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Esslinger Funde - alt und neu

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Geschichte, Archäologie und Bauforschung in Esslingen

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HERAUSGEBER: LANDESDENKMALAMT BADEN-WÜRTTEMBERG ABTEILUNG ARCHÄOLOGISCHE DENKMALPFLEGE

SILBERBURGSTRASSE

1 9 3

D - 7 0 1 7 8

STUTTGART

MATERIALHEFTE ZUR ARCHÄOLOGIE IN BADEN-WÜRTTEMBERG

HEFT 64

Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

Z O O I

KOMMISSIONSVERLAG • KONRAD THEISS VERLAG • STUTTGART

Zum Umschlag:

Denkendorfer Pfleghof, Fragmente einer gläsernen Rippenflasche, zeichnerische Rekonstruktion.

© Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Jegliche Vervielfältigung einschließlich photomechanischer Wiedergabe nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, edition artibus • Redaktion: Dr. Markus Hörsch, Spitalstraße i B , 96052 Bamberg

Gestaltung: kobold layout initiative I www.kobold-layout.de Druck: creo Druck & Medienservice, Bamberg

Printed in Germany ISBN 3-8062-1684-3

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Esslinger Funde - alt und neu

von Uwe Gross

Bei einer Auseinandersetzung mit Esslinger Fun- den k o m m t m a n auch heute noch nicht u m h i n , jene aus der Stadtpfarrkirche St. Dionysius zu be- rücksichtigen, die ganz a m A n f a n g der wissen- schaftlichen M i t t e l a l t e r - A r c h ä o l o g i e in dieser Stadt standen. Z w a r ist das Fundmaterial in den letzten beiden Jahrzehnten durch eine Vielzahl v o n Grabungen und Bergungen stark angewachsen, aber die Funde v o n St. D i o n y s besitzen auf G r u n d der Bedeutung des Platzes nach wie vor großes Gewicht. Z u d e m konnten erst kürzlich i m Z u g e der Neugestaltung des Grabungsmuseums unter der K i r c h e die v o r h a n d e n e n M a t e r i a l i e n n o c h einmal gesichtet werden. D a b e i stellte sich heraus, dass einige Berichtigungen bezüglich bereits p u - blizierter Stücke nötig w a r e n1. Wichtige Funde hatten in der Veröffentlichung überhaupt keine B e r ü c k s i c h t i g u n g g e f u n d e n . D i e s e sollen hier nachgetragen werden.

I m zweiten Teil dieses Beitrages w i r d d a n n versucht, einen Überblick über die wichtigsten keramischen Warenarten in den bisher bearbeite- ten oder zumindest durchgesehenen Grabungen zu geben und ihren jeweiligen Herkunftsort bzw.

die H e r k u n f t s r e g i o n zu b e n e n n e n . So k a n n erstmals für eine der bedeutendsten mittelalterli- chen Städte Südwestdeutschlands eine Bestands- aufnahme vorgelegt werden, die nicht nur auf ei- ner Ausgrabung, sondern auf einer weit größeren und somit tragfähigeren Grundlage beruht.

Zu Funden aus St. Dionys

Völkerwanderungs- und Merowinqerzeit

Z u den n o c h unpublizierten vormittelalter- lichen Hohlgläsern zählt ein hellolivgrünes W a n d - stück mit kräftigen, unten z u s a m m e n l a u f e n d e n F ä d e n ( A b b . 6 7 , 2 ) . A u c h w e n n k e i n genauer Durchmesser ermittelt werden kann, so ist doch sehr wahrscheinlich, dass die Scherbe v o n der sich k o n i s c h v e r j ü n g e n d e n u n t e r e n P a r t i e eines starkwandigen Bechers mit ärkadenartigen A u f - lagen s t a m m t2. V o n s o l c h e n - w e i t verbreiteten Gläsern der ersten H ä l f t e des 5. J a h r h u n d e r t s n i m m t Ursula K o c h an, sie seien i m belgisch-nord- französischen R a u m produziert w o r d e n und v o n heimkehrenden germanischen Söldnern mit in die s k a n d i n a v i s c h e n oder r e c h t s r h e i n i s c h e n H e r -

kunftsländer gebracht w o r d e n3. Allerdings sind D i c k w a n d b e c h e r h e u t e s ü d l i c h des M a i n s keineswegs mehr so selten belegt, wie dies noch die Verbreitungskarte v o n 1988 nahelegt4, w e n n - gleich bei weitem nicht skandinavische Größen- ordnungen erreicht werden5.

Elisabeth T h . H ä v e r n i c k u n d F r a u k e Stein hatten in ihrem Beitrag zu den G l a s f u n d e n aus der Dionysiuskirche bereits für ein farbloses B o - denstück ( A b b . 67,4) die H e r k u n f t v o n einem frü- hen Glockenbecher erwogen und es für den ältes- ten n a c h r ö m i s c h e n F u n d gehalten6. Unter den publizierten Funden vermisst m a n nun ein weite- res F r a g m e n t aus e n t f ä r b t e m Glas, d a s w a h r - scheinlich als rundgeschmolzenes Randstück ei- nes Glockenbechers angesprochen werden k a n n7

( A b b . 67,3). Solche Gefäße w u r d e n nach H o r s t W o l f g a n g B ö h m e i m zweiten Drittel des 5. Jahr- hunderts in der Nachfolge v o n Exemplaren mit abgesprengtem, d. h. nach dem A b l ö s e n v o n der Glasmacherpfeife nicht verrundetem R a n d , aus dem späten 4. und frühen 5. J h . produziert8. In Süddeutschland w u r d e n sie bisher selten nachge- wiesen9 . Möglicherweise stammen der R a n d und der Boden deshalb v o n demselben Gefäß, zumal beide aus völlig entfärbter Glasmasse bestehen.

D i e Esslinger Fragmente scheinen z u einer Sondergruppe zu gehören, denn bei Bechern mit r u n d g e s c h m o l z e n e m R a n d w ä r e eigentlich der typische Halsfaden zu erwarten. Er fehlt jedoch nicht nur in Esslingen, sondern auch bei einem Fundstück aus der spätantiken Befestigung in der N ä h e der Burg Sponeck a m Kaiserstuhl1 0. A u c h einer der Glockenbecher aus dem nahe gelegenen kleinen F r i e d h o f v o n W y h l a m R h e i n , der a m Ü b e r g a n g z u den schlankeren E x e m p l a r e n des jüngeren 5. und 6. Jahrhunderts steht, besitzt keine Fadenwicklung1 1. D i e Kehlung auf der Innensei- te der Esslinger Randscherbe stellt w o h l eine R e - miniszenz an die älteren Becher dar, deren abge- sprengte Ränder stets gekehlt sind.

E i n polygonales, auf einem eisernen Träger aufsitzendes Bronzeobjekt ( A b b . 67,1) w u r d e in der M o n o g r a f i e v o n 1995 als N a d e l k o p f gedeu- tet12 . Die Größe, die A r t der Fazettierung und die K o m b i n a t i o n zweier unterschiedlicher M e t a l l e lassen jedoch eine andere D e u t u n g zu. W i e der Blick auf die Fibeln der frühalamannischen Peri- ode des späten 4. und frühen 5. Jahrhunderts zeigt, k o m m e n solche polygonalen Enden als A c h s a b - schlüsse an einigen Fibeln mit breitem, längspro-

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filiertem Bügel vor, einer Variante der so genann- ten Bügelknopffibeln. G u t vergleichbar ist ein E x e m p l a r aus U l m , das namengebend für eine G r u p p e ähnlicher Fibeln w u r d e1 3. Für diese ist allerdings gerade die K o m b i n a t i o n v o n Eisen (für die Spiralachse) und Bronze n o c h nicht belegt - sie begegnet nur bei einer Fibel des Typs M i l - tenberg aus Zusammenhängen des späten 5. Jahr- hunderts im rheinhessischen Kastell Alzey1 4.

Viele Keramikfragmente w u r d e n in der M o - nografie v o n 1995 nur als Profile abgebildet, zu denen i m K a t a l o g keine D u r c h m e s s e r a n g a b e n gemacht wurden. Deshalb erschien es wichtig, sie hier nochmals in z u m R u n d ergänzten Ansichten wieder zu geben. Darüber hinaus sucht m a n un- ter den veröffentlichten nachrömischen F u n d m a - terialien vergeblich nach K e r a m i k des 4./5. Jahr- hunderts, die angesichts der übrigen Objekte aus dieser Z e i t ebenfalls v o r h a n d e n sein m ü s s t e - j e d e n f a l l s wurden der Völkerwanderungszeit kei- ne Scherben zugewiesen. Dagegen erscheinen i m K a t a l o g der römischen Funde ohne weitere Er- läuterungen einige als „handgedreht" bezeichne- te Fragmente1 5, die sehr w o h l als solche verdäch- tig sind. D a aber die römischen Funde derzeit nicht auffindbar sind, musste eine Autopsie leider u n - terbleiben. Gleiches gilt für die vorgeschichtliche K e r a m i k , unter der sich ebenfalls n o c h weitere handgemachte alamannische Siedlungsware ver- bergen könnte.

Bei der nochmaligen Sichtung des Materials gelang es aber i m m e r h i n , den n a c h r ö m i s c h e n Fundniederschlag i m Bereich der n a c h m a l i g e n Pfarrkirche St. Dionysius präziser einzuordnen.

Es kann n u n eine Siedlungstätigkeit des späten 4.

und frühen 5. Jahrhunderts i m Bereich des bereits in der mittleren Kaiserzeit b e w o h n t e n Platzes wahrscheinlich gemacht werden. O b letztere w i r k - lich mit dem Fall des Limes 259/60 endete, ist frag- lich, denn unter den römischen M ü n z e n befindet sich eine 270/75 geschlagene Prägung1 6. In den bisherigen Überblicksdarstellungen zur frühala- mannischen Zeit in Südwestdeutschland w u r d e diese Siedlungsstelle noch überhaupt nicht berück- sichtigt17 . Sie stand w o h l i m Z u s a m m e n h a n g mit einem alten Neckarübergang, der die beiden frag- los weitergenutzten flussbegleitenden Römerstra- ßen, welche aus dem Filstal bzw. v o n K ö n g e n her- k a m e n , miteinander verknüpfte. Eine Verbindung k ö n n t e auch zu dem nahe gelegenen „Fürsten- grab" aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts auf dem Allenberg bei Obertürkhejm (Gemarkung Rüdern) bestehen, das Rainer Christlein zu den reichsten Bestattungen in der gesamten A l a m a n - nia rechnete18.

M i t diesem Nachweis verdichtet sich die K o n - z e n t r a t i o n f r ü h a l a m a n n i s c h e r S i e d l u n g e n i m

Neckartal zwischen H e i l b r o n n u n d dem G r o ß - r a u m Stuttgart nochmals. Kleinräumig betrach- tet, w i r d nun auf Esslinger Stadtgebiet die Lücke zwischen Rüdern i m N o r d e n u n d Oberesslingen i m Süden geschlossen. M i t der Intensivierung und dem weiteren Fortgang der Forschungen zu die- sem lange vernachlässigten Z e i t r a u m w e r d e n neckaraufwärts sicherlich weitere Plätze hinzu- k o m m e n , die noch vorhandene Fundleere bis K ö n - gen19 füllen u n d so die Lücke zu den schon be- kannten Fundorten i m R a u m Kirchheim/Teck / Nürtingen schließen.

Frühmittelalterliche Funde

Z w e i Randscherben w u r d e n zwar in der M o - nografie v o n St. D i o n y s als Teile gläserner Kugel- becher angesprochen2 0, doch nicht weiter analy- siert, w o h l weil sie nicht wie die übrigen bespro- chenen Funde aus d e m Abbruchschutt der Kirche St. Vitalis I, also der ersten Cella, stammten. N u n treten Kugelbecher schon lange vor dem H o r i z o n t jener karolingerzeitlichen Reticella-Gläser auf, die in dem Beitrag ausführlich behandelt werden2 1. A l s Stücke des jüngeren 6. oder der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zählen die Kugelbecher zu den ältesten frühmittelalterlichen Objekten i m Bereich v o n St. D i o n y s i u s u n d vertreten z u d e m eine in Siedlungsfunden südlich des M a i n s äußerst sel- ten belegte Glasform2 2.

Ein etwas oberhalb der Mitte ausgehämmer- ter und dadurch verbreiterter Eisenstab von 13,1 c m Länge ( A b b . 67,5) trat bei den G r a b u n g e n A n f a n g der 60-er J a h r e des 20. Jahrhunderts in einer Innenbestattung v o n St. Vitalis I zu Tage u n d w u r d e damals als Gerät (Pfriem?) identifiziert23. D i e Fundlage in einem G r a b des 8. Jahrhunderts u n d die starke Verbreiterung der gelochten Partie wecken jedoch Zweifel an dieser Deutung. Viel- m e h r treten eiserne Stäbe etwa vergleichbarer Länge m i t ebenfalls zugespitzten Enden im östli- chen S ü d d e u t s c h l a n d seit d e m 7. J a h r h u n d e r t m e h r f a c h in kirchlichen Z u s a m m e n h ä n g e n auf.

Es handelt sich bei ihnen u m die senkrechten Hasten der so genannten Steckkreuze, an denen die Querbalken mittels Niet befestigt waren. D a s z u m Vergleich abgebildete Exemplar (Abb. 67,5a) stammt v o m Lorenzberg bei Epfach in Bayerisch Schwaben2 4. W a r u m Datierung und Einordnung dieser kleinen Eisenkreuze in den 60-er Jahren ein heftiger Streit entbrannt2 5, so gelten ihre frühmit- telalterliche Zeitstellung und ihr christlicher C h a - rakter als Votivkreuze inzwischen als gesichert26. Sollte die vorgeschlagene D e u t u n g des Esslinger Eisenobjektes zutreffen, so läge damit der erste N a c h w e i s eines s o l c h e n m e r o w i n g e r z e i t l i c h e n

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filiertem Bügel vor, einer Variante der so genann- ten Bügelknopffibeln. G u t vergleichbar ist ein E x e m p l a r aus U l m , das namengebend für eine G r u p p e ähnlicher Fibeln w u r d e1 3. Für diese ist allerdings gerade die K o m b i n a t i o n v o n Eisen (für die Spiralachse) u n d Bronze n o c h nicht belegt - sie begegnet nur bei einer Fibel des Typs M i l - tenberg aus Z u s a m m e n h ä n g e n des späten 5. Jahr- hunderts im rheinhessischen Kastell Alzey1 4.

Viele Keramikfragmente wurden in der M o - nografie v o n 1995 nur als Profile abgebildet, zu denen i m K a t a l o g keine D u r c h m e s s e r a n g a b e n gemacht wurden. Deshalb erschien es wichtig, sie hier nochmals in z u m R u n d ergänzten Ansichten wieder zu geben. Darüber hinaus sucht m a n u n - ter den veröffentlichten nachrömischen F u n d m a - terialien vergeblich nach K e r a m i k des 4.A5. Jahr- hunderts, die angesichts der übrigen Objekte aus dieser Z e i t ebenfalls v o r h a n d e n sein m ü s s t e - j e d e n f a l l s wurden der Völkerwanderungszeit kei- ne Scherben zugewiesen. Dagegen erscheinen i m K a t a l o g der römischen Funde ohne weitere Er- läuterungen einige als „handgedreht" bezeichne- te Fragmente1 5, die sehr w o h l als solche verdäch- tig sind. D a aber die römischen Funde derzeit nicht auffindbar sind, musste eine Autopsie leider u n - terbleiben. Gleiches gilt für die vorgeschichtliche K e r a m i k , unter der sich ebenfalls n o c h weitere handgemachte alamannische Siedlungsware ver- bergen könnte.

Bei der nochmaligen Sichtung des Materials gelang €S aber i m m e r h i n , den n a c h r ö m i s c h e n Fundniederschlag i m Bereich der n a c h m a l i g e n Pfarrkirche St. Dionysius präziser einzuordnen.

Es kann n u n eine Siedlungstätigkeit des späten 4.

und frühen 5. Jahrhunderts i m Bereich des bereits in der mittleren Kaiserzeit b e w o h n t e n Platzes wahrscheinlich gemacht werden. O b letztere w i r k - lich mit dem Fall des Limes 259/60 endete, ist frag- lich, denn unter den römischen M ü n z e n befindet sich eine 2 7 0 / 7 5 geschlagene Prägung1 6. In den bisherigen Überblicksdarstellungen zur frühala- mannischen Zeit in Südwestdeutschland w u r d e diese Siedlungsstelle noch überhaupt nicht berück- sichtigt17 . Sie stand w o h l i m Z u s a m m e n h a n g mit einem alten Neckarübergang, der die beiden frag- los weitergenutzten flussbegleitenden Römerstra- ßen, welche aus d e m Filstal bzw. v o n K ö n g e n her- k a m e n , miteinander verknüpfte. Eine Verbindung k ö n n t e auch zu dem nahe gelegenen „Fürsten- g r a b " aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts auf dem Allenberg bei Obertürkheim (Gemarkung Rüdern) bestehen, das Rainer Christlein zu den reichsten Bestattungen in der gesamten A l a m a n - nia rechnete18.

M i t diesem Nachweis verdichtet sich die K o n - z e n t r a t i o n f r ü h a l a m a n n i s c h e r S i e d l u n g e n i m

Neckartal zwischen H e i l b r o n n u n d dem G r o ß - r a u m Stuttgart nochmals. Kleinräumig betrach- tet, w i r d n u n auf Esslinger Stadtgebiet die Lücke zwischen Rüdern -im N o r d e n u n d Oberesslingen i m Süden geschlossen. M i t der Intensivierung und dem weiteren Fortgang der Forschungen zu die- sem lange vernachlässigten Z e i t r a u m w e r d e n neckaraufwärts sicherlich weitere Plätze h i n z u - k o m m e n , die noch vorhandene Fundleere bis K ö n - gen19 füllen u n d so die Lücke zu den schon be- kannten Fundorten i m R a u m Kirchheim/Teck / Nürtingen schließen.

Frühmittelalterliche Funde

Z w e i Randscherben w u r d e n zwar in der M o - nografie v o n St. D i o n y s als Teile gläserner Kugel- becher angesprochen2 0, doch nicht weiter analy- siert, w o h l weil sie nicht wie die übrigen bespro- chenen Funde aus d e m Abbruchschutt der Kirche St. Vitalis I, also der ersten Cella, stammten. N u n treten Kugelbecher schon lange vor dem H o r i z o n t jener karolingerzeitlichen Reticella-Gläser auf, die in dem Beitrag ausführlich behandelt werden2 1. A l s Stücke des jüngeren 6. oder der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zählen die Kugelbecher zu den ältesten frühmittelalterlichen Objekten i m Bereich v o n St. D i o n y s i u s u n d vertreten z u d e m eine in Siedlungsfunden südlich des M a i n s äußerst sel- ten belegte Glasform2 2.

Ein etwas oberhalb der Mitte ausgehämmer- ter und dadurch verbreiterter Eisenstab von 13,1 c m Länge ( A b b . 67,5) trat bei den G r a b u n g e n A n f a n g der 60-er J a h r e des 20. Jahrhunderts in einer Innenbestattung v o n St. Vitalis I zu Tage u n d w u r d e damals als Gerät (Pfriem?) identifiziert23. D i e Fundlage in einem G r a b des 8. Jahrhunderts u n d die starke Verbreiterung der gelochten Partie wecken jedoch Zweifel an dieser Deutung. Viel- m e h r treten eiserne Stäbe etwa vergleichbarer Länge m i t ebenfalls zugespitzten Enden i m östli- chen S ü d d e u t s c h l a n d seit d e m 7. J a h r h u n d e r t m e h r f a c h in kirchlichen Z u s a m m e n h ä n g e n auf.

Es handelt sich bei ihnen u m die senkrechten Hasten der so genannten Steckkreuze, an denen die Querbalken mittels Niet befestigt waren. D a s z u m Vergleich abgebildete Exemplar ( A b b . 67,5a) stammt v o m Lorenzberg bei Epfach in Bayerisch Schwaben2 4. W a r u m Datierung und Einordnung dieser kleinen Eisenkreuze in den 60-er Jahren ein heftiger Streit entbrannt2 5, so gelten ihre frühmit- telalterliche Zeitstellung und ihr christlicher C h a - rakter als Votivkreuze inzwischen als gesichert26. Sollte die vorgeschlagene D e u t u n g des Esslinger Eisenobjektes zutreffen, so läge damit der erste N a c h w e i s eines s o l c h e n m e r o w i n g e r z e i t l i c h e n

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Votivkreuzes außerhalb des bajuwarischen Sied- lungsraumes vor.

Frühmittelalterliche Keramik

Was die frühmittelalterliche K e r a m i k betrifft, so hat bereits Uwe L o b b e d e y die Zugehörigkeit eines R a n d - und eines Halsfragmentes (Abb. 68,1- 2) zu einem geglätteten Knickwandtopf erkannt2 7. Solche Stücke, bei denen die H a l s v e r k r ö p f u n g nicht in Gestalt einer eckigen Leiste, sondern in Form eines mehr oder weniger scharfen waagrech- ten Grates oder Wulstes ausgeführt wurde, sind aus der weiteren Umgebung Esslingens z. B. v o m F r i e d h o f in D o n z d o r f ( K r s . G ö p p i n g e n ) be- kannt28 . Die von Lobbedey vorgeschlagene, recht weit gefasste Datierung ins 6.17. Jahrhundert wird m a n etwas einschränken können. D a echte K n i c k - wandtöpfe im ostfränkischen Teil des M e r o w i n - gerreiches erst gegen Mitte des 6. Jahrhunderts im Fundgut erscheinen29, ist wenigstens die erste Hälfte dieses Jahrhunderts mit Sicherheit auszu- schließen. Breite Exemplare, wie sie hier oder in D o n z d o r f vorliegen, entstammen eher dem 7. Jahr- hundert.

Einem tongrundigen, ungeglätteten d o p p e l k o - nischen G e f ä ß ist m ö g l i c h e r w e i s e das hartge- brannte Oberteil ( A b b . 68,3) zuzuschreiben. Wel- lendekor k o m m t jedenfalls in der M e r o w i n g e r - zeit auf knickwandigem Geschirr sehr viel häufi- ger v o r als auf rauwandigen W ö l b w a n d t ö p f e n , K a n n e n oder Krügen3 0.

I m Material des gesamten Mittleren Neckar- landes verdient eine Scherbe ( A b b . 6 8 , 5 ) a u f G r u n d ihres „exotischen" Charakters besondere B e a c h t u n g : F r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e Keramik mit waagrecbtem Kammstrich-Dekor ist nach heuti- gem Forschungsstand in den Regionen nördlich der Schwäbischen A l b so gut wie unbekannt. A u f der Schwäbischen A l b (Esslingen a m nächsten in Geislingen/Steige3 1) u n d v o r allem entlang der D o n a u k o m m t die Ware jedoch regelmäßig z u m Vorschein. Es bleibt eine A u f g a b e der Z u k u n f t , die V e r b i n d u n g e n zur g l e i c h f a l l s h ä u f i g m i t K a m m s t r i c h dekorierten so genannten H a u s k e - ramik der romanischen Bevölkerung des mittle- ren und östlichen Alpenraumes zu klären3 2. Eine Parallele bildet eine Scherbe der G o l d g l i m m e r - Ware, gefunden bei den Untersuchungen i m A l - ten Rathaus, also in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadtkirche33.

Z u der sehr kleinen G r u p p e der Rauwandi- gen Drehscheibenware gehörte ein einziges R a n d - stück der so genannten Donzdorfer Ware (Abb.

68,6), das heute verloren ist34. Durch die Innen- kehle gab sich die Scherbe deutlich als N a c h f a h r i n

der spätrömischen K o c h t ö p f e mit Deckelfalzrand zu erkennen3 5. Dieses Entwicklungsstadium k a n n bereits i m späteren 6. Jahrhundert erreicht wer- den. D a die Etablierung eines Töpfereibetriebes in D o n z d o r f n o c h i m Laufe der älteren M e r o w i n - gerzeit erfolgte3 6, darf die v o n L o b b e d e y vorge- n o m m e n e Datierung ins 7. Jahrhundert3 7 w o h l zu Gunsten eines u m einige Jahrzehnte höheren Alters revidiert werden.

Z u r Älteren Drehscheibenware (seinerzeit als Gelbe Oberrheinische Drehscheibenware bezeich- net) zählte U w e Lobbedey eine ganze A n z a h l v o n R a n d s c h e r b e n3 8 ( A b b . 6 8 , 7 - 1 2 ) , die m a n n a c h heutigem Kentnisstand anders einordnen muss. Es handelt sich - ähnlich wie bei Funden aus d e m nahe gelegenen Neuhausen auf den Fildern39 - u m spätmerowingisch-frühkarolingische Erzeugnisse, die im Mittleren N e c k a r r a u m heimisch sind u n d nicht wie die „echte" Ältere Gelbtonige D r e h - s c h e i b e n w a r e v o m O b e r r h e i n o d e r a u s d e m Kraichgau nach Esslingen gelangten. Formal er- innern sie mit den meist gestreckten, oft gekehl- ten Rändern an die D o n z d o r f e r Ware, v o n der sie sich allerdings durch die Scherbenbeschaffenheit unterscheiden. D i e gelbliche Farbe und die bei ei- nigen Stücken erkennbare Riefung der Gefäßober- flächen40 lassen hier an eine Beeinflussung seitens der frühen Älteren Gelbtonigen Drehscheibenware denken.

Dieser ist zu Recht die M a s s e der früh- bis hochmittelalterlichen scheibengedrehten K e r a m i k aus St. Dionysius zugerechnet worden. Anders als es noch der Forschungsstand der frühen 60er Jahre des 20. Jahrhunderts nahe legte, auf dem der Bei- trag U w e Lobbedeys in der Grabungspublikation basiert, müssen jedoch innerhalb dieser Warenart inzwischen je nach Entwicklungsabschnitt ver- schiedene Provenienzen unterschieden w e r d e n . D i e seinerzeit v o n Lobbedey eingeführte Bezeich- nung „Gelbe Oberrheinische Drehscheibenware"

suggeriert für die M e h r z a h l der Fragmente eine westliche H e r k u n f t , was mit Sicherheit nicht z u - trifft41 . Sie wurde daher mittlerweile aufgegeben.

U m die Überreste importierter Gefäße dürfte es sich i m Wesentlichen nur bei den frühen Ver- tretern der Ware aus dem späten 7. bis frühen 9.

Jahrhunderts handeln ( A b b . 6 8 , 1 2 - 2 0 ; 69,1-4).

Bemerkenswert ist das V o r k o m m e n v o n mehr als einem halben D u t z e n d Stücken mit Rollstempel- dekor, vor allem vor dem Hintergrund der sonsti- gen F u n d a r m u t i m südlichen Mittleren Neckar- r a u m . D a r i n spiegelt sich zweifellos die A n b i n - dung des Platzes Esslingen an die fränkischen Regionen i m Nordwesten.

I m jüngeren Bestand der Ware sei speziell auf das Randstück einer Schüssel hingewiesen ( A b b . 70,3), das seinerzeit v o n Lobbedey der h o c h m i t -

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telalterlichen Gelben Quarzgemagerten Ware zu- gewiesen wurde4 2. Offene Gefäßformen gehören zu den großen Seltenheiten. Solch große Behälter w u r d e n bisher nur im Esslinger A l t e n Rathaus, w i e d e r u m in unmittelbarer N a c h b a r s c h a f t zur Dionysiuskirche, und in der W ü s t u n g Raistingen bei Herrenberg bekannt4 3.

A b w e i c h e n d v o n L o b b e d e y s K l a s s i f i k a t i o n w i r d hier das Fragment eines hartgebrannten, leicht verzogenen Topfes mit kurzem, einfach aus- biegendem Rand4 4 aus der Älteren Gelbtonigen D r e h s c h e i b e n w a r e ausgegliedert ( A b b . 7 0 , 7 ) . F o r m u n d Brennhärte sprechen weit eher für die Herkunft aus einer niederrheinischen Töpferei der karolingisch-ottonischen Zeit, vielleicht aus W a l - b e r b e r g . M a y e n k o m m t als E n t s t e h u n g s o r t sicherlich nicht in Frage. Neben einer Wandscher- be echter Pingsdorf-Ware4 5 liegt damit der einzi- ge sichere Nachweis für nordmainische Fremd- waren des Früh- und Hochmittelalters in Esslin- gen vor.

Hoch- und spätmittelalterliche Keramik

Ein Bandhenkel v o n einem engmündigen Be- hälter (Abb. 70,8) wurde v o n Lobbedey einer der zahlreichen Pingsdorf-Imitationen zugewiesen4 4. W i e die niederrheinische O r i g i n a l w a r e blieben auch N a c h a h m u n g e n im südwestdeutschen R a u m selten47. W e n n i m Mittleren N e c k a r r a u m i m 11.- 12. Jahrhundert bemaltes Geschirr fassbar wird, so handelt es sich meist u m einheimische V o r l ä u - fer der Rotbemalten FeinwareAt.

Einige Fragmente der letzteren sind v o n ganz besonderer Wichtigkeit; Lobbedey hat für sie mit Recht eine frühe Zeitstellung vermutet4 9. In Ess- lingen lassen die Funde überwiegend auf weitmün- dige, offenbar unbemalte Gefäße mit zwei brei- ten, randständigen Henkeln schließen (Abb. 71, 72,1-6). Diese anscheinend unbemalten Behälter - bei einigen w e n i g e n fraglichen A u s n a h m e n könnten Spuren v o n Farbe vorhanden sein (Abb.

72,5-6) - sind bisher nur in Esslingen gefunden w o r d e n . Selbst unter den sehr u m f a n g r e i c h e n Fundbeständen, die in R e m s h a l d e n - B u o c h , dem Herstellungsort der Feinware, mittlerweile bis ins 12. Jahrhundert zurück reichen, kennt m a n noch keine Parallelen50.

Bemerkenswert ist auch das Fragment eines steilwandigen Gefäßes ( A b b . 72,7), das L o b b e - dey noch der Gelben Quarzgemagerten Drehschei- benware zugeordnet hatte5 1, das aber eher aus Buoch stammt. A n seiner ursprünglichen Z w e c k - bestimmung als Kachel besteht kein Zweifel, so dass es sich u m einen der ältesten Nachweise für

O f e n k e r a m i k i m Fundgut aus St. Dionysius han- delt5 2.

Z w a r w u r d e n in St. D i o n y s i u s f r ü h e r als andernorts K a n n e n mit einer langen, sehr dün- nen Ausgusstülle entdeckt, doch erst in der A b - s c h l u s s - M o n o g r a f i e p u b l i z i e r t5 3. D i e T ü l l e ist durch ihre Länge so bruchgefährdet, dass sie mit- tels eines v o m Hals ausgehenden Steges gesichert werden musste. D i e Deckel-Konstruktion, wie sie an besser erhaltenen Beispielen, etwa jenen aus M a r b a c h aus der Zeit u m 130054 zu beobachten ist, sowie die Tülle selbst verweisen darauf, dass m a n in Buoch bei diesen K a n n e n Metallvorbilder nachahmte. M i t solchen schlanken Ausgusstüllen ließ sich das Problem des Einschenkens in eng- mundige Becher oder Gläser gut lösen. D a ähnli- che, allerdings mit drei Füßchen ausgestattete Flüs- sigkeitsbehälter aus Belgien und den Niederlan- den bekannt sind, ist bei einer ausschließlichen Funktionszuweisung als Schankgefäß jedoch Vor- sicht geboten. D i e v o n Frans Verhaeghe vorge- stellten Beispiele konnten in Anlehnung an die Ver- w e n d u n g der metallenen Vorbilder, die sie getreu k o p i e r e n , ü b e r z e u g e n d als H a n d w a s c h g e f ä ß e identifiziert werden5 5.

Einer fortgeschritteneren Phase der Buocher K e r a m i k p r o d u k t i o n entstammt das einzige Frag- ment der Grauen Geglätteten Feinwaren-Varian- te56 . Es ist, wie m a n inzwischen weiß, die Scherbe eines Krugrandes. D i e Krüge der insgesamt sehr selten auftretenden, reduzierend gebrannten A u s - führung entsprechen jenen der bemalten Feinwa- re, die auch i m Material aus St. D i o n y s vertreten sind5 7. Zahlreicher und vor allem weitaus besser erhalten waren Exemplare, die bei der G r a b u n g auf dem Areal des Karmeliterklosters in der Ess- linger Obertorvorstadt zu Tage kamen5 8 (Abb. 75).

Hier sind sie ins späte 14. und frühe 15. J h . zu datieren, w ä h r e n d in M a r b a c h bereits Beispiele für die Zeit u m 1300 belegt sind5 9.

Jene hochmittelalterliche K e r a m i k , die nicht zur echten Drehscheibenkeramik zählt, sondern als „nachgedrehte" K e r a m i k bezeichnet wird, soll hier nur m i t wenigen Scherben vorgestellt wer- den. D i e meisten60 entsprechen mit ihren halslo- sen Schrägrändern (Abb. 73,1-4) der so genann- ten Älteren Albware, die nicht nur auf der Z e n - tral- und Westalb, sondern bis in den östlichen Schwarzwald und im N o r d e n bis zur Enz gefun- den wird6 1. In Esslingen ist sie recht spärlich vor- handen. D e n n o c h w u r d e n auch i m A l b v o r l a n d solche W a r e n gefertigt, denn die hiesigen F u n d - stücke sind überwiegend nicht kalk- (wie i m J u - ragestein der S c h w ä b i s c h e n A l b z u e r w a r t e n wäre), sondern sandgemagert. A m Denkendorfer Pfleghof werden sogar alle einschlägigen Stücke der zweiten Variante zugerechnet62.

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• Abb. 70: St.

Dionysius, Keramikfunde.

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Ein d u n k e l g r a u e s , hart gebranntes R a n d - stück63 ist w o h l unzutreffend bei der „nachgedreh- ten" Keramik eingeordnet (Abb. 73,5). Eher ge- hört es zur Älteren Grautonigen Drehscheiben- ware, denn auch bei dieser trifft m a n im 11./12.

Jahrhundert neben den typischen hohen gerieften R ä n d e r n hin u n d wieder auf ähnliche halslose Bildungen. Sollte diese Scherbe also wirklich v o n einem Gefäß der Älteren Grautonigen Drehschei- benware herrühren, fasste m a n auch im Material v o n St. Dionysius einen der spärlichen nördlichen Importe, wie sie von einigen weiteren Stellen i m Stadtgebiet vorhegen64. Gleichzeitig bestätigte sich das - mengenmäßig allerdings schwache - Vor- dringen dieser Warenart v o m nördlichen Ober- rhein bis ins Vorland der Schwäbischen A l b ein weiteres M a l6 5.

Als bemerkenswert müssen auch drei Schüs- selfragmente66 bezeichnet werden. Eines w u r d e v o n U w e Lobbedey als Teil eines Dreifußgefäßes interpretiert67 (Abb. 73,7), wogegen m a n heute der Deutung als Wand-/Griffstück einer Schüssel sicherlich den Vorzug geben wird. Als Parallele ist beispielsweise ein vollständiges, bisher u n p u - bliziertes Exemplar mit zwei gegenständigen Stiel- griffen im M u s e u m v o n Giengen/Brenz anzufüh- ren68 . Z w e i weitere Scherben gehören zu ein und derselben Schüssel mit breitem, gratig profilier- tem R a n d (Abb. 73,6).

Schüsseln bleiben innerhalb der „nachgedreh- ten" Keramik des Hochmittelalters i m Mittelne- ckarraum sehr selten. Sie begegnen zahlreicher auf der Schwäbischen A l b und weiter i m Osten Süd- deutschlands.

V o r dem Hintergrund der in den letzten J a h - ren in Esslingen ergrabenen Fundmaterialien wäre es erstaunlich, wenn aus St. Dionysius keinerlei Spuren von Steinzeug und seinen V o r f o r m e n vor- handen wären, wie es die Publikation nahelegt.

Die Durchsicht des Materials erbrachte denn auch mehrere einschlägige Fragmente.

So ist ein kräftig profiliertes, i m Kern graues, an der Oberfläche violettes W a n d s t ü c k zwar sehr hart gebrannt, aber n o c h n i c h t versintert. Es stammt v o n einem der in Südwestdeutschland sel- tenen, aber keineswegs unbekannten Gefäße, die die diversen Übergangsstadien v o n der Irdenwa- re z u m echten Steinzeug markieren6 5. O b es einst Teil eines Bechers oder eines Kruges war, k a n n jedoch nicht mehr entschieden werden.

Voll versintertes Steinzeug, das seit der Zeit u m 1300 i m Rheinland auftritt, k o m m t in G e - stalt je einer R a n d - und Bodenscherbe sowie zwei- er Wandscherben vor. Der mit 7 c m Durchmesser recht enge R a n d ( A b b . 73,8) dürfte v o n einem schlanken Becher herrühren. D i e F o r m mit ein- ziehendem R a n d ist nicht nur für mehrere rheini-

sche Steinzeug-Produktionsorte belegt, sondern mittlerweile auch für das unterelsässische Hagen- au70 . A u c h die beiden i m Oberteil gerillten Frag- mente ( A b b . 73,9-10) k ö n n e n wegen der W a n - dungsstärke wahrscheinlich mit Trinkbechern in V e r b i n d u n g gebracht werden. I m Gegensatz z u diesen drei Bruchstücken, die einen grauen Scher- ben u n d bräunliche bzw. gelbliche Oberflächen zeigen, ist der flache "wellenfuß weiß u n d trägt außen eine (hell)braune Glasur (Abb. 73,12). Es k ö n n t e sich hier u m einen jener in den westlichen Regionen Süddeutschlands ausgesprochen raren Nachweise v o n mitteldeutschem Steinzeug h a n - deln, das häufiger i m nördlichen und östlichen Bayern auftritt7 1.

A n dieser Stelle sind drei Vertreter der glasier- ten mittelalterlichen Irdenware zu betrachten, die in dem Keramikbeitrag der Dionysius-Publikati- o n ebenfalls unerwähnt blieben. Eines der Frag- mente n i m m t insofern auf das zuvor besprochene Steinzeug Bezug, als es einen (imitierten) Wellen- f u ß aufweist ( A b b . 73,13). D a s beidseits o h n e Verwendung v o n Engobe auf weißem Scherben- grund fleckig grün glasierte Fragment gehört z u der bislang wenig umfangreichen G r u p p i e r u n g v o n Behältern - meist Bechern - aus spätmittelal- terlicher Irdenware, die Steinzeug nachahmen. In Esslingen selbst w u r d e n solche Scherben i m K a r - meliterkloster angetroffen, und auch aus Schwä- bisch G m ü n d sind einschlägige Funde veröffent- licht72 . In Franken liegen Nachweise aus A m l i s h a - gen bei Gerabronn und aus Nürnberg7 3 vor. A u c h das Becherfragment ( A b b . 73,11) dürfte Vorbil- dern aus Steinzeug nachempfunden sein.

Für einen Bügelhenkel aus bräunlich-orangem T o n , der ohne Engobe hellgrün glasiert und zwei- seitig durch Fingereindrücke ( „ K n i f f e i u n g " ) ver- ziert w u r d e ( A b b . 73,14), liegt ebenfalls ein Ver- gleichsstück aus d e m Esslinger Karmeliterkonvent vor, hier v o n einem schalenartigen Gefäß ( A b b . 73,14a). Dass auch schlankere Behälter mit einer quer über die M ü n d u n g gespannten „gekniffel- ten" H a n d h a b e ausgestattet sein k ö n n e n , unter- streichen besser erhaltene Stücke aus Sindelfin- gen74 oder Bad W i n d s h e i m7 5.

Hoch- und spätmittelalterliche Gläser

Unter den kaiserzeitlich-römischen F u n d e n wird in der Grabungspublikation ein W a n d s t ü c k aus tief dunkelblauem Glas ( A b b . 74,1) behan- delt und als Teil einer Rippenschale angesehen76. Z w a r k e n n t das r ö m i s c h e F o r m e n r e p e r t o i r e durchaus dunkelblaue Rippenschalen7 7. Die Her- k u n f t aus einer Schicht des 13. Jahrhunderts s o - wie die angegriffene Oberfläche dieses Fragmen-

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tes, die bei römischen Gläsern unüblich ist, lassen aber auch hier Zweifel an der Einordnung auf- k o m m e n . Diese werden durch entsprechende Fun- de aus blauer Glasmasse in der oberhessischen Burg Wartenberg bei Angersbach, die 1265 zer- stört w u r d e7 8, n o c h verstärkt. A u f g r u n d der in geringen Resten erhaltenen Goldmalerei werden sie als ostmediterrane, evtl. byzantinische P r o d u k - te des 12. oder der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts gedeutet. Sollte die Wandscherbe aus St. D i o n y s gleichfalls v o n einem Importglas herrühren, so stellte sie den ersten Beleg für Kontakte zwischen Esslingen und dem östlichen Mittelmeerraum in der Zeit der Kreuzzüge dar.

Möglicherweise besteht aber auch ein Z u s a m - menhang mit einer weiteren Gruppe v o n blauen Gläsern des Hochmittelalters. Die meist mit weiß- o p a k e n A u f l a g e n versehenen Funde, z. B. aus H a i t h a b u , Gammertingen oder Burg Altenberg (Kt. Baselland), haben unlängst anlässlich der Vorstellung eines französischen A l t f u n d e s aus Saint-Savin-sur-Gartempe wieder Beachtung ge- funden7 9 .

Farblose Becher des 13. und 14. (?) J a h r h u n - derts mit blauen N u p p e n sind durch mindestens zwei Fragmente nachgewiesen80 (Abb. 74,4). Be- cher dieser Art gehören in Süddeutschland - und nicht nur dort - zu den seltensten Trinkgläsern überhaupt8 1. D a r u m ist es von erheblicher Bedeu- tung, dass neben den beiden Scherben aus St. D i - onysius weitere Beispiele v o n anderen Stellen des Esslinger Stadtgebiets bekannt w u r d e n , so v o m Hafenmarkt8 2 und dem Gelände des ehemaligen D e n k e n d o r f e r Pfleghofs8 3. D a s W a n d f r a g m e n t eines farblosen Bechers, auf dem der Ansatz einer weich zerlaufenen dunkelblauen N u p p e erhalten blieb, k o m m t dort aus einem K o n t e x t , der den- drochronologisch in die Jahre 1188/92 oder bald danach zu datieren ist.

Z u den Raritäten unter den entfärbten N u p - penbechern des ausgehenden hohen und des be- ginnenden späten Mittelalters zählen gleicher- maßen jene Exemplare, bei denen nur die N u p - penspitzen blau sind (Abb. 74,5). Erwin B a u m - gartner u n d I n g e b o r g Krüger k o n n t e n , neben nordmainischen Stücken aus Göttingen und v o n Burg Wartenberg bei Angersbach in Oberhessen, für Süddeutschland nur auf Belege aus K o n s t a n z und aus Burg R a u e n w ö r t h (Gde. Walting/Ober- bayern) verweisen8 4. Z u diesen Fundstellen tritt n u n mit dem Denkendorfer Pfleghof n o c h eine zweite in Esslingen hinzu.

V o n einem weiteren entfärbten Nuppenbecher ist ein unveröffentlichtes Stück der Oberpartie mit dem Halsfaden und dem Ansatz einer N u p p e vor- handen (Abb. 74,8). O b diese Auflage vollstän- dig farblos war oder eine blaue Spitze besaß, ist

nicht mehr zu entscheiden. D a auf Bechern mit blauen N u p p e n diese immer wieder im Wechsel mit entfärbten v o r k o m m e n , kann auch die Z u g e - hörigkeit zu einem solchen Exemplar nicht ganz ausgeschlossen werden.

D i e Gruppe der entfärbten Gläser mit blauen Auflagen unter den Dionysius-Funden kann noch u m zwei weitere Beispiele bereichert werden. Das erste ist eine Wandscherbe, die in der Publikation zwar abgebildet, allerdings als neuzeitliches Glas des 17./18. J a h r h u n d e r t s eingeordnet wurde8 5

(Abb. 74,2). D i e veröffentlichte Zeichnung gibt zudem die W a n d u n g fälschlicherweise stark ge- k r ü m m t wieder, tatsächlich ist sie gerade. Der Durchmesser v o n 6 c m spricht für einen zylindri- schen oder leicht konischen Becher, für den nur wenige Parallelen existieren. Bisher ist nur ein ein- ziges deutsches Glas m i t einschlägigem D e k o r bekannt, dessen Provenienz aus dem Mittelrhein- gebiet nur vermutet werden k a n n8 6. W i e d e r u m liefert eine andere Esslinger Fundstelle, hier das Karmeliterkloster, die nächstgelegene Parallele.

Vergleichbare Funde sind darüber hinaus aus dem Süden Frankreichs anzuführen8 7.

W a s Durchmesser und Wandungsstärke be- trifft, erweist sich das letzte der weiß-blauen Glas- fragmente als Oberteil einer Flasche mit blauem Randabschluss (Abb. 74,6). Einen solchen zeigen auch Funde aus Nürnberg8 8, Konstanz8 9 und neu- erdings aus Kloster Münchsmünster bei Pfaffen- h o f e n9 0, die allerdings einen engeren, v e r k r ö p f - ten H a l s besitzen und z u m R a n d hin stärker aus- schwingen. A u s K o n s t a n z w u r d e ebenfalls ein K r u g mit sehr ähnlicher konischer Mündungspar- tie vorgestellt, der sich v o n d e m Esslinger Glas nur durch die zusätzliche blaue Fadenwicklung unterscheidet91. D i e auf G r u n d des langen Halses und des kugeligen Unterteils stark an frühe G u t t - rolfe erinnernde Gesamtform des Konstanzer (und d a m i t w o h l auch Esslinger) Gefäßes f ü h r e n in besserem Erhaltungszustand Stücke vor, die in W i s m a r entdeckt wurden9 2.

Eine gelbliche Scherbe mit einer starken R i p - pe ( A b b . 74,3) bereitet Schwierigkeiten bei der Z u o r d n u n g . Z u m einen glaubt m a n eine K r ü m - m u n g der W a n d u n g zu erkennen, was gegen ei- nen der geläufigen Becher mit senkrechter W a n - dung spräche, wie sie ebenfalls aus St. Dionys vor- liegen93 . Z u m anderen erscheint auch die W a n d - stärke für ein solches Stück zu kräftig. Eher als an eine Scheuer94 w i r d m a n daher an eine Flasche mit W a n d u n g s r i p p e n in der A r t des Exemplars aus der Sammlung Pezzoli95 denken wollen.

Bei den beiden hellgrünen Wandstücken ( A b b . 74,11-12) m i t unterschiedlich stark ausgebilde- ten Rippen dürfte es sich k a u m u m Rippenscheu- ern handeln. D a i m Denkendorfer Pfleghof auch

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• Abb. 72: St.

Dionysius, Keramik- funde.

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Flaschen mit z. T. kräftigen Wandungsrippen ent- deckt wurden (Abb. 74,12a), wird hier für eine Z u w e i s u n g zur Gruppe der geschlossenen Flüs- sigkeitsbehälter plädiert'6.

Weit mehr als die drei in der Veröffentlichung abgebildeten Oberteil-Fragmente97 sind spätmit- telalterliche doppelkonische oder birnförmige Fla- schen98 aus stark korrodiertem, ehemals grünem G l a s z u z u w e i s e n . N a c h e i n e m g e m e i n s a m e n M e r k m a l könnte m a n sie zusammenfassend als Flaschen mit Stauchungsring bezeichnen. Hier sollen nur einige frühe Stücke nachgetragen wer- den (Abb. 74,9-10). Die Aussage, solche deutlich verkröpften Oberteile seien noch i m 16. J a h r h u n - dert anzutreffen9 9, ist nach heutigem Kenntnis- stand nicht mehr haltbar. Vielmehr sind die Kröpfe ein charakteristisches M e r k m a l der älteren Fla- schen, das sich im 15. Jahrhundert mehr und mehr verlor1 0 0. A u c h die wahrscheinlichen Vorläufer- formen, Gefäße aus nahezu oder völlig entfärbter M a s s e , wie m a n sie aus Straßburg, Basel u n d Z ü r i c h kennt, zeigen bereits die H a l s v e r k r ö p - fung101 .

Nicht sehr häufig begegnet m a n auf Flaschen mit Stauchungsring der senkrechten Riefung, wie sie einigen Esslinger Fragmenten eigen ist (Abb.

74,10) und wie sie auch im Unterteil vorhanden sein kann. A l s Parallelen seien Funde aus der Spes- sart-Glashütte des 13. Jahrhunderts i m Lauden- grund bei Schöllkrippen102 und aus Mainz1 0 3 zi- tiert.

Weitere Funde

D i e in der P u b l i k a t i o n s c h o n vorgelegten Oberteile v o n Lampen104 besitzen die hierzulande geläufige, gerade oder leicht e i n s c h w i n g e n d e Form. Demgegenüber repräsentiert ein noch u n - v e r ö f f e n t l i c h t e s R a n d s t ü c k ( A b b . 7 4 , 1 3 ) die weitaus seltenere Variante mit deutlich ausbau- chender Mittelpartie. Vergleiche kennt m a n aus Prag und Lübeck105 (Abb. 74,13a) sowie v o n fran- zösischen Fundorten1 0 6. Sowohl die Datierungen des böhmischen und des deutschen Exemplars (14.

bzw. 14. / frühes 15. Jh.) als auch der französi- schen Funde (13. bzw. 14. Jh.) sprechen für eine parallele Verwendung beider L a m p e n f o r m e n i m Spätmittelalter.

Neben den Hohlgläsern und den mit A u s n a h - me der Brille (siehe unten) hier nicht behandelten Flachgläsern enthält das Fundgut auch ein - in der Publikation wiederum unberücksichtigtes - Fragment eines „Massivglases". Gemeint ist der so genannte Glasglätter oder gläserner Glättstein (Abb. 74,14). Die Nichterwähnung ist umso er- staunlicher, als Elisabeth Haevernick selbst in ei-

nem Artikel v o n 1963 die Seltenheit einschlägi- ger Funde in Deutschland betonte107.

A u c h w e n n inzwischen aus d e m M i t t l e r e n N e c k a r r a u m N e u f u n d e , etwa aus Renningen1 0 8, Ditzingen1 0 9, der W ü s t u n g V ö h i n g e n bei Schwie- berdingen110 u n d Herbolzheim/Jagst1 1 1 hinzuge- k o m m e n sind, ist der Bestand noch keineswegs so umfangreich, wie er bei einem Gerät des tägli- chen Gebrauchs eigentlich zu erwarten wäre. Für Esslingen ist das Exemplar aus St. D i o n y s das ers- te ü b e r h a u p t . J ü n g s t w u r d e die F u n k t i o n der

„ G l a s k u c h e n " als Glättinstrument für Textilien wieder mehrfach bezweifelt und stattdessen einer Deutung als Glasbarren, d. h. Rohmaterial für die Glasherstellung, der V o r z u g gegeben112. Die a n - geführten Argumente sind allerdings nicht über- zeugend113 .

D a intakte Brillen aus der Frühzeit der Ver- wendung künstlicher Sehhilfen zu den großen Sel- tenheiten im archäologischen Material nicht nur Süddeutschlands zählen, sei hier auf das Stück aus der Dionysiuskirche nochmals hingewiesen (Abb.

74,15). In der Publikation ist es nicht im Z u s a m - menhang der Glasfunde abgehandelt, sondern i n der Befunddarstellung und -auswertung1 1 4. D a die Brille unter dem Bretterboden des 1518 geschaf- fenen Chorgestühls aufgefunden w u r d e , ist sie noch ins späte Mitelalter zu datieren.

Brillen v o m vorliegenden T y p der K l e m m b r i l - len repräsentieren eine fortgeschrittenere Form der mittelalterlichen Sehhilfen, die alle noch durch- gängig ohne Schläfengestell auskamen. Die (zu- sammenklappbare) Nietbrille als Urform gilt als Erfindung des 13. Jahrhunderts1 1 5. A b w e i c h e n d v o n dem Esslinger Stück haben die sicher oder wahrscheinlich ins 14. / 15. J h . zu datierenden Ausführungen aus Freiburg und Konstanz, aber a u c h aus M a r b u r g , L ü n e b u r g , H a n n o v e r u n d Wienhausen Gestelle aus H o l z bzw. Bein116.

Metalldrahtfassungen, wie sie in Esslingen z u beobachten sind, scheinen erst gegen 1500 auf- zutreten und blieben mindestens bis ins 18. Jahr- hundert in G e b r a u c h1 1 7. D i e nächste Parallele, s o w o h l geografisch w i e c h r o n o l o g i s c h , w u r d e 1965 in der Kirche v o n Böttingen ( A l b - D o n a u - Kreis) bei einer N o t u n t e r s u c h u n g gefunden1 1 8. Eine frühe Darstellungen dieser A r t v o n Brillen findet m a n auf dem 1 5 1 1 datierten Gemälde „ D i e Brillenverkäuferin" des J a k o b Cornelius aus A m s - terdam1 1 9.

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• Abb. 75: Esslingen, Karmeliterkloster,

Gefäße der Rot- bemalten Feinware.

Abb. 76:

Karmeliterkloster, Drillingsgefäß der Rotbemalten Feinware.

Überblick über die wichtigsten mittelal- terlichen keramischen Warenarten und die Frage ihrer Herkunft

Goldglimmerware

Aus dem Alten Rathaus, der Stadtkirehe un- mittelbar benachbart, liegt eine Scherbe der früh- mittelalterlichen Goldglimmer-Ware mit Wellen- verzierung vor. Dieses Stück findet Parallelen vor allem jenseits der Schwäbischen Alb entlang der D o n a u bis hinein nach Bayern1-". A u s der ganzen Region zwischen Esslingen und Ulm wurden nur Einzelfunde aus Lonsee-Urspring und Schalkstet- ten bekannt121. Noch deutlicher als bei der K a m m - strichware aus St. Dionysius werden durch sie in spätmerowingisch-karolingischer Zeit Beziehun- gen nach Osten oder Südosten greifbar.

Ältere Albware

Dionysiuskirche und Denkendorfer Pfleghof wurden als Fundsteilen dieser Ware bereits ge- nannt, dazu k o m m t als dritter innerstädtischer Fundpunkt die frühe Siedlung im Bereich der All- mandgasse in der Pliensauvorstadt. In Anbetracht der weiten Verbreitung der verschiedenen Vari- anten der W a r e1" , die in vielen Öfen im Bereich zwischen der einst namengebenden Schwäbischen A l b , dem Neckar, der Enz und dem östlichen Schwarzwald hergestellt worden sein muss, ist die geringe Präsenz im 1 1. und 12. Jahrhundert in Esslingen sehr verwunderlich. Der Neckar, so hat es nach der Verbreitungskarte derzeit den A n - schein, markiert sehr scharf die Ostgrenze des

V o r k o m m e n s . Inwieweit sich diese Grenze mit der Aufteilung der Schwäbischen A l b in einen kleine- ren östlichen Teil ohne V o r k o m m e n der Albware und einen größeren westlichen mit Albware zu- sammen bringen lässt, muss künftig noch geklärt werden. Die Trennlinie scheint v o m Neckarknie bei Plochingen ziemlich gerade über die Alb zur D o n a u bei Ulm zu verlaufen. Fundorte des 11./

12. Jahrhunderts im R a u m von Göppingen1 2 5 und Geislingen124 weisen keine Albware auf. Lediglich aus Gruibingen (Kr. Göppingen) ist ein Beispiel bekannt1 2'. G a n z anders liegen die Verhältnisse dagegen in und um Kirchheim unter Teck12''.

Rauwandige Drehscheibenware

Rauwandige Drehscheibenware tritt außer in der Dionysiuskirche nur noch mit einer Scherbe im D o m i n i k a n e r k l o s t e r auf. Der außen unter- schnittene und innen schwach gekehlte Rand stellt eine eher seltene Form des oberen Abschlusses dar.

Das V o r k o m m e n im Predigerkloster deutet ge- meinsam mit den Fragmenten früher Älterer Gelb- toniger Drehscheibenware darauf hin, dass das Areal nordwestlich der Stadtpfarrkirche zumin- dest zum Randbereich der frühmittelalterlichen Siedlung Hetsilinga gehörte. Neben D o n z d o r f müssen noch andere Töpfereien den Mittleren Neckarraum beliefert haben.

Ältere Gelbtonige Drehscheibenware

Verzierte Stücke der Alteren G e l b t o n i g e n Drehscheibenware werden außerhalb von St. Di- onysius im Alten Rathaus wie im Predigerkon-

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venr fassbar, wenngleich in geringeren Mengen.

Im Dominikanerkloster handelt es sich um ein auf der Oberseite rollstempelverziertes Randfragment sowie mehrere geriefte Oberteile, im Alten Rat- haus nur um geriefte Scherben. Das Fehlen sol- cher Funde andernorts im Stadtgebiet legt es nahe, den Siedlungskern in der merowingischen und karolingischen Zeit im Bereich der Stadtpfarrkir- che zu lokalisieren.

Für die Provenienz gilt das bereits Gesagte:

Als Herkunftslandschaften wenigstens der roll- stempeldekorierten Gefäße ist der mittlere oder nördliche Oberrhein anzunehmen. Anders verhält es sich mit den unverzierten Vertretern dieser W a - renart. Ränder vom Typ Runder Berg und vor al- lem vom Typ Jagstfeid k o m m e n auch an weiteren Stellen im Stadtgebiet vor. Erstere, die dem Zeit- raum vom 9. bis frühen 11. Jh. angehören, traf man im Denkendorfer Pfleghof und im Karmeli- terkloster in der Obertorvorstadt an. Hier k ö n n - ten sie mit der „auf dem Kies" vermuteten Sied- lung Mühlbronn zusammenhängen. Gefäßbruch- stücke des Typs Jagstfeid wurden darüber hinaus noch in der Allmandgasse und Ehnisgasse 11 ent- deckt. Damit ist auch in der späteren Pliensau- vorstadt eine Siedlungstätigkeit des hohen Mit- telalters bewiesen.

Mindestens ein Teil der Gefäße vom Typ R u n - der Berg und alle vom Typ Jagstfeid stammen nach Aussage der Verbreitungskarten aus bislang nicht genau lokalisierbaren Töpfereien des Mittleren Neckarraums.

Gelbe Quarzgemagerte Ware

Diese Warenart, die in die letzte Produktions- phase der Älteren Gelbtonigen Drehscheibenwa- re gehört und zur Buocher Feinware überleitet, ist an allen bisher genannten Fundstellen vertre- ten, dazu noch in kleinen Fundkomplexen, etwa dem Agneshof. Von der Älteren Gelbtonigen Dreh- scheibenware ist sie oft nur schwer zu trennen.

Gleichfalls bereitet die von Lobbedey beschriebe- ne Unterscheidung in zwei Varianten (Gruppe 3 b z w . G r u p p e 7 der St. D i o n y s i u s - K e r a m i k ) Schwierigkeiten12 , so dass hier auf eine Differen- zierung verzichtet wird.

D i e R a n d f o r m e n der Älteren G e l b t o n i g e n Drehscheibenware und der Gelben Quarzgema- gerren Ware sind vielfach identisch - dabei han- delt es sich um verschliffen wirkende Ränder des Typs Jagsrfeld. Es treten allerdings auch Ränder auf, die in der Älteren Gelbtonigen Drehscheiben- ware unbekannt sind und an solche der Älteren G r a u t o n i g e n D r e h s c h e i b e n w a r e erinnern. D e r Brand ist oft weniger hart, die Scherbenbeschaf- fenheit in der Regel etwas kreidiger, bei manchen Stücken nähert sie sich jener der Rotbemalten Fein wäre an1215.

A n d e r e G e f ä ß f o r m e n sind in Gestalt einer Schüssel12'' (?) und zweier Deckel mit Einstich- verzierung'5" nur aus St. Dionys bzw. vom D e n - kendorfer P f l e g h o f " bekannt. Eine Ausgusstülle mit einem kurzen Verbindungssteg zum Gefäß- hals, die im Denkendorfer Pfleghof angetroffen wurde1 5 2, ist hierzulande im Formenschatz des Hochmittelalters Singular. Sie als direkten Vorläu- fer der F e i n w a r e - K a n n e n mit Stabilisierungs-

« A Abb. 77:

Karmeliterkloster, Kanne mit langer Tülle der Grauen Feinware aus Buoch.

• Abb. 78: Esslingen, Kupfergasse, Kännchen der Rotbemalten Feinware.

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• Abb. 79: Karmeliter- kloster, Protosteinzeug-

Kruq.

• • Abb. 80:

Karmeliterkloster, Steinzeug-Gefäße.

element (vgl. im Folgenden) zu betrachten, ist wegen der großen zeitlichen Lücke unmöglich.

Die O f e n , in denen diese Ware gebrannt wur- de, k o n n t e n wie jene der Älteren Gelbtonigen Drehscheibenware noch nicht gefunden werden.

Eine stärkere Konzentration der Fundstellen zwi- schen Bietigheim und Tübingen, dem westlichen Schwarzwaldrand und Schwäbisch G m ü n d lässt allerdings keinen Zweifel an einer Entstehung in diesem R a u m . Die auch bei der in Remshalden- Buoch östlich von Waiblingen getöpferten R o t - bemalten Feinware festzustellenden roten M a g e - rungspartikel könnten Hinweise auf eine Produk- tion im Remstal s e i n ' " .

Ältere Grautonige Drehscheibenware

O b e n w u r d e für St. D i o n y s i u s das V o r h a n - densein einer Scherbe dieser Ware vermutet. A u f dem Gelände des Denkendorfer Pfleghofs k o n n - ten dagegen sichere Nachweise der Älteren G r a u - t o n i g e n D r e h s c h e i b e n w a r e erfasst w e r d e n "4. Wenn auch möglicherweise nicht alle 25 hier ein- geordneten Ränder wirklich zur Älteren G r a u t o - nigen Drehscheibenware zu rechnen sind, so ist das F u n d a u f k o m m e n doch trotzdem das mit wei- tem Abstand höchste in Esslingen. Die Bearbei- tung des Fundgutes aus dem Karmeliterkloster und die D u r c h s i c h t anderer M a t e r i a l b e s t ä n d e anlässlich der Ausstellungsvorbereitungen förderte einzelne weitere Belege zutage (Altes Rathaus, Kupfergasse, Karmeliterkloster).

Für den südöstlichsten F u n d p u n k t auf der Verbreitungskarte der Ware ist dies eine recht be- trächtliche Menge. Bei der Bewertung dieses U m -

standes muss bedacht werden, dass die Südgren- ze der nennenswerten V o r k o m m e n mit Orten wie der W ü s t u n g Vöhingen bei SchwieberdingenI H

und Renningen1 5'' erreicht scheint. D i e südlich nach Esslingen hin „vermittelnden" Fundpunkte Ditzingen"7, Sindelfingen"8 (?) und Burg Dischin- gen bei S t u t t g a r t - W e i l i m d o r f " ' sind nur mit ei- nem oder zwei Fragmenten vertreten.

D a die Produktion der Älteren Grautonigen Drehscheibenware spätestens gegen 1200 endet, können die V o r k o m m e n einschlägiger Scherben nicht mit Verbindungen zu ihrem Herkunftsraum am nördlichen Oberrhein erklärt werden, die mit der Schenkung der Stadtpfarrkirche an das D o m - kapitel von Speyer durch König Friedrich II. im Jahre 1213 etabliert wurden. Vielmehr müssen solche bereits im späten 11. und im 12. J a h r h u n - dert bestanden haben.

Rotbemalte Feinware

Diese Qualitätskeramik (Abb. 75) wird an je- der Fundstelle fassbar, die Scherben aus der Zeit zwischen dem späteren 12. und dem frühen 15.

J h . erbrachte. Esslingen stellt somit den bedeu- tendsten Fundort dieser Remstaler Produkte über- haupt dar. Den wichtigsten Rang n i m m t das Kar- meliterkloster in der Obertorvorstadt ein. In die- ser bisher materialreichsten Grabung kamen un- ter Tausenden von Fragmenten der Rotbemalten Feinware sogar noch Formen zutage, die selbst in den Abfallhalden am Töpfereistandort nicht ver- treten waren, z. B. das eigenartige Drillingsgefäß (Abb. 76) oder die reduzierend gebrannte Kanne mit langer Ausgusstülle ( A b b . 77). Aber auch an-

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Esslinger Funde - alt und neu

dere Plätze lieferten bislang Unbekanntes, so die Kupfergasse ein kleines Kännchen mit Klappde- ckel (Abb. 78). Auch die Frühphase der Ware mit ihren noch wenig oder gar nicht bemalten Vertre- tern wird im Karmeliterkloster gut greifbar. D a n k der seit 1980 entdeckten Fehlbrände in Remshal- den-Buoch ist die Provenienz der Schwäbischen Feinware gesichert14".

Ihre große Bedeutung für den in Esslingen ver- wendeten keramischen Formenschatz wird daran ablesbar, dass zahlreiche Gefäße des alltäglichen Gebrauchs, nicht nur solche für Spezialzwecke, vom späten 12. bis in den Beginn des 15. Jahr- hunderts in der überwiegenden Mehrzahl, ja aus- schließlich aus Buoch bezogen wurden, etwa Bü- gelkannen oder Krüge. Das nahezu vollständige Fehlen von Ofenkeramik erscheint demgegenüber bemerkenswert.

Der hohe Anteil der Feinware a m Fundmate- rial von Plätzen wie dem Denkendorfer Pfleghof oder dem Karmeliterkloster, w o sie bis zu 50 % des Geschirrs stellte, erklärt sich w o h l nicht nur aus dem Wohlstand der Bewohnerschaft. Ange- sichts der Bedeutung Esslingens als M a r k t o r t wird man hier eines der Verteilerzentren für die Buo- cher Produkte vermuten dürfen.

„Musberger" Ware

A n ]eder Esslinger Fundstelle, die Material aus dem Zeitraum vom späten 12. bis zur 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts erbrachte, ist auch eine über- wiegend hell (oxidierend) gebrannte Keramik aus feinsandigem, leicht glimmerhaltigem Ton in gro- ßen Mengen vorhanden. Sie setzt sich fast nur aus

W u l s t - und L e i s t e n r a n d t ö p f e n1 4' , Becher- und Napfkacheln zusammen und steht den Erzeugis- sen der Töpferei in Musberg'4 2 zumindest nahe, wenn sie nicht sogar teilweise damit identisch ist.

Eine vergleichende Untersuchung von - leider nur wenigen - Esslinger und Musberger Funden im Geologischen L a n d e s a m t Freiburg ergab, dass unter den für Musberger Erzeugnisse gehaltenen Fragmenten aus dem Karmeliterkloster auch sol- che anderer Provenienz vorhanden sind. Es ist demnach davon auszugehen, dass in der unmit- telbaren Umgebung Esslingens noch weitere T ö p - fereien arbeiteten, die aus vergleichbaren Tonvor- k o m m e n nach Machart und Form eng verwandte Erzeugnisse herstellten.

O b w o h l der Formenschatz recht bescheiden ist, nimmt die „ M u s b e r g e r " Keramik, gemessen an ihrem Anteil a m keramischen F u n d a u f k o m - men, unter den „ g e m e i n e n " Warenarten einen prominenten Platz ein. Ihre Erzeugnisse stehen beispielhaft für die lokale Massenversorgung der Reichsstadt mit Gebrauchsgeschirr im ausgehen- den H o c h - und im Spätmittelalter.

Protosteinzeuq

Das auf einer technischen Zwischenstufe zwi- schen poröser Irdenware und echtem versinter- ten Steinzeug angesiedelte Protosteinzeug wurde in Esslingen im Dominikaner- wie im Karmeliter- kloster und beim Denkendorfer Pfleghof'4'' ange- troffen. Der einzige zweifelsfrei nachweisbare Krug, ein ganz erhaltenes Exemplar aus dem Bach- lauf auf dem Karmeliterareal144 (Abb. 79), unter- streicht, dass es sich bei dieser Art von Keramik

•4 A Abb. 81: Karmeliter kloster, Scherben von Sgraffito- und Fayence- gefäßen.

A Abb. 82: Esslingen, Pliensaustraße 9/11, Model für eine zweige- teilte Kachel.

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A Abb. 83:

Pliensaustraße 9/11, Model für eine Kachel

mit Prophetenbüste.

Abb. 84:

Pliensaustraße 9/11, Modelfragmente für eine Kachel mit Engelsdarstellung.

nicht ausschließlich um Vorstufen des echten Stein- zeugs aus dem 13. Jahrhunderts handelt. In Regi- onen außerhalb der niederrheinischen Steinzeug- zentren wurde sie auch später noch gefertigt'4''.

Die schlanke Form wie auch die Fundlage im un- teren Grabenbereich, vermischt mit Materialien des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts, spre- chen bei dem Krug eindeutig für eine Entstehung weit nach 1300""'.

Die übrigen Fragmente v o m Karmeliterareal wie den anderen Esslinger Fundstellen dürften alle von Bechern herrühren. Es zeigt sich damit die- selbe ausschließliche Fixierung auf Flüssigkeits- behälter des Tisch- und Tafelgebrauchs, wie sie beim echten Steinzeug zu konstatieren ist.

Steinzeug

Unter den echten Steinzeuggefäßen kam ein Krugoberteil aus dem allerspätestens bis 1329 v o m C h o r der Klosterkirche überbauten Bereich im Karmeliterareal zum Vorschein. Es zählt damit zu den ältesten Vertretern der Gattung Steinzeug süd- lich des Mains, das nach allgemeiner Auffassung um 1300 in Siegburg entwickelt wurde1 4". Sind im übrigen Fundgut aus der Karmelitergrabung noch einige weitere Krüge enthalten ( A b b . 80), so dominieren an den anderen Fundstellen des Stadtgebietes die verschiedenen Becherformen.

Die Herku-nftszuweisung zu einem bestimm- ten Produktionsort ist nur bei einigen Stücken mit hinlänglicher Sicherheit möglich. Bei einem Un- terteil ohne Wellenfuß und einem Henkelbecher aus dem Karmeliterkloster deuten die Form bzw.

die in Spuren vorhandene Bemalung auf eine Pro- venienz aus dem nördlichen bzw. mittleren El- sass14". D o r t sind tassenartige Trinkgefäße mit stark betontem Umbruch und Blaubemalung seit dem Spätmittelalter häufig anzutreffeni 4''. Die beiden Esslinger Exemplare markieren den öst- lichsten Punkt auf der Verbreitungskarte dieser Steinzeugausprägung, welche außerhalb des El- sass bisher zwischen Wiesenbach bei Heidelberg im Norden, Montbeliard im Süden und Villingen im Osten nachgewiesen war1 5".

Für einige andere Gefäße kann Siegburg als Herkunftsort wahrscheinlich gemacht werden. Es handelt sich dabei einmal u m einen Becher mir deutlich abgesetztem Trichterhals aus grau-rötli- chem ( „ g e f l a m m t e m " ) Steinzeug sowie um Stü- cke von so genannten J a k o b a - K a n n e n oder schlan- ken Bechern. Auch das gut erhaltene Unterteil ei- nes doppelhenkligen Bechers könnte nach Sieg- burg zu lokalisieren sein. Von dort sind henkello- se zylindrische Vierpassbecher b e k a n n t1" . Das nächste Vergleichsstück, das wie der Esslinger Becher über Henkel verfügt, ein Trinkgefäß aus Alt-Schwaigern bei Heilbronn am östlichen Ran- de des Kraichgaus, zeigt ebenfalls die vierpassför- mige Randgesta!tungM :.

Die nächsten formalen Entsprechungen zu der breiten „Tasse" bzw. Scheuer (Abb. 80) schließt der Bestand an Speicherer Steinzeug im Rheini- schen Landesmuseum Trier ein'1'. Ein d ü n n w a n - diger Becher mit braunviolettem Engobeüberzug hat zahlreiche Entsprechungen unter den Stein- zeugfunden im Neckarmündungsraum, z. B. auf dem Heiligenberg bei Heidelberg. Die Provenienz

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dieser auch dort als Importe zu wertenden Stücke ist unklar, vielleicht k o m m t das hessische Drei- hausen als Herstellungsort in Frage'1"4.

Auch das weit entfernte mitteldeutsche Wal- denburg ist schwach am Esslinger Sfeinzeug-Fund- a u f k o m m e n beteiligt. Neben dem oben im Z u - sammenhang mit St. Dionysius erwähnten Boden kann ein Unterreil aus braunem Steinzeug mit Abschneidespuren (!) und enger Fußkerbung, die einen Wellenfuß imitieren soll, nach Thüringen verwiesen w e r d e n1" . Alle restlichen Fragmente aus violettem, braunem oder grauem Sreinzeug können an verschiedenen Plätzen gefertigt w o r - den sein, die wohl überwiegend im Rheinland (hierzu werden auch die Eifel mit M a y e n sowie Speicher/Herforst/Binsfeld gerechnet) zu vermu- ten sind. Es ist eher unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich auszuschließen, dass auch Erzeugnisse aus Ofen im südlichen Niedersachsen vorliegen'1''.

Die Menge an Steinzeug liegt in Esslingen, vor allem dank der Funde aus dem Karmeliterkloster, weit über dem, was an.allen anderen Fundorten des Mittleren Neckarraums bislang entdeckt wur- de. .VIir diesen Plätzen hat der Karmeliter gemein, dass k a u m Schenk-, sondern fast ausschließlich Trinkgefäße im F u n d g u t erscheinen. A u c h an rheinnahen Orten in Baden-Württemberg (Laden- burg, Heiligenberg bei Heidelberg, Heidelberg) ist bei den nicht sehr großen Beständen an diversen Steinzeugen des Spätmittelalters dieselbe Be- schränkung zu beobachten. Hätte ein regulärer Handel mit Erzeugnissen aus rheinabwärts gele- genen Töpfereien stattgefunden, so müsste eigent- lich auch das übrige Repertoire dieser Betriebe im

« A Abb. 85:

Pliensaustraße 9/11, Kachel, Ausformunq des Models Abb. 84.

• Abb. 86:

Pliensaustraße 9/11, Halber Model für eine Kachel mit Rosetten- motiv.

•4 Abb. 87:

Pliensaustraße 9/11, Kachel mit Engels- darstellung.

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Fundgut auftreten, besonders natürlich die funk- tionell als Schenkgefäße zu den Bechern gehören- den Kannen, Krüge und Flaschen. Zieht man zum Vergleich das v o m R h e i n l a n d weiter entfernte, jedoch über den Fluss- und Seeweg gut erreichba- re England heran, so konstatiert man dort ein weitaus breiteres S p e k t r u m " . Auch in den Nie- derlanden sind im 14. Jahrhundert Becher deut- lich geringer vertreten als Krüge', N. So gewinnt man den Eindruck, die fast allein auftretenden T r i n k g e f ä ß e k ö n n t e n a u f g r u n d ihrer geringen Größe immer wieder als Einzelstücke im Reisege- päck von Personen gewesen sein, die aus dem Rheinland oder anderen Steinzeug-Regionen nach Südwestdeutschland kamen oder zurückkehrten.

Geschäftliche Kontakte, beispielsweise von Ess- linger und Kölner Händlern auf der Frankfurter Messe, sind überliefert'1''.

Auch für die spätmittelalterlichen Klöster sind Kontakte mit z. T. weit entfernten Konventen und Kongregationen des eigenen Ordens vielfach be- zeugt. Da der Karmeliterorden über Niederlassun- gen im westlichen und nördlichen Deutschland sowie im Elsass verfügte""", müssen regelmäßige Verbindungen nach Norden und Westen weit über den Mittelneckarraum hinaus keineswegs erstau- nen. In diesem Z u s a m m e n h a n g ist der Hinweis besonders wichtig, dass ein Generalstudium des Karmeliterordens im deutschen Sprachraum au- ßer in W i e n nur in K ö l n absolviert werden k o n n - te. Die Stadt am Rhein aber war der zentrale H a n - delsplatz z. B. für Siegburger Steinzeug, das dem- entsprechend in den Niederlanden als „keulse p o t t e n " (Kölner Gefäße) bezeichnet wurde1 6 1. Eine ähnliche Erklärung dürfte für das vereinzel- te V o r k o m m e n von mitteldeutschem Steinzeug aus Waldenburg zutreffen, denn Erfurt und Leipzig waren die mitteldeutschen Studienorte der Kar- meliten162.

N e b e n einem ähnlichen Fragment aus der Göppinger Oberhofenkirche165 sind die Stücke aus aus St. Dionysius und aus dem Karmeliterkloster im Mittleren Neckarraum die bisher einzigen Be- lege für mitteldeutsches Steinzeug. Häufiger er- scheinen solche Erzeugnisse nur an Fundorten in Franken und im östlichen Bayern, so z. B. in Hass- furt a m M a i n1 6 4, Bad W i n d s h e i ml 6 ; oder Pas- sau "'6. Weitere nichtrheinische Steinzeugfunde nennt Werner Endres aus Ochsenfeld, Nabburg, Regensburg, Schloss Thierlstein, Straubing und von der Saldenburg16".

Sqraffito-Ware

Ein Bruchstück, dessen formale Einordnung größere Schwierigkeiten bereitet, trägt auf der Außenseite eingetieften Rankendekor (Abb. 81).

W ä h r e n d hier noch spärliche Reste einer gelbli- chen Glasur zu erkennen sind, zeigt die Innensei- te über dem roten Scherben nur weiße Engobe mit einer blürenartigen Ritzung im Zentrum. Es ist nicht mehr zu entscheiden, o b sie einst über- haupt glasiert war. Glasur und Art des tief einge- ritzten R a n k e n o r n a m e n t s lassen kerne Z w e i f e l daran, dass es sich bei diesem Fundstück aus dem Karmeliterkloster um einen transalpinen Fremd- ling handelt. In Italien war Keramik mit vergleich- baren Ornamenten im Spätmittelalter in Gebrauch („graffita arcaica")1 6*. Die Masse der Gefäße sind dort jedoch offene Schalen, Schüsseln oder Becher.

Parallelen für gefußte Gefäße - bei einem Deckel wäre die Innenverzierung k a u m sinnvoll - sind schwer ausfindig zu machen16"'.

Nahezu ebenso vergeblich hält man in der Li- teratur Ausschau nach Gegenstücken im R a u m n ö r d l i c h der A l p e n '7" . Erst aus K ä r n t e n , also schon auf halbem Weg zwischen Süddeutschland und der A p e n n i n e n h a l b i n s e l gelegen, w u r d e n jüngst einschlägige Funde bekannt1 7 1.

Fayence

Z w e i Wandscherben mit ganz schwach bläu- licher (Zinn-)Glasur (Abb. 81) aus den Untersu- chungen im Karmeliterkonvent sind gleichfalls als F r e m d s t ü c k e a n z u s p r e c h e n . A u c h w e n n kein M a l d e k o r vorhanden ist, der eine präzisere Ein- ordnung erlauben würde, scheint eine Klassifika- tion als Fayence gerechtfertigt. Die Zahl der Bele- ge für diese Art keramischer Südimporte ist au- ßerordentlich gering. A u s Konstanz1 7 2 und aus Winterthur ist mittelalterliche Fayence nördlich der Alpen bekannt. Neuerdings wird auch ein frü- her als jünger erachteter Teller aus dem Aller- heiligenkloster in Schaffhausen171 in die Zeit u m 1500 datiert'"4.

Das höchst seltene Auftreten von Fayencen in gesichert mittelalterlichen Kontexten dieseits der Alpen ist angesichts der Transportschwierigkei- ten leicht verständlich. Stellt man allerdings ihr häufiges Erscheinen auf zeitgenössischen G e m ä l - den hierzulande in R e c h n u n g '7' , so müssen sie einst doch erheblich besser bekannt gewesen sein, als sich dies bisher archäologisch manifestiert.

Esslinqer Keramikherstellung

K a n n m a n bei Teilen der oben betrachteten

„ M u s b e r g e r " Ware vielleicht an eine Herstellung im Stadtgebiet denken, so ist eine solche seit den Untersuchungen in der Kupfergasse und in der Pliensaustraße 9/11 für den nachfolgenden Zeit- raum des späteren 15. und früheren 16. J a h r h u n - derts gesichert. A n beiden Stellen traten Fehlbrän-

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