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Gebäudebrüterschutz in Sachsen-Anhalt am Beispiel der Stadt Dessau

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Günter Kallenbach, Uwe Patzak & Frank Jurgeit

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 43. Jahrgang • 2006 • Heft 1: 21-29

Gebäudebrüterschutz in Sachsen-Anhalt am Beispiel der Stadt Dessau

Zusammenfassung

Reelle Bestandsgrößen und Verteilung gebäude- brütender Vogelarten sind vielfach nicht bekannt.

Dauerhaft genutzte Lebensstätten dieser Arten sind jedoch nach dem Bundesnaturschutzgesetz ganzjährig geschützt. Um Anträge auf Befreiung vom Zerstörungsverbot von Niststätten für geplan- te Abriss- und Sanierungsarbeiten von Gebäuden zügig bearbeiten zu können, wird der Gebäude- brüterbestand in der Stadt Dessau im Auftrag der Stadt seit 2002 erfasst. Die Bearbeitung wurde zu- nächst innerhalb des unmittelbaren Stadtgebietes begonnen und seither im Rahmen der finanziel- len Möglichkeiten auch auf die äußeren Stadtteile ausgedehnt. Als Ergebnis liegen der Stadt gebäu- despezifische Angaben über Brutvögel vor, die eine geeignete Bearbeitung o. g. Anträge auf Befreiung und die Festlegung zur Schaffung entsprechender Ersatznistmöglichkeiten erlauben.

1 Einleitung

Aus der Erkenntnis heraus, dass sich das Ange- bot an Brutstätten für gebäudebrütende Vogel- arten seit 1990 durch den großflächigen Abriss von Industriebauten und die fast flächende- ckende Sanierung von Wohngebäuden erheblich verringerte, hat die Stadt Dessau seit Ende der 1990iger Jahre Gegenmaßnahmen eingeleitet.

So wurde im Rahmen der Gemeinschaftsinitiati- ve URBAN II im Jahre 2001 eine Studie zur öko- logischen Umfeldaufwertung für die Innenstadt Dessau (Artenschutzkonzept) erarbeitet (Schna- bel 2001). Ihre Umsetzung bezog sich zunächst nur auf geförderte URBAN-Projekte. Aus der Not- wendigkeit heraus, solche Schutz- und Förder- maßnahmen im gesamten Stadtgebiet durchzu- setzen, wurde im Februar 2002 ein Beschluss der

Stadt zur Berücksichtigung des Artenschutzes bei öffentlichen Bauvorhaben verabschiedet. Dies bedeutet, dass bei allen städtischen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen Artenschutzaspekte für Gebäudebrüter berücksichtigt werden. In den vergangenen Jahren sind auf dieser Grundlage bereits sichtbare Ergebnisse erzielt worden. Als Beispiel sei der Umbau des alten Schlachthof-Ver- waltungsgebäudes durch die Stadt erwähnt, bei dem trotz Denkmalschutz-Auflagen über 50 Nist- hilfen für Mauersegler und Haussperlinge/Haus- rotschwänze sowie im Dachraum ein Sommerle- bensraum für Fledermäuse geschaffen wurden.

Bei Abriss- und Sanierungsarbeiten ergeben sich zudem aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingun- gen Verpflichtungen zum Artenschutz (vgl. Leh- mann 2005). So sind nach § 10 Abs. 2 Nr. 10 bb BNatSchG vom 25.03.2002 (BGBl. 2002, Teil 1 vom 03.04.2002) alle europäischen Vogelarten beson- ders geschützt. Weiter ist es nach § 42 Abs. 1 Zif- fer 1 dieses Gesetzes verboten, „wildlebenden Tie- ren der besonders geschützten Arten nachzustel- len, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen, Nist-, Brut-, Wohn- oder Zu- fluchtstätten der Natur zu entnehmen, zu beschä- digen oder zu zerstören“. Dies gilt im besiedelten wie unbesiedelten Bereich sowie grundsätzlich unabhängig von einer bau- oder denkmalschutz- rechtlichen Genehmigung bzw. Gestattung. Die Nist-, Brut- und Wohnstätten verlieren ihren ge- setzlichen Schutz nicht, wenn sie kurzzeitig oder vorübergehend nicht benutzt werden, etwa weil sich die Bewohner auf der Nahrungssuche oder im südlichen Winterquartier befinden, i. d. R. aber erwartungsgemäß die Lebensstätte danach wie- der aufsuchen. Somit unterliegen dauerhaft ge- nutzte Lebensstätten einem ganzjährigen Schutz (z.B. Nester von Schwalben, Haussperling und

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Mauerseglern aber auch von Weißstörchen, Doh- len und Turmfalken sowie von Fledermäusen).

Muss eine Nist-, Brut- oder Wohnstätte besonders geschützter Tiere auf Grund von Abbruch oder Bau- und Sanierungsmaßnahmen unvermeidbar zerstört werden, ist vorher ein naturschutzrecht- licher Antrag auf Befreiung von den entsprechen- den Verboten bei der zuständigen Naturschutzbe- hörde zu stellen. Für die Durchführung dieser Ar- beiten kann eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erteilt werden, wenn die dort definierten Vor- aussetzungen erfüllt sind. Insbesondere bei grö- ßeren Projekten dient ein fachliches Gutachten oder eine fachliche Stellungnahme zur Erfassung und Bewertung von Art, Anzahl und Ort der ge- schützten Lebensstätten. Die Befreiung ist i.d.R.

mit der Beauflagung zur Schaffung von geeigne- ten adäquaten Ersatznisthilfen verbunden. Dies ist erforderlich, um überlebensfähige Bestände der betroffenen gebäudebewohnenden Tierarten zu erhalten. In Sachsen-Anhalt ist gegenwärtig laut Runderlass des MRLU vom 28.08.2000 „Zu- ständigkeiten im Bereich des Artenschutzes“ das Landesverwaltungsamt als obere Naturschutzbe- hörde (ONB) für die Erteilung der entsprechenden Befreiung zuständig (von bestimmten Ausnah- men wie Weißstorch und Hornisse abgesehen).

Da die örtliche Prüfung und fachliche Stellung- nahme aufgrund der i.d.R. vorhandenen Orts- kenntnis und der Nähe zum Eingriffsort zumeist am besten durch die untere Naturschutzbehörde (UNB) erfolgen kann, wurde zwischen der UNB der Stadt Dessau und der ONB zur Effektivierung und Vereinfachung des Befreiungsverfahrens vereinbart, dass Anträge auf artenschutzrecht- liche Befreiungen an die ONB nach Möglichkeit bei der UNB eingereicht und von dieser mit einer fachlichen Stellungnahme versehen an die ONB zur Entscheidung weitergeleitet werden.

Um sowohl bei privaten und genossenschaftli- chen als auch öffentlichen Bau-, Sanierungs-, und Abrissmaßnahmen naturschutzfachlich belast- bare Datengrundlagen verwenden zu können, be- nötigt die UNB möglichst konkrete Bestands- und Brutplatz-Angaben zu den Gebäudebrütern. Des- halb wurde im Jahre 2002 die hier dargestellte Erfassung der Gebäudebrüterbestände in Auftrag gegeben. Beginnend mit der Innenstadt wird die-

se Kartierung, im Rahmen der finanziellen Mög- lichkeiten, seither auch auf die äußeren Stadtteile ausgedehnt.

Im Anschluss erfolgt eine kurze Charaktersierung der am häufigsten kartierten Gebäudebrüterar- ten:

Turmfalken sind im Siedlungsbereich zumeist Gebäudebrüter, daneben nisten sie u.a. aber auch in alten Nestern von Krähenvögeln oder ande- ren Greifvogelarten. In den Siedlungen werden hochragende Bauten bevorzugt besiedelt. Die Art nimmt gern angebotene Nistkästen an.

Mauersegler sind Charaktervögel von Altstadt- kernen mit mehrstöckigen Reihenhäusern (Schönbrodt & Spretke 1989). Nach Glutz von Blotzheim & Bauer (1994) nisten Mauersegler in Mitteleuropa hauptsächlich an Steinbauten, wie Wohnhäusern, Türmen, Lagerschuppen, Bahnhö- fen, Fabriken, Burgen und Ruinen, bevorzugt an mehrgeschossigen Gebäuden.

Mehlschwalben kommen vor allem im mensch- lichen Siedlungsbereich jeglicher Art, von einzel- nen Gehöften bis in Großstadtzentren, oftmals kolonieartig vor. Dabei ist die Nähe von Gewäs- sern von Bedeutung (Glutz von Blotzheim &

Bauer 1985). Ursprünglich bildeten Felsen oder Felsstrukturen die natürlichen Nistplätze.

Als natürlicher Felsbewohner hat der Hausrot- schwanz von seinen ursprünglichen Brutbiotopen aus bereits vor langer Zeit auch die menschlichen Siedlungsbereiche mit ihren Steinbauten in Wohn- und Industriegebieten besiedelt. Heute ist die Art fester Bestandteil der gebäudebewohnenden Avifauna. Im südlichen Sachsen-Anhalt brüten 98% des Bestandes im Bereich der Ortschaften und Industrieanlagen (Gnielka & Zaumseil 1997).

Die Dohle besiedelt Felsen, Altholzbestände und ganzjährig störungsarme Gebäude einzeln oder kolonieweise. Im südlichen Sachsen-Anhalt sind nach Unger (in Gnielka & Zaumseil 1997) über 90 % des Brutbestandes Gebäudebrüter. Als ur- sprünglicher Steppenbewohner sucht die Art in offenen sowie halboffenen Landschaften und z.T.

in Siedlungsbereichen vor allem niedrig oder lü- ckig bewachsene Flächen zur Nahrungssuche auf

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(Weideland, kurzgeschnittene Rasen, gepflügte und abgeerntete Felder). Bei der Nahrungssuche ist sie auf kurze Vegetation mit großem Angebot von Arthropoden angewiesen (Glutz von Blotz- heim & Bauer 1993).

Glutz von Blotzheim & Bauer (1997) nennen als Voraussetzungen für Bruthabitate des Haussper- lings ganzjährige Verfügbarkeit von Sämereien und Getreideprodukten. Weiterhin sind Nischen und Höhlen an Gebäuden als Nistmöglichkeiten notwendig, in deren Nähe sich für die Insekten- nahrung der Jungvögel ausreichend ergiebige Grünflächen befinden.

2 Methodik

Insgesamt wurden im Auftrag des Amtes für Um- welt- und Naturschutz der Stadt Dessau in den Jah- ren 2002 und 2003 zehn Stadtteile sowie im Jahr 2005 ein Vorort untersucht (Patzak & Seelig 2003;

Kaczmarek 2005). Die Gesamtuntersuchungsflä- che betrug 1.916 ha. Die Kartierung konzentrierte sich insbesondere auf folgende Vogelarten: Turm- falke (Falco tinnunculus), Schleiereule (Tyto alba), Mauersegler (Apus apus), Rauchschwalbe (Hirundo rustica), Mehlschwalbe (Delichon urbicum), Haus- rotschwanz (Phoenicurus ochruros) und Dohle (Co- loeus monedula). Verwilderte Haustaube (Columba livia f. domestica) und Haussperling (Passer domes- ticus) wurden gleichfalls erfasst, jedoch wurde hier keine Vollständigkeit angestrebt, da für erstere Art keine speziellen Schutzmaßnahmen vorgesehen sind und vom Haussperling mit dem verfügbaren Zeitbudget zwar eine Reviermindestanzahl, nicht jedoch die Anzahl aller potenziellen Brutplätze er- mittelbar ist.

Folgende Arten wurden möglichst punktgenau kartiert, d.h. es erfolgte eine Zuordnung der Brut- vorkommen zu bestimmten Gebäuden: Turmfal- ke, Mauersegler, Mehlschwalbe und Dohle. Bei der Rauchschwalbe war nur selten eine genaue Zuordnung der Brutplätze möglich, da sich diese oftmals unzugänglich innerhalb von Grundstü- cken befanden. Für den Hausrotschwanz wurde eine Revierkartierung durchgeführt. Vor der ei- gentlichen Kartierung fand eine Befragung von Mitgliedern des Ornithologischen Vereins Dessau e.V. zu ihnen bekannten Gebäudebrütervorkom- men statt, wobei insbesondere W. Haenschke, H.

Hampe, W. Herrmann und H. Rathai wertvolle Informationen lieferten. An der Kartierung selbst waren folgende Personen beteiligt: H. Gabriel, Dr. T. Hofmann, U. Kaczmarek, U. Patzak, A.

Schumacher und K.-J. Seelig.

Die Kartierungen erfolgten 2003 und 2005 zwischen Mitte März und Mitte Juli. Dabei wurde bei den ein- zelnen Arten folgendermaßen vorgegangen:

Turmfalke:

Erfassung balzrufender bzw. balzfliegender Turm- falken im April/Mai sowie von Beuteeinträgen zu potenziellen Brutplätzen von Mai bis Juli.

Schleiereule:

Punktgenaue Erfassung durch Kontrolle aller po- tenziellen Brutplätze an geeigneten Gebäuden.

Mauersegler:

Zählen von Einflugstellen an Gebäuden von Mai bis Juli, aber vor allem zur Zeit der Jungenauf- zucht im Juli (vormittags und gegen Abend). Da bei der Kartierung meist keine absolut genaue Zahl der Brutpaare je Gebäude ermittelt werden konnte, wurde anhand der erfassten Einflugstel- len sowie der potenziellen Brutmöglichkeiten in Verbindung mit der Zahl der anwesenden Vögel eine Bestandesspanne angegeben (unter Berück- sichtigung eines Nichtbrüteranteils). Bei Schön- wetterlagen wurden die gegen Abend über den Brutgebieten kreisenden Trupps gezählt. Diese Zahlen und die bei Formationsflügen um die Brutgebäude sichtbaren Mauersegler bildeten für die Zuordnung der Mindestbrutpaarzahlen zu den einzelnen Gebäuden eine wichtige Grundla- ge. Als Mindestbrutbestand wurde dabei etwa die Hälfte der maximal sichtbaren Mauersegler eines Brutgebietes angenommen, um den Nichtbrüter- anteil entsprechend berücksichtigen zu können.

Somit war es möglich, einen reellen Mindestbe- stand für Dessau zu ermitteln. Bei der kartogra- phischen Darstellung wurden den Gebäuden mit Mauerseglerbrutvorkommen folgende Häufig- keitsspannen zugeordnet:

Einzelbrutplatz 2 – 4 BP 5 – 9 BP 10 – 14 BP 15 – 20 BP.

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Abb. 1: Kartierung potentieller Brutplätze von Gebäudebrütern in der Stadt Dessau – Stadtteil Des- sau-Zentrum

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Rauchschwalbe:

Revierkartierung oder wo möglich punktgenaue Kartierung. Dabei boten futtersuchende Altvögel oder Familien mit eben ausgeflogenen Jungvö- geln gute Anhaltspunkte.

Mehlschwalbe:

Zählung beflogener Nester vor allem von Mitte Juni bis Anfang Juli und von Familien mit eben ausgeflogenen Jungvögeln an unzugänglichen Brutplätzen (z.B. Innenhöfe).

Dohle:

Zählung beflogener potenzieller Bruthöhlen ab Mitte April; vorwiegend jedoch während der Füt- terungsperiode von Ende Mai bis Anfang Juli.

Hausrotschwanz:

Revierkartierung durch Erfassung singender Männchen oder fütternder Vögel von Mitte März bis Juni. Zählung singender Männchen in den frühen Morgenstunden (ab 4.30 Uhr MESZ), wobei die Übertönung des Gesanges durch ein- setzenden Verkehrslärm zu beachten war. Des- halb wurde die Erfassung der Hausrotschwänze vorzugsweise an Wochenenden und Feiertagen durchgeführt.

Haussperling:

Halbquantitative Bestandesabschätzung für je- den Stadtteil, wobei schilpende Männchen, bet- telnde Junge und Gruppen nahrungssuchender Vögel entsprechende Hinweise lieferten.

3 Ergebnisse

Für jeden untersuchten Stadtteil bzw. Vorort wurde im Ergebnis der Kartierung eine Karte im Maßstab 1 : 5.000 erstellt, aus der für jedes Gebäu- de die vorkommenden Brutvögel mit den zugehö- rigen Beständen zu ersehen sind. Als Beispiel ist die Karte vom Stadtteil Dessau – Zentrum darge- stellt (Abb. 1).

Häufigster Gebäudebrüter ist nach den Untersu- chungsergebnissen der Haussperling, während Schleiereule, Turmfalke und Dohle nur selten vor- kommen.

Überraschend war der hohe Brutbestand des Mauerseglers. Dieser bewohnt das Dessauer Stadtgebiet flächendeckend. Der Mauersegler er- reicht seine größten Siedlungsdichten im Stadt- kern, während nur Siedlungsbereiche mit Garten- stadtcharakter sowie reine Einfamilienhaussied- lungen weitgehend mauerseglerfrei sind. Die Art nistet innerhalb von Dessau vorwiegend in unsa- nierten Plattenbauten der 1970iger und 1980iger Jahre (Abb. 2) sowie in den Dachbereichen unsa- nierter, mindestens zweigeschossiger Wohnhäu- ser (besonders aus der Jugendstilzeit und den 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts, Abb. 3), aber auch in alten Industriebauten. Auch in Halle wer- den Plattenbauten kolonieartig vom Mauerseg- ler bewohnt. Hier wies Lehmann (2005) mittels Hubsteigereinsatz in der Gesamtfassade eines einzigen sechsgeschossigen Plattenbaublocks 21 Nistplätze nach.

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Insgesamt handelt es sich bei den Untersuchun- gen in Dessau um eine Übersichtskartierung, deren Ziel eine möglichst genaue Erfassung der

Bestände gebäudebrütender Vögel war. Mit der gewählten Methodik war es möglich, mit verhält- nismäßig vertretbarem Aufwand den Mindest- bestand der Gebäudebrüter im Untersuchungs- gebiet zu ermitteln.

Zur detaillierteren Erfassung aller Brutplätze ei- nes Gebäudes wäre der Einsatz eines Hubsteigers, wie dies in der Stadt Halle angewendet wurde, sinnvoll (Lehmann 2005). Dabei können auch Abb. 2: Rückseite eines Wohnblocks in Dessau-

Mitte mit 10-14 BP des Mauerseglers (Nester in verwitterten Plattenfugen). Foto: U. Patzak.

Abb. 3: Wohnblock am Bauhausplatz. In den Dachgauben des Gebäudes brüten 15-19 Paare des Mauerseglers. Foto: U. Patzak.

Art Mindestbestand

in Brutpaaren Abundanz BP/10 ha

Turmfalke 13 0,08

Verwilderte

Haustaube 176 1,03

Schleiereule 21) 0,01

Mauersegler 2.021 11,78

Rauchschwalbe 196 1,14

Mehlschwalbe 557 3,25

Hausrotschwanz 510 2,97

Haussperling 4.200 24,48

Dohle 102) 0,06

Art Mindestbestand

an Brutpaaren Abundanz BP/10 ha

Turmfalke 1 0,05

Weißstorch 1 0,05

Schleiereule 1 0,05

Mauersegler 18 0,90

Rauchschwalbe 186 9,30

Mehlschwalbe 235 11,75

Hausrotschwanz 27 1,35

Haussperling 357 5,36

1) im Jahr 2002

2) nur Gebäudebrüter (weitere Dohlenpaare nisten in Baumhöhlungen und Nistkästen im Stadtgebiet von Dessau)

Tab. 2: Gesamtübersicht des Gebäudebrüterbe- standes in Dessau-Mildensee im Jahr 2005, Größe des Untersuchungsgebietes: 200 ha.

Tab. 1: Gesamtübersicht der Gebäudebrüterbestän- de in Dessau im Jahr 2003 (ohne Dessau-Milden- see), Größe des Untersuchungsgebietes: 1.716 ha.

Die Kartierung erbrachte im Detail folgende Be- stände an gebäudebrütenden Vögeln (Tab. 1 u. 2):

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Fledermausquartiere erfasst werden. Allerdings ist diese Methode sehr aufwändig und wäre bei Anwendung für größere Stadtgebiete sehr kos- tenintensiv.

Mit den Ergebnissen der vorliegenden Kartierung können z. B. im Rahmen von geplanten Gebäude- sanierungen oder Abrissarbeiten die gesetzlich vorgeschriebenen artenschutzrechtlichen Befrei- ungsverfahren einerseits vereinfacht, d.h. zeitlich deutlich verkürzt werden. Andererseits dienen die Daten als fachliche Grundlage zur Ermittlung der von den Maßnahmen betroffenen Tierbe- stände und objektiv erforderlichen Kompensati- onsmaßnahmen.

Weitere Details zu den Erfassungsergebnissen so- wie deren Bewertung können Patzak (2003) und Kacmarek (2005) entnommen werden.

4 Nutzung der Kartierungsergebnisse durch die Naturschutzbehörden

Im Ergebnis der bisherigen Kartierungen steht ausreichend exaktes Daten- bzw. Kartenmaterial zur Verfügung, um bei anstehenden Sanierungs-, Umbau-, oder Abrissplanungen naturschutzfach- lich belastbare Aussagen treffen zu können, die berechtigten Hinterfragungen durch den Bauher- ren standhalten. Dies erspart eine aufwändige Einzelfall-Erfassung nach Antragstellung, wie sie teilweise in den Städten Leipzig und Halle ange- wendet wird. Zudem ist insbesondere beim Mau- ersegler eine Kartierung außerhalb der Repro- duktionszeit über den Zeitraum eines dreiviertel Jahres schlichtweg unmöglich, da sich die Vögel im Winterquartier befinden und deren Niststät- ten während dieser Zeit nicht erkennbar sind. In der Praxis würde dies bedeuten, dass man z. B. bei einem Abrissantrag in den Monaten August bis April keine diesbezügliche Prüfung durchführen könnte, was u. U. zum ersatzlosen Verlust der vor- handenen Neststandorte führen würde. Die lang- jährige Brutplatztreue des Mauerseglers erlaubt es, dass die Kartierungen über viele Jahre als Fachgrundlage herangezogen werden können.

Die UNB prüft zunächst alle nach Baurecht des Landes Sachsen-Anhalt genehmigungsbedürfti- gen Bauanträge und benennt der Baubehörde, bei der Feststellung des Vorhandenseins von Nist- stätten, diese nach Art und Anzahl der kartierten Brutpaare. Neben dem Hinweis auf das geltende

Naturschutzrecht werden in der Stellungnahme der UNB auch Hinweise zur Beantragung einer artenschutzrechtlichen Befreiung gegeben. Dem Antragsteller wird darüber hinaus mitgeteilt, dass die Baugenehmigung durch die Stadt Des- sau erst nach Gewährung dieser Befreiung erteilt werden kann.

Die UNB prüft zudem bei einer Ortsbegehung ge- meinsam mit dem Bauherren die Möglichkeiten zur Schaffung von Ersatznisthilfen. Das Ergebnis wird der ONB als Fachstellungnahme zugeleitet.

Eine anschließende Befreiung durch die ONB zur Beseitigung von Brutplätzen enthält dann i.d.R.

Nebenbestimmungen, in denen z. B. Anzahl und Fristen für die Schaffung von Ersatznisthilfen vorgegeben sind. Darüber hinaus werden zeitli- che Einschränkungen und Kontrollen festgesetzt, insbesondere wenn die Maßnahme unvermeid- bar während der Reproduktionszeit realisiert werden muss.

Da etwa 2/3 aller Bau- und Abrissanträge, z. B. im Zuge des Stadtumbaus in Dessau, von den drei gro- ßen Wohnungsbauunternehmen gestellt werden, hat die Stadt Dessau diesen das Kartenmaterial der Gebäudebrütererfassung zur Verfügung gestellt.

So kann der zuständige Bearbeiter beim Vorhan- densein von Brutstätten am betreffenden Gebäu- de bereits im Vorfeld den Verbotszeitraum für die geplanten Maßnahmen während der Brutzeit bei der Terminplanung für Abriss- oder Sanierungs- maßnahmen berücksichtigen. Dennoch kommt es in der Praxis vor, dass sich z. B. auf Grund von Ver- zögerungen bei der städtebaulichen Fördermittel- vergabe der Gebäudeabriss oder –umbau bis in die Brutzeit hinein erstrecken kann. Solche Fälle wer- den durch die UNB als Vollzugsbehörde sorgfältig ermittelt. Nach Prüfung des Sachverhaltes kann ggf. im Rahmen der Umsetzung der o. g. Neben- bestimmungen in der artenschutzrechtlichen Be- freiung die Verfügung einer Abrissunterbrechung erforderlich werden, wie es in der Stadt Dessau be- reits zweimal bei festgestellten Bruten praktiziert wurde. Dies wird umgehend der ONB als Geneh- migungsbehörde angezeigt. Sofern nicht andere überwiegende Gründe vorliegen, darf der Abriss i.d.R. erst nach dem Ausfliegen der Jungvögel in Abstimmung mit der ONB fortgesetzt werden.

Die hier geschilderte Vorgehensweise wird in der Stadt Dessau seit 4 Jahren umgesetzt. Nach eini-

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gen Anlaufschwierigkeiten findet sie inzwischen bei allen Beteiligten Akzeptanz. Allein durch das größte Dessauer Wohnungsunternehmen, die Dessauer Wohnungsbaugesellschaft mbH (DWG), wurden seither 230 Mauersegler-Nisthilfen als Ersatzleistungen geschaffen. Dem stehen Verlus- te in Höhe von etwa 150 Brutplätzen gegenüber.

Beim Vorhandensein von Öffnungen im Drem- pelgeschoss von Plattenbauten werden ange- passte Nistkästen dahinter angebracht. Wo dies nicht möglich ist, werden meist handelsübliche witterungsbeständige Kästen aus Pflanzenfaser- beton unterhalb der Dachtraufe installiert. Auf diese Weise wurden z. B. in der Heidestraße 299 bis 321 allein 40 Mauersegler-Nisthilfen montiert (Abb. 4).

Zwischen UNB und DWG hat sich inzwischen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwi- ckelt. Nach Einschätzung der UNB werden in die- sem Unternehmen alle Maßnahmen mit Arten- schutzrelevanz unter Beachtung des Artenschutz- rechtes und unter Einbeziehung der zuständigen Naturschutzbehörden korrekt und beispielhaft durchgeführt.

Unbefriedigend ist allerdings bisher die fehlende Einflussmöglichkeit auf Sanierungsmaßnahmen privater Bauherren, die keiner Baugenehmigung bedürfen (z.B. bei der Wärmedämmung an Fas- saden). Hier werden in den meisten Fällen sicher unbeabsichtigt viele Niststätten von Gebäude- brütern ersatzlos beseitigt.

5 Erfolgskontrollen zur Ansiedlung von Mauerseglern in den künstlichen Nisthilfen

In welchem Umfang die installierten Nisthilfen bislang von Mauerseglern als Brutstätten tat- sächlich angenommen wurden, ist gegenwärtig leider noch ungenügend bekannt. Dies liegt im wesentlichen daran, dass Mauersegler in ihre Bruthöhlen im Vergleich zu den meisten anderen Vogelarten deutlich seltener einfliegen und sich dort ziemlich unauffällig verhalten. Das zur Ver- fügung stehende Zeitfenster für diesbezügliche Untersuchungen ist zudem tages- und jahreszeit- lich sehr begrenzt. Im Rahmen der behördlichen Naturschutzarbeit kann diese Arbeit deshalb nicht oder nur sehr eingeschränkt geleistet wer- den.

Geeignet wären hier beispielsweise Erfassungen durch interessierte ehrenamtliche Spezialisten oder die gemeinschaftliche Arbeit von Mitglie- dern entsprechender Vereine / Verbände, die sich naturschützerischer oder vogelkundlicher Betäti- gung in ihrer Freizeit verschrieben haben. Auch Diplomarbeiten kommen in Frage (z. B. Wortha, S. & E. Arndt, 2004, mit Untersuchungen für Ber- lin). Besonders effektiv in dieser Hinsicht dürfte die gezielte Beauftragung von geeigneten Büros sein, was jedoch i. d. R. mit Kosten verbunden ist.

Allerdings sollte derartigen Erfolgskontrollen in Zukunft größere Aufmerksamkeit zukommen, da nur so Aussagen zur tatsächlichen Wirksam- keit von künstlichen Nisthilfen zu erwarten sind.

Dies könnte auch wertvolle Erkenntnisse dahin- gehend erbringen, ob die bisherige Praxis bei der Installation von Nisthilfen sowie bei der Auswahl der entsprechenden Standorte beibehalten wer- den kann oder künftig Korrekturen bzw. Konkre- tisierungen notwendig sind.

Abb. 4: Mauerseglernisthilfen an der Außenfas- sade sanierter Wohngebäude in der Heidestraße.

Foto: S. Hobsch.

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6 Ausblick

Auch wenn, wie bereits oben erwähnt, zumin- dest für den Mauersegler aufgrund von dessen langjähriger Brutplatztreue von einer Nutzbar- keit der Kartierungsergebnisse über mehrere Jahre auszugehen ist, so kommen doch infolge fortschreitender Verwitterung auch an sanierten Gebäuden jährlich wieder neue Brutplätze für Gebäudebrüter hinzu, während Brutplatzverluste durch Gebäudesanierungen ohne entsprechende naturschutzfachliche Befreiungen zunächst un- entdeckt bleiben. Deshalb sollte nach spätestens 10 Jahren eine stichprobenartige Neukartierung erfolgen, um zu überprüfen, ob die Ergebnisse von 2003 noch weitgehend gültig sind. Sollte dies nicht der Fall sein, ist wohl die einzelgebäudewei- se Überprüfung bei konkreten Abriss- oder Sa- nierungsanträgen einer vollflächigen Wiederho- lungskartierung vorzuziehen, da solch umfang- reiche Abrisstätigkeiten wie derzeit im Zuge des Stadtumbaus Ost dann wohl nicht mehr auf der Tagesordnung stehen dürften.

Literatur

Glutz von Blotzheim, U.N. & K.M. Bauer (1985): Hand- buch der Vögel Mitteleuropas. Band 10, AULA-Verlag Wiesbaden.

Glutz von Blotzheim, U.N. & K.M. Bauer (1994): Hand- buch der Vögel Mitteleuropas. Band 9, AULA-Verlag Wiesbaden 1980, 2. Auflage.

Glutz von Blotzheim, U.N. & , K.M. Bauer (1993):

Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 13, AULA- Verlag Wiesbaden.

Glutz von Blotzheim, U.N. & K.M. Bauer (1997): Hand- buch der Vögel Mitteleuropas. Band 14, AULA-Verlag Wiesbaden.

Gnielka, R. & J. Zaumseil (1997): Atlas der Brutvögel Sachsen-Anhalts. Kartierung des Südteils von 1990 bis 1995. Halle.

Kacmarek, U. (2005): Die Gebäudebrüter in Dessau-Mil- densee. - Ein Vergleich mit den Ergebnissen der in- nerstädtischen Kartierung von Dessau in den Jahren 2002/2003. Naturw. Beiträge Museum Dessau 17. – S.

73-83.

Lehmann, B. (2005): Berücksichtigung des Artenschut- zes beim Rückbau von Plattenbauten. – Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 42. – S. 41-47.

Patzak, U. (2003): Die Gebäudebrüter der Stadt Dessau. – Naturw. Beiträge Museum Dessau, H 15. - S. 105-120.

Patzak, U. & K.-J. Seelig (2003): Kartierung der poten- ziellen Brutplätze von Gebäudebrütern in der Stadt Dessau. – Auftraggeber: Stadt Dessau, Amt für Um- welt- und Naturschutz. – Auftragnehmer: Land- schaftsplanung Dr. Reichhoff GbR. Dessau. - 28.S.

Schnabel, R.(2001): Studie zur ökologischen Umfeldauf-

wertung für die Innenstadt Dessau (Artenschutzkon- zept). - Auftraggeber: Stadt Dessau, Amt für Umwelt- und Naturschutz. – Auftragnehmer: Dr. R. Schnabel –Ökologische Gutachten und Planungen- Leipzig.

Schönbrodt, R. & T. Spretke (1989): Brutvogelatlas von Halle und Umgebung. Ergebnisse einer Feinras- terkartierung 1983-1986. Halle 1989.

Wortha, S. & E. Arndt (2004): Annahme von Nisthilfen durch den Mauersegler (Apus apus) in Berlin. Berich- te zum Vogelschutz 41: 113-126.

Anschriften der Autoren Günter Kallenbach Stadt Dessau

Zerbster Str. 4 06813 Dessau Uwe Patzak

LPR Landschaftsplanung Dr. Reichhoff GbR Zur Großen Halle 15 06844 Dessau

E-Mail: uwe.patzak@lpr-landschaftsplanung.com Frank Jurgeit

Landesverwaltungsamt Dessauer Straße 70 06118 Halle (Saale)

E-Mail: frank.jurgeit@lvwa.lsa-net.de

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