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1 Einleitung. 1.1 Einführung und Problemstellung

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Academic year: 2022

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1 Einleitung

1.1 Einführung und Problemstellung

„In einer um Arbeit zentrierten Gesellschaft stellt die Berufstätigkeit die wichtigste Verknüpfung

mit der Realität dar.“

Prof. Dr. Thomas Kieselbach (*1944), Sprecher des IPG, Universität Bremen [1]

Arbeit erfüllt ökonomische Funktionen, wie den Erwerb von Einkommen, aber auch psychische und soziale Funktionen, wie z. B. das Knüpfen sozialer Kontakte. Sie bietet die Möglichkeit, individuelle und gemeinschaftliche Ziele zu verfolgen und eigene Fähigkeiten zu erlernen bzw. auch zu zeigen. Arbeit ermöglicht eine feste Zeitstruktur und damit einen geregelten Tagesablauf. Der Beruf kann das Ansehen prägen und per- sönliche Identität schaffen (Kieselbach 2003; Moser & Paul 2001a; Jahoda 1983; Ja- hoda, Lazarsfeld & Zeisel 1975). Auch wenn ungünstige Arbeitsbedingungen, wie z. B. etwa Schichtarbeit, psychische und physische Beeinträchtigungen hervorrufen können (Büssing 1993), sind mit Arbeit wichtige Faktoren verbunden, die für das indi- viduelle Wohlbefinden förderlich sein können.

Der Verlust des Arbeitsplatzes kann den Verlust der genannten Funktionen bedeu- ten; der in der Arbeit strukturierte Tagesablauf verändert sich, die finanzielle Sicher- heit ist möglicherweise nicht mehr gegeben, die zwischenmenschlichen Kontakte kön- nen beeinträchtigt werden und die zuvor erlebte Abwechslung zwischen Beruf und Freizeit reduziert sich (Rademacher 2003; Kieselbach 1995). Diesen Verlust von Ar- beit erleben in Deutschland tagtäglich Millionen von Menschen. Im Jahr 2008 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik Deutschland bei 7,8 %, durchschnittlich waren 3,27 Mio. Personen arbeitslos gemeldet. Anzunehmen ist, dass sich die aus der Arbeitslosigkeit1 resultierenden Probleme für einige Personengruppen als besonders gravierend erweisen, bspw. für arbeitslose Jugendliche, Langzeitarbeits- lose, ältere oder ausländische Arbeitslose (Bundesagentur für Arbeit 2009a, S. 28).

Obwohl die Arbeitslosenquote im Jahr 2008 erfreulicherweise den niedrigsten Stand seit 1993 aufwies (vgl. Spiegel Online 2009b) schürte 2009 die Weltwirtschafts- krise und die damit einhergehende Rezession die Ängste der Bevölkerung vor hoher und langandauernder Arbeitslosigkeit.

Neben dem Erleben des Verlustes von Arbeit und den zugehörigen Funktionen müssen Arbeitslose mit gesellschaftlichen Vorurteilen umgehen, die genährt bzw. ver- stärkt werden von Medienberichten, (Interpretationen von) politischen Stellungnahmen und Aussagen von Wirtschaftsvertretern. Wer – wie in den meisten Fällen unverschul- det – seine Arbeit verliert, „gerät unter das Verdikt der individualistischen Moral bür- gerlichen Denkens“ (Wacker 1983, S. 125): Das Bild eines „uneingeschränkt leis- tungsfähigen Arbeitslosen, der lediglich auf Grund selbst zu verantwortender Lethar-

1 In der vorliegenden Arbeit ist meistens von „Arbeitslosigkeit“ die Rede, gemeint ist aber damit auch Erwerbslosigkeit. Der Begriff wird deshalb gewählt, weil er im allgemeinen Sprachgebrauch geläufiger ist als der Begriff Erwerbslosigkeit. Zur Unterscheidung siehe Kapitel 2.1. Im Folgenden werden auch die Begriffe „Arbeit“ und „Erwerbstätigkeit“

synonym verwendet.

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gie, mangelnder Flexibilität und unzureichender Mobilität“ (Broch 2005) keine Ar- beitsstelle findet, beherrscht die öffentliche Meinung. In der breiten Öffentlichkeit wird Arbeitslosigkeit daher oft als persönlicher Makel empfunden und nicht als gesell- schaftliches Problem unserer Zeit erkannt, das einen großen Personenkreis betrifft.

Denn obwohl viele Menschen selbst oder in ihrem sozialen Umfeld Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit gemacht haben bzw. Ursachen und Folgen von Arbeitslosigkeit beobachten können (Förster et al. 2004), ist die soziale Rolle, die Arbeitslose in der Gesellschaft haben, die der Ausgeschlossenen und Stigmatisierten (Wacker 1983).

Damit treffen mehrere Arten von „(Un)Wissen“ über Arbeitslosigkeit aufeinander, die Wacker (1990, S. 16) in folgender Grafik veranschaulicht.

 

Abb. 1: Verschiedene Arten des Wissens über Arbeitslosigkeit Quelle: in Anlehnung an Wacker 1990, S. 162

Individuen machen sich Bilder voneinander. Ein Eigen- bzw. Selbstbild ist dabei das Bild, das sich Mitglieder von der eigenen Gruppe machen. Unter Fremdbilder versteht man die Bilder, die Individuen von einer fremden Gruppe haben, wie sie diese wahr- nehmen. Diese Bilder sind „Vorstellungsbilder“, die sowohl mit als auch ohne Bezug zur Realität bestehen können (Markefka 1982, S. 35).

In der vorliegenden Arbeit werden besonders zwei Perspektiven fokussiert: Auf der einen Seite gibt es die oben dargestellte Fremdwahrnehmung (Fremdbilder) derje- nigen Personen, die nicht von Arbeitslosigkeit betroffen sind, aber bewusst oder un- bewusst zu Vermutungen und Überzeugungen gelangen, wie es Arbeitslosen geht oder warum sie arbeitslos geworden sind. Auf der anderen Seite steht die Selbstwahrneh- mung (Selbstbilder) der arbeitslosen Menschen. Sie bringt zum Ausdruck, warum Ar- beitslose ihre Arbeit verloren haben, wie sie diesen Verlust erleben, welche Erfahrun- gen sie mit ihrer sozialen Umwelt machen und was sie tun, um wieder eine Stelle zu finden. An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob und wie die beiden Wahrnehmungs- muster aufeinander bezogen sind und wo möglicherweise Stereotype und Vorurteile

2 Wird bei den folgenden Grafiken und Tabellen keine Quelle genannt, handelt es sich um eigene Darstellungen.

A Fachwissen von Personal- und Arbeitslosen- verwaltern

B Fachwissen sozialer Dienste

C Betroffenen- wissen

D Fachwissen quantifizieren- der Arbeitslosig- keitsforschung

E Wissen theoretisiernder Arbeitslosen- forschung

F Wissen qualitativer Arbeitslosen- forschung Unwissen bzw.

populäre Vorurteile über Arbeitslose

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vorliegen. Beide Perspektiven sowie deren mögliche Divergenz oder Affinität sind zentraler Gegenstand der Dissertation.

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Ausgehend von der skizzierten Problemstellung kann festgehalten werden, dass das Thema Arbeitslosigkeit aus zwei Blickwinkeln, nämlich der Sicht der Arbeitslosen und der so genannten Nicht-Arbeitslosen3, wahrgenommen werden kann. Diese zu- sammen wurden, wie später aufgezeigt wird, bisher kaum untersucht.

Einen Überblick über die Hauptkapitel der Arbeit gibt folgende Tabelle.

Tab. 1: Aufbau der Arbeit

1. Einleitung I.THEORETISCHE ASPEKTE

2. Arbeitslosigkeit – ein gesellschaftliches Phänomen 3. Sozialpsychologische Grundlagen:

Konstruktion der sozialen Welt 4. Selbstbilder von Arbeitslosen 5. Fremdbilder von Arbeitslosigkeit 6. Fazit: Forschungsstand und -defizit

II.EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG 7. Methodisches Vorgehen

8. Ergebnisse 9. Resümee

Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst auf die Bedeutung von Arbeit und Arbeitslo- sigkeit eingegangen. Anschließend verengt sich der Blickwinkel auf das Phänomen Arbeitslosigkeit. Dabei richtet sich der Fokus primär auf Arbeitslosigkeit in Deutsch- land. Nach einer Begriffserläuterung folgt die Darstellung der Entwicklung der Ar- beitslosigkeit seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Zudem werden aktuelle Daten aus der Arbeitslosenstatistik präsentiert. Daneben widmet sich ein Kapitel den von Ar- beitslosigkeit besonders betroffenen Personenkreisen.

Im zweiten Teil werden einige ausgewählte sozialpsychologische Modelle, die im Zusammenhang mit dieser Arbeit von Bedeutung sind, vorgestellt:

 Attributionen

 Emotionen

 Einstellungen

 Soziale Repräsentationen

 Vorurteile, Stereotype

 Stigmata

3 In der vorliegenden Arbeit werden unter Nicht-Arbeitslosen alle Personen verstanden, die sich nicht im Status der Erwerbs- bzw. Arbeitslosigkeit befinden (siehe dazu Kapitel 2.1). Darunter fallen neben Beamten, Angestellten oder Selbstständigen z. B. auch Schü- ler, Studenten oder Rentner.

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Hier wird auf die „Konstruktion der sozialen Welt“ (Stroebe, Jonas & Hewstone 2003, S. X) eingegangen, also auf die Frage, wie Menschen sich selbst und ihre soziale Um- welt wahrnehmen. Dabei wird die Perspektive der Arbeitslosen wie Nicht-Arbeitslosen aufgegriffen.

Die folgende Grafik versucht, den sozialpsychologischen Kontext, in dem sich die Dissertation bewegt, darzustellen. Beeinflusst wird das Erleben bzw. das „Wissen“

von Arbeitslosigkeit von verschiedenen Faktoren, wie z. B. den Medien und der Poli- tik, wie später dargestellt wird.

Daran anschließend folgt der dritte Teil der Arbeit. In diesem steht das Selbstbild von Arbeitslosen im Mittelpunkt. Wie erleben Arbeitslose ihre Situation? Wie verhalten sie sich? Wie sehen sie sich selbst? Mit theoretischen Modellen aus der psychologischen Arbeitslosenforschung versuchen Forscher, auf diese Fragen eine Antwort zu finden.

Die bekanntesten und wichtigsten Modelle werden daher skizziert und ein kurzer Überblick über zwei historische Arbeitslosenstudien und deren Implikation für die heutige Forschung gegeben. Der Forschungsüberblick stellt ausgewählte empirische Studien vor, die sich mit dem Erleben von Arbeitslosigkeit beschäftigt und Unter- schiede zwischen verschiedenen Personengruppen untersucht haben.

Im nächsten Teil der Arbeit geht es um Fremdbilder von Arbeitslosigkeit. Hier widmet sich ein Kapitel der Frage, welche Bilder von arbeitslosen Personen von den Medien und der Politik vermittelt werden und ob diese ggf. Einfluss auf die Fremdbil- der von Arbeitslosigkeit der Medien- und Politikkonsumenten haben. Zudem wird ein Forschungsüberblick darüber gegeben, welche Vorstellungen, Meinungen oder Vorur- teile Personen haben, die nicht von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Den theoretischen Überlegungen folgt die eigene empirische Untersuchung von Selbst- und Fremdbildern von Arbeitslosigkeit in Form zweier Befragungen. Die Kon- zeption und der Aufbau der Fragebogen sowie der Ablauf der Befragung werden dar- gestellt und Hinweise zum methodischen Vorgehen bei der Fragebogenauswertung gegeben. Im Anschluss daran werden die eigentlichen Auswertungsergebnisse präsen- tiert.

Die erste Forschungslinie beleuchtet die Perspektive der Arbeitslosen. Im Zentrum dieser Analyse stehen die betroffenen Personen selbst. Dazu wurden arbeitslose Men- schen mittels einer deutschlandweiten Befragung zu ihrem Erleben der Arbeitslosig- keit befragt. In diesem Kontext werden folgende Forschungsfragen untersucht:

 Wie erleben Arbeitslose ihre Situation?

 Welche psychosozialen Folgen bringt Arbeitslosigkeit mit sich?

 Welche Personengruppen können als besonders belastet angesehen werden?

 Welche weiteren Faktoren sind bedeutsam (z. B. Dauer der Arbeitslosigkeit, sozia- le Unterstützung etc.)?

Die zweite Forschungslinie betrachtet, wie Arbeitslosigkeit aus Sicht der Nicht- Arbeitslosen wahrgenommen wird. In einer zweiten Fragebogenerhebung wurden die- se Personen dazu befragt, welche Alltagsvorstellungen es von arbeitslosen Personen gibt. Folgende zentralen Fragen waren forschungsleitend:

 Wie ist Arbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft sozial repräsentiert?

 Welche Einstellungen zu Arbeitslosigkeit aus der Perspektive der nicht arbeitslosen Bevölkerung gibt es?

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Anhand der Ergebnisse der Fragebogenerhebungen werden verschiedene Wahrneh- mungsmuster herausgearbeitet und versucht, durch deren Gegenüberstellung weitere Fragen zu beantworten:

 Wo gibt es die größten Divergenzen zwischen den Ansichten der beiden Gruppen?

 Wo gibt es Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten?

 Wo lassen sich Vorurteile identifizieren?

Dabei sind die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur aus wissenschaftlicher Hinsicht wichtig, sondern auch für den Arbeitsalltag relevant, z. B. in beratenden Einrichtun- gen. So lässt sich einerseits feststellen, wo der größte Unterstützungsbedarf bei Ar- beitslosen besteht, zum anderen, wo der größte Aufklärungsbedarf bei den Personen, die nicht von Arbeitslosigkeit betroffen sind, liegt. Von diesen Ergebnissen aus kön- nen praktische Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten abgeleitet werden.

Die Zusammenführung theoretischer Aspekte mit den empirischen Ergebnissen und deren kritische Würdigung erfolgt im letzten Kapitel, dem Resümee.

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