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Academic year: 2022

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foto: matthias weinzierl, 2006

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Hinterland: Beschreiben sie doch mal ihr „Zuhause“ im Gefängnis.

H.G.: Ich war in mehreren Zellen. In Düsseldorf waren es etwa acht Quadratmeter, dicke Stahlblechtür, weil es eine Hochsicherheitszelle war, Gitterstäbe vor den Fenstern.

Das Fenster fängt in knapp zwei Meter Höhe an, wenn man normal steht, kann man also höchstens schräg zum Himmel gucken, ansonsten kann man nicht raussehen. Ja, und da hast du in dem Fall nicht ein Stahlbett wie in den anderen Zellen, wahrschein- lich wieder aus Sicherheits- gründen, sondern ein Holz- bett und so eine Plastik- Schaumgummi-Matratze drauf;

dann gibt’s noch ein Klo- becken mit einem Sichtschutz.

Wenn man mal auf dem Klo sitzt und die Schließer kom- men rein, dass die einen

nicht gleich komplett sehen.

Und dann ist da noch ein Waschbecken und ein kleiner quadratischer Tisch, ein Stuhl und so was wie ein Spind, das ist eigentlich die Zellen- einrichtung. Im Laufe der Zeit kann man dann noch dazu kriegen, einen Fernseher, ein Radio, je nachdem wie die Knastleitung das einschätzt.

So sieht eine Zelle aus. In Moabit war das ziemlich ähn- lich. Dabei gibt es in diesen Acht-Quadratmeter-Zellen oft Doppelstockbetten, da leben dann zwei Personen drin.

Aber du kannst dich in der Zelle eigentlich überhaupt nicht bewegen zu zweit bei zwei mal vier Meter ungefähr.

Also wenn da Betten und zwei Schränke stehen, dann ist da schon irgendwie voll.

Wie richtet man sich da ein?

Versucht man das zu seinem Zimmer zu machen?

Man richtet sich da schon ein.

Es gibt viele Knackis, die sich ganz viele Bilder aufhängen.

Wobei, auch da gibt es Res- triktionen. Man darf nur Bil- der bis zu einer bestimmten Größe aufhängen, weil hinter so Plakaten könntest du ja Löcher in die Wand kratzen, durch die du dann irgend- wann abhaust. Von daher gibt es da durchaus Vorschriften.

Bilder, Fotos oder Plakate darf man, zumindest in Ber- lin, nicht an die Wand kleben.

Aber natürlich richtet man sich da ein und macht es sich - hört sich komisch an - gemütlich. In einer bestimm- ten Form wird das so etwas wie ein Zuhause, ein Rük- kzugsraum. Es hat Situationen gegeben, da hatte ich drau- ßen mit den Schließern irgendwie Stress, wo ich froh war, wenn die Zellentür hin- ter mir zufiel, weil ich dann meine Ruhe vor den Arschlö-

chern da draußen hatte und innerhalb meiner acht Qua- dratmeter dann meine Freiheit zu tun und zu lassen, was ich auf diesen acht Quadratme- tern eben machen kann.

Wie schaut der Alltag im Knast aus? Wie organisiert man seine Tage?

Das ist für mich durchaus ein Phänomen - die Tage unter- scheiden sich eigentlich erst einmal gar nicht. Besonders deutlich wurde das für mich nach der Haftentlassung: zu spüren, in meinem Erinne- rungsvermögen schmort die ganze Zeit, die immerhin fast 2 1/2 Jahre gedauert hat, unheimlich zusammen. Jeder Tag ist eigentlich wie der andere, es verändert sich nichts. Es wiederholt sich alles. Es gibt im Prinzip eigentlich immer den selben Ablauf und so ein Zeitge- Gerade noch rechtzeitig vor dem Auslaufen der Kronzeugenre-

gelung stürmten am 19. Dezember 1999 rund 1000 Polizei-, BGS- und GSG-9-Beamte das linke Zentrum Mehringhof in Berlin Kreuzberg und Privatwohnungen in Frankfurt und Berlin. Es soll- ten vier Verdächtige festgenommen und Beweismittel in dem Gebäudekomplex sichergestellt werden. Ein weiterer Beschuldig- ter war bereits wegen des OPEC-Verfahrens in Haft.

Und das Großaufgebot an Material und Beamten sollte nur gleich auch klar stellen, um was es hier ging: Terrorismus. Aufgrund der Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli sollte - Jahre nach der Selbstauflösung dieser Gruppen - ein Berliner Zweig der "Revolu- tionären Zellen" (RZ) aufgerollt und für Attentate um 1990 zur Verantwortung gezogen werden. Im März 2003 wurde vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gegen fünf mutmaßliche

Mitglieder der Berliner RZ eröffnet. Die entsprechend der Tatzeit nicht mehr jungen Angeklagten um Mitte 50 saßen bei Prozess- Eröffnung bereits über ein Jahr in Untersuchungshaft und wur- den erst nach mehr als zwei Jahren U-Haft auf freien Fuß gesetzt.

Der Prozess endete nach 174 Prozesstagen am 18. März 2003 (und ist ausführlich unter www.freilassung.de dokumentiert) mit Schuldsprüchen und Haftstrafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten und vier Jahren und drei Monaten. Drei der Angeklag- ten legten gegen das Urteil Revision ein, darunter auch der inzwi- schen 57-jährige H.G.. Zwei Revisions-Anträge sind unterdessen zurückgewiesen worden, H.G.s Revision wird am 29.6.2006 in Karlsruhe verhandelt. H.G. war zunächst in Düsseldorf einge- sperrt und wurde mit Prozesseröffnung in Berlin nach Moabit überstellt. Im Mai 2002 konnte er die Haftanstalt verlassen.fcb

Was macht man, wenn man nicht raus kann: Zu seinen Knasterfahrungen

befragte Matthias Weinzierl für Hinterland den ehemaligen Untersuchungshäftling H.G.

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dächtnis lebt ja auch von unterschiedlichen Erlebnissen und die kommen da eigent- lich nicht vor. Also der Tages- ablauf ist relativ kurz erzählt:

morgens früh um 6:30 Uhr gibt es Frühstück, zu dem Zeitpunkt muss man seine Briefe abgegeben haben, die raus sollen oder so genannte Vormelder, wenn Du irgend etwas haben willst. Dann gibt es in der Regel vormittags eine Stunde Hofgang, irgend- wann Mittagessen und später Abendessen. Dann kommen sie in der Regel am frühen Abend ein letztes Mal gucken, ob man nicht ausgeflogen ist.

Einzige Unterbrechungen sind dann Besuche, Anwaltsbesu- che oder so.

Sie waren die ganze Haftzeit allein in der Zelle?

Ja, ich war die 2 1/2 Jahre allein in der Zelle. Wobei ich dann aber auch immer viele Argumente dafür finde - also zu zweit in so einer Zelle zu sein, stelle ich mir viel schlimmer vor. Erstens weil du ja nicht weißt, mit wem du zusammen kommst - kannst du dir ja nicht aussu- chen, ist ja kein richtiges Hotel. Da gibt es dann eine ganze Reihe von Konflikt- möglichkeiten. Wenn du einen Fernseher hast, welches Programm guckst du oder der eine will schlafen, der andere will fernsehen. Also diese Kleinigkeiten, Schweißfüße oder weiß der Teufel was. Da gibt es ganz viele, wenn man so eng zusammenlebt und dann - speziell hier in Berlin - die hygienischen Bedingun- gen nicht so prickelnd waren.

Hier war es nur einmal in der Woche möglich zu duschen.

Das ist nicht so viel. In Düs-

seldorf war das anders. Inso- fern fand ich es durchaus angenehmer, allein in der Zelle zu sein. Man kann sich ja den Tag, die Stunden, die man dort verbringt, relativ frei gestalten und wenn man dann nicht so einen „Einsam- keitskoller“ kriegt, kann man da einigermaßen... Ich bin da ganz gut mit klargekommen.

Ich habe mir anfangs versucht so einen bestimmten Tages- rhythmus zu geben, habe ver- sucht Sprachen zu lernen, habe viel gelesen, viel Briefe geschrieben und damit geht so ein Tag auch rum .

Sind das Überlebensstrategien, die man braucht, um nicht kaputt zu gehen?

Auf jeden Fall. Also erstens, dass man sich selber beschäf- tigt und - was besonders wichtig war - ich habe in meinem Leben noch nie so viele Briefe geschrieben und auch bekommen wie da.

Also, ich habe die Erfahrung gemacht, dass Beziehungen, obwohl sie auf das Schreiben reduziert waren, sich zum Teil intensiviert haben, einfach weil wir in diesen Briefen eine persönlichere Ebene ent- wickeln konnten als wir sie im normalen Arbeitsalltag ent- wickelt hätten. Auch zu Leu- ten, die ich vorher gar nicht kannte. Und das hat mir natürlich das Gefühl genom- men, abgeschnitten, isoliert zu sein. Das ist zwar eine andere Form der Kommuni- kation, war aber sehr zentral.

Und die Leuten drinnen: Gibt es überhaupt Kontakt zu Mit- gefangenen?

Bei mir war das ja zunächst Isolationshaft nach § 129 a

StGB, aber gleichzeitig hatte ich trotzdem, sowohl in Düs- seldorf als auch in Berlin, diese Freistunde, also diese Stunde Hofgang gemeinsam mit den anderen Knackis von der Station. Und da gab es schon den einen oder ande- ren Kontakt. Es gab dann schon so gewisse Leute, mit denen man sich auch unter- halten konnte. Das stellt sich so im Laufe der Zeit ein, wenn man sich so betrachtet, sich gegenseitig abschätzt und dann auch noch hört, wem was vorgeworfen wird. Also da teilt sich dann auch die Knackiszene untereinander.

Es ist einfach so, ein Großteil der Leute, die im Knast hok- ken, sitzt wegen BTM-Verstö- ßen (Betäubungsmittelgesetz) drin. Die unterschiedlichsten Kaliber - angefangen von den Usern, die aufgegriffen wer- den und zum Teil dann auch eher fertig sind, bis hin zu denen, denen vorgeworfen wird, damit dickes Geld gemacht zu haben. Und die stellen den Großteil der Kna- ckis. Es gibt da doch zum Teil sehr interessante Biographien.

Das ist schon noch einmal eine Ebene, wo man Dinge erfährt und lernen kann, die man im normalen Leben draußen eher nicht lernt.

Aber dieses Bild, dass man in der Zelle sitzt und über das Fenster mit dem Zellennachbar kommuniziert: gibt es das überhaupt nicht?

Das passiert zum Teil auch.

Aber die meiste Kommunika- tion im Knast läuft natürlich während der Freistunde und dann gibt es für die anderen Knackis so etwas wie Umschluss. Das heißt, du kannst dich dann - das vari-

iert auch von Knast zu Knast ein bisschen - für ein bis zwei Stunden mit anderen Knackis, mit denen du dich verabre- dest, zusammen in die Zelle einschließen lassen und mei- netwegen Karten spielen, quatschen oder sonst was machen. Da läuft natürlich die meiste Kommunikation.

Manchmal wird auch über den Hof gebrüllt, aber da hören dann natürlich alle mit.

Das ist nicht die zentrale Kommunikationsebene im Knast. Das passiert dann eher über die Hausarbeiter, die das Essen bringen oder ähnliches.

Da gab es eine echt superge- niale Geschichte: Es gab da einen erfahrenen Knacki, der hieß Braumeister, der hat sich im Knast eine Anlage zusam- men gebastelt und dort Schnaps gebrannt. Das ist natürlich ein relativ langwieri- ger Prozess und du musst bei den ganzen Zellenrazzien immer aufpassen. Aber auch so etwas wie Aufgesetzten zu machen, also Saft zu vergä- ren, gehört mehr oder weni- ger mit zur Tagesordnung im Knast. Da gibt es ja nun anscheinend alles an Restrik- tionen und intensiven Kon- trollen und Zellenrazzien und immer finden sie Handys. Die werden einem dann abge- nommen, aber sie kommen auch immer wieder rein. So vollständig sind die Kontrol- len einfach nicht, wie sie die gerne hätten.

Haben sie im Knast gearbeitet?

Nein. War eigentlich nicht möglich aufgrund der Iso- Haftbedingungen. Ich habe dann irgendwann angefangen Sport zu machen - das ist ein bisschen widersinnig, denn beim Sport war ich natürlich

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auch mit anderen Häftlingen zusammen. Ich bin also zusätzlich zur Freistunde noch mit anderen Knackis zusam- men gekommen und da kannst du natürlich schon relativ unkontrolliert mitein- ander reden und du hast zu Bestimmten engeren Kontakt.

Dann bilden sich doch mehr oder weniger persönliche Beziehungen heraus, die aber schon unter so einem beson- deren Knastgesichtspunkt zu sehen sind. Also mit einzel- nen, mit denen ich da mehr geredet habe, draußen möch- te ich mit denen nicht anein- ander geraten. Ich glaube schon, dass so bestimmte Leute im Knast sich ja auch an die Bedingungen anpas- sen, aber draußen sind die dann, wenn es Streit gibt, relativ schnell etwas unwirsch und handgreiflich. So ist es halt einfach. Ich denke da an so Leute, denen Banküberfäl- le vorgeworfen wurden. Da musst Du ja schon mit einer entsprechenden Energie und Aggressivität reingehen und die kommt ja nicht irgendwo her.

Hinterland. Haben Sie einen aus der Knastzeit draußen wie- der getroffen?

Nur zufällig. Und von einem Düsseldorfer Hausarbeiter bin ich hier einmal besucht wor- den. Der hat in Düsseldorf wegen BTM gesessen und hat mich hier im Büro besucht, ich habe natürlich nie meine Privatadresse weitergegeben.

Da hatte ich schon deutlich den Eindruck, dass der trotz seiner Knasttherapie wieder süchtig war und es ihm eigentlich darum ging, seine Sucht zu finanzieren.

Was war Ihr wichtigster Gegenstand im Gefängnis?

Das kann ich so nicht sagen.

Gleich nach meiner Einliefe- rung war wichtig, dass ich schnell Kaffee bekam. Das war das einzige, wo ich so etwas wie Entzugserscheinun- gen gespürt habe. Also die ersten Tage hatte ich keinen Kaffee und wenn ich keinen Kaffee bekomme, dann bekomme ich Kopfschmer- zen. Ich jedenfalls habe nach zwei, drei Tagen Entzugser- scheinungen. Danach lief das dann halt wieder, dann hatte ich meinen Kaffee auch. Ich kann das eigentlich nicht an Gegenständen festmachen.

Gut, es war gut einen Fernse- her zu haben. Es war auch gut, einen CD-Spieler zu haben, sich mal zwischen- durch auf das Bett legen zu können und bei einer CD die Gedanken fliegen zu lassen.

War einfach gut. Aber es war auch gut, eine Schreibmaschi- ne zu haben. Einen Großteil der Briefe habe ich dann mit der Schreibmaschine geschrie- ben. Aber ich kann wenig irgendwelche Gegenstände heraus heben.

Und die Haftentlassung: Gibt es da dann so Aha-Erlebnisse nach so langer Zeit?

Ein Aha-Erlebnis eigentlich weniger. Also so, es war schon komisch, wieder in Geschäfte gehen zu können und dann vor diesen gefüllten Regalen zu stehen und eigentlich wusste ich dann oft nicht, was will ich da eigent- lich? Hatte ich eben 2 1/2 Jahre nicht mehr gemacht.

Das ist mir einfach so aufge- fallen. Das war einfach ein ganz komisches Gefühl, davor foto

:matthias weinzierl,2006

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zu stehen und plötzlich selbstständig etwas einzukau- fen. Im Knast musst du dich um Essen nicht kümmern - du kannst dir da was bestel- len, aber ansonsten hast du damit aktiv nichts zu tun - also ich habe alles geliefert bekommen. Und dann plötz- lich wieder davor zu stehen und eigentlich müsste ich mir jetzt etwas aussuchen, das war eine ganz komische Situ- ation. Eine andere Situation, die betrifft wieder dieses Zeit- gefühl. Ich bin am Tag mei- ner Entlassung sofort mit dem ICE zu meiner kranken Mutter gefahren und saß dann im ICE und wurde dann von meiner Freundin gefragt: „Fin- dest Du es nicht komisch, wieder ICE zu fahren?“ Das kam mir überhaupt nicht fremd vor, da im ICE zu sit- zen. Da fehlten 2 1/2 Jahre, aber ICE-Fahren war etwas relativ Normales wie vorher.

Wenn sie jetzt zurückdenken - sind diese 2 1/2 Jahre verlorene Zeit?

Ich habe es nicht so mit ver- lorener Zeit. Ich denke mir, man kann ja jede Zeit auch nutzen, um zu gucken, was kriegst du für neue Erfahrun- gen. Ich find schon, dass ich da eine ganze Menge an Erfahrungen gesammelt habe.

Und es ist auch nicht so, dass man im Knast nicht weiter- lebt. Meine Vorstellung vorher war einfach so: irgendwie ist dann plötzlich alles ganz schlimm und alles hört auf und ein Leben im Knast kann man sich als Leben gar nicht vorstellen und dann war ich schon darüber erstaunt, dort Leute zu treffen, die zu zwei- mal lebenslänglich verurteilt sind und die da so locker

drin rumspazieren und orga- nisieren ihr Leben mit Karten- spielen während der Freistun- de und während des

Umschlusses und vermitteln äußerlich einen Eindruck als wenn... Das Leben geht irgendwie weiter und man richtet sich in dem, wie es weitergeht, ein. Das fand ich schon eine Erfahrung, die ich da mitnehme. Und diese doch sehr unterschiedlichen Knak- kis, die man dort kennen lernt, die man zum Teil drin- nen ganz spannend und auch witzig fand. Wobei natürlich auch einige eher üble Gestal- ten dort rumlaufen. Das ist schon sehr komprimiert. Ich würde es daher nicht als ver- lorene Zeit bezeichnen. Ich habe dort Erfahrung gesam- melt. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelesen, habe dabei sicher auch das eine oder das andere gelernt und darüber haben sich sicher auch Bezie- hungen verändert. Insofern kann ich sagen, da ist durch- aus auch was passiert, was jetzt zu meinem Leben gehört und jetzt Bestandteil dessen ist, was mich jetzt prägt. Es gehört irgendwie dazu.

Das klingt ja fast schon wie ein Werbetext für das Knastleben...

Nein, so meine ich das über- haupt nicht, aber ich war ja auch bei der Bundeswehr, und das kannst du auch als verlorene Zeit im Sinne von beruflich weiterkommen und ähnlichem bezeichnen. Das würde ich so aber auch nicht sagen, da kannst du Bundes- wehr und Knast durchaus vergleichen, weil du bist da in irgendwelchen Hierarchien eingezwängt und kommst nicht raus, wenn du raus willst.

Die schlimme Vorstellung am Inhaftiertsein ist doch „abge- stellt“ zu sein, nicht am eigent- lichen Leben teilhaben zu kön- nen...

Durch diese viele Kommuni- kation, die ich hatte, war ich eigentlich nicht so richtig abgeschnitten von dem, was ich vorher gemacht habe. Ich blieb beteiligt, also auf eine andere Art als vorher, das war schon eine deutliche Umstel- lung. Eigentlich im Gegenteil.

Die Zahl meiner Kontakte hat sich in der Knastzeit eher ver- größert, auf diesem schrift- lichen Wege und weil ich die viele Zeit hatte. Angst gab es in diesen Punkt nicht so rich- tig. Was mir sicherlich auch immer geholfen hat, war die ganz andere Situation im Knast, also sich selbst in Rela- tion zu anderen zu setzen. Es gibt zum Beispiel einen sehr hohen Prozentsatz der Knak- kis, ausländischer Knackis zum Teil, die keinerlei sozia- les Umfeld hier in Deutsch- land haben. Die bekommen keine Post, kein Taschengeld, keine Besuche. Gegenüber denen ging es mir, objektiv gesehen, ziemlich gut. Ich hatte auch, wenn ich was haben wollte, praktisch kei- nerlei Geldprobleme, wenn ich einen Fernseher wollte, dann habe ich einen Fernse- her bekommen. Es war eine Frage der Zeit. Das ist dann von draußen organisiert wor- den. Und insofern ging es mir gut, ich habe in einer Woche so viel Post bekommen wie die ganze Abteilung im hal- ben Jahr nicht. Das ist viel- leicht etwas überspitzt, aber ich hatte innerhalb des Knasts eine privilegierte Stellung.

Natürlich war das ein Einge- sperrtsein. Natürlich gab es

Situationen, in denen so die- ses Gefühl aufkam, das ich vorhin beschrieben habe: Zel- lentüre zu - hier drin habe ich meine Freiheit! Und es gab natürlich Situationen, in denen gerade das massiv in Frage gestellt worden ist. In Düsseldorf war das üblich in diesen Sicherheitszellen, dass sie während des Hofgangs die Zellenkontrollen gemacht haben. In Düsseldorf war das üblich, dass die während die- ser Stunde Hofgang meinen Umzug organisiert haben. Als ich also hochkam und in MEINE Zelle zurück wollte, war meine Zelle nicht mehr meine sondern meine ganzen Sachen waren in einer ande- ren Zelle und ich wurde in diese andere Zelle gesteckt.

Das empfand ich als einen ganz massiven Eingriff in mei- nen kleinen Raum, den ich da hatte. Das hing mir dann ein paar Stunden nach.

Träumen sie noch vom Knast?

Nein, überhaupt nicht. Weiß auch nicht, warum ich davon träumen soll. Also ich habe im Knast auch nicht vom Knast geträumt.

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