• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "New York in Film und Musik: Aggregatzustände von Zeit" (06.09.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "New York in Film und Musik: Aggregatzustände von Zeit" (06.09.2002)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

V A R I A

A

A2354 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 366. September 2002

A

ls die Kölner Saxophoni- stin Sonia Bach im Herbst 1999 mit Saxo- phon und Super-8-Kamera im Gepäck nach New York auf- brach, hatte sie von dem filmi- schen Endprodukt so wenig ei- ne konkrete Vorstellung wie vom Ziel ihrer Reise. Mit der Kamera erforschte sie den neu- en Alltag, bis ein Konzept in ihr entstand.Was im September in Köln zu sehen sein wird, ist das Ergebnis dieser Spu-

rensuche in der Fremde, die immer auch eine Suche nach sich selbst ist, denn „das Ende al- len Erkundens wird sein, dass wir ankom- men, wo wir aufbra- chen, und diesen Ort zum ersten Mal er- kennen“ (T. S. Eliot).

Bachs Funde sind vielfältig und mehr-

deutig.Die großformatige Film- projektion wird von zwei Dia- Projektionen umrahmt, sodass ein Triptychon-Charakter in der Gesamtvorführung ent- steht. Die 160 Dias sind syn- chron geschaltet und im Gegen- satz zum mittig projizierten Farbfilm in Schwarz-Weiß ge- halten. Als weiterer Verfrem- dungseffekt wurden sie im Cross-Over-Verfahren entwik- kelt, das Licht zu Schatten ver- kehrt und aus dem Dia-Positiv ein Negativ macht.Durch solche Irritation sowie durch unübli- che Aufsichten öffnet Bach den

Blick für das Ungewöhnliche.

Gegenstände und Situationen, an denen man im Alltag achtlos vorübergeht, werden fokussiert:

ein Riss im Asphalt, ein Glanz auf dem See, architektonische Formen, eine Menschenmen- ge. Bachs filmische Sicht gibt einer entzauberten Welt ihr Geheimnis zurück. Wenn ihr Blick aufdeckt, was hinter dem alltäglichen Blick liegen könn- te, so legt sich zugleich ein neuer Schleier der Vieldeutig- keit darüber. Hier ist die asso- ziative Kreativität der Zu- schauer angesprochen, die im

Zwischenraum der möglichen Sichtwei- sen zum Schöpfer ih- rer eigenen Realität werden.

Zur Bildebene kommt eine weitere, die musikalische Ebene hinzu. Eben- so wie die Rhyth- misierung der syn- chronen Dia-Projek- tionen orientiert sich die Musik am Film, dem damit eine zentrale Rolle zu- kommt. Komponiert wurde die Musik von der mehrfachen Kompositions-Preis- trägerin Christina Fuchs („jazzart“ D/NRW, Juli- us Hemphill Composition Awards [USA] for Large Ensemble und andere).

Sie bewegt sich stilistisch zwischen zeitgenössischem Jazz und improvisierter Musik.

Ein fünfköpfiges En- semble begleitet das filmi- sche Geschehen live: So- nia Bach (Tenor-, Sopransaxo- phon und Klarinette), Christi- na Fuchs (Tenor-, Alt- und Sopransaxophon, Bassklarinette und Flö- te), Thomas Rückert (Klavier), Jens Düppe (Schlagzeug), Kees van Zomeren (Kontrabass).

Die Musiker des En- sembles sind in der Köl- ner Musikszene eta- bliert und haben sich auf internationalen Jazz- festivals sowie durch Auftritte in Funk und Fernsehen einen Namen ge- macht.

Auf der musikalischen Ebe- ne wechseln auskomponierte Passagen mit Phasen freier Improvisation. Auf der visuel- len Ebene entspricht dieser Ge- gensatz den unterschiedlichen Manipulationen der Zeitwahr- nehmung. Bach bearbeitet Zeit wie ein Material, das gedehnt, verflüssigt oder verfestigt wer- den kann. Sie stellt den gefrore- nen Moment neben Zeitraffer und Überblendung. Dabei kontrastieren die harten Über- gänge der Dia-Negative das

Fließgleichgewicht der Film- vorführung. Die Musik ant- wortet entsprechend mit einer spannungsvollen und unvor- hersehbaren Kombination aus Rhythmik und Getragenheit.

Durch Phasenverschiebun- gen gelingt es Bach, selbst Ob- jekte und Menschen in die Zeit hinein zu „verflüssigen“:Archi- tektonische Formen lösen sich auf und formieren sich durch die Phasenverschiebungen zu einem dichten,amorphen Knäu- el. Menschen lösen sich aus ihrer eigenen Körperform, fallen hinter sich selbst zurück und holen sich nicht mehr ein.

Wegen der Vielfältigkeit des rezeptiven Angebots lässt sich das ästhetische Geschehen in seiner Gesamtheit nur erfas-

sen, wenn der analytische Blick zugunsten einer Empfänglich- keit aufgegeben wird, die über ein rationales Verstehen hin- ausgeht. In diesem ästheti- schen Feld der Gleichzeitigkei- ten gegenläufiger Rhythmen und Erzählebenen in Musik und Bild fällt vieles in die Zwi- schenräume des bewusst Rezi- pierbaren und zeugt auf diese Weise unkalkulierbare Zwi- schenzustände. Eine den stän- dig wechselnden Eindrücken antwortende Bewertung, das heißt letztlich eine persönliche Aneignung und Ausdeutung von Sinneseindrücken, kann in Bachs Raum-Zeit-Kontinuum

„Zwischenzeitlich“ im Sep- tember in Köln erprobt wer- den. Elke Bartholomäus

Die junge Film-/Foto- künstlerin und Saxo- phonistin Sonia Bach stellt ihr Multimedia- Projekt „Zwischen- zeitlich“ in Köln vor.

New York in Film und Musik

AGGREGAT- ZUSTÄNDE

V O N Z E I T

Aufführungstermine:

Donnerstag, 26. September im

„Kunstsalon“, Brühlerstraße. 11–13, 50968 Köln; Sonntag,29. Septem- ber im „Loft“, Wissmannstraße 30, 50823 Köln; jeweils 20 Uhr/Ein- lass 19.30 Uhr. Tickets an der Abend- kasse (Eintritt 12 Euro).

Informationen: E-Mail: amae@gmx.de

Fotos:privat

Feuilleton

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE