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JIMI BOWATSKI HAT KEIN SCHAMGEFÜHL

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Academic year: 2022

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JIMI BOWATSKI HAT KEIN SCHAMGEFÜHL

von Dirk Laucke

© 2013, Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs -GmbH Alle Rechte vorbehalten.

Sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe (u.a. Aufführungsrecht, Vortragsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und Senderecht) können ausschließlich von Kiepenheuer erworben werden und bedürfen seiner ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung.

Der Text des Bühnenwerkes wird Bühnen/Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrages zur Verfügung gestellt (Manuskript bzw. pdf-Datei). Jede darüber hinausgehende Verwertung des Textes des Bühnenwerkes bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung durch Kiepenheuer. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrages hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen/Veranstaltern der Text des Bühnenwerkes ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Kiepenheuer getroffenen Vereinbarungen.

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Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Buch umgehend zurückzusenden an GUSTAV KIEPENHEUER BÜHNENVERTRIEBS-GmbH

Schweinfurthstr. 60, D-14195 Berlin (Dahlem) Telefon (030) 8 97 18 40, Telefax (030) 8 23 39 11

(2)

Das Werk ist eine Auftragsarbeit des Schauspielhauses Bochum.

Personen:

JIMI (Jochen, aber wer will schon so heißen) BOWATSKI, Gussstückverarbeiter, Anfang Fünfzig.

MARKUS OEHRS, sein Freund, arbeitslos, Hobbyfilmer. Noch nicht Vierzig.

ELENA FASSBENDER, Unternehmergattin mit verstaubtem linksradikalem Bücherregal.

LUC (sprich: Lúc), Escort, thirtysomething.

MUCKI, Schildkröte, 104.

Ort:

Eine von diesen ehemaligen Industrie-Vorzeigelandschaften, in denen gerade der Jahrhundertsturm tobte und man eilfertig ein paar Erinnerungen markierte, um ihn nicht zu vergessen, aber das Leben funktioniert nun mal nicht ohne, also das Leben jetzt, ohne das Vergessen.

Schrägstriche im Text (/) deuten voreiligen Sprecheinsatz durch den nächsten Sprecher an.

(3)

1.

Vor dem Fenster von Markus.

JIMI Markus. Markus! Ich steh vor der Tür von Markus-große-Reden-schwingen-aber-faul-wien-

beschissner-Sack-Bohnenstroh und klingel mir seit ner halben Stunde die Fingerkuppen wund. Wie

kommts, Markus, dass alle Nachbarn schon ihren Kopf aus dem Fenster hängen, aber du, bei dem ich

klingel, kriegst natürlich wieder einen Scheiß von mit? Soll ich mal ne Runde dein verkorkstes

Seelenleben durch die Nachbarschaft krakehln?

Endlich, Junge. Er drückt den Summer und ich sprinte durchs Treppenhaus. Stolpere prompt über die ausgelatschten Schuhe im EG - weg damit!

Verhedder mich an dem Holz-Schnickschnack mit Kordeln dran im Ersten - und ab damit! Steche mir zwischen Erster und Zweiter an staubfreien

Topfyuccas die Augen aus - uuund weggetreten! - und krieg die Kurven nicht, ohne diese vergilbten,

hässlichen scheiß Wilde-Tiere-in-Afrika-Bilder und Alpenpanorama-Pisse halbe Treppe vor Markus'

offener Tür, aus der das Fernsehblau flackert, mit meiner Schulter in einem Wisch müllkontehnerreif zu streifen. Ich wummer bei ihm auf, und ab rein.

Es ist nicht vorbei, Markus. Es ist nicht

vorbei. Wann meine Zeit zu Ende ist, bestimme ich.

MARKUS Jochen, Jimi, was machst du denn hier, war die Tür etwa auf?

JIMI Wann meine Zeit zu Ende ist, bestimme immer noch ich. Mein Job. Wir wollten meinen Boss

bossnappen. Das war deine Idee, dein Fachausdruck.

MARKUS Mein äh was?

JIMI Mein Boss. Komm komm, zieh die Hose an, pack die Kamera ein-- Junge, bei dir siehts aus wie in nem Museum für Scheißesammlung.

MARKUS Moment.

JIMI Wasn das für ne Müllhalde. Uuund weggetreten.

(4)

MARKUS Das war mein Essen!

JIMI Mach das aus.

MARKUS Du kannst doch nicht mein Essen--

JIMI Mach ichs eben selber aus. Tut mir in der Seele weh um Van Damme, aber-- Wusch. Wo ist die Kamera? Wo ist die Kamera?

MARKUS Jimi, ich. Ich komm nicht mit.

JIMI Wie meinen?

MARKUS Was auch immer du vor hast, ich bin noch total fertig von letzte-- Wuaahhaahaa, was ist das, nimm das weg--

JIMI Das war deine Idee, Markus.

MARKUS Was. Was. Was ist das, Jimi, nimm das weg. Jimi.

Nimm. Das. Weg.

JIMI Sag Bitte.

MARKUS Bitte.

JIMI Sag Bitte, Jimi.

MARKUS Was soll das-- Bitte, Jimi, bitte.

JIMI Hab ich gesagt, sag Bitte, Jimi, bitte, Dummbeutel oder hab ich gesagt, sag Bitte, Jimi?

Wie hohlamputiert haben sie dich drin eigentlich?

Bitte, Jimi, bitte. Runter auf die Knie. Na, los, runter auf die Knie, Junge, bau keinen Scheiß und mach, was ich sage.

Schwanzlutschen. Ich sagte Schwanzlutschen.

Macht Eindruck, was, der kleine Kasper. Kann einem schon ganz schön Angst einjagen. Okee, der kleine Kasper ist keins von diesen amerikanischen Riesendingern und kein schnittiges Jagdgewehr. Er ist bloß ein Schweinebolzen. Ein mieses kleines Schweinebolzenschussgerät. Aber dass der kleine

(5)

Kasper funktioniert, wissen wir schon mal, sag ich und zieh Markus zurück auf Augenhöhe. Ganz schön blass um die Nase. Was ein Freund ist, sag ich, der hält zu seinem Kollegen. Ah, da ist ja auch die Kamera. Und schlepp Markus und seine Gerätschaft das Treppenhaus wieder runter. Der kleine Kasper kommt auch mit.

MARKUS Mit? Wohin? Was hast du mit meinem Treppenhaus gemacht?

JIMI Ich hab dein Treppenhaus nie anders gesehen, sag ich und schieb ihn flux Richtung Auto. Sonst fällt den am Fenster geifernden und spannernden Nachbarn noch eine von den Nummern mit nur drei Stellen ein. Hat alles seine Ordnung, sag ich und schieb Markus ins Auto. Ich bring ihn zurück.

MARKUS Um ehrlich zu sein, ich würde / lieber nicht-- Ich muss mein Kind--

JIMI Moment noch. Ich nehme den Karton vom

Beifahrersitz und drück ihn Markus in die Kralle.

Jetzt. Wollen ja nicht, dass du deinen

Kloppihintern auf Mucki schwingst. Steig ein.

MARKUS Mucki? Was ist da drin?

JIMI Mucki.

MARKUS Ein Hamster? Hey, nicht / los fahren--

JIMI Mucki ist ne verdammte Landschildkröte, Markus. Sie gehört meiner Mutter, und da meine Mutter nun mal seit Jahrzehnten auf Malle

überwintert, hab ich versprochen, ich kümmere mich um sie, ihn. Können wir?

MARKUS Nein. Wohin fahren wir überhaupt mit ihr.

JIMI Ihm. Mucki Muck.

Wrrrämmm, ich geh in die Eisen.

Mucki stammt / noch aus ner Zeit als sies mit der Tierrechtsscheiße nicht so hatten. Muttern kriegt ihn nicht in Flieger. Jedenfalls nicht

(6)

legal.

MARKUS Verstanden, verstanden, Er, Mucki Muck. Nicht sie, hab verstanden, du nimmst ihn mit. Aber wo-

verdammt-nochmal-hin?!

JIMI Ich hab keine Lust, dass Mucki

mutterseelnallein in meiner Bude hockt, sich von seinen Exkrementen ernährt und vor sich hin

krepiert, nur weil bei uns was schief gehen könnte.

MARKUS Was schief gehen? Was genau soll denn / schief gehen?!

JIMI Könnte.

MARKUS Was mach ich überhaupt schon wieder in deinem Auto?

Ich sollte mir die Zähne putzen, ein Hemd anziehen und zum Jugendamt marschieren.

JIMI Nicht sollte. Könnte. Du stellst es dar als würde auf jeden Fall was schief gehen. Als hätte ich mir / vorgenommen, die Sache schief gehen zu lassen.

MARKUS Sache? Ich ich will für mein Kind sorgen! Schluss mit Kneipentouren, Überraschungsbesuchen und

Sachen, die schiefgehen.

JIMI KÖNNTE. Die Sache wird nicht schiefgehen.

MARKUS WELCHE SACHE?! Schluss, aus, vorbei, Halt an, du reitest mich bloß in die Scheiße.

JIMI Jetzt bin ich verantwortlich, dass du deinen Verpflichtungen nicht nachkommst? Wenn ich nicht irre, war das deine Idee, Markus. Und wenn

irgendwas schief gehen KÖNNTE, ist das ja wohl auf deinen Scheißmist gewachsen. Falls du dich

erinnerst. Abgesehen davon haben wir es gepeilte 19 Uhr 43 Minuten, das J-Amt hat die Pforten

geschlossen.

Erinnerst du dich nicht?

Er erinnert sich nicht!, sag ich und nehme Marksis Gesicht bei der nächsten Laterne genauer

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unter die Lupe. Seine Brauen treiben wie Gewitterwolken aufeinander zu. Laterne weg.

Nächste. Seine Augen verziehen sich zu Schlitzen.

Sie starren geradeaus, aber sie starren nicht auf die Windschutzscheibe, sondern durch sie durch. Und sie starren auch nicht auf die Rücklichter oder den Baby-On-Board-Aufkleber auf dem Heck von dem Wagen vor uns, sondern durch den Wagen vor uns durch und von dort komplett durch Ort und Zeit und mitten, mitten rein in Regionen, in Regionen, die nur

Markus' Hirn kennt-- Scheiße, verdammte, jetzt hab ich den Faden verloren.

Rückblende. Vorabend in Jimis Stammkneipe "Monie's Eck"

(sic!).

MARKUS Weisu wenns n Film wär, ich würd sa'n: dudu gehssu dein Scheff un knallsn ma or'ndlichermaßn die

Meinung vors Zelt. Ich würd sa'n dudu gehssu dein Scheff un sachsu ihm: Scheff, ich willmein Pos'n zurück, mein Schob. Un wennich, binnich gezwung' Ihnen die Freude Amlehm sunehm. Ich nehmse Ihn wech, die Freude Amlehm. Un das is kein Scheißwits un nichs, sonnern ich meins rich'ichgehnd toternsd, Scheff. Sachsu.

JIMI Und wie soll das gehn?

MARKUS Indemduihm die Freude Amlehm nimms, wenner dein Pos'n nich rausrückd. Musse nur noch rausfin'n wasses is, seine Freude Amlehm. Die meis'n Scheffs inner Glotze haun Golfbälle durch bobotansche

Anla'n. Oda sin Oldheimer am Auftjuh'n un kolleti'iern. Weisu wasich meine, Schimi--

JIMI Moment, moment, du tust ja grad so als wär das vergleichbar. Also mein Job, ja-- Also du tust so als wäre der, äh, als wäre die Scheiße meine Freude an meinem, äh, wenn ich dich richtig verstanden habe, an meinem Leben, oder so.

MARKUS Warum nenns'n dich ü'erhaupso: Schimi.

JIMI Ich feile Gussstücke, Markus. Gussstücke.

(8)

MARKUS Jochn isdoch n okeer Name, oda nich?

JIMI Ich will keine Extras, ich will nur mein Job zurück!

MARKUS Sachsu ihm sowas. Un wennich--- Kchkch-- Nimmsu ihm die-- kch-- Er'nuss-kchkchkch, Er'nuss ver-kchkch- verschlu't-- Un wennich nimmsu ihm was wech.

Kchkch. Wie beim Rasional'siern. Sachsu ihm.

Scheißer'nuss. Rasional'siern hinoderher, sachsu ihm, da is immer einer, der was wechgenomm kriecht.

Kch. Die Freude Amlehm unso. War nurn blö'es Ballspiel, fürn Film. Un ich sachjanur, ich würd hunnertpro hinnerdir stehn, Schimi. Wennsn Film wär.

JIMI Dich haben sie wieder gut hingekriegt, Marksi, auch die Zähne eins A.

MARKUS So mies wars drin auchwie'ernich. Hasse Zeit.

Denkse nach überdich. Säufsnich unso.

JIMI Moni. Das gleiche. Was ist, wenns kein Film wär?

MARKUS Ich würd sa'en, dann-- Boah, nocheins, na'ut-- Ich würd sa'en dann-- Ersma Prösserchen, Schimi, dann sachich was ich sa'en wür'e, wenn--- ---

Filmriss.

Auto.

MARKUS Ich glaub, ich muss raus. Halt an. Halt an, Jimi.

Bitte. HALT AN!

Er hält.

JIMI Und jetzt?

MARKUS Wir stehen auf einer Kreuzung.

JIMI Und jetzt? Steigst du aus und ich kann alleine sehen, wie ich mit meiner Scheiße fertig werde? Wie ich mir einen neuen Job in der nächstbesten

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