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ür Biologen und Medizi- ner ist es seit Jahrzehn- ten ein Bestandteil des Grundstudiums: physiologi- sche Praktika im Labor. Bis zu 50 000 Frösche und Ratten werden jährlich geopfert, um angehenden Medizinern die Grundlagen der Physiologie von Nerven und Muskeln zu vermitteln. Im Zeitalter von Multimedia könnte damit bald Schluß sein.In Bonn stellte jetzt das Bundesforschungsministeri- um ein Projekt vor, bei dem Skalpell und Pinzette durch die Computermaus ersetzt werden.
Nachgestellte Laborsituation
„Virtual Physiology“
heißt das Leitprojekt, das von Wissenschaftlern der Univer- sität Marburg in Zusammen- arbeit mit dem Georg Thieme Verlag entwickelt wurde. Am PC-Monitor können jetzt La- borsituationen aus verschie- denen Bereichen der Physio- logie nachgestellt werden.
Alle Versuchsschritte von der Präparation bis zum eigentli- chen Praktikum lassen sich nun am Personal Computer simulieren. „Die Akzeptanz bei den Studenten war sehr hoch, weil auf diese Weise Tierversuche vermieden wer- den. Außerdem haben die Prüfungsergebnisse gezeigt,
daß der Lerneffekt nicht ge- ringer ist als bei herkömm- lichen Praktika“, erläutert Martin Hirsch von der Uni-
versität Marburg die Vorteile des Programms.
Bislang haben die For- scher vier Module für „Vir- tual Physiology“ entwickelt.
Neben den klassischen Ver- suchen mit Muskeln und Ner- ven des Frosches, an denen
sich physiologische Reaktio- nen auf elektrische Reize un- tersuchen lassen, sind auch Simulationen möglich, die
den Einfluß von Pharmaka auf das vegetative Nervensy- stem beschreiben. An der Universität Marburg ist man jetzt noch einen Schritt weiter gegangen. Denn solche Com- putersimulationen lassen sich nicht nur im Labor, sondern
auch in der Lehre einsetzen.
„Bislang haben wir etwa vier- zig Module entwickelt, die Abläufe aus dem Bereich der Nerven- und Muskelphysio- logie sowie Stoffwechselpro- zesse darstellen. Damit kön- nen wir jetzt multimediale Vorlesungen anbieten“, so Martin Hirsch.
Die Module bestehen aus Fotos, Grafiken, Videos und Tönen. Darstellungen lassen sich beliebig vergrößern und im Raum bewegen. So kann der Dozent beispielsweise das Bild einer Muskelfaser unter ein virtuelles Mikro- skop legen oder es mit Hilfe einer Skalpellfunktion auf- schneiden, um es näher zu untersuchen.
Einen schwerwiegenden Nachteil haben diese Systeme allerdings. Sie setzen voraus, daß der Professor über di- daktische Fähigkeiten und über Computerkenntnisse verfügt. Kay Müllges
Kurz und knapp
Altgriechisch für den Per- sonal Computer –Grammata 1.5 für Word 6.0 kann Altgrie- chisch auf dem PC nutzbar machen. Die Textverarbei- tung in Altgriechisch soll wis- senschaftlichen Ansprüchen genügen. Sie enthält alle me- trischen und epigraphischen Zeichen frei skalierbar. Etwa 350 DM. Scherschmidt Daten- technik, 80804 München. orb
A-2715 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 42, 18. Oktober 1996 (69)
V A R I A TECHNIK FÜR DEN ARZT
Vom Brüllfrosch zur Computermaus
Im zunehmenden Maße können Tierversuche im Studium durch Computersimulationen ersetzt werden. Ein neues Computerpro- gramm zeigt neben klassischen Versuchen mit Muskeln auch mög- liche Einflüsse von Pharmaka auf das vegetative Nervensystem.
Einstiegsbildschirm der „Virtual Physiology“ zur Simulation von Sezierübungen.
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