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Robin, der Eroberer VOGEL DES JAHRES 2021 DAS ROTKEHLCHEN: JAHRESVOGEL

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Nun ist es „amtlich“: Das Rotkehlchen ist der beliebteste Vogel in Deutschland. Erstmals wurde der „Vogel des Jahres“ nicht von Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) gekürt, sondern durch eine Wahl der Menschen in Deutschland ent- schieden, an der jeder sich beteiligen konnte. Das Rotkehlchen ist nicht nur gut bekannt, sondern gehört aufgrund seiner Häufigkeit auch zu den am besten erforschten Arten. Dennoch gibt es mit jeder neuen Antwort auch neue Fragen, die sehr aktuell anmuten können: Woher kommst du?

Wovon willst du leben? Wird das nicht Probleme mit den Alteingesessenen geben? Wohin soll das ganze führen?

Robin, der Eroberer

VOGEL DES JAHRES 2021 – DAS ROTKEHLCHEN:

Rotkehlchen. Foto: M. Kahrs. 22.3.2015.

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JAHRESVOGEL

D

ie Entscheidung der Wahl ist nicht verwunderlich. Eine Beliebtheitswahl in England 2015 konnte ebenfalls das Rot- kehlchen mit 34 % der Stimmen für sich entscheiden (vgl. FALKE 2020, H. 10). Wie kaum ein anderer einheimischer Vogel verkörpert das Rotkehlchen all die Eigen- schaften, welche die Singvögel für uns Menschen so faszinierend und liebenswert machen. Es ist klein, hübsch anzuschauen und singt wunderschön. Es lebt heimlich und ist doch zutraulich. Dazu kommen die rundlich wirkende Gestalt dieses Vogels und die großen dunklen Augen, welche dem „Kindchenschema“ – ein bereits 1943 von Konrad Lorenz geprägter Begriff – entsprechen und Schutz- und Brutpflege- instinkte bei Mensch und Tier wecken.

Da hängen zu bleiben, wäre jedoch viel zu kurz gegriffen. Auf der anderen Seite könnte die immense Informationsfülle zum Rot- kehlchen in einen kurzen Artikel über den Jahresvogel 2021 kaum angemessen gewür- digt werden. Grajetzky (2000) befasste sich in seiner Monographie über das Rotkelchen mit dessen Ökologie und stellte fest: „Alles kreist um die Nahrung“. Die ausreichende Energieversorgung ist die Grundlage für alle anderen Fragen. Die Nahrungsauf- nahme steht aber auch in Konkurrenz zu anderen Verhaltensweisen. Sogar die beiden Revierpartner – Männchen und Weibchen – stehen in Konkurrenz zueinander. Seine Ausführungen gaben viele Anregung und Details für diesen Jahresvogel-Artikel.

Rotkehlchen, woher kommst du?

Noch im „Handbook of the Birds of the World“ Band 10 aus dem Jahr 2005 wird das Rotkehlchen zusammen mit den Erd- sängern („Erithacinae“) zu den Drosseln (Turdidae) gezählt. Aufgrund moleku- largenetischer Untersuchungen sind die Erdsänger jedoch den Fliegenschnäppern (Muscicapidae) zuzuordnen. Diese Vogel- familie kommt bis auf Steinschmätzer und Blaukehlchen ausschließlich in der „Alten Welt“ vor (im Englischen Old World Fly- catcher). Innerhalb der Fliegenschnäpper- Familie zählt das Rotkehlchen nicht zu den Schmätzern (Unterfamilie Saxico- linae mit den einheimischen Gattungen Wiesenschmätzer Saxicola, Steinschmät- zer Oenanthe, Rotschwänze Phoenicurus, Nachtigallen Luscinia, Steinrötel Monti- cola und Höhlenschnäpper Ficedula), son- dern zur Unterfamilie Cossyphinae. Wie deren deutsche („Rötel“) und englische

Namen („Robin“) verraten, teilen sie mit dem Rotkehlchen die Neigung zur Rot- färbung an Kehle, Brust und Bauch. Zwei

„Rotkehlchen“-Arten, die Rostkehlnach- tigall („Erithacus“ akahige, Japan, auch Japanisches Rotkehlchen genannt) und die Samtkehlnachtigall („Erithacus“ komadori, Japan), werden heute nicht mehr Erithacus, sondern den Nachtigallen (Luscinia) zuge- ordnet (inzwischen mit einigen anderen Luscinia-Arten in Larvivora ausgegliedert), sodass das Rotkehlchen der einzige Vertre- ter seiner Gattung und auch die einzige Art seiner Unterfamilie ist, die nicht südlich der Sahara in Afrika lebt.

Aufgrund dieses Befundes muss man annehmen, dass die Vorfahren des Rot- kehlchens aus Afrika kamen, während der Ursprung der Schmätzer (Saxicolinae) wohl in Asien lag (siehe zum Beispiel Gattung Phoenicurus, FALKE 2011, H. 1: Gartenrot-

schwanz). Während die nächsten Verwand- ten des Rotkehlchens zum Teil winzig kleine Verbreitungsgebiete in einzelnen Wald- und Berggebieten Afrikas haben, erstreckt sich das Areal des Rotkehlchens weithin durch die westliche Paläarktis. Der Verbreitungs- schwerpunkt liegt in Europa, darüber hin- aus brütet es auch in Westsibirien, in Nord- westafrika, im östlichen Mittelmeerraum und auf einigen Inseln im Atlantik (Kana- ren, Madeira, Azoren) sowie im Mittelmeer.

Rotkehlchen aus Nord- und Osteuropa ziehen im Winter bis an die Nordgrenze der Sahara, Brutvögel aus Mitteleuropa nur zum Teil und die Rotkehlchen Südeuropas verbleiben ganzjährig im Brutgebiet.

Wovon in der Fremde leben?

Das Rotkehlchen scheint seinen Verwand- ten in Afrika ökologisch sehr ähnlich Gesang ist Teil des Revierverhaltens und Werbung um die Weibchen: Diese scheinen ihre Wahl für den eifrigsten Sänger zu treffen, denn wer so viel singen kann, muss gut in Futter stehen. Für die Männchen ist

das ein innerer Konflikt. Foto: S. Pfützke. 15.3.2007.

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wäldern (Urwälder), einzelne Arten auch in Galeriewäldern an den Flüssen und in Reliktwäldern in der Savanne. Überwie- gend fressen sie kleine Gliederfüßer und andere Wirbellose, die sie am Boden oder in der Kraut- und Strauchschicht finden.

Vielfach genannt ist feuchtes Substrat, was Voraussetzung für eine reichhaltige Boden- fauna und somit gute Nahrungsgrund- lage ist. Das ist grob auch die ökologische Nische, welche den Umweltrahmen für das Rotkehlchen bildet.

Die ökologische Nische wird gerne mit dem Beruf verglichen. Der räumliche Aspekt ist nur einer von vielen. Im Sinne von Grajetzky geht es allein um die Frage, wie viel Gewinn ein Lebewesen in seiner ökologischen Nische erzielen kann: Da gibt es Investitionen an Zeit und Energie, beispielsweise bei Nahrungssuche und Fortpflanzung, in der Konkurrenz mit anderen und im „Kampf“ mit der unbe- lebten Umwelt, denen die Einnahmen, die aus dem Nahrungserwerb erzielt werden, gegenübergestellt werden müssen. Ist die Bilanz positiv, können eine Art und ihr Nachwuchs überleben. Wenn nun eine Art in neue Lebensräume vordringt, wie das für das Rotkehlchen anzunehmen ist, muss das artspezifische Geschäftsmodell immer noch funktionieren. Ist die ökologische Nische frei, dann mag das gehen. Ist da aber schon ein Konkurrent, der das gleiche

Namen: Erithakos, eritacus (griech., lat.) = Vogel der Antike mit roter Kehle, ruber (lat.)

= rot, rubecula = Verkleinerungsform.

Größe, Gewicht: Körperlänge 14 cm, 10–20 g.

Merkmale: Geschlechter gleich. Im Jugendkleid gesamtes Gefieder grob gefleckt.

Stimme: Gesang lange, variable Strophen aus raschen, „perlenden“ Tonfolgen, ohne erkennbare, sich wiederholende Struktur, mit enormen Tonhöhenunterschieden (bis in den Ultraschallbereich); wird gerne von Singwarten vorgetragen („Wipfelsänger“). Bei Erregung typisches Schnickern oder Tixen, kurz „dib“ oder „siip“.

Vorkommen in Deutschland: Flächig verbreiteter, sehr häufiger Brut-, in weiten Teilen Jahres-, sonst Sommervogel. Häufiger Durchzügler und Gastvogel.

Wanderungen: Standvögel und Teilzieher, höhere und nördliche Arealteile werden geräumt; die Nordgrenze des Winterquartiers liegt regelmäßig in Mitteleuropa, die Süd- grenze an der Sahara.

Lebensraum: Wälder, Hecken, Gebüsch, Parks und Gärten mit dichtem Buschwerk oder Unterholz.

Nahrung: Kleintiere, vor allem Gliederfüßer, kleine Würmer und Schnecken, im Spät- sommer und Herbst auch Beeren und Früchte, des Weiteren im Winter weiche Säme- reien, an Futterstellen auch Haferflocken.

Brutbiologie: Geschlechtsreife im 1. Lebensjahr; Nest am Boden oder in Bodennähe, gut versteckt, oft in Höhlungen, unter Wurzeln, an Abbrüchen, in Menschennähe auch in Nistkästen und an ungewöhnlichen Standorten; aus losem Moos, trockenen Halmen und Stängeln, mit feinem Material ausgepolstert; 4–6 Eier; 1–3, in Mitteleuropa meist 2 Jahresbruten, bei Verlust Ersatzgelege; Legebeginn Anfang April, je nach Wetter- und Standortbedingungen auch erheblich später; Brutdauer 12–15 Tage, Weibchen brütet;

Junge werden von Männchen und Weibchen gefüttert, bleiben 13–15 Tage im Nest und werden danach noch 10–20 Tage betreut.

Alter: Ältester Ringvogel 17 Jahre, 3 Monate. Generationslänge < 3,3 Jahre.

Besonderes: auch die Weibchen singen, jedoch weniger und kürzer als die Männchen.

Schutz und Gefährdung: Art auf Europa konzentriert (SPEC E), nicht gefährdet.

Quelle: nach Fünfstück et al. 2010: Taschenlexikon der Vögel Deutschlands

In der kalten Jahreszeit wirken Rotkehlchen noch rundlicher als sonst: In idealer Kugelform sind die Wärmeverluste an die Umwelt am geringsten.

Foto: B. Ulrich/LBV.

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Geschäftsmodell verfolgt, dann kann sein, dass die Bilanz negativ wird, etwa weil der andere stärker oder bei der Nahrungssuche effektiver ist.

Hat das Rotkehlchen Konkurrenz?

Die Häufigkeit und weite Verbreitung des Rotkehlchens legen nahe, dass es erfolg- reich eine ökologische Nische eingenom- men hat, als es Europa besiedelte. Mögli- cherweise war ihm dabei seine aggressive Natur eine Hilfe. Vertreter anderer Arten werden häufig angegriffen, wenn sie in das Revier des Rotkehlchens eindringen. Am stärksten betroffen ist jedoch die Hecken- braunelle. Das ist kein Zufall: Mehr noch als das Rotkehlchen frisst sie sehr kleine Glie- derfüßer, die sie in dichter Vegetation vom Boden aufliest, und sie bewohnt vorzugs- weise Dickungen. Zweifellos gibt es eine breite Habitatüberlappung und somit wohl auch Konkurrenz beider Arten, in deren Austragung das aggressivere Rotkehlchen überlegen erscheint. Punktuelle Nahrungs- quellen, die für beide Arten geeignet sind, kann das Rotkehlchen monopolisieren.

Oder besser gesagt: Das Rotkehlchen muss solche Nahrungsquellen nach Mög- lichkeit alleine ausbeuten und Mitesser fernhalten. Denn der Energiehaushalt des Rotkehlchens ist nach Grajetzky so knapp

auf Kante genäht, dass das Körpergewicht einen klaren Tagesgang zeigt. Während der Nacht, wenn keine Nahrungsaufnahme erfolgt, verlieren die Vögel durch Darment- leerung und Aufrechterhaltung des Ruhe- stoffwechsels 1,5 bis 2 g, also gut 10 bis 15 % ihrer Körpermasse. Diese nächtlichen Defizite müssen sie am Tag durch Nah- rungsaufnahme wieder ausgleichen. Daher beginnt der Tag beim Rotkehlchen fast eine Stunde vor Sonnenaufgang und endet erst nach Sonnenuntergang. Das ist eine der längsten Aktivitätsperioden unter unse- ren einheimischen Singvögeln. Ein Grund dafür wird in der Spezialisierung auf kleine bodenaktive Gliederfüßer gesehen, die zur Erbeutung einerseits einen hohen Zeitauf- wand erfordern und andererseits im Ver- gleich zu Sämereien kalorienarm sind und zudem einen vergleichsweise hohen Anteil unverdaulicher Chitinteile enthalten.

Was macht das Rotkehlchen besser …?

Trotz der Bevorzugung kleiner Beutetiere besitzt das Rotkehlchen hinsichtlich des Nahrungserwerbs eine Plastizität, um den extrem wechselnden Nahrungsbedingun- gen im Jahresverlauf begegnen zu können.

Die vier häufigsten Strategien sind: aktive Suche am Erdboden, passive Ansitzjagd

über dem Erdboden, Abstreifen von Insek- ten im Schwirrflug und Luftjagd nach Flie- genschnäpperart.

Nach Grajetzky hängt die jeweils ange- wendete Jagdweise im Wesentlichen von der Dichte und Verfügbarkeit der Nah- rung ab. Bei hoher Aktivitätsdichte der Beutetiere jagt das Rotkehlchen von den Warten aus. Entdeckt es ein Beutetier, stößt es schnell herab, ergreift es und kehrt zur Warte zurück, wo die Beute verschluckt wird. Bei niedrigeren Aktivitätsdichten (etwa bei schlechtem Wetter oder im Win- ter) wird diese Jagdmethode ineffektiv.

Bereits nach durchschnittlich 15 Sekun- den gibt das Rotkehlchen auf, sucht sich einen besseren Platz oder geht dazu über, Beutetieren aktiv am Boden nachzustellen.

Bei der aktiven Suche ist zwar die Aus- beute besser, aber auch die Gefahr größer, von einem Räuber überrascht zu werden.

In einem stark ausgeräumten Lebensraum jedoch ist die Wartenjagd mangels Ansitze gar nicht möglich, und auch im Winter, wenn die Aktivitätsdichte der Beutetiere gegen Null geht, spielt sie nur eine geringe Rolle.

Das Abklauben von Insekten an Blüten, Blättern und Baumstämmen im Schwirr- flug kommt nicht so häufig vor, da es einen hohen Energieaufwand bedeutet. Dies lohnt sich vor allem bei großen Beutetieren wie Raupen, die bevorzugt an die Jungen, aber auch an das Weibchen verfüttert wer- den. Die Größe der Beutetiere wird aller- dings dadurch beschränkt, wie lange es dauert, diese schnabelgerecht zuzubereiten.

Dadurch haben die Beutetiere überwie- gend eine Länge von 3 bis 8 mm.

Die Luftjagd erfolgt oft nur bei günsti- ger Witterung und wird besonders durch Männchen von ihren Singwarten aus praktiziert. Dies zeigt einen erheblichen Konflikt: Die Zeit, die ein Männchen singt, kann es keine Nahrung suchen.

Ausgiebiger Gesang ist aber ein Merkmal, nach dem Weibchen sich den Vater ihrer Nachkommen aussuchen. Männchen mit höheren Körpermassen und solche in optimalen Habitaten singen länger und haben dadurch bessere Paarungschancen.

Insbesondere die erste Gesangsphase, wie lange ein Männchen ohne morgendliche Nahrungsaufnahme durchhalten kann, ist ein gutes Maß für die Fitness eines Männ- chens. Unverpaarte Männchen singen dagegen überdurchschnittlich viel, um die Gunst eines Weibchens zu erlangen, und oft über ihre Möglichkeiten hinaus, sodass sie an Körpermasse und häufig sogar ihr Rotkehlchen gelten als besonders kampfeslustig; Sommer wie Winter besetzen sie Reviere, um den Zugang

zu Nahrung sicherzustellen. Die Schnäbel der Rivalen scheinen gefürchtete Waffen zu sein.

Foto: A. Schäfer. Mühlheim/Ruhr, 19.2.2019.

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Revier verlieren, das sie – entsprechend geschwächt – nicht mehr verteidigen kön- nen.

… als die Heckenbraunelle?

Die Heckenbraunelle scheint hinsichtlich der Nahrungsaufnahme nicht so flexibel zu sein. Sie sucht ihre Nahrung nahezu ausschließlich am Boden und frisst sogar noch die winzig kleinen Springschwänze.

Dies scheint nach Davies & Lundberg (1984) letztlich auch der Grund für das komplizierte Sozialverhalten der Hecken- braunellen zu sein, deren Weibchen mit bis zu drei Männchen verbändelt sein können, Männchen aber auch mit meh- reren Weibchen. Ausschlaggebend ist die Größe des Weibchenreviers, und letzteres orientiert sich an der Nahrungsverfüg- barkeit. Bei hoher Nahrungsverfügbarkeit ist das Revier so klein, dass es von einem Männchen alleine verteidigt werden kann;

dann gibt es auch monogame Paare. Bei schlechterer Nahrungsverfügbarkeit sind die Reviere größer und können nur noch von mehreren Männchen verteidigt wer- den. Auch wenn ein Männchen dominiert und versucht, das Weibchen für sich alleine in Anspruch zu nehmen, ist das Weibchen darauf aus, möglichst allen Männchen Zugang zur Vaterschaft zu ermöglichen, weil die Väter später dann auch mithelfen, den Nachwuchs zu füttern; die Jungen sind in dieser Konstellation nachgewiesenerma- ßen schwerer und fitter. Da ein Nahrungs- konkurrent wie das Rotkehlchen ebenfalls die Nahrungsgrundlage einschränkt, kann

man die konkurrenzreduzierende Konse- quenz folgendermaßen kurz beschreiben:

Um bestehen zu können, setzt das Rotkehl- chen auf Aggression und Flexibilität beim Nahrungserwerb, die Heckenbraunelle auf Kopfeinziehen und Flexibilität bei der Fort- pflanzung.

Untersucht wurde das meines Wis- sens noch nicht. Meine Arbeitshypothese wäre: Bei gemeinsamen Vorkommen von

Heckenbraunelle und Rotkehlchen ist das Weibchenrevier der Heckenbraunelle größer als bei alleinigem Vorkommen.

Untersucht wird Konkurrenz häufig durch sogenannte Entnahmeexperimente, um zu sehen, ob sich die Ressourcennutzung dadurch verändert (in diesem Fall, ob sich das Weibchenrevier verkleinert, ähnlich wie bei Zufütterung). Man müsste also Rot- kehlchen aus dem Revier entfernen. Das

Die Heckenbraunelle ist ein Nahrungskonkurrent des Rotkehlchens: Sie besiedelt ähnliche Habitate und bevorzugt ebenfalls kleine Insektennahrung. Foto: R. Martin. 30.8.2012.

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umzusetzen hat aber wohl – aus nachvoll- ziehbaren Gründen – noch keiner gewollt.

Ärger mit der lieben Verwandtschaft?

Konkurrenz könnte das Rotkehlchen auch durch die entfernte Verwandtschaft haben:

Die Schmätzer (Saxicolinae), die wohl etwa zeitgleich wie das Rotkehlchen von Osten her nach Europa drängten, kamen jedoch primär aus Offenlandlebensräu- men, etwa aus den Felstriften der Gebirge und den Steppen Asiens, und somit dem Rotkehlchen kaum in die Quere. Von den Schmätzern kommen heute nur Nachtigall und Sprosser (beide Luscinia) gemeinsam mit dem Rotkehlchen vor. Die sind jedoch dem Gewicht nach 50 bis 60 % größer als das Rotkehlchen, sodass ein Nebenein- ander wieder funktioniert, wie das auch bei anderen Artengruppen nachgewiesen wurde (vgl. FALKE 2013, H. 1: Bekassine), auch wenn im Einzelfall das Rotkehlchen die größeren Luscinia-Arten attackiert und vertreibt.

Neben dem ständigen Kampf um Über- leben, Nahrung und Weibchen, der als

„Survival of the Fittest“ ja im Mittelpunkt der Darwin’schen Evolutionstheorie steht, müssen die Rotkehlchen noch in einem ganz anderen innerartlichen Konkurrenz-

kampf bestehen: Im Westen und Süden des Verbreitungsgebietes sind die Rotkehlchen großenteils Standvögel. Da die Nahrung im Winter besonders knapp ist, werden auch in dieser Zeit Reviere verteidigt, die jedoch in begünstigte Gebiete verlegt werden können (etwa Siedlungen, tiefere Lagen).

Im restlichen Areal sind die Rotkehlchen aber Teilzieher mit nach Norden und Osten zunehmendem Anteil wandernder Individuen. Diese fliegen nicht etwa in ein separates Überwinterungsgebiet südlich der Sahara, sondern verbleiben weitestge- hend im Areal der Art. Das bedeutet, dass im Winter in den Westen und Süden auch noch die Rotkehlchen aus dem Norden und Osten drängen. Campos et al. (2011), die dieses Phänomen untersucht haben, spre- chen übersetzt von einer „saisonalen Mi- grantenflut“. Mehr braucht es wohl nicht, um das damit grundsätzlich verbundene Problem begrenzter Ressourcen zu skiz- zieren. Daher besetzen viele Zieher auch in den Überwinterungsgebieten Reviere, um die Nahrung zu monopolisieren. Um Kon- kurrenz zu vermeiden, liegen diese aber in anderen, nicht von residenten Rotkehlchen besetzen Habitaten, die meist denen in den sommerlichen Brutgebieten ähneln. Die Wahl „Ziehen oder Bleiben?“ besteht somit zwischen hohem Aufwand des Ziehens, aber nur moderaten Herausforderungen

im Winterquartier, oder hohen jahreszeitli- chen Herausforderungen im Ganz-Jahres- Lebensraum, aber nur geringem Aufwand für den Ortswechsel. Wer sich hierbei ver- zockt, hat bei der „natürlichen Selektion“

schlechte Karten.

Wie geht’s dir, Teuerste?

Auch dieses ist nicht von der Hand zu wei- sen: Aus Sicht des Männchens ist ein Weib- chen kostspielig. Das Männchen besetzt ein Revier, in das nach einigen Sondierungsbe- suchen zwecks geplanter Nachkommen- schaftserzeugung schließlich ein Weibchen einzieht. Nicht nur, dass dieses, weil es ja Eier bilden muss, 20 bis 30 % mehr Nah- rung braucht als das Männchen. Aufgrund des neuen Mitessers im Revier verringert sich der Beutesucherfolg und erhöht sich der Zeitaufwand für die Nahrungssuche.

Zufütterungsexperimente zeigten, dass bei ausreichend vorhandener Nahrung die Reviere von Männchen und Weibchen zunächst identisch sind. Bei Nahrungs- knappheit trennen sich die Reviere von Männchen und Weibchen jedoch auf, was durch erneute Futtergabe umkehrbar ist.

Offensichtlich bricht in solch einer Krise sogar Konkurrenz zwischen beiden Part- nern auf. Um Aggressionen zu vermeiden, greift das Paar zu dieser Maßnahme, jedoch nicht ohne Risiko: Es kommt auch vor, dass das Weibchen die Vorzüge des Nachbarre- viers zu schätzen lernt und nicht mehr ins gemeinsame Revier zurückkehrt.

Auch während der Zeit der Jungenfüt- terung kann die Nahrung knapp werden.

Dann suchen Männchen und Weibchen ebenfalls in getrennten Revieren nach Nah- rung. Allerdings ist durch die gemeinsame Brut im Nest die Bindung so stark, dass die Gefahr des Sich-Absetzens weniger besteht.

Auch die flüggen Jungvögel versuchen, sobald wie möglich ein Revier zu besetzen, insbesondere die aus den späteren Bruten, oftmals in den ehemaligen Revieren der Eltern, wenn diese im Winter abwandern oder in den Süden ziehen. Die Jungen aus den Erstbruten sind dagegen häufig Zieher.

Das Programm für diese komplizierten Verhältnisse ist in den Genen des Rotkehl- chens angelegt.

Wie Wüste und Meer überwinden?

Da zwischen den aktuellen Arealen des Rotkehlchens und der übrigen Cossyphi- nae die größte Wüste der Welt und für einen In harten und schneereichen Wintern ist die Mortalität von Rotkehlchen hoch; vielfach verlagern sie dann

ihre Reviere in nahrungsreichere Gebiete und kommen dann regelmäßig zu Winterfütterungen.

Foto: T. Krumenacker. 11.3.2013.

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Bis zum 15. Dezember 2020 standen alle bei uns brütenden Vögel und die wich- tigsten Gastvogelarten zur Wahl. Die zehn Kandidaten mit den meisten Stimmen kamen in die Stichwahl. Vom 18. Januar bis zum 18. März 2021 konnte meinen seinen Wunschkandidaten unterstützen.

Hatte nach der Vorwahl noch die Stadt- taube ihren Schnabel vorne, setzt sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen zuletzt das Rotkehlchen gegen die Rauchschwalbe durch. Es erhielt 59 267 der über 455000

abgegebenen Stimmen. Das Rotkehlchen war schon einmal „Vogel des Jahres“ im Jahr 1992. Die Wahl damals löste unter anderem auch Verwunderung aus, wieso eine so häufige Art zum Vogel des Jahres gewählt wurde. Die Gestaltungsmöglich- keiten der örtlichen Gruppen wurden als beschränkt empfunden. Opitz (2014) urteilt im Rückblick: „Ein sympathischer Jahresvogel ohne nachhaltige Wirkung“.

Als Vogel naturnaher Gärten liegt es heute jedoch voll im Trend.

Die Wahl zum Vogel des Jahres 2021

Großteil der Rotkehlchen auch noch das

Mittelmeer liegen, muss man sich auch fra- gen, wie es dem Rotkehlchen gelang, diese zu überwinden. Zu sagen, dazu reichten doch die Flügel des Rotkehlchens, wäre tri- vial. Um ein Land erfolgreich zu besiedeln, genügt es nicht, einfach nur die räumlichen Hindernisse zu überwinden. Im Januar 2019 avancierte ein Rotkehlchen, das sich weitab seines normalen Areals nach China – noch dazu in den Zoo von Peking – ver- flogen hatte, zum Star der Vogelbeobachter und der chinesischen Medien (s. FALKE 2019, H. 2). Zu einer dauerhaften Ansied- lung wird das nicht führen. Wenn der Vogel viel Glück hatte, flog er wieder dorthin zurück, wo er hergekommen war, sonst war er für die Arterhaltung verloren.

Beim Rotkehlchen erscheint wenigstens bis zu den Ufern des Mittelmeeres auch eine kontinuierliche Arealausweitung möglich.

Da die große Singvogel-Radiation, aus der auch die Schmätzer und Fliegenschnäpper hervorgingen, irgendwo im Mittleren Ter- tiär gesehen wird, ist die Herausbildung der Gattung Erithacus wohl spätestens im Jün- geren Tertiär anzusiedeln. Während dieser ganzen Zeit war der Sahara-Raum eine fruchtbare Savanne mit vielen Flüssen und Seen, an deren Ufern üppige Galeriewälder wuchsen. In solchen Habitaten leben auch heute noch die nördlichsten Cossypha- Arten (C. niveicapilla, C. albicapilla). In dieser Zeit ist die Entstehung oder Ausbrei-

tung des Rotkehlchens nach Norden leicht vorstellbar. (Zur gleichen Zeit soll übrigens auch eine Gattung namens Homo auf dem Weg von Afrika nach Europa gewesen sein…)

Wichtige Brückenköpfe für das Rot- kehlchen könnten die nordafrikanischen Gebirge (2 Unterarten: Nominatform und witherbyi) oder nach Fjeldså auch die Kanaren mit ihren Nebelwäldern gewe- sen sein (3 Unterarten: Nominatform, marionae und suberbus, letztere wird auch als Semispezies angesehen), von wo aus schließlich der Sprung nach Europa erfolgt sein muss. Weitere Unterarten auf den Bri- tischen Inseln (melophilus) sowie im Osten des Areals (tataricus, valens, caucasicus und

hyrcanus) lassen eine Besiedlung bereits vor dem Pleistozän wahrscheinlich erschei- nen, wie das „molekulare Uhren“ hinsicht- lich von Artbildungsprozessen nahelegen (vgl. FALKE 2014, H. 1: Grünspecht).

Was hat die Arealausweitung gebracht?

Dass die Arealausweitung etwas gebracht hat, steht außer Frage, da wir sonst hier nicht über das Rotkehlchen nachdenken würden. Es hat sich im neuen Lebensraum erfolgreich reproduziert und sogar weiter ausgebreitet. Brachte die Arealausweitung nach Norden für das Rotkehlchen Vorteile, die konkret benannt werden können?

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JAHRESVOGEL

Über die Zwänge des Energiehaushaltes beim Rotkehlchen haben wir bereits gere- det. Der Rotkehlchentag ist während des ganzen Jahres ein bis zwei Stunden länger als der Sonnentag. Bekanntlich werden die Tage im Sommer vom Äquator kommend immer länger, je weiter man nach Norden reist. In Europa siedelt das Rotkehlchen sogar jenseits des Polarkreises, wo im Som- mer der 24-Stunden-Polartag herrscht. Das Rotkehlchen hat somit im Norden eine län- gere Aktivitätszeit als im Süden und kann somit länger nach Nahrung suchen. Dass dies tatsächlich auch in einem Mehr an Nahrung resultiert, zeigt sich an der Gele- gegröße des Rotkehlchens. Auf den Kana- rischen Inseln umfassen die Gelege durch- schnittlich 3,5 Eier, in Nordafrika 4,2 Eier, in Deutschland 5,8 Eier und in Finnland 6,3 Eier. Das führt aber nicht dazu, dass es im Norden viel und im Süden wenig Nach- wuchs gibt, und sich das zwecks Arterhal- tung dann irgendwie ausmittelt. Vielmehr werden im Süden die kleineren Gelegegrö- ßen durch häufigere Bruten ausgeglichen.

So tätigt das Rotkehlchen in Finnland nur eine Brut, in unseren Breiten aber meist zwei Bruten. Unter besonders günstigen Umständen kann durch Verschachtelung

der Bruten (das Weibchen legt schon wie- der Eier, während das Männchen noch füt- tert) sogar noch eine Drittbrut eingescho- ben werden.

Hierzu muss ergänzt werden, dass die Eierproduktion für Vögel ein energeti- scher Kraftakt ist. Das Rotkehlchenweib- chen braucht in dieser Zeit etwa 20 bis 30 % mehr Energie, was nach Grajetzky der zusätzlichen Aufnahme von etwa 1000 Beutetieren entspricht. Um das zu errei- chen, wird es in dieser Zeit vom Männchen zugefüttert. Aus diesem Grund werden aber nicht mehr Eier gelegt, als zu erwarten ist, dass nach dem Schlüpfen auch großge- zogen werden können. Das Rotkehlchen hat nichts an Energie zu verschwenden.

In der Bilanz zwischen Reproduktions- rate und Mortalitätsrate spielen aber auch noch andere Faktoren eine Rolle. Untersu- chungen am entfernt verwandten Schwarz- kehlchen (Saxicola torquata Artenkom- plex) zeigten, dass residente Formen im tro- pischen Afrika eine niedrigere Stoffwech- selrate haben und ein höheres Lebensalter als ihre nördlichen und ziehenden Artge- nossen erreichen. Die geringe Gelegegröße von durchschnittlich drei Eiern gleichen sie keineswegs durch regelmäßige Zweit- oder

Drittbruten aus; sogar eine zweite Brut ist nach Scheuerlein schon die Ausnahme. Zur Erhaltung der Population reicht jedoch eine geringere Reproduktionsrate aus als im Norden. Das zeigt, dass der Gewinn an Aktivitätszeit wegen der härteren Lebens- bedingungen im hohen Norden nur zum Teil auch in die Reproduktion gesteckt werden kann.

Warum hat das Rotkehlchen so große Augen?

Nach all den Ausführungen über die Biolo- gie des Rotkehlchens ist diese Frage einfach zu beantworten. Bei der Jagd im Dämmer- licht des Unterholzes braucht es fast schon Eulenaugen, und die hat das Rotkehlchen.

Ob damit auch eine größere Sehscharfe verbunden ist, ist mir nicht bekannt. Bei Fütterungsversuchen konnte das Rotkehl- chen einen Mehlwurm aber noch aus 8 m Entfernung erkennen und erbeuten. Gene- rell ist es so, dass sich bewegende Beute besser erkannt wurde als unbewegte. Um den Ansatz dieses Artikels bis zum Schluss konsequent durchzuhalten, wäre die Ant- wort vielleicht auch so zu formulieren:

Auch die Augen des Rotkehlchens stehen

Maßnahmenkatalog der Unordnung (nach Grajetzky 2000).

Mangelfaktor Siedlung, Gärten Feldhecken Wirtschaftsforste

Habitatfläche für

Revier < 1000–2000 m2 140–190 m Länge 1400–2200 m2

Nahrungsangebot Brutperiode für Altvögel

Laubstreu, Reisighaufen, offener oder um- gebrochener Erdboden, niedrigwüchsige Wildblumenbeete

Laubstreu, Wildkrautsäume an Hecken, Wegen und Ackerränder, bei Neuanlage ggf. Benjes-Hecke

Laubstreu, äußere und innere Säume an Parzellengrenzen, Forst- und Hohlwegen, Naturwaldparzellen

Nahrungsangebot Brutperiode für Nestlinge

Brennnessel*, Sträucher, Beetkulturen bei

Verzicht auf Biozide Überhälter (Stieleiche), Säume mit Brenn-

nessel-* und Hochstaudenfluren Gebüsche, Brennnessel-* und Hochstau- denfluren an Säumen (s. o.), Weg- und Waldrändern

* die Brennnessel ist eine wichtige Futterpflanze für Schmetterlingsraupen, gerade auch der häufigen Arten (Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs etc.), in Gärten ähnlich Kohlpflanzen

Nahrungsangebot

Herbst und Winter einheimische, beerentragende Sträucher, schneefreie Böden unter Gebüsch, Kompost- haufen

einheimische beerentragende Sträucher,

schneefreie geschützte Heckenränder (überwintert meist nicht im Wirtschafts- wald)

Singwarten Obstbäume, alte Heckensträucher, 4–6 m

Höhe alte Heckensträucher oder kleinwüchsige

Bäume als Überhälter, 4–6 m Höhe Sträucher (ggf. Strauchschicht), Jungwuchs (2. Baumschicht)

Schlafplätze, Rück-

zugsraum Koniferengruppe (eher kleinwüchsige For-

men oder Arten) Brombeerschlag, Schlehe, Weißdorn Brombeerschlag, Gruppen junger Koniferen Niststandorte Efeu und andere rankende Arten am Gar-

tenhaus, ggf. Halbhöhlenkasten Erdhöhlen, Haufen aus großen Lesesteinen, abgelegte Wurzelstöcke (Totholz!), Efeu, Waldrebe

Erdhöhlen, Böschungsstrukturen, Baum- stubben, Wurzelteller, liegendes Totholz, Waldrebe, ggf. Halbhöhlenkasten Prädationsschutz Brennnessel-Pufferzone, Fernhaltung von

Katzen, ggf. Anbringung eines Drahtge- flechtes (4 cm Maschenweite) vor dem Nest (erst bei Vollgelege!)

breite Saumzone > 4 m (Brennnessel- und Hochstaudenfluren), keine Mahd, ab- schnittsweise Heckenpflege außerhalb der Brutzeit (ggf. mit Schlegelmulcher in 1 m Höhe, weniger in der Breite s. u.)

Verzicht auf Durchforstung, Belassung von Baumstubben, Reisighaufen, Wurzeltellern und liegendem Totholz, möglichst abseits von Wegen

Qualitätssteigernd Schaffung größerer Gebüschgruppen, Erhöhung Strauchdeckungsgrad, Umwand- lung von Rasen in schüttere Magerwiesen, Tränke

Schaffung einer doppelreihigen Hecke, He- ckenpflege (s. o.), ungeschlegelte Hecken- ränder als Jagdwarten, Belassen von Totholz und Reisig an Wällen

Entwicklung Strauchschicht und Saumzo- nen durch Auflichtungen, Erhöhung der Strukturvielfalt (s. o.), Zulassung einer na- türlichen Waldverjüngung (Jungwuchs als Jagdwarten)

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Literatur zum Thema

Grajetzky B 2000: Das Rotkehlchen: Zeit und En- ergiekonflikte – ein Kleinvogel findet Lösungen.

Aula-Verlag, Wiebelsheim.

Opitz, H 2014: Die Vögel des Jahres 1970–2013:

Rückblick – Status – Perspektiven. Aula-Verlag, Wiebelsheim.

Dr. Hermann Stickroth studierte Biologie und engagiert sich in Vo- gelschutz, Arbeitsgemeinschaften und Monitoring und erstellt Indika- toren für die Artenvielfalt in Bayern und Deutschland. Seit 2002 ist er Mitglied der Fachredaktion von DER FALKE.

im Dienst der Ernährung. Ihre Größe ist eine Anpassung an das Leben im Dickicht, sie erhöht die Sehkraft im Dämmerlicht des Unterholzes und ermöglicht die Auswei- tung der Aktivitätszeit hinein in die Däm- merstunden vor und nach Sonnenaufgang.

Dadurch erhöht sich der Jagderfolg des Rotkehlchens, denn: „Alles kreist um die Nahrung“.

Was könnte dem Rotkehlchen helfen?

Nun also ist das Rotkehlchen Vogel des Jahres 2021. Da es nicht gefährdet ist, liegt nicht auf der Hand, welche Konsequen- zen diese Wahl für den Natur- und Arten- schutz haben soll. Natürlich brauchen wir keine Schutzgebiete für das Rotkehlchen, dafür ist es viel zu häufig. Wo sollte man da anfangen oder aufhören? Auch zeigte die- ses Porträt, dass das Rotkehlchen eine sehr anpassungsfähige Art ist. Es liegt daher nahe, die Konsequenzen für den Natur- und Artenschutz von dieser Überschrift

„Alles kreist um die Nahrung“ her zu den- ken. Der Verlust der Insektenbiodiversität, der in den letzten Jahren wiederholt kons- tatiert wurde, kann nicht ohne Auswirkun- gen auf eine Art bleiben, die so stark von der Nahrungsverfügbarkeit abhängig ist.

Die Reduzierung von schädlichen Umwelt-

chemikalien, Luftschadstoffen, Bioziden und übermäßig vielen Nährstoffen im Naturhaushalt sind daher sicher Schritte in die richtige Richtung, die aber dem Zugriff des lokalen Vogelschützers, wenn es über die Möglichkeiten einer politischen Wahl hinausgehen soll, weitestgehend entzogen sind.

Was das Rotkehlchen, und mit ihm die große Masse der einheimischen häufigen Vogelarten, braucht, ist ein Naturschutz in der Fläche, in der Normallandschaft von Siedlungen, Feldflur und Wäldern, dort, wo man auch mit recht einfachen Mitteln Ver- besserungen erreichen kann. Die Zeichen der Zeit stehen günstig: Es ist ein Umden- ken beim Artenschutz wahrnehmbar. Ein Volksbegehren Artenvielfalt brachte Ver- besserungen. Insektenschutz wird auch von der Politik als Notwendigkeit wahrge- nommen. Das sind alles Punkte, an denen das Rotkehlchen als Vogel des Jahres 2021 anknüpfen kann: „Mach Artenschutz kon- kret“, so wie auch Klimaschutz auf die Mitwirkung des Einzelnen angewiesen ist. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Fang bei dir im Garten an. Oder in deinem Umfeld, indem du Nachbarn, Landwirte, Waldbesitzer oder die Politiker deiner Kommune, dafür begeisterst, kleine Natur- inseln am Ortsrand, in der Feldflur und im Wirtschaftswald zuzulassen. Denn mehr

muss man oft nicht machen als „Zulassen“:

Reisighaufen, Laubstreu, Brennesselfluren, Säume an Hecken, Weg- und Waldrän- dern, Gehölzsukzession, Unterholz, Ober- holz (Übersteher), Totholz. Mit anderen Worten: Es braucht mehr Unordnung, und dafür etwas Mut. Im Kasten „Maßnahmen- katalog der Unordnung“ sind Anregungen zur Verbesserung suboptimaler Rotkehl- chenlebensräume zusammengefasst. Das Rotkehlchen braucht Unterstützer, die Mut zu mehr Unordnung haben.

Hermann Stickroth

Referenzen

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