheint die Tatsache er¬freulich,
dass einenegativeEinstellung gegenüber
Einwanderern und Fremdennur von etwas über 10% derBevölkerung
zum Ausdruckgebracht
wird Ein höheres Maßan Toleranz zeigen wiederum national und konfessionellheterogene
Gemein¬den und innerhalb der
übrigen
Gemeinden vorallem die jüngere Generation Gar keine Intoleranzgegenüber
Fremden wird von Einwohnern mitevangelischem
Glaubensbekenntnis
geäußert
sowie von jenen, die im Auslandgeboren
wurdenoder früherimAusland
gelebt
habenBei der
Frage
nach derIdentifikation mitsozialen undpolitischen
Einheitener¬gab
sich, dass dieBefragten jeweils
die nächste Umwelt, in dersie lebten oder le-ben, gegenüber größeren
undfernerenEinheiten starkbevorzugen
Sie nennen vor¬rangig
Gemeinschaften,
die aufalltäglichen Beziehungen gegründet
sind und deren Nahe sie realempfinden,
aber auch emotionalgefärbte Beziehungen (Kindheit, Kirche)
Die bereits beschriebene Verschlossenheit eines bestimmten Teils der ländlichen Gemeinden inder Slowakeimanifestiert sich auch indieserFrage,
undzwardurchein besonders
ausgeprägtes
Misstrauengegenüber größeren,
abstrakte¬renEinheiten
(Tabelle 1)
Tabelle 1 Identifikationmitsozialen und
politischen
EinheitenRangplatz Item Prozentsatz
1 DieGemeinde inder ichmeineKindheit verbrachte 292%
2 DieGemeinde inderichlebe 268%
3 Die Kirche der ichangehöre 182%
4 DieSlowakei 150%
5 Die Nation der ichangehöre 6 7%
6 DieWelt als Ganzes 28%
7 Europa 13%
Eskonnte
jeweils
nureine Nennung vorgenommen werden Die Anteile addieren sich zu 100%Beim
Vergleich
von traditionellen und modernen Gemeindenergaben
sich keineUnterschiedehinsichtlich der Identifikationmit der Gemeinde und der
Region
derKindheit Hinsichtlich anderer Einheiten
gibt
esjedoch
durchaus bedeutende Un¬terschiedeinden Prioritäten Den
größten
Unterschied weistdasZugehongkeitsge-
fuhl zurKirche auf
(29%
intraditionellen,
7% inmodernenGemeinden)
Auch an¬dere Faktorenhaben Einfluss Die Identifikationmitder Kircheistin der römisch- katholischen
Bevölkerung doppelt
sohochwieunterMenschen anderer Glaubens¬bekenntnisse Die Identifikationmitder Nationistbei
Burgern ungarischer
Natio¬nalitat
doppelt
hoch wie beiBurgern
anderer Nationalitäten Jedoch ist auch bei ihnen dasZugehongkeitsgefuhl
zu derGemeinde, indersie zurZeit leben(36%),
sowiedieIdentifikationmitdem Ort ihrer Kindheit
(30%)
amstärksten3
Ehebeziehungen
DieInstitutionen Ehe und Familie
gelten
für die Menschen inder Slowakei quasi als synonym und sindimAlltagsverstandnis
unteilbar miteinander verbunden Dies ist eineFolge
vergangener kulturellerIdeale,
die sich zunächst unterdem starken Einfluss der katholischen Kirche bildeten und spaterdurch die auf die Ehefamihe orientierte sozialistischeGesetzgebung gefestigt
wurden Das eheliche Zusam¬menlebenwar
jahrzehntelang
die einzig etablierte Form des Zusammenlebens Es zeigt sich, dasssich diesesVerständnis auch im Verhalten der Menschenäu¬ßert Die
überwältigende
Mehrheit der slowakischenBevölkerung,
über90%,
be¬trittzumindest einmal in ihrem Leben den Stand der Ehe In den
Einstellungen
zurEhe
gibt
es fastkeine Unterschiede Nach einerrepräsentativenUntersuchung
ausdem Jahr 1991 halten nur6% der slowakischen
Bevölkerung
die Ehe füreine ver-altete Institution, 86% der
Befragten
istdergegenteiligen Meinung (Europaischer Fragebogen, 1991)
DasProjekt „Familie
und Gemeinde inMitteleuropa" bestätigt
diese
Ergebnisse
Nur5,6%
derBefragten
stimmenderBehauptung,
die Institution Eheseiveraltet,
zu, circa90% lehnen diese Ansicht ab Die Dominanz und Stabi¬litätdieser
Einstellung
istoffensichtlichDie
Einstellungen
zum Charakter vonEhebeziehungen
und zurArbeitsteilung
zwischen den
Ehepartnern
zeigt sichallerdings
in der aktuellenUntersuchung
nicht mehrso
eindeutig
In manchen Gemeindenüberwiegt
dastraditionelle,
patri¬archalische
Famihenmodell,
in anderen das modernereModell,
basierend aufeinergleichberechtigten Stellung
vonMann und Frau Auch eine gewisseWiderspruch-
lichkeit der
Meinungen
in derBevölkerung
auf diesem Gebiet istzu beobachten Diese Inkonsistenzen sind wahrscheinlich dadurch zuerklaren,
dass sich neueEr¬fahrungen
und Situationen imAlltag häufig
nicht in die traditionellen Vorstellun¬gen einordnen lassen Die Menschen reagieren darauf
widersprüchlich
In man¬chem passen sie sich dem Verhalten und der Lebensart ihrer veränderten
Alltags¬
welt an, in manchem den
Kollegen,
in manchem ihren Eltern usw Vor allem intraditionellen Gemeinden, in denen nach wie vor eine starke soziale Kontrolle wirkt, ist das Ausmaß der
Anpassung
anallgemein gültige
Muster und Normennoch sehr hoch
Beispielsweise
stimmender Ansicht,dass der Mann Geld verdie¬nen und die Frau sichum Haushalt und Familie kummern
solle,
inden traditionel¬len Gemeinden mehr als 60%zu, wahrendes inden modernen Gemeinden weniger als 40% sind Ähnliche Unterschiede
ergeben
sich auch beiFragen
zurArbeitstei¬lung
zwischen denEhepartnern
imHaushalt, zurberuflichen Karriere des Mannes und der Frauetc4
Eltern-Kind-Beziehung
Zu den stärksten
Entwicklungen
der Familie in der Slowakeigehorte
bis in die80er Jahre hinein die
steigende Abhängigkeit
der Kinder von ihren Eltern, eineAbhängigkeit,
die-ausverschiedenen sozio-okonomischen Gründen-heute auchin das Erwachsenenalter hinein andauert Selbst mit der
Gründung
einer eigenen Familiegeht
sie für die meistenjungen Slowaken nichtzuEnde,
sondern wird inveränderter Form
(z
B durchfinanzielleZuwendungen,
durch gemeinsames Woh¬nen oder durch die
Betreuung
vonEnkelkindern) fortgesetzt
Die 90er Jahrebrachten für diese
Beziehung
keinegrundlegende Änderung,
obwohl eine leichteVerschiebung
in denEinstellungen
bemerkbar ist In derVergangenheit empfan
den die Eltern diese
Unterstutzungsleistungen
meist als ihre „natürliche Pflicht"Heute besteht die dauerhafte
Unterstützung
der Kinder durch die Eltern, die nicht seltenineinerAbhängigkeit
vonden Elternmundet,
zwarfaktischweiter Sie wirdjedoch häufig
eher alsnotwendige
Reaktion auf die schwerenBedingungen
wahr¬genommen, unter denen sich junge Familien eine Existenz aufbauen müssen
(Mangel
an Wohnraum, hoheArbeitslosigkeit
bei jungen Menschen,niedrige
Einkommen,
geringe staatlicheUnterstützung
der Elternschaftetc )Die
Überzeugung
derBevölkerung,
sich als Elternlebenslang
für die eigenen Kinderaufopfern
zu müssen, sinkt allmählich Im Jahr 1991(Europaischer Frage-
bogen, 1991)
antworteten 58% derBefragten,
dass es zuden Pflichten von Elternzähle,
für ihre Kinder immer alleszutun-auch zueigenen
Lasten. Diegegenteili¬
ge Ansicht-die Eltern haben Recht auf ihr
eigenes
Leben und sollten sich nichtnur zugunsten ihrer Kinder
aufopfern
- vertraten 26%. In der aktuellen Untersu¬chung „Familie
und Gemeinde inMitteleuropa"
sind die Größenunterschiede zwi¬schenden beiden Parteien stark
zusammengeschrumpft:
43% zu 38%. Dies istum sobemerkenswerter,als nurEinwohner dörflicher Gemeindenbefragt
wurden unddie normative Verbundenheit der Eltern mit ihren Kindern bei diesen stärker sein dürfteals in der
übrigen Bevölkerung.
Inder
Frage,
wiedieBeziehung
vonEltern zu ihren Kindern auszusehenhabe, schlägt
sich auch der Unterschied zwischen traditionellen und modernen Gemein¬den nieder. Der Grad an
Übereinstimmung
mit den beidengegensätzlichen
An¬sichten verhält sich genau
spiegelverkehrt:
Während in den traditionellen Gemein¬den über 60% der
Befragten
dererstenMeinung
zustimmen(alles
für die Kinderzutun, auch zu
eigenen Lasten),
stimmt inden modernen Gemeinden ein genausogroßer
Anteil der zweitenSichtweisezu(sich
nicht vollkommenaufzuopfern).
Desweiterenist ein Geschlechterunterschied zuerkennen: Frauen-vorallem Mütter- vertreten
häufiger
die„moderne" Ansicht,
sich nicht vollkommenaufopfern
zumüssen. Vermutlich
liegt
der Großteil der tatsächlichgeleisteten Fürsorge
auf ih¬ren
Schultern; entsprechend
dürften siedieBelastung
durch dieUnterstützungslei¬
stungeherzu
spüren
bekommen und auch eher mit dem Unverständnis seitens der Kinder konfrontiertwerden,
so dass sie die Situationinsgesamt
realistischer be¬werten. Konflikte mit den Kindern über ein
Übermaß
anFürsorge
sind durchausrealistisch,
denn auch ein Alters- bzw. ein Generationsunterschied lässt sich nach¬weisen: Der
Ansicht,
Eltern seien nichtverpflichtet,
sich vollkommenaufzuopfern,
stimmt
überwiegend
diejüngere
Generationzu.Darüber hinaus wirkt sichReligio¬
sitätaus: Unter
Nichtgläubigen
istdieNeigung
zur„modernen" Auffassung
drei¬malhöher alsunter
Religiösen.
Und schließlichsteigt
dasBedürfnis,
sich ganz für die Kinderaufzuopfern,
direktproportional
mit der Anzahl der Kinder in der Fa¬milie, wobei Form und
Richtung
der Kausalität in dieserBeziehung
hier offenbleibenmuss.
Bei der
Konkretisierung
desZeitabschnitts,
in dem esnotwendig ist,
deneige¬
nen Kindern zu
helfen,
kommen wiederum deutliche Unterschiede zwischen den traditionellenundden modernen GemeindenzumVorschein: Inersterenüberwiegt eindeutig
die Antwort „immer"mit56%,
in letzteren die Ansicht„bis
sieanfangen
zuarbeiten" mit 60%.
Als Kehrseite der Medaille wird auch den Kindern eine Pflicht
zugesprochen:
Die
Pflicht,
für die Elternzu sorgen, wenn diese einentsprechend
hohes Alterer¬reicht haben. Diese Pflicht wird als eine
„natürliche Abzahlung
vonSchuld" andie Eltern für derenFürsorge empfunden.
Dieüberragende
Mehrheit derBefragten (90%)
stimmt dieser Pflichtzu. Weder nach demGeschlecht,
noch demAlter,
derBildung
oder anderersozio-demographischer
Merkmale lassen sich Unterschiede hinsichtlichdieserEinstellung
erkennen.Auch
Fragen
zurKindererziehung
und zu denWertorientierungen,
die bei derKindererziehung
vermittelt werdensollten,
sind in derUntersuchung
enthalten.Tabelle 2
Rangfolge
der alswichtig eingestuften Erziehungsziele
Traditionelle Gemeinden Moderne Gemeinden
1 Anständigkeit 48% Anständigkeit 52%
2 religiöserGlaube 17% Selbständigkeit 13%
3 Fleiß 11% Verantwortlichkeit 9%
4 Verantwortlichkeit 7% Fleiß 8%
5 Gehorsam 5% Wahrhaftigkeit 7%
I 6 Wahrhaftigkeit 4% religiöserGlaube 5%
Eskonntenvonjedem
Befragten
jeweilsdreiNennungen
vorgenommen werdenDer
Vergleich
zwischen traditionellen und modernen Gemeinden zeigt, dass das traditionelle Umfeld in seinemErziehungsideal
einen passiveren und wenigertat¬kraftigen Personhchkeitstyp
vorAugen
hatDagegen
setzt sich im modernen Ge¬meindetyp
ein aktiverer,selbständigerer Personhchkeitstyp
durchErziehungsziele
und
allgemeine Wertpraferenzen
haben in der Slowakei auch heute noch einenstarken Einfluss auf das
alltägliche
Leben in der Gemeinde Sie determinieren dieEinstellungen
der Einwohner zum ablaufendengesellschaftlichen
Wandel undwirken sich auf die Wahl der
Lebensstrategien
aus5 Wirtschaftliche Lage der Familien
Aus der
subjektiven
Sicht der Slowaken istdie wirtschaftlicheLage
ihrer Familie nachder„Wende"
imVergleich
zuder Zeitvor 1990 nicht besonders gunstig Ein solches Fazitergibt
sich aus allenentsprechenden Untersuchungen,
die in denneunziger Jahren
durchgeführt
wurden(Sociälna
situaciadomäcnostf, 1995)
Und auch dasobjektive Bild,
das statistische Indikatorenvermitteln, bestätigt
diese Ein¬schätzung (Mikrozensus,
1992 und1997, Statistiky rodinnych
u»tov,1990-98)
Inderunsvorliegenden Untersuchung
„Familie und GemeindeinMitteleuropa"
(SPACE 1995-1997)
bezeichnet mehr als die Hälfte derBefragten
denjetzigen Zustand als eineVerschlechterung
Besonders negativ wird er in traditionellen Gemeindengesehen,
in denenallerdings
auchobjektiv
schlechtereBedingungen
anzutreffen sind
(weniger Beschaftigungsmoglichkeiten,
schlechtere Haushaltsaus¬stattungen, geringere Einkommen usw
)
EineVerschlechterung
der Situation nehmen hier mehr als 60% derBefragten wahr,
wahrend dies in modernen Ge¬meinden fast 20% wenigertun Für ein Drittel der Familien hat sich die Situation nicht
geändert,
undeinFünftelgibt
eineVerbesserung
derSituation an Der Indexder
Situationsbewertung
erreichte in den traditionellen Gemeinden den Gesamt¬wertvon
-0,36
undindenmodernen-0,19 (aus
einemIntervallvon-1 bis+1)
DieBewertung
der gegenwartigenLage
korreliert mit diversenMerkmalen derFamilie,
vorallemmitderFamihengroße
Je mehrFamilienmitglieder
imHaushaltzusammenleben,
destoeher wirdeineVerschlechterung
derLage wahrgenommen
Dies
gilt
insbesondere für kinderreiche Familien, doch auch die Anzahl ökono¬misch aktiver
Familienmitglieder
wirkt sich in dieserRichtung
aus Familien mitlängerer
Ehedauer beurteilen die Situationnegativerals jüngere Familien diestunUnterschiede
zeigen
sich auch in derBewertung
vonTeilaspekten
der wirt¬schaftlichen Situation. Von den acht
Lebensbereichen,
die in derBefragung
the¬matisiert
werden,
-Wohnlage, eigener Beruf,
BerufvonFamilienangehörigen,
Be¬ziehung
unter denErwachsenen, Beziehung
zwischen Eltern undKindern,
Ge¬sundheitszustand der
Familienmitglieder, verfügbare
Zeit und die finanzielleLage
- wird die
Finanzlage insgesamt
am kritischsten bewertet: In traditionellen Ge¬meinden nehmen70% der
Befragten
eineVerschlechterung
der Finanzen undnur9% eine
Verbesserung
wahr. In modernen Gemeinden sind es48%,
die eine Ver¬schlechterung sehen;
doch immerhin über 22%geben
eine verbesserteFinanzlage
derFamiliean.
Unterden modernen Gemeinden stehen die Finanzen auch nichtanletzter Stelle derLebensbereiche.
Negativer
wird hier der Zeitverlustwahrgenommen:
Fast60%derFamilien führen an, heuteüber
weniger
Freizeit zuverfügen.
Nach dem Man¬gel
an Zeit(Index -0,49)
werdengestiegene gesundheitliche
Probleme(-0,27)
undandritterStelle die verschlechterte
Finanzlage (-0,25)
genannt.Steigende
Geldnot ist einProblem,
das vor allem traditionelle Gemeinden be¬trifft
(Index -0,61).
Sie resultiert in erster Linie aus einem ebenfallssteigenden Mangel
anArbeitsplätzen (-0,31).
Imgleichen
Maße wie dasAngebot
auf demArbeitsmarkt wird auch die zur
Verfügung
stehende Freizeit vermisst(-0,31),
was sich in einem beklemmendenLebensgefühl
oder auch in einernegativeren
Ein¬stellung
zudem inGang gekommenen gesellschaftlichen
Wandel äußert.Die
Einschätzung
derFinanzlage,
die im Mittel aller erhobenen Gemeinden in derBewertung
der Lebensbereiche am schlechtestenabschneidet, bedingt
in ent¬scheidender Weise die Unzufriedenheit mit der
Lebenslage
der Familieinsgesamt.
Beide Urteile
hängen
statistisch eng miteinander zusammen(Phi
=0,777;
Cramer's V =
0,550).
Neben der finanziellen Situationhängt
dieBeurteilung
derLage
derFamilie auch in hohem Maße mit derBewertung
derBerufssituation zu¬sammen. Die
gängige
kausaleWirkungskette „Arbeit
-Finanzen -Lebenszufrie¬denheit"
spiegelt
sichdamit in denErgebnissen
wider.6. Wahrnehmung der allgemeinen Situation
Um
Vorstellungen
überdiegenerelle
Situation der untersuchten Gemeindenzu er¬fassen,
sind in derUntersuchung
zwei Methodenangewandt
worden: Dieerste ba¬sierteauf dem
Vergleich
dereigenen
mit anderen Familien: Mit der slowakischen Durchschnittsfamilie bzw. mit Familien von nahen Verwandten. Die zweite Me¬thode besteht in der
Ermittlung
dessubjektiven Armutsgefühls.
Obwohl die traditionellen Gemeinden im
Vergleich
zu den modernenobjektiv
schlechteren
Bedingungen
ausgesetztsind und auch einenegativere Bewertung
ih¬rer
eigenen gegenwärtigen
Situation vornehmen, äußern sie sich inBezug
auf dasArmutsgefühl
aufgleichem
Niveau wie moderne Gemeinden. Die Anteile einzel¬nerGrade auf der
subjektiven
Armutsskalavon vanPraag (1990)
stimmen bei bei¬den
Gemeindetypen überein,
und auch dieDurchschnittswerte,
dieknapp
über derArmutsgrenze liegen,
sinddementsprechend
identisch. Eingleiches Armutsgefühl
bei
objektiv
schlechterenBedingungen signalisiert
zum einegrößere
Bescheiden-heitder Bewohner, zumanderen aber aucheine
größere Homogenitat
der Lebens¬lagen
intraditionellen GemeindenDas Bild wird zusätzlich illustriert durcheine
Frage,
die auf die Merkmaleeiner„besser
situierten" Familiegerichtet
war „KonntenSie sagen, welchen Familienes heute bessergeht
undwasdiese Familien zB vonIhrer Familie unterscheidet9"Die Antworten auf diese
Frage
fallen nicht sehroptimistisch
aus Die Vorstellun¬gen davon, welche
Regeln
heute in der slowakischen Gesellschaft über sozialen Auf- bzwAbstieg entscheiden,
haben sowohlin traditioneilen als auchin moder¬nenGemeinden ehernegativeKonnotationen In beiden
Gemeindetypen überwiegt (mit 40%)
dieÜberzeugung,
dassdaswichtigste
Potential für sozialenAufstieg
im„Unternehmergeist"
der Familien besteht Es wärejedoch falsch,
aus dieser Fest¬stellung
eine positiveHaltung gegenüber
demgesellschaftlichen
Wandel oderei¬nen
Einstellungswandel
inRichtung
vonModernisierung, Individualisierung,
Selb¬ständigkeit
u a zu schließen AndereUntersuchungen
haben in der slowakischenBevölkerung
wiederholtein negativesImage
des Unternehmerwesensfestgestellt
Und auch in unserenDaten durfte der
„Unternehmergeist"
nichtseinerwirklichenBedeutung entsprechend
verstanden, sondern eher mit der„Fähigkeit
zumSpeku¬
lieren und
Betrugen"
übersetztwerden,
also eine negative semantischeFärbung
haben
Der Pessimismus kommt auch dann zum Ausdruck, dass die geringste Bedeu¬
tung für den sozialen
Aufstieg
derBildung zugeschrieben
wird Wieder sind Be¬fragte
in beidenGemeindetypen gleichermaßen
von diesem Urteilüberzeugt,
unddas obwohl die traditionellen Gemeinden über ein wesentlich
niedrigeres
Bil¬dungsniveau verfugen
als die modernen Nicht einmal theoretisch wird der Erwerbeines höheren
Bildungsgrades
alsAusweg
aus der bestehenden Situationgesehen,
undwerübereinen höheren
Bildungsgrad verfugt,
halt diesenkeineswegs
füreineGarantiefüreine
Verbesserung
der SituationseinerFamilieTabelle 3 Merkmale, die als
maßgeblich
für den sozialenAufstieg
von Familienangesehen
werdenMerkmale Traditionelle Gemeinden Moderne Gemeinden
„Untemehmergeist 431(1 ) 417(1)
Arbeit 239(2 ) 152(4)
Gesundheit 177(3) 121(5)
reiche Eltern(Verwandte) 168(4) 163(2/3)
guteKontakte 152(5) 163(2/3)
sonstiges(Betrug Rücksichtslosigkeit ) 40(6) 6 1 (6)
höhereBildung 27(7) 27(7)
Eskonnten vonjedem Befragten jeweilszwei Nennungen vorgenommen werden Dieerste Zahlgibtden
prozentualen
Anteil derNennungen,die Zahlinder Klammer dieRangfolge für dengegebenen
Gemeindetyp an Die Reihenfolge der Merkmale richtet sich nach derRangfolge
inden traditionellen GemeindenIn solchen
Wertungen spiegelt
sich der Eindruck wider, dass auch nach derpoliti¬
schen Wende die