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Suhrkamp Verlag. Leseprobe. Jendryschik, Manfred Die Ebene. Gedichte. Suhrkamp Verlag edition suhrkamp

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Suhrkamp Verlag

Leseprobe

Jendryschik, Manfred Die Ebene

Gedichte

© Suhrkamp Verlag edition suhrkamp 1037

978-3-518-11037-9

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es 103 7

edition suhrkamp

Neue Folge Band 3 7

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Die Ebene: Hier kann der Betrachter alle Gegenstände, ohne daß ihm Hindernisse die Sicht versperrten, genau erkennen, ihre Bezüge und Differenzen ausmachen, hier ist auch das Abgelegene, weit Entfernte noch deutlich wahrnehmbar, das Nahegelegene zeigt hier, aufgrund seines Umfeldes, neue Bezüge, hier kann auch das Ich sich orten, sich seines Standortes inmitten der Objekte und deren erkennbarer Ge­

schichtlichkeit vergewissern. Manfred Jendryschik, Jahrgang 1943, in Halle lebend, wurde von der Kritik beim Erscheinen seines ersten Bandes mit Erzählungen (1967) liebevoll als Talent bezeichnet. Diese Prosagedichte - verknappend, die Bewegung der Reflexion nachzeich­

nend- zeigen die überlegene Handhabung der lyrischen Mittel.

In der edition suhrkamp erschienen von Manfred Jendryschik im Jahre 1973 Erzählungen mit dem Titel Frost und Feuer, ein Protokoll und andere Erzählungen (es 635)

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Manfred J endryschik Die Ebene

Gedichte

Suhrkamp

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2. Auflage 2015 edition suhrkamp 1037

Neue Folge Band 37

© Mitteldeutscher Verlag Halle- Leipzig, Halle (Saale) 1980

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1980 Suhrkamp Taschenbuch Verlag

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Satz: LibroSatz, Kriftel.

Printed in Germany Umschlag gestaltet nach einem Konzept

von Willy Fleckhaus: Rolf Staudt ISBN 978-3-518-11037-9

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Die Ebene

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Für Peter Gosse

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I

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Petzower Moment

Die Schulterblätter spüren die Wand, im Licht, befallen von Putz, dahinter den Stein, wie ich glaube, Wind ist August, unter den Bäumen her hör ich's Lachen, der

Sohn.

Ich seh ihn alle zwei Monate, das geschiedne Kind drei vier Tage, immer unähnlicher wird er mir, das

muß ich begreifen, wer

begreift schon was ihm entwächst, wir sollten uns einen Kahn nehmen, und sei's von der plumpesten

Sorte, die Richtung

verfügt das Ruderholz, das weiß ich, die Strömung die Flaute die Flut, ich bin über dreißig, es ist alles

erlebt

zwei Fraun sind für einen zu viel, ein Leben reicht doch, ein Land, eine, verschrumpelnde,

Zuversicht, ich seh sie

geschloßnen Lids, rosa von Sonne. Von jener Fläche Grün

kommt sein Krach, davon ist tiefer Friede in tiefer Brust. Ich las

starren Augs, mittags, von Magadan achtunddreißig in R.s Buch einem noch unöffentlichen (das

Gutachten), als sie

vom Tod ihres Mannes erfuhr war sie einen Tag blind;

starren Augs sieht sie, fast gebrochnens, was die Aufbrechenden

wolln, wir, wer versteht's, nichts hab ich erlebt. Eine Revolution

allein altert zu schnell, sagt der Freund. An diese Jahre

!I

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klammre ich mich wie an langsam auslaufende Früchte in Kisten, an diesen Sohn, an die Wand, ich versuche

den Nacken

so zu biegen daß Wärme die Haut unterm Hemd berührt

die Wirbelsäule die Rippenbögen, die Steine atmen flach gleichmäßig, ich spür's, Sonne macht das Gesicht ganz nackt. Der Schweiß salzt die Poren, intensiv wie

plötzliches

Hoffen, ich geh zwischen Arbeitern die sich

bestimmen, in ihren Kehlen ist mehr als Bier Grütze das Fahnentuch haben sie selbst zugeschnitten die Sätze Arbeit die sie machen macht sie, das

lang Ausgedachte das Unerfahrne, ich hör mich denken, den Sohn

der knirscht nachts mit den Zähnen, ich offneo Munds, das Leben

ist dieses, vorm Haus sein Krakeelen. Er wird noch die Zäune

wecken. Stärkt sich die Stimme, sagen die Lehrbücher die Lunge das Herz, oder sie platzen ihm weg, eines

Tags

er ist neun, es ist (wie gesagt) Ruhe. Ich rauche; ich schwitze. Ich bin ziemlich im Glück. Ich werde vermutlich verschiedneo leichtfertigen Betätigungen

nachgehn.

Der Tod ist vertraut, er ist nicht vorstellbar. Es ist nicht

vorstellbar wie er micht trifft.

Ja, das Fischfeuer beizt die Luft; es erinnert an eine Stadt. Überm See ein Segel.

Ich denk an das Dreieck der Schönen. Wie bäumen wir uns

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doch auf, manchmal. Schon in die Jahre die kommen.

Oder in diese nächste Zeit. Oder in den Betrug, den eignen, der auch

jedwede Anstrengung braucht, z. B.

Beobachtung/Warnsignale

daß alle Räder still stehn, ehe um Buna die Meßwagen kreisen, die prüfen den Ascheregen, wir arbeiten eifrig ein Stück aufs End zu, ich vergeß es, vorm Werktor fett blühn die Gewächse im nahen Teich, ein

Aus-Wuchs

Marcuse über die Manuskripte (Marx), seine Konzentration

hat einen Glanz davon, es geht das Denken durch 's Denken, ungerüstet, kein Paß steht zur Seite, ich höre den Sohn nicht, die Ohrn läuten, er wird hinterm Haus sein, dann hier, er fragt was ich habe, nichts, ich sag das ist viel, ich spür seine Hände die Schulterblätter des Leibs Knochenkorsett den Nacken, ich stütze die

Wand

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Rapport, gelegentlich

Die Nacht schnurgrade, das ist wahr. Da also raus in diesen Zwitter, grau und grau der nennt sich jetzt die Frühe

der Transvestit (Aufstehn! heißt die Parole, in jeder Lage, wer wüßt das nicht). Im Spiegel demnach dein Gesicht: ist's meins? kalkweiß

ist die Erscheinung.

So

raff zusammen was wir sind: Gedanken Knochen Haut, von dir von mir den kleinen Rest der Liebe uns, 's war nicht die Zeit, und hör mein Mund sagt was

dein Auge schmeckt: Kaffee Brot Brotes zartre Form (vom Messer sorglich aufgeschlitzt), das springt uns in die Zähne, es fließen Milch & Honig augenblicks, wer wollte mehr

frag ich, und satt, als dies? Zeitlos blauer Dunst schleicht in die Ecken, sagenhaft friedfertig der Tag in den Minuten

wie die lokalen Schlagzeiln, das Radio wirft seine Sätze ab, Nachrichten was weiß ich, die Stimme ist verstellt, doch gut: sie siegten, da

in ihrem Land, Musik, die Zeitansage zag beim Gongschlag es ist jetzt -

die Eile, ja, die Abfahrt: Regen. Asphalt. Haus für Haus.

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Die Elster prügelt Luft schwarzweiß hinter der Stadt Sturm

rennt uns an mit Wolken Stein um Stein, das macht uns nichts wir sitzen hinter Glas, geschützt und hierzuland, krauchen

auf Ebnes nassem Fell, wo aber ist sie selbst, frag ich bestürzt den Regen, der entgegnet nichts, höchstens in Gedichten das hier ist keins, ihr wißt's.

Ein neuer Film: die Sonne. Bläst sich auf, greift still zur Macht, macht Licht, das Land es atmet auf, grün geht der Mai dahin, sein Schnee beflügelt sich und uns, die andere Stadt, noch sanft zuerst, vierstöckig häßlich fröhlich für Tote keine Ausflucht, schon vor der Tür die Freunde.

Das Fleisch

trieft in der Pfanne, Zwiebelfeuer, dann im Mund Bier Wodkaeis Zigarren reiben uns

die Zunge die Gespräche übern Tisch, es geht was geht

oder: was ist getan zu tun, ach Ohnmacht Wort Macht Wort, das spricht sich schnell

zusammen, das Land bewegen: aber was? das sagen wir, die Wege: aber wie? bewegt

vom Wodka mählich.

Später die Rückfahrt: das verhaltne Licht die Stadt vierstöckig

I 5

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Eile, Asphalt, Haus für Haus, der Sprecher sagt: beim Gongschlag ist es jetzt:

ich hör was in der Welt geschieht daß etwas ist daß da

geschieht: das hör ich hier

r6

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Das Mahl. Für A. R.

Das ist ein Fressen, diese lange Stunde, Kumpane unsre Zeit. Alle Aufmunterung, ihr wißt's, kommt aus der Küche. Und die Schar Töpfe. Das sensible

Blech

Besteck. Und das Mäßige, das uns lenkt lockt losläßt auf Größres, anmaßend, ein jeder hofft's hoff ich, wie die Zufriedenheit, augenblicklicher Schiedsrichter, als

Ahnung

Hungriger: die Speise vor der Speise. Und Durst weckend der gestillte Durst. Also laß, Freundin, Luft aus diesem Glas, mehr

ist alles. Und laßt uns einstrudeln das

Heiße Scharfe Neue ins Geäst des Leibs, der Baum blüht auf, die Wurzel der Mittelpunkt

der Dinge, rührt an den Schlaf

der Welt ein wenig, daß sie uns aufsteh, fleischlich.

Und aufsteh in der Suppe das Salz der Pfeffer

der Knoblauch Kirschpaprika der auseinanderreißende König, konsolidierend Kuppler Zimt der

Glättet in der kleinen Schüssel, aber lassen wir's das Politische, o Freunde, wir gehn auf die Vierzig zu, wenn also nichts mehr, sag ich, Tränen treibt so ist's die Zwiebel, die sich naiv enthäutete, Schale um Schale, das Herz gar das letzte bittre

Zünglein.

Greift zu!

mit Vorsicht: Fett schwimmt, das muß ich euch sagen ist Naturgesetz, wie immer oben. (Kommt

hier Verstimmung auf bei den schon Schluckenden, ruf

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(17)

ich, und akzentuiert:) Jetzt drum, Esser, auf das wir lange warteten, das Essen: Hoch

Rosamarmoriertes!

(siehe Reimann) oder ein einfaches Stück Rinds Schweins Vogels Brust, ohne Valutaflair, so dieses

Preises

wert, und der landesübliche Fisch, wie

war doch sein Name, im Grabmal des Unbekannten der Kasserolle, umstellt von Rot und Grün-

Ach das zerfallende Gesottne: roh lieben sie

das Zarte: Zahn Zunge zitternder Gaumen, die heilige Dreifaltigkeit dieses Moments. Die Säfte die da triefen.

Und

Biere. Und Wässerchen. Und Weinbrand daß es brennt.

Und sanftre Flüssigkeiten, gewiß doch, alles fließt. Gut genug ist

was genügt, sagen die Freunde und lachen. Und das sei nie. Und schmatzen. Und reden. Erhitzend sich

ermüdend.

So. Das ist ein Fressen demnach, und das war's. Und plötzlich: die Ruhe. Sie setzt sich, aufmerksam, zu uns, zeigt, wie sie ist die Tafel, nun Skelett Haut

Schuppen

das Zerschrammte. Und andres Licht; grüßend den nackten Teller mit den Worten: Ausgenützter!

das ist dein Ende. Schluß! jetzt, flüstre ich komm uns, Spätrer, Tag

Gebrechlicher, ein Mittwoch wie gewohnt

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Für William

C.

W.

Der Tisch der Stuhl das Bett der Schrank das Fenster klein die Herde Blumen und die Lampe im August ein Blitz das steht für Sie bereit Herr Williams der Nagel in der Wand für Ihren Hut (daneben dieses Bild das machte einer sich für uns) das Wasserglas und Whisky Brot das Messer Zigaretten auch der Türspalt für den Neugierwind:

hier sind vier Wände also die ich geben kann:

das andre Zimmer brauch ich selbst mit Tisch Stuhl Bett und Ihnen nebenan

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Die Erde

hängt an mir, ich spür's mit den Füßen, manchmal das macht sie. Aber

was ist mit dem Kopf, wohin dreht sich, frag ich, wem weg er, wozu? Ich

esse arbeite trinke rauche ähnlich jedermann. Ich hab ein zwei Hoffnungen, ziemlich allgemeine. Zahle Steuern lese die Zeitung. Da bleibt die Frage, und damit, denk ich, der Kopf

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Hat der Manse Juwan Schestalow

einen Fisch gefangen steigt er aus dem Wodka aus

seine Arme die verrückten werden still: das Papier wie Schnee er breitet's streicht es glatt legt diesen Fisch drauf

und ins Salz das fallt wie Puder wiegt den Fisch gleich einem Sohn

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In diesem Licht: Sos6pols

Bucht, hufeisen-

rund grell schartig da die Grenzen. Steinern welk

das Land. Und auslaufende Molke ist der Himmel der sich aufs Wasser legt als wär's ein Spiegel, das ist grün:

in das breit ich die Arme Brust Beine was nicht, leicht fertig

diesem Salz vertraund das die Erde trieb ich hoff, es hält mich für die Zeit die ich hab, jetzt. (Ja, schwimmen murmle ich: denn ein gesunder Geist entsteht steht bis zum Hals was

fließt.) So treibe ich mich weg, mich treiben lassend, driftende Scholle, die vergißt vergaß woher sie kam, allmählich, umspült

von Strömen, sanft. Alles ist Meer.

Da sucht mein Rücken seinen neuen Grund die eine Seite wechselt ab die andre, wie

solln sie von einander wissen, die andren Farben die die Tiefe, zeugend, zeigt, sind klar, und kalt und zerren an den Häuten, dieweil ich meinen Leib nach unten stoß, ich stürze in mich ein. Endloses Schweigen, dunkler, dröhnend; das preßt mich jäh zur Luft. Und tauchend tauch ich auf.

Und noch den Atem schwer, ich fordere den Spiegel dieser See nun über mir doch oben, seh ich da, ist nichts: als das bekannte Blau und Weift Vor mir die Bucht

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Referenzen

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