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Archaische Wagen in Vorderasien und Indien

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Academic year: 2022

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Wolfram Nagel Christian Eder Eva Strommenger

Archaische Wagen

in Vorderasien und Indien

Bauweise und Nutzung

REImER

2017

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Faltkarten

Karte 1: nach: »Der Lebensraum des menschen. Ein Westermann-Atlas für Schule und Haus«, Tafel 46/47, Braunschweig u.a.: Westermann Verlag 1969

Karte 2: Ausschnitt aus: »Physical map of the World« von Tom Patterson Karte 3: Fundorte in Vorderasien nach Wolfram Nagel

Layout und Umschlaggestaltung: m&S Hawemann Umschlagabbildung: Abb. 36

Papier: 135 g/m² LumiSilk, 135 g/m² LumiArt Schrift: minion Pro

Druck: druckhaus köthen GmbH & Co. KG ∙ Köthen

© 2017 by Dietrich Reimer Verlag GmbH ∙ Berlin www.reimer-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier ISBN 978-3-496-01568-0

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Dieser Überblick zur archaischen Wagenfahrt in Südwestasien ist vor allem veranlasst durch eine Reihe neuer Erkenntnisse, die ältere Zu- sammenfassungen des gleichen Themas zu ei- nem guten Teil als überholt erscheinen lassen.

Es sind dies in Stichworten folgende:

Die Reduzierung des bisher als Räderge- fährt erklärten frühsumerischen K a b i n e n - s c h l i t t e n s (Abb. 1) auf seine einfache Funktion als Schleiffahrzeug. –

Da mit dem Verschwinden der Räderfahr- zeuge aus der Frühsumerischen Kultur ihre ältesten Belege erst zu Beginn des Früh- dynastikums seit dem IV. / III. Jahrtausend v. Chr. gesichert sind, gerät ein Fuhrwerk der sogenannten »Gesittung der Steatitge- fäße« unter die frühesten Wagen. Dieses auf einer reliefierten Steinscherbe abgebildete Gefährt (Abb. 10) gehört aber herkunftsmä- ßig in den Südiran. Es kann daher zunächst als Beleg dafür gelten, dass das R a d i m S ü d - i r a n erfunden wurde. –

Die Umdeutung bisheriger ›Deichseln‹ zu einem › B r e m s b ü g e l ‹ als (Abb. 4) wich- tige technische Veränderung in mesopota- mien. –

Die vierte Erkenntnis bezieht sich auf den öffentlichen Einsatzbereich der frühdynas- tischen Wagenfahrt. Sie wurde schon vor 60 Jahren von Salonen zur Diskussion ge- stellt. Er plädierte damals dafür, dass die im Bild überlieferten Wagenaufzüge aus- schließlich der Demonstration politischer macht im normalen Friedensstatus dienten, also in jener Zeit das innerstaatliche Reprä- sentationsbedürfnis der einzelnen Stadtre- gierungen befriedigen sollten. Dabei wäre etwa an die Pferde- und Wagen-Tradition der monarchie im heutigen England zu denken. Da aber Kampfwagen wie auf der

›Ur-Standarte‹ (Abb. 91–93) im Rahmen dieser Erklärung tatsächlich schwer unter- zubringen sind, so ist es vielleicht nahelie- gender, für die in Darstellungen überliefer- ten Wagenparks des Frühdynastikums eine m y t h i s c h e oder k u l t i s c h e B a s i s an- zunehmen. Auf jeden Fall kommt man da- mit zu überzeugenderen Ergebnissen, wie wir in den entsprechenden Kapiteln noch sehen werden. –

Wir können an diesen Beispielen erkennen, dass es sich lohnt, ein neues Bild der archai- schen Wagenfahrt im Südwestasien zu entwer- fen. Die führenden Stellmacher-Werkstätten

I. Einleitung

I

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I

konzentrierten sich dabei eindeutig in meso- potamien. Die uns verfügbaren Quellen sind neben wenigen Bodenfunden und modellen vor allem bildlicher wie literarischer Natur, denn den historischen Rahmen bildet das Ent- stehungszentrum der Vorderasiatischen Hoch- kultur mit ihrer vielschichtigen Überlieferung, der ältesten auf unserer Erde. Hinzu tritt dann zeitweise die Protoindische Kultur am Indus, die etwas später beginnt und sich bezüglich ihrer Wagenschöpfungen wenig kreativ zeigt.

In den umliegenden Regionen ohne literari- sche Überlieferung tauchen immer wieder einzelne Wagen in Darstellungen und als Grabfunde auf, die zwar in die Traditionen der Hochkulturen schwer einzuordnen sind, je- doch in einigen Fällen bahnbrechende Leis-

tungen repräsentieren. Daher werden auch sie hier berücksichtigt.

Im Hinblick auf die komplizierte Sachlage sind die möglichkeiten dieses Buches be- grenzt. Es enthält über 200 Abbildungen, auf deren Auswahl und Wiedergabe besondere Sorgfalt verwendet wurde. Sie bilden einen ge- wichtigen Bestandteil unserer Diskussion, gleichbedeutend wie der Text, im Einzelfall sogar aussagekräftiger als dieser. Die Illustrati- onen machen aber unser opus nicht etwa zum Bildband, sondern dienen dem Leser auch zur Erläuterung schwieriger Sachverhalte, wie sie mit Worten oft nicht gelingen will. Es sei daher geraten, sich in die gebotenen Einzelheiten der Abbildungen zu vertiefen, um mit ihrer Hilfe den Argumenten im Text besser folgen zu können und deren Aussagen einzuschätzen.

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13 Lebender II A

A. Fahrzeugsystematik

Innerhalb der » T r a n s p o r t g e r ä t e « stel- len die »Fahrzeuge« die wichtigste Kategorie dar. »Fahrzeuge« transportieren immer etwas, zumindest den Fahrer, dazu Waren oder Pas- sagiere. Deren Ortsveränderung dient oft ei- nem spezifischen Zweck – wie in der hier be- handelten Frühzeit bei der Ernte (Abb. 118) oder im Kampf bei militärfuhrwerken (eng- lisch battle-car) (Abb. 93) – wodurch in diesem Fall das »Gefährt« zur »Waffe« wird.

Die Geräteklasse der » F a h r z e u g e « (deutsch auch Fuhrwerk, Gefährt, Vehikel; englisch vehicle; französisch véhicule) zerfällt in die bei- den Ka tegorien der » G l e i t - « und » R o l l - f a h r z e u g e « beziehungsweise in die drei Ka tegorien der » L u f t - «, » W a s s e r - « und

» L a n d f a h r z e u g e «:

Die » G l e i t f a h r z e u g e « unterteilen sich in Luftfahrzeuge (= Flugfahrzeuge),

Wasserfahrzeuge (= Schwimmfahrzeuge) und Landgleitfahrzeuge (= Schleiffahr- zeuge).

Die » L a n d f a h r z e u g e « unterteilen sich in S c h l e i f f a h r z e u g e und

R o l l f a h r z e u g e.

Zu den » S c h l e i f f a h r z e u g e n « gehören Schlitten (englisch sled[ge]) und

(Zwei-)Stangenschleifen, repräsentiert durch die

Femerschleife (englisch travois) und die Joch(-stangen-)schleife (englisch slide).

Zu den » R o l l f a h r z e u g e n « gehören in erster Linie die » R ä d e r f a h r z e u g e « (eng- lisch wheeled vehicle), also Schubkarren, Fahr- räder, motorräder, Dreiräder, Dreiradwagen, motorräder mit Beiwagen, Handschub- und -zugwagen, Kinderwagen, Wagen mit Bespan- nung und Automobile. Beginnend mit den Dreirädern der Aufzählung gehören alle ge- nannten Gefährte in die große Klasse der

» W a g e n « (englisch car, französisch voiture).

Eine genaue Definition die ses Begriffes ist nicht ganz einfach. Folgende merkmale gehö- ren aber sicher dazu:

mindestens eine Achse mit zwei Rädern;

darauf ein irgendwie gearteter Aufsatz (Karosserie);

stabile Bodenlage dieser Kombination von Rad, Achse und Aufsatz;

irgendeine Zug- oder Schubkraft, die der Fortbewegung

jener Kombination allein zu Lande dient.

II. Vom Fahrzeug zum Wagen

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II A B

Die Rädergefährtklasse der » W a g e n « lässt sich vielfach unterteilen. Gemäß dem jewei- ligen Ansatzpunkt der Fortbewegungskraft kann man eine Untergliederung in »mobile«,

»Schubwagen« (zum Beispiel Kinderwagen),

»Zugwagen« und »Automobile« vornehmen.

Dabei wird das einfache »mobil« – wie zum Beispiel das (Fahr-)Dreirad ‒ vom menschen, den es transportiert, zugleich auch angetrieben und gelenkt. Das »Automobil« hingegen wird durch einen motor innerhalb seiner Karosse- rie in Gang gesetzt. Der »Zugwagen« schließ- lich muss mittels einer zusätzlichen »Zugkraft«

fortbewegt werden. Dadurch zerfallen Fahrzeu- ge dieser letzten Gattung in zwei Teile, in das

»Wagengestell« (oder kurz »Wagen«; englisch carriage) und die menschliche oder tierische Zugkraft. Allerdings werden nur »Zugtiere«

(englisch draught / draft animal), die ja noch durch den menschen gelenkt werden müssen, als Bestandteil des Wagens betrachtet, nicht da gegen der antreibende mensch, sei es nun auf einem (Fahr-)Dreirad oder hinter einem Kinderwagen. Die »Zugwagen« oder » W a g e n m i t B e s p a n n u n g « (englisch draught ani- mal and carriage) können durch ein Tier oder mehrere Tiere fortbewegt werden. mehrspän- nige Fahrzeuge ergeben ein »Wagengespann«

oder kurz »Gespann«.

Im Altertum herrschte das Zuggefährt der

» W a g e n g e s p a n n e « vor. Es lässt sich in

» E i n a c h s e r « und » Z w e i a c h s e r « gliedern.

Bei primitiven Konstruktionen deutet die Be- nennung darauf hin, welcher andere Fahr- zeugtyp Pate gestanden hat. Folgende Anspan- nungsarten sind möglich:

Anspannung am deichsellosen Wagen:

= Stranganspannung

Stirnstranganspannung (Stirnstrangzug) Jochstranganspannung (Jochstrangzug) Anspannung am Deichselwagen:

= Geschirr

Jochgeschirr (Jochdeichselzug, Deichselspitzenzug)

Stranggeschirr (Bugstrangzug)

Sielengeschirr (Sielenzug, Brustblattzug)

Kummetgeschirr (Kummetzug)

Die Wagen des Altertums bestehen aus dem

»Wagengestell« und den »Zugtieren«, das

»Wagengestell« wiederum aus der »Karosse- rie« und dem »Fahrgestell«. Die »Karosserie«

entspricht dem »Wagenaufsatz« (»Wagenauf- bau«) mit gegebenenfalls der »Deichsel«.

B. Wagenerfindung und Vorformen

Unter den mannigfachen Typen von Land- fahrzeugen nimmt der Wagen eine ganz be- sondere Schlüsselstellung ein. Seine unüber- troffene Verwendbarkeit beruht zunächst auf der Erfindung der »Walze« als eines unendli- chen Fortbewegungsmittels zu Lande. Die

»Walze« als solche wurde sicher in verschiede- nen Gegenden unabhängig voneinander in Benutzung genommen – so gewiss in Ägyp- ten. Aber es kam hier im Niltal eben nicht zu einer Verbindung des Walzenprinzips mit ei- ner »Achse«. Bei dieser Koppelung stand ver- mutlich die auf einer Senkrechtachse gelagerte Töpferscheibe Pate. Die rotierende Scheibe bot ein Vorbild für die »Räder«, die um eine Achse spielen, welche wiederum die Karosserie des Fahrzeugs trägt. Diese Kombination von Rad, Achse und Karosserie gehört bis heute zu den wichtigsten technischen Errungenschaften der menschheit.

Die Erfindung des »Wagens« erfolgte ver- mutlich – ebenso wie die der »Walze« – mehr- mals und in verschiedenen Landstrichen. Ei- nes seiner Entwicklungszentren – und gewiss eines seiner ältesten – lag in der Großland- schaft von Südwestiran, in Fars und Kirman.

Da tritt uns seit dem letzten Drittel des IV.

Jahrtausends v. Chr. das Rad als Träger einer

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15

II B

Art von Karosserie entgegen. Vielleicht ist in Kirman der Ursprungsherd dieses primitiven Fahrzeuges zu suchen.

Als V o r f o r m e n des Wagens kommen auf Grund von Bilddenkmälern und theoreti- schen Überlegungen in der Hauptsache z w e i Trans portmittel in Frage:

Noch vor dem ältesten Räderfahrzeug zeigen mesopotamische Bilddarstellungen einen

» S c h l i t t e n « als primitiven Vorläufer des Wagens (Abb. 1, 15‒17).

Sodann ist überdies die » B a u m s t a m m - s c h l e i f e « zu nennen, ein einfaches Trans- portmittel, das nur aus den beiden Zug- bezie- hungsweise Tragetieren unter einem Doppel- joch besteht. Zwar weist es im Grunde nichts auf, was es zum direkten Vorläufer von

» F a h r z e u g e n « qualifizieren würde, jedoch lieferte es gegebenenfalls Anregungen zu Ein- zelheiten der Wagenkonstruktion.

Die Rolle der » ( Z w e i - ) S t a n g e n s c h l e i- f e « bei der Wagenentwicklung bleibt demge- genüber ganz problematisch.

Referenzen

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