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VERONIKA STELZL, BEd

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Academic year: 2022

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(1)

Imagination des Gottesbegriffs von röm. kath.

Volksschulkindern in bildnerischen Darstellungen und im direkten Gespräch

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts

eingereicht von

VERONIKA STELZL, BEd

bei

Univ.-Prof. Mag. Dr. Leopold Neuhold Institut für Ethik und Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät

der Karl-Franzens-Universität Graz

Graz, 2015

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Danksagung an meine Eltern meine Geschwister

Univ.-Prof. Mag. Dr. theol. Leopold Neuhold Elisabeth Heiligenbrunner

Eva Spannring Maria Dacar Annemarie Robier

die Kinder der 1a-Klasse der PVS Hasnerplatz (2011/12) die Kinder der 4a-Klasse der PVS Hasnerplatz (2011/12)

(3)

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe ver- fasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder in- haltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in glei- cher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröf- fentlicht.

Graz, 2015 Unterschrift

(4)

I NHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung ... 6

1.1 Thema und Gegenstand der Untersuchung ... 6

1.2 Hypothesen der Untersuchung ... 8

1.3 Methodisches Vorgehen ... 8

1.3.1 Bedingungsfaktoren der Mal- und Gesprächssituation ... 8

1.3.2 Die Malphase ... 11

1.3.3 Die Interviewphase ... 13

2 Empirische Kinderbildforschung: Ein Überblick ... 15

2.1 Ernest Harms ... 15

2.2 Hermann Siegenthaler ... 16

2.3 Anton A. Bucher ... 18

2.4 Helmut Harnisch ... 20

2.5 Martin Schreiner/Thomas Rahel ... 22

3 Begrifflichkeiten ... 24

3.1 Gott ... 24

3.2 Glauben und Religiosität ... 25

4 Können Kinder überhaupt einen Glauben besitzen? ... 27

5 Entwicklung des Glaubens: Klassische Modelle aus der Sicht der Psychoanalyse und Entwicklungspsychologie ... 28

5.1 Sigmund Freud ... 28

5.2 James Fowler ... 30

5.3 Fritz Oser/Paul Gmünder ... 33

6 Der Einfluss von Eltern und Lehrer/innen auf die Gottesbilder von Kindern ... 35

7 Die neue Lage der Kirche/Religion in unserer Gesellschaft ... 39

7.1 Die Transformation des Religiösen in spätmodernen Gesellschaften ... 40

7.2 Dimensionen der Transformation des Religiösen ... 41

7.2.1 Pluralisierung und Synkretisierung ... 42

7.2.2 Verszenung und Eventisierung ... 42

7.2.3 Spiritualisierung und Ästhetisierung ... 44

7.2.4 Methodisierung und Technisierung ... 45

(5)

8 Untersuchung: „Gottesvorstellungen von Kindern einer Grazer Volksschule“ ... 45

8.1 Worterklärungen ... 45

9 Auswertung von sieben ausgewählten Kinderbildern mit Interviews ... 46

9.1 Leonie (4. Klasse): Gott mit Bart auf einer Wolke ... 46

9.1.1 Interview: Leonie... 47

9.1.2 Auswertung ... 49

9.2 Katharina (4. Klasse): Gott als Geist ... 52

9.2.1 Interview: Katharina ... 52

9.2.2 Auswertung ... 54

9.3 Paul (1. Klasse): Gott als Kopf ... 56

9.3.1 Interview: Paul ... 57

9.3.2 Auswertung ... 58

9.4 Julia (4. Klasse): Gott als Hand ... 59

9.4.1 Interview: Julia ... 60

9.4.2 Auswertung ... 61

9.5 Bianca (1. Klasse): Gott als Wolke ... 62

9.5.1 Interview: Bianca ... 62

9.5.2 Auswertung ... 63

9.6 Niklas (1. Klasse): Gott als magisches Portal ... 64

9.6.1 Interview: Niklas... 64

9.6.2 Auswertung ... 66

9.7 Valentin (1. Klasse): Gott als Toaster ... 67

9.7.1 Interview: Valentin ... 67

9.7.2 Auswertung ... 69

10 Auswertung der Hypothesen ... 71

10.1 Hypothese 1: Alle Kinder verfügen über irgendeine Art von Gottesvorstellung bzw. können diese zeichnerisch darstellen. ... 72

10.2 Hypothese 2: Bei den älteren Kindern ist eine Abnahme anthropomorpher Zeichnungen zu erkennen. ... 73

10.3 Hypothese 3: Kinder, die bereits mit Gottesbildern in Kontakt kamen, tendieren eher zu anthropomorphen Gottesdarstellungen. ... 78

10.4 Hypothese 4: Hinsichtlich der Attribuierungen sind keine geschlechtsspezifischen Unterschiede erkennbar. ... 79

(6)

10.5 Hypothese 5: Bei Bildern und Erzählungen von älteren Kindern erkennt man einen

größeren Einfluss von Seiten des Religionsunterrichts. ... 81

10.6 Hypothese 6: Vor großen Feiertagen, wie etwa Ostern, sind spezielle religiöse Symbole in den Zeichnungen eher erkennbar. ... 82

11 Resümee ... 83

12 Literaturverzeichnis ... 86

13 Abbildungsverzeichnis ... 90

14 Tabellenverzeichnis ... 90

(7)

1 EI N L E I T U N G

1.1 TH E M A U N D GE G E N S T A N D D E R UN T E R S U C H U N G

Wie sieht Gott eigentlich aus? Gibt es überhaupt einen Gott? Was macht denn Gott den ganzen Tag über? Diese und ähnliche Fragen werden mir regelmäßig während des Nachmittagsunter- richts von meinen Volksschulkindern gestellt. Jahr für Jahr, von Mädchen gleichermaßen wie von Buben. Diese Neugier der Kinder nach Gott begleitet mich schon seit meiner Ausbildungszeit zur Volksschullehrerin, und es fasziniert mich bisweilen bis heute, mit welch eigenständigen Vorstel- lungen von Gott diese so jungen Menschen mich immer wieder konfrontieren. In dieser Arbeit möchte ich mich deshalb der kindlichen Gottesvorstellung widmen, im Groben untersuchen, wie diese zustande kommt, welche Faktoren diese beeinflusst und anhand einer praktischen Unter- suchung bestehende und eigenständige Theorien nachweisen. Diese im kleinen Rahmen statt- findende Untersuchung konzentriert sich auf den Blickwinkel von Volksschulkindern. Obwohl ich mich an den Forschungen von Schreiner und Rahel1 orientiere, versuche ich diese mit eigenen Fragen und eigenen Ideen anzureichern und an meine Situation anzupassen. Bei meinen Ergeb- nissen stelle ich auch immer wieder Vergleiche mit jenen von Schreiner und Rahel an, da es für mich spannend ist, ob sich diese decken oder andere, vielleicht auch überraschende Resultate ans Tageslicht treten. Inspiriert wurde ich außerdem von Arnold/Hanisch/Orth2 und Klein3.

Die Untersuchung selbst wurde im Jahr 2012 in einer 1. und einer 4. Klasse einer Volksschule in Graz durchgeführt. Somit waren die befragten Kinder im Alter von sechs bzw. zehn Jahren. Ich habe mich bewusst für eine 1. und eine 4. Klasse entschieden, um etwaige altersbedingte Ein- flüsse auf das Gottesbild leichter feststellen zu können. Außerdem stellte ich mir im Vorfeld die Frage, ob der Religionsunterricht - den alle befragten Kinder besuchten - Einfluss auf die Gottes- vorstellung der Kinder nimmt. Die Untersuchung fand im Laufe des Sommersemesters 2012 statt.

Um bessere Vergleiche hinsichtlich der altersbedingten Einflüsse, als auch der geschlechtsbezo- genen Unterschiede anstellen zu können, wurden sowohl aus der 1. als auch aus der 4. Klasse jeweils elf Buben und elf Mädchen zur Untersuchung herangezogen. 15 der 44 an der Studie teil- nehmenden Kinder wurden kurz vor den Osterferien befragt, um eine mögliche, tendenzielle Fär-

1Martin Schreiner/Thomas Rahel: „Man weiß ja auch nicht, wie Gott in echt aussieht…“. Werkstattbericht über eine empirische Studie zu Gottesvorstellungen in der Grundschule. In: Dietlind Fischer/Albrecht Schöll (Hg.): Religiöse Vorstellungen bilden. Erkundungen zur Religion von Kindern über Bilder. Münster: Comenius-Institut 2000.

2 Ursula Arnold/Helmut Hanisch/Gottfried Orth: Was Kinder glauben. Stuttgart: Calwer 1997.

3 Stephanie Klein: Gottesbilder von Mädchen. Bilder und Gespräche als Zugänge zur kindlichen religiösen Vorstel- lungswelt. Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer 2000.

(8)

bung auf Grund der kirchlichen Feiertage herauszufiltern. Die anderen Kinder befragte ich am Ende des Schuljahres, fernab aller großen kirchlichen Feste.

Die Untersuchung wurde außerhalb des Religionsunterrichts und im Raum der Nachmittags- betreuung vollzogen. Ich wählte mir bewusst diesen Raum aus, da er - im Gegensatz zu den Klassenzimmern, in denen etwaige Rollen- und Erwartungshaltungen wirksam werden könnten - der Freizeitgestaltung der Kinder dient und somit kein Bezug zu Lernsituationen besteht.

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1.2 HY P O T H E S E N D E R UN T E R S U C H U N G

Ins Zentrum meines Interesses rückten für mich folgende Hypothesen, die ich im Rahmen meiner Untersuchung verifizieren bzw. falsifizieren wollte:

1. Alle Kinder verfügen über irgendeine Art von Gottesvorstellung bzw. können diese zeichne- risch darstellen.

2. Bei den älteren Kindern ist eine Abnahme anthropomorpher Zeichnungen zu erkennen.

3. Kinder, die bereits mit Gottesbildern in Kontakt kamen, tendieren eher zu anthropomorphen Gottesdarstellungen.

4. Hinsichtlich der Attribuierungen sind keine geschlechtsspezifischen Unterschiede erkennbar.

5. Bei Bildern und Erzählungen von älteren Kindern erkennt man einen größeren Einfluss von Seiten des Religionsunterrichts (Gott in speziellen biblischen Situationen, o.ä.).

6. Vor großen Feiertagen, wie etwa Ostern, sind spezielle religiöse Symbole in den Zeichnun- gen vermehrt erkennbar.

Die Hypothese 3 wurde gewählt, um herauszufinden, ob Kinder durch bereits gesehene Gottes- bilder beeinflusst werden. Das Bild des alten Mannes mit Bart taucht immer wieder in Gottesvor- stellungen und in bildlichen Darstellungen auf und so stellt sich die Frage, ob dieses klassische Bild von Gott sich in Kinderzeichnungen widerspiegelt.

1.3 ME T H O D I S C H E S VO R G E H E N

Als Zugänge für meine Untersuchung der Gottesvorstellung entschied ich mich für Kinderzeich- nungen und Einzelinterviews, da die zum einen unterrichts- und schulnah ansetzen und zum an- deren ich mir durch die Malsituation und den später durchgeführten Interviews einen genaueren und umfangreicheren Einblick in die Gottesvorstellung der Kinder erhoffte.

1.3.1 BE D I N G U N G S F A K T O R E N D E R MAL- U N D GE S P R Ä C H S S I T U A T I O N

Im Vorfeld der Untersuchung war mir bereits klar, dass es herausfordernd werden würde, Zugang zu den Vorstellungswelten der Kinder zu erlangen und sie in und aus ihrer Perspektive her ver- stehen zu können. Ist es als Erwachsene überhaupt möglich, einen Zugang zu den Vorstellungs- welten der Kinder zu bekommen? Kann man Kinderzeichnungen überhaupt „verstehen“? Welche Situation muss vorherrschen, damit Kinder ihre Gottesvorstellung ungestört zum Ausdruck brin- gen können?

(10)

Gerade in Untersuchungen, die mit Interviews arbeiten, kommt es häufig zu Problemen. Bei ei- nem Interview mit einem erwachsenen Gesprächspartner entsteht eine symmetrische Beziehung, während bei Gesprächen mit Kindern eine asymmetrische Beziehungsstruktur vorherrscht, die sich auf das niederschlägt, was ein Kind von sich gibt. Kinder haben einen beschränkten Wort- schatz, sie verstehen und gebrauchen andere Worte als Erwachsene. Sie sehen Erwachsene oftmals als Wissende und Erziehende, wollen in diese Welt gerne eintauchen und bemühen sich darum, deren „[…] Strukturen, Vorstellungswelt und Sprache zu begreifen.“4

Häufig geben Kinder jene Antworten, von denen sie glauben, dass sie richtig sind und dass die Erwachsenen sie hören möchten, ohne selbst den Sinn dahinter zu verstehen. Daher ist es wich- tig, dass ein angenehmes Gesprächsklima zwischen dem Erwachsenen und den Kindern be- steht, dass sich die Kinder wohlfühlen und sie Vertrauen zu den Gesprächspart- nern/Gesprächspartnerinnen fassen können. Im Rahmen des Interviews soll den Kindern das Gefühl vermittelt werden, dass sie die Experten/Expertinnen sind, dass ihre persönliche Meinung wichtig ist und alles richtig ist, was sie von sich geben.

Bereits während der Malphase werden den Kindern Fragen zu ihrem Bild gestellt. Danach folgt ein ausführlicheres Interview. Sowohl das Malen des Bildes, als auch das Interview spielen in der Datenerhebung eine wichtige Rolle und können verschiedenen Einflussfaktoren ausgesetzt sein.

Susanne Klein5 fasst die Einflussfaktoren wie folgt zusammen, ohne dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Es geht dabei nicht darum, die Einflussfaktoren zu minimieren, son- dern sie zu reflektieren und im Auswertungsprozess methodisch zu berücksichtigen.

1. Die Person, die die Erhebung durchführt: Durch die Rolle, die eine Lehrerin bzw. ein Lehrer normalerweise einnimmt, können gewisse Erwartungshaltungen bei Kindern geweckt wer- den.6 Dadurch besteht die Möglichkeit „[…] daß Kinder dann aus Hilfsbereitschaft oder aus Ulk vorführen, was der Forscher nach ihrer Meinung sehen will, wodurch die üblichen Strate- gien überdeckt werden.“7

2. Der Ort des Interviews: In Klassenzimmern oder im „Religionsunterricht können bestimmte Rollen und Erwartungshaltungen wirksam sein, durch die Kinder sich stärker an den Lerner-

4 Klein, 2000, S. 55.

5 Vgl. ebda, S. 61.

6 Vgl. ebda, S. 62.

7 Hans Oswald/Lothar Krappmann: Art. Kinder. In: Uwe Flick/Ernst von Kardorff/Heiner Keupp/Lutz v. Rosen- stiel/Stephan Wolff (Hg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendun- gen. 2. Auflage. Weinheim: Beltz 1995, S. 356.

(11)

wartungen der Lehrenden oder an hier gelernten Inhalten orientieren als an ihrer eigenen Vorstellungswelt.“8

3. Die Präsenz des Aufnahmegerätes: Durch die Arbeit mit diesem Gerät erhält die Gesprächs- situation einen „offiziellen“ und unwiderruflichen Charakter und das Kind wird aus dem Alltag

„herausgerissen“.9

4. Die Anwesenheit anderer Personen im Raum: Dies zeigt ebenfalls Wirkungen und kann eine Interviewsituation maßgeblich beeinflussen.10

5. Die biographische Situation und die momentane Stimmung der Kinder: Es kommt häufig auf die Tagesverfassung der Kinder an, ob sie sich auf ein derart persönliches Gespräch einlas- sen wollen bzw. ob sie sich zu einem ernsthaften Nachdenken motivieren lassen. „Wenn Kinder innerlich blockieren, aber doch den Anforderungen von Erwachsenen […] nachkom- men wollen, dann wird das Bild nicht als Ausdruck der eigenen religiösen Vorstellungswelt zu verstehen sein.“11 Unmittelbare Eindrücke und Wahrnehmungen während des Malens, die körperliche Verfassung, Fragen und Probleme, mit denen sich die Kinder gerade befassen, können ebenso Einfluss auf das Malen ausüben.12

6. Der Grad der Fremdheit der forschenden Person: Gegenüber fremden Personen reagieren Kinder häufig schüchtern und zurückhaltend.13

8 Klein, 2000, S. 62.

9 Vgl. ebda, S. 63.

10 Vgl. ebda, S. 63.

11 Ebda, S. 64.

12 Vgl. ebda, S. 64.

13 Vgl. ebda, S. 64.

(12)

1.3.2 DI E MA L P H A S E

Dietlind Fischer14 formuliert unterschiedlichste Gründe, warum man Bilder in eine Untersuchung mit Kindern mit einbeziehen sollte. Dies sind auch ausschlaggebende Gründe für mich gewesen, als Forschungsmittel Kinderbilder heranzuziehen.

1. Die meisten Kinder lieben es zu malen. Sie haben großen Spaß daran, mit Farben und For- men zu experimentieren und selbstständig etwas zu schaffen, ohne dabei von Erwachsenen beeinflusst zu werden.

2. Die individuelle Selbstaufmerksamkeit und Selbstartikulation sind ebenso Bereiche, die beim Malen von Bildern geschult werden und auch gezielt im Unterricht eingesetzt werden.

3. Mit „Malen“ assoziieren Kinder nichts von vornherein Religiöses, sondern sie sehen darin eher etwas Alltägliches.

4. Fällt es Kindern oft schwer, ihre Vorstellungen hinreichend zu artikulieren, können sie sie malend zum Ausdruck bringen.

5. Durch das Malen „[…] wird ein Prozess der Aneignung von Wirklichkeit und Auseinanderset- zung mit Erfahrung stimuliert, dessen Spuren im Bild als Produkt erkennbar werden.“15

6. Die gemalten Bilder können vom Kind oder von ihren Gesprächspartnern als gedanklicher

„Anker“ verwendet werden, auf den sie im Gespräch eingehen bzw. sich darauf beziehen können.

7. Das Bildermalen bezieht entwicklungspsychologische, psychoanalytische, psychomotori- sche, soziale, kognitive und emotionale Strukturierungsdimensionen mit ein. All diese Bereiche werden im Malprozess miteinander vernetzt.

8. Kinder sind nicht nur Maler von Bildern, sondern auch deren Rezipienten. In Kinderbüchern spielt die Rezeption von Bildern eine große Rolle.

9. Auch jüngere Kinder, die noch nicht lesen und schreiben können, haben durch das Malen von Bildern die Möglichkeit, sich auszudrücken.16

Um die Malsituation besser überblicken und etwaige Kommentare während des Malvorgangs op- timal berücksichtigen zu können, wurden die Kinder in Kleingruppen aus dem Klassenverband geholt und in den Nachmittagsraum gebracht. Dort wurden sie über den Hintergrund der Unter- suchung informiert. Ich bat sie um Unterstützung bei dieser Untersuchung und machte ihnen klar, dass sie die Expertinnen und Experten sind, deren Meinungen gefragt sind. Gleichzeitig machte

14 Dietlind Fischer/Albrecht Schöll (Hg.): Religiöse Vorstellungen bilden. Erkundungen zur Religion von Kindern über Bilder. Münster: Comenius-Institut 2000, S. 8 f.

15 Vgl. ebda, S. 9.

16 Vgl. ebda, S. 8 f.

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ich sie darauf aufmerksam, dass sie nichts dabei falsch machen können und dass alles, was sie zeichnen und von sich geben, mir bei meiner Arbeit hilft.

Um die Kinder zu motivieren und den Fokus auf das Thema „Gottesvorstellungen“ zu legen, wur- de als Einstieg das den Kindern bekannte Spiel „Post it“ gespielt. Dabei bekommt ein Mitwirken- der einen Zettel auf die Stirn geklebt, auf der eine bekannte Person oder ein Gegenstand ge- schrieben steht. Durch gezieltes Fragen des „Zettel-Trägers“, die nur mit „Ja“ und „Nein“ beant- wortet werden dürfen, muss dieser herausfinden, um welche Person bzw. um welchen Gegens- tand es sich handelt. Nach einer Proberunde mit einem von den Kindern vorgeschlagenen Star, wurde „Gott“ auf die Stirn eines Kindes geklebt. Schon bei der Beantwortung der ersten Fragen („Handelt es sich um einen Menschen?“„Handelt es sich um eine Frau?“ usw.) wurde deutlich, dass es nicht einfach war, hierauf eine Antwort zu finden. Den Kindern wurde in dieser Phase bereits bewusst gemacht, dass für die einen Gott andere Eigenschaften aufweist als für die ande- ren und dass jedes Kind eine andere Vorstellung von Gott besitzt.

Nach dieser Einstiegsrunde wurden die Kinder gebeten, ihre Vorstellung von Gott zu zeichnen.

Wie Schreiner/Thomas17 entschied ich mich bewusst dafür, nicht den Arbeitsauftrag „Malt Gott!“

zu geben, sondern den Kindern einige Minuten Zeit zu geben, um zu überlegen, was Gott für sie bedeutet und welche Vorstellung sie von ihm haben. Denn es ist nicht die Intention, das Ausse- hen von Gott malen zu lassen, sondern „[…] vielmehr einen situativen Ausschnitt des Gotteskon- zeptes der Kinder in einem solchen Bild zum Ausdruck kommen zu lassen.“18 Ich machte sie noch einmal darauf aufmerksam, dass es sich dabei um ihre persönliche Vorstellung handelt und es dabei kein Richtig oder Falsch gibt, auch wenn sich ihr Gottesbild gänzlich von denen der an- deren unterscheidet. Des Weiteren bat ich die Schülerinnen und Schüler, ihre eigenen Werke zu erstellen, ohne sich vom Sitznachbarn oder von der Sitznachbarin beeinflussen zu lassen. Ich stellte den Kindern Ölfarben in den Nuancen grün, braun, violett, rot, blau, orange, gelb und schwarz sowie jeweils ein Din-A3 Blatt zur Verfügung und gab ihnen ca. 30 Minuten Zeit für das Malen ihres Bildes. Während des Malvorgangs hielt ich mich im Hintergrund, um die Kinder nicht zu stören. Spontane Aussagen der Kinder hielt ich schriftlich fest, um sie im nachfolgenden Inter- view darauf anzusprechen.

17 Vgl. Schreiner/Rahel, 2000, S. 144.

18 Ebda, S. 145

(14)

1.3.3 DI E IN T E R V I E W P H A S E

Durch die Interviews sollte den Kindern die Möglichkeit gewährt werden, ihre Bilder dem Betrach- ter zu erklären. Es gehört zum Höhepunkt eines jeden Zeichenunterrichts, dass die Kinder ihre Zeichnungen dem Publikum präsentieren und dabei auch die Möglichkeit nutzen, ihre Gedanken und Ideen zu formulieren. Des Weiteren konnte ich dadurch Fragen, die sich für mich als Bet- rachterin ergaben, auf den Grund gehen und neue Erkenntnisse gewinnen. Sowohl die Kinder- zeichnungen, als auch die Interviews sind dabei nur als Momentaufnahmen und nicht als deren

„fixer Glaubensausdruck“ zu sehen. Es geht um „[…] spontane Momentaufnahmen, um einzelne Ausschnitte eines sich lebenslang im Prozess befindlichen Gotteskonzeptes, die Anlässe zur gemeinsamen Wahrnehmung und Deutung von Gottesvorstellungen durch die Lehrenden und Lernenden sein könnten.“19

Wenn man sich nach Petra Freudenberger-Lötz20 in ein Gespräch mit einem Kind einlässt und ihm aufmerksam zuhört, wird man viele Fragen (etwa nach dem Ursprung des Lebens, Fragen nach Gott, nach Gut und Böse) entdecken, aber auch feststellen, dass sich Kinder selbstständig auf die Suche nach Antworten begeben. Theologische Deutungen lassen sich in den Kinderant- worten finden, wenn es zum Beispiel um das Thema der Vorstellung von Gott geht oder etwa die Vorstellung von der Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Oftmals verwenden Kinder biblische Geschichten als Deutungshilfen. Hier gilt es besonders, die Fähigkeit der Kinder über die „Reflexion ihres Glaubens“ zu unterstützen. „Es ist das zentrale Anliegen theologischer Ge- spräche mit Kindern, die Fragen der Kinder sowie ihre Deutungen wahrzunehmen, ernst zu neh- men, aufzugreifen und zu fördern.“21

Noch am selben Tag führte ich mit den Kindern Einzelinterviews durch. Wie Schreiner/Rahel22 entschied ich mich für ein semi-strukturiertes Interview, um die Kinder nicht zu irritieren und um eine natürliche und ungezwungene Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Die Kinder sollten die Möglichkeit bekommen, möglichst frei zu erzählen. Ihre Meinung sollte im Mittelpunkt stehen. Um dem Interview eine Struktur zu geben und um es mit den anderen Interviews besser vergleichen

19 Schreiner/Rahel, 2000, S. 144.

20 Vgl. Petra Freudenberger-Lötz: Theologische Gespräche mit Kindern. In: Friederike Heinzel/Argyro Panagiotopou- lou (Hg.): Qualitative Bildungsforschung im Elementar- und Primärbereich. Entwicklungslinien und Forschungsbefun- de. Hohengehren: Schneider 2010, S. 107 f.

21 Ebda, 2010, S. 108.

22 Schreiner/Rahel, 2000, S. 144 f.

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zu können, stellte ich folgenden Leitfragebogen zusammen, der dem von Schreiner/Rahel23 äh- nelt, dem ich aber eigene Fragen hinzufügte, welche für mich wichtig erschienen.

1. Erzähl mir, was du gemalt hast.

2. Wolltest du dein Bild genau so malen, oder gibt es etwas, was du gerne gemalt hättest, aber bei dem du dir dachtest, das kann man gar nicht malen?

3. Glaubst du, gibt es überhaupt einen Gott?

4. Was weißt du noch über Gott? Was macht Gott? Welche Aufgaben hat er?

5. Hast du schon einmal irgendwo anders Bilder von Gott gesehen? Wo hast du sie gesehen und wie sahen sie aus?

6. Redet ihr zu Hause über Gott? Mit wem sprichst du dann über ihn?

7. Denkst du manchmal an Gott?

8. Wie fühlst du dich, wenn du an Gott denkst?

9. Sprichst du manchmal auch mit Gott?

Die Fragen 1, 2, 4, 5 und 7 decken sich mit jenen von Schreiner/Thomas24. Die weiteren Frage- stellungen wurden hinzugefügt, um zusätzliches Hintergrundwissen von den Kindern zu erhalten.

So war es spannend herauszufinden, ob das Thema Gott für die Kinder auch zu Hause eine Rol- le spielt, ob darüber im Familienverband gesprochen wird und ob ein Kind vielleicht in irgendeiner Art und Weise zu Gott spricht.

Zusätzlich zu den Fragen bekamen die Kinder die Möglichkeit, selbst ihre Meinungen kund zu tun und eigene Ideen sowie für sie Wichtiges zu formulieren. Gerade bei der ersten Frage, die auch am Beginn jedes Interviews stand, nahm ich mir viel Zeit, um mit den Kindern über ihr Bild aus- führlich zu sprechen, Bedeutungen und Unklarheiten zu klären. Um besser darauf eingehen zu können, lag während des gesamten Gesprächs das jeweilige Bild in der Mitte des Tisches. Mir war es wichtig, die eigenen Gedanken und Deutungsansätze des Kindes zu seinem Bild zu erfah- ren, die ich dann in der Auswertung berücksichtigen konnte. Außerdem konnte ich durch geziel- tes Nachfragen eine eigene Fehlinterpretation vorbeugen.

Da es für manche Kinder einfacher ist, ihre Gedanken in Worte zu fassen, als sie zeichnerisch darzustellen, war mir die zweite Frage sehr wichtig. Außerdem kann „[…] die zeichnerische Be- grenzung auf ein zweidimensionales Blatt Papier möglicherweise den Ausdruck eines lebendi- gen, bewegungs- und beziehungsreichen Gottesbildes“25 behindern. Bei dieser Frage haben die

23 Schreiner/Rahel, 2000, S. 146.

24 Vgl. ebda, S. 145.

25 Ebda, S. 145.

(16)

Kinder die Möglichkeit, Schwierigkeiten zu äußern. Die dritte Frage erscheint vielleicht etwas di- rekt, aber ich war gespannt darauf, ob es für die Kinder möglich ist, mit einem klaren „Ja“ oder einem klaren „Nein“ zu antworten. Die vierte Frage war dazu da, einen Einblick in das religiöse Wissen der Kinder zu erlangen. Mit Hilfe der fünften und der sechsten Frage wurden Antworten erwartet, die etwas über die religiöse Sozialisation und den Einfluss auf das Gotteskonzept der Kinder verraten. Die letzten drei Fragen sollten Aufschluss über das persönliche Verhältnis der Kinder zu Gott geben. Um dem Verlauf des Interviews konzentriert folgen zu können, wurde das Gespräch für eine spätere Transkription mit Hilfe eines Aufnahmegerätes protokolliert.26

2 EM P I R I S C H E KI N D E R B I L D F O R S C H U N G: EI N ÜB E R B L I C K

Im Laufe des letzten Jahrhunderts wurden immer wieder Untersuchungen durchgeführt, in denen Kinder und Jugendliche ihre Vorstellungen von Gott zeichnerisch auf das Papier bringen sollten.

Diese Zeichnungen wurden ausgewertet und kategorisiert, mit dem Ziel, Tendenzen und Ge- setzmäßigkeiten einer religiösen Entwicklung bei Kindern zu ermitteln. Auf fünf Untersuchungen, die für meine Arbeit interessant erscheinen, möchte ich im Folgenden näher eingehen.

2.1 ER N E S T HA R M S

Bereits im Jahr 1944 wurden die Untersuchungsergebnisse von Ernest Harms27 veröffentlicht. Er spricht davon, dass religiöse Erfahrungen nicht hinreichend verbalisiert werden können und somit einer bildlichen oder symbolischen Darstellung erfordern. Daher berücksichtigte er in seinen Un- tersuchungen nicht, was Kinder und Jugendliche über Gott sagten, sondern vielmehr welche Vorstellungen von Gott sie zeichnerisch darstellten.28

Tausende amerikanische Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 3 und 18 Jahren bekamen von Harms den Auftrag, sich Gott vorzustellen und nach einer kurzen Überlegungsphase diese Erkenntnisse malerisch auf Papier zu bringen. Das Ziel war es, „[…] allgemeine Gesetzmäßigkei- ten über die Entwicklung der Gottesvorstellungen von Kindern und Jugendlichen herauszufin- den.“29

26 Vgl. Schreiner/Rahel, 2000, S. 145.

27 Ernest Harms: The development of religious experience in children. In: American Journal of Sociology. Chicago:

University of Chicago Press 1944, S. 112 ff.

28 Vgl. ebda, S. 112 f.

29 Helmut Hanisch: Die zeichnerische Entwicklung des Gottesbildes bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart: Calwer 1996, S. 21.

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Harms teilte die Probanden daraufhin in die drei Entwicklungsstufen: Märchenstufe, realistische Stufe und individualistische Stufe. Er verzichtete dabei jedoch auf eine strenge statistische Aus- wertung. Durch seine Untersuchung wurde deutlich, dass religiöse Entwicklungsstufen bei Kin- dern auftreten.

Jüngere Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren sehen Gott als „Märchenfigur“, die hauptsächlich anthropomorphe Züge aufweist. In der nächsten Stufe wird das Gottesbild realistischer, in der die Abbildungen religiöser Symbole zunehmen. Die Kinder werden in ihrer emotionalen Entwicklung reifer und es gelingt ihnen leichter, religiöse Vorstellungen zu fassen und in größere Zusammen- hänge einzuordnen. Umwelteinflüsse und die innere Entwicklung sorgen dafür, dass sich die Kin- der zunehmend der Realität zuwenden. In diese Stufe fallen Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren.

Darauf folgt die dritte Stufe (Kinder und Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren), in der ver- stärkt symbolische Vorstellungen zum Tragen kommen. Konventionen spielen dabei eine große Rolle, und vertraute religiöse Grenzen werden ausgeweitet.30

2.2 HE R M A N N SI E G E N T H A L E R

Erst Anfang der 80er Jahre tauchten im deutschsprachigen Raum erstmals Untersuchungen zu Gottesvorstellungen in Kinderbildern auf. Sie wurden schwerpunktmäßig quantitativ durchgeführt und waren an pädagogischen und entwicklungspsychologischen Fragen interessiert.31

Hermann Siegenthaler32 beschäftigte sich ebenso damit und hat diese Thematik auf Basis C.G.

Jungs Tiefenpsychologie interpretiert. Seine Stichprobe war - im Gegensatz zu jener von Harms - auf ca. 350 Zeichnungen begrenzt, wobei es keine Angaben dazu gibt, wie sich die Zeichnungen genau auf die Altersstufen verteilen. Außerdem verzichtete er in seiner Untersuchung auch auf statistische Nachweise. Bevor die Kinder ihre Gottesvorstellung auf das Papier bringen sollten, wurden sie mit folgendem Text aus Gen 39 „Joseph in Potiphars Haus“ konfrontiert:

„Joseph berief sich, wie der Bericht schildert, auf seinen Gott, der ihm verbiete, 'solch ein Unrecht zu begehen'. Darauf fragte die Frau: Wer ist denn dein Gott, erzähle mir doch von ihm, damit ich dich verstehe. Joseph begann seine Gottesvorstellung zu schildern.“33

30 Vgl. Harms, 1944, S. 115 ff.

31 Vgl. Klein, 2000, S. 48.

32 Vgl. Hermann Siegenthaler: Die Entwicklung des Gottesbildes bei Kindern und Jugendlichen. In: entwurf, hg. von der Fachgemeinschaft evangelischer Religionslehrer in Württemberg und vom Fachverband evangelischer Religions- lehrer Baden e. V. 3/1980, S. 3 ff.

33 Vgl. ebda, S. 6.

(18)

Siegenthaler kam nach Auswertung der Kinderzeichnungen zu folgenden Schlüssen:

Die Gruppe der 5- bis 8-jährigen sehen Gott als Schöpfer im Himmel, als Beschützer und Bewa- cher des Menschen. Jedoch befindet sich in ihrer Vorstellung der Himmel „oben“ und die Erde

„unten“. Sie versuchen Vermittlungshilfen, wie etwa Leitern, Engel, Regenbogen, usw. einzuset- zen, um die Barriere zu überwinden.34

Kinder im 8. und 9. Lebensjahr sehen Gott realistischer. So „[…] erscheinen in den Gottesdarstel- lungen Qualitäten, die der erlebten Wirklichkeit entliehen sind.“35 Priester und Kultgegenstände wurden vermehrt gezeichnet, ebenso wie symbolische Darstellungen von Gott. Diese betreffen besonders das Auge und die Hand Gottes. Siegenthaler erklärt diese Entwicklungsstufe damit, dass Kindern in dieser Phase bewusst wird, dass Gott unsichtbar ist und es daher nicht möglich ist, ihn zu zeichnen.36 Dies könnte jedoch auch mit der Denkentwicklung der Kinder zu tun haben, da diese sich langsam von der konkret-operatorischen Phase lösen.37

Die 10- bis 12- jährigen stellten Gott anthropomorph dar. Sie sahen Gott als Schöpfer, als Rich- ter, als Beschützer usw.38 Dieses Forschungsergebnis steht im Gegensatz zu jenen von Harms und Bucher, in deren Berichten von einem Übergang von der anthropomorphen Gottesdarstel- lung zur nicht-anthropomorphen die Rede ist.39

Ab dem 12./13. Lebensjahr werden bei der Frage nach Gott abstrakte Symbole verwendet. Sie- genthaler geht in seinem Bericht nicht näher darauf ein, um welche Symbole es sich hier konkret handelt. Es wird einigen Zeichnern in dieser Altersgruppe jedoch bewusst, dass bei der Frage nach Gott keine allgemeingültige Antwort möglich erscheint.40

Im Jugendalter, also ab dem 16. Lebensjahr, wird Gott nach Siegenthaler41 als Ordnungsprinzip wahrgenommen. Weiters wird die Jesusfigur als Vermittler zwischen Gott und den Menschen zum Thema.

34 Vgl. Siegenthaler, 1980, S. 7.

35 Ebda, S. 7.

36 Vgl. ebda, S. 7.

37 Vgl. Rolf Oerter/Leo Montada (Hg.): Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch, 2. München/Weinheim: Beltz 1987, S.

427 ff.

38 Vgl. Siegenthaler, 1980, S. 7.

39 Vgl. Anton A. Bucher: Gottesbilder von Kindern. In: Praxis. Katechetisches Arbeitsblatt 6/1991, S. 16.

40 Vgl. Siegenthaler, 1980, S. 7.

41 Vgl. ebda S. 7.

(19)

Wie bei Harms gibt es bei Siegenthaler eine konkrete Entwicklungsstufe bei Kindern und Jugend- lichen. Bestehen die Kinderzeichnungen zuerst aus anthropomorphen Darstellungen, werden diese im zunehmenden Alter von Symbolen abgelöst. Unterbrochen wird dieser Entwicklungs- schritt im 10. bis 12. Lebensjahr, wo es wieder zu einem Rückfall in anthropomorphe Darstellun- gen kommt. Danach treten jedoch wieder formal abstrakte Symbole auf. Eine Erklärung für die- sen „Zwischenschritt“ findet sich bei Siegenthaler nicht.42

2.3 AN T O N A. BU C H E R

Im Vergleich zu Harms und Siegenthaler ist das Vorgehen von Anton A. Bucher43 bei seiner Un- tersuchung besser dokumentiert.

Er stellte folgende drei Kernhypothesen auf:

„1. Aufgrund früherer Untersuchungen […] war anzunehmen, dass sich in der untersuchten Al- tersgruppe (8 bis 11 Jahre) signifikant […] häufiger konkret-anthropomorphe Gottesbilder als so- genannte 'vergeistigte' oder 'abstrakte' finden lassen.

2. Es sind keine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen hinsichtlich der zeichnerischen Entwicklung des Gottesbildes festzustellen.

3. In der älteren Gruppe der Stichprobe ist mit signifikant mehr nicht-anthropomorphen Gottes- vorstellungen zu rechnen als in der jüngeren.“44

Untersucht wurden 223 Schulkinder im Alter von 8 bis 11 Jahren. Darunter befanden sich 113 Jungen und 110 Mädchen.

42 Hanisch, 1996, S. 26.

43 Vgl. A. A. Bucher: Bibelpsychologie. Psychologische Zugänge zu biblischen Texten. Stuttgart/Berlin/Köln: Kohl- hammer 1992, S. 118 ff.

44 Bucher, 1991, S. 4.

(20)

Konkret sah die Altersverteilung wie folgt aus, wobei die Anteile der Jungen und Mädchen in den einzelnen Altersstufen gleichmäßig verteilt waren45:

8 Jahre 9 Jahre 10 Jahre 11 Jahre

12 (5,3 %) 83 (37,2 %) 113 (50,7 %) 15 (6,7 %)

TABELLE 1:ALTERSVERTEILUNG

Die Hypothese 1 ließ sich verifizieren. 82 % der Jungen und Mädchen bevorzugten anthropo- morphe Darstellung.46 72 % der Kinder stellten Gott als Mann dar, während überraschenderweise 17 Kinder das Motiv Gott als Frau wählten.47

Auch die Hypothese 2 konnte bestätigt werden, da nur ein äußerst geringer Unterschied zwi- schen den Darstellungen von Jungen und den Darstellungen von Mädchen festzustellen war.

Jungen Mädchen

anthropomorph 93 91

nicht-anthropomorph 20 19

TABELLE 2:GESCHLECHTSSPEZIFISCH E UNTERSCHIEDE

Es gab jedoch einen bedeutenden Unterschied bei der Bestimmung des „göttlichen Geschlechts“.

Alle Bilder, in denen Gott als Frau dargestellt wurde, stammen von Mädchen. 48

Bei der Untersuchung zur dritten Hypothese stellte sich wie erwartet heraus, dass es zu einem Rückgang der anthropomorphen Gottesdarstellungen im zunehmenden Alter kommt. Als Symbo- le wurden die Natur, Beziehungen zwischen Menschen, die Kirche, das Licht und das Trinitäts- symbol gewählt. Ähnlich wie bei Siegenthaler, nur zeitlich verschoben, kommt es bei den Neun- jährigen jedoch wieder zu einem kurzen „Rückfall“, in dem menschliche Darstellungen gezeichnet wurden.49

45 Vgl. Hanisch, 1996, S. 27.

46 Vgl. ebda, S. 27.

47 Vgl. ebda, S. 27.

48 Vgl. ebda, S. 27

49 Vgl. ebda, S. 27 f.

(21)

2.4 H

ELMUT

H

ARNISCH

Bezugnehmend auf die Ergebnisse von Harms, Siegenthaler und Bucher führte Helmut Har- nisch50 eine Untersuchung mit 1471 Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 16 Jahren durch. Die 666 Jungen und 805 Mädchen besuchten alle den Religionsunterricht im Kirchenbe- zirk Heidenheim in Baden-Württemberg/Deutschland.

Folgende Hypothesen sollten in der Untersuchung verifiziert oder falsifiziert werden:

„1. Die Entwicklung der Zeichnungen erfolgt kontinuierlich. Mit zunehmendem Alter treten an die Stelle anthropomorpher Darstellungen nicht-anthropomorphe.

2. Unterschiede im Hinblick auf die entwicklungsbedingte Abnahme anthropomorpher Darstel- lungen sind zwischen Jungen und Mädchen nicht feststellbar.

3. Die Gottesbilder der Kinder und Jugendlichen zeigen eher einen freundlichen als einen bö- sen oder aggressiven Gott.

4. Die Darstellungen der Probanden zeigen in erster Linie traditionelle religiöse Inhalte, die sie von zu Hause, aus dem Religionsunterricht bzw. aus dem Gemeindeleben kennen.

5. Die Zeichnungen weisen alterstypische Bildinhalte auf. Dies bedeutet, dass sich bestimmte anthropomorphe und symbolische Motive einzelnen Altersstufen zuordnen lassen.

6. Die Zeichnungen der Jugendlichen enthalten sowohl Motive, die der kirchlichen Tradition entstammen, als auch Motive, die auf eigenständige religiöse Erfahrungen zurückgehen.“51

Wurden bei den Untersuchungen von Harms, Siegenthaler und Bucher nur die Kinderzeichnun- gen interpretiert, ohne die Probanden zusätzlich zu befragen, so gaben hier manche Kinder und Jugendliche Kommentare ab, die entweder den Bildinhalt erläutern sollten, weiterführende Ge- danken oder kritische Fragen enthielten. Diese Texte wurden bei der Interpretation der Bildaus- sagen berücksichtigt.52

Nach Abschluss und Auswertung der Umfrage kam Hanisch zu folgenden Ergebnissen:

Die Hypothese 1 ließ sich aufgrund der Untersuchungsergebnisse nur teilweise bestätigen. Bei den Jungen zeigte sich im 9. Lebensjahr ein Anstieg anthropomorpher Zeichnungen, welcher

50 Vgl. Hanisch, 1996, S. 30 ff.

51 Vgl. ebda, S. 31.

52 Vgl. ebda; S. 31.

(22)

dann schließlich im 10. Lebensjahr wieder in einen Rückgang mündete. Auch im 13. und 15. Le- bensjahr lassen sich solche „Sprünge“ erkennen.53

Die zweite Hypothese ließ sich auch nicht verifizieren. Die Mädchen zeichneten im Durchschnitt aller Altersgruppen um 9 % mehr symbolische Gottesbilder. So sind diese Unterschiede ab dem 9. Lebensjahr auffallend hoch. Das Zahlenverhältnis ist im 7. und 8. Lebensjahr jedoch umge- kehrt.54

Die Hypothese 3 ließ sich bestätigen, wenn man davon ausgeht, dass „[…] u. a. die Attribuierun- gen Gottes mit ausgebreiteten Armen, helfend oder schützend, eingeschränkt Gott mit Erde und die symbolischen Darstellungen Gott als Hand, als Sonne, als Hirte, als Burg, als Hülle um die Erde, als Gemeinschaftserfahrung und als biblische Geschichte mit den Motiven des verlorenen Sohnes und des barmherzigen Samariters auf einen freundlichen und gütigen Gott hinweisen“55, dann lässt sich statistisch nachweisen, dass die Probanden eine positive Vorstellung von Gott inne haben. Die Zahl jener, die Gott eher „[…] als distanziertes, kritisches oder skeptisches We- sen […]“56 wahrnehmen, ist gering.

Hinsichtlich der vierten Hypothese lassen sich in den Kinder- und Jugendzeichnungen immer wieder Motive finden, die Parallelen zu biblischen Texten und Liedern aufweisen, die den Kindern und Jugendlichen vermutlich aus dem Religionsunterricht bekannt sind. Es kann festgestellt wer- den, „[…] dass die Kinder und Jugendlichen mit wenigen Ausnahmen traditionelle religiöse Bild- motive verwenden, die vermutlich durch ihre religiöse Sozialisation und Erziehung vermittelt sind.“57

Die fünfte Hypothese lässt sich nur bedingt verifizieren, da die Untersuchungsergebnisse nur vereinzelt alterstypische Zusammenhänge aufweisen. So zeigen sich Attribuierungen wie etwa

„Gott als Mann“, „Gott als Geist“, „Gott mit Erde“, „Gott mit Heiligenschein“ usw. in beinahe allen Altersgruppen. Das Motiv „Gott als Frau“ zeigt sich nur in der Gruppe der 7-jährigen Mädchen und die Motive „Gott mit Engeln“ (10 bis 13 Jahre), „Gott mit Kreuz“ (11 bis 13 Jahre), „Gott mit Krone“ (8, 9, 11 und 12 Jahre), „Gott auf einem Thron“ (9 und 11 Jahre), „Gott als Sonne“ (10 bis

53 Vgl. Hanisch, 1996, S. 94 f.

54 Vgl. ebda, S. 95 f.

55 Ebda, S. 96.

56 Ebda, S. 96.

57 Ebda, S. 98.

(23)

13 Jahre), „Gott als Hirte“ (11 und 12 Jahre) und „Gott als biblische Geschichte“ (11 und 12 Jah- re) lassen auf alterstypische Tendenzen schließen.58

Hinsichtlich der sechsten Hypothese konnte Hanisch keine Motive aus anderen Religionen in den Kinder- und Jugendzeichnungen finden. Die gezeichneten Symbole entstammen, mit wenigen Ausnahmen, zum größten Teil biblischen Aussagen oder der kirchlichen Tradition, wie zum Bei- spiel die Hand, die Sonne, das Auge, die Kirche, der Regenbogen.59

Bei den quantitativ angesetzten Forschungen blieben Fragen offen und es zeigten sich Schwie- rigkeiten. Neben den Problemen des Abmalens, des Austauschens der Kinder, des Einflusses der Unterrichtssituation und der anwesenden Lehrpersonen kam es zu Problemen bei der Inter- pretation der Daten: „Wie kann von der Häufigkeit bestimmter Bildelemente, etwa bestimmter Farben und Symbole, auf die Vorstellungswelt der Kinder geschlossen werden? Wie lassen sich die gefundenen Häufigkeitsverteilungen adäquat deuten?“60 Aus diesem Grund ließ man ab den 90er Jahren der qualitativen Forschung mehr Interesse zukommen.

2.5 MA R T I N SC H R E I N E R/TH O M A S RA H E L

Dazu zählt die Untersuchung von Martin Schreiner und Thomas Rahel aus dem Jahr 199861, eine für meine Arbeit wichtige Untersuchung, die mich mit ihrem methodischen Ansatz und wissen- schaftlichen Intentionen inspiriert hat. Ihre Arbeit wurde in einem Sammelband62 veröffentlicht, in dem praktische Theologen und Religionspädagogen den Zugang der Religiosität von Kindern er- forschten. „Gemeinsamer Ausgangspunkt war, daß die Kinder als Subjekte ihrer Religiosität und ihrer Bildungsprozesse in den Blick kommen und die Situationsbedingungen und Prozesse des Malens reflektiert werden sollten.“63

Martin Schreiner und Thomas Rahel beziehen sich in ihrer Untersuchung auf die Forschungen von Arnold/Hanisch/Orth64 und Orth/Hanisch65, in denen die Kinder neben dem Malen von Men-

58 Vgl. Hanisch, 1996, S. 99.

59 Vgl. ebda, S. 100.

60 Klein, 2000, S. 49.

61 Vgl. Schreiner/Rahel, 2000, S. 143 ff.

62 Vgl. Ulrich Schwab: „Gott ist eine Schwalbe, Mama ein Hund und ich bin der Schmetterling“. Die Religiosität von Kindern im sozialen Kontext der Familie verstehen. In: Fischer/Schöll, 2000, S. 79 ff.

63 Klein, 2000, S. 50.

64 Vgl. Arnold/Hanisch/Orth, 1997.

(24)

schen- und Gottesbilder auch darüber erzählten, Aufsätze schrieben und Metapherübungen machten. Zusätzlich wurden die Kinder anhand eines Leitfadens einzeln interviewt.66

Für Schreiner und Rahel waren folgende Fragen für die Untersuchung ausschlaggebend:

1. „Verfügen die ausgewählten Kinder überhaupt über Vorstellungen von Gott, die sie in einem Bild auszudrücken vermögen?

2. Welche Attribuierungen Gottes werden in den Bildern deutlich, die möglicherweise auf gene- ralisierende oder altersspezifische Tendenzen verweisen?

3. Inwiefern korrelieren die Gottesbilder der Kinder mit dem religiösen Wissen aus der Schule oder dem sozialen beziehungsweise kirchlichen Kontext?

4. Lässt sich aus den Bildern der Kinder möglicherweise ein intuitiv-naives Gotteskonzept mit ganz individuellen Gottesvorstellungen ablesen?“67

57 Schüler und Schülerinnen im Alter von 6 bis 10 Jahren nahmen an dieser Untersuchung teil.

Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Forschungsarbeiten wurden hier die Kinder nicht nur dazu angehalten, ihre Vorstellungen von Gott zu zeichnen, sondern es fanden im Anschluss dar- an ausgewählte Einzelinterviews statt, in denen die Kinder die Möglichkeit hatten, ihre Zeichnun- gen zu erläutern und ihre Gedanken zu diesem Thema mitzuteilen. Weiters sollte durch die Inter- views „[…] die Beziehung von bildnerischer Produktion und Selbstdeutung der Kinder als Zu- gangsmethode erprobt werden.“68

Die Untersuchung ließ sich in zwei Phasen unterteilen: Die kurze Einführung und das Zeichnen der Gottesbilder sowie das Interview anhand eines Leitfadens. Zusätzlich dazu wurden die Kom- mentare der Kinder im Malprozess berücksichtigt und in die Untersuchung mit einbezogen.69

Nach Auswertung der Untersuchung können die oben genannten Fragen wie folgt beantwortet werden:

1. Alle 57 Kinder verfügen über eine Gottesvorstellung und sie waren dazu im Stande, ihre Vor- stellung von Gott zeichnerisch festzuhalten.

65 Vgl. Gottfried Orth/Helmut Hanisch: Glauben entdecken –Religion lernen. Stuttgart: Calwer 1998.

66 Vgl. Klein, 2000, S. 49.

67 Schreiner/Rahel, 2000, S. 144.

68 Ebda, S. 144.

69 Ebda, S. 144.

(25)

2. Es war nur bedingt möglich, spezielle Attribuierungen Gottes abzulesen, die auf generalisie- rende oder altersspezifische Tendenzen verweisen. Es kann jedoch von übergeordneten Tendenzen gesprochen werden, die bei der Analyse der Untersuchung beobachtet werden konnten, wie etwa Gott auf einer Wolke bzw. im Himmel (bei 37 von 57 Zeichnungen). Die Vorstellung „Gott als alter Mann mit Bart“ tritt erst ab der 3. Klasse auf, während zuvor Gott eher als junger Mann ohne Bart dargestellt wird. Auch kann man aus den Bildern, aber auch aus den Interviews der Kinder herauslesen, dass Gott in ihrer Vorstellung freundlich, helfend und behütend ist.

3. Die Frage nach der Korrelation der Gottesbilder der Kinder mit dem religiösen Wissen aus der Schule oder dem sozialen bzw. kirchlichen Kontext kann mit „Ja“ beantwortet werden, da in vielen Gottesbildern klar zu erkennen war, dass hier die religiöse Sozialisation prägend war. Rahel und Schreiner kamen jedoch durch die Analyse einzelner gewählter Bilder und durch die Interviews zu dem Schluss, dass die Kinder ihr religiöses Wissen durch eigene Vorstellungen und Erfahrungen bereicherten und dadurch ein individuelles Gottesbild entwi- ckelten.

4. Jedes Kind, das an der Untersuchung teilgenommen hatte, brachte ein eigenes, ganz indivi- duelles Gottesbild hervor.70

3 B EGRIFFLICHKEITEN

3.1 GO T T

Da es in dieser Arbeit um die Gottesvorstellung von Kindern geht, ist es wichtig, den Begriff Gott auf seine Bedeutung hin zu untersuchen. Eine zufriedenstellende Definition über Gott zu finden stellt sich als schwierig heraus. Im strengen Sinn ist dies auch nicht möglich, da weder Oberbegriff noch Äquivalent, die maßgebend für einen Definitionsversuch wären, vorhanden sind. Trotzdem ist es wichtig festzustellen, was man meint, wenn man von „Gott“ spricht.

In der Literatur lassen sich einige Beschreibungsversuche im weitesten Sinne finden.71 So ist Gott nach Anselm von Canterbury „etwas, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“.72 Das Problem in dieser Definition ist jedoch, dass es eine subjektive Entscheidung eines Jeden ist, ob man sich etwas vorstellen kann, das größer als Gott ist.

70 Vgl. Schreiner/Rahel, 2000, S. 170 f.

71 Vgl. Michael Fricke: Von Gott reden im Religionsunterricht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 72.

72 Anselm von Canterbury, zitiert nach Fricke, 2007, S. 72.

(26)

Martin Luther lässt sich im Großen Katechismus zu folgender Definition hinreißen: „Worauf du dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich dein Gott.“73 Diese Beschreibung könnte ebenso gut für einen anderen Menschen oder auch für einen Abgott, einen Götzen, passen. Da- her kann auch diese Definition nicht als zufriedenstellend angesehen werden.

Nach Friedrich Schleiermacher ist Gott das „Woher unseres empfänglichen und selbsttätigen Da- seins“74 und nach Paul Tillich „der Grund des Seins“.75

Auch bei diesen Definitionen verbergen sich Schwierigkeiten. So stellt sich zum Beispiel die Fra- ge, ob das „Woher“ räumlich oder zeitlich zu verstehen sei. Wäre beides der Fall, so wäre Gott ein endliches Wesen.76

Keine dieser Definitionen scheint ausreichend zu sein. Nach Wilfried Härle77 solle eine genauere Beschreibung des Gottesbegriffs folgende inhaltliche Aspekte beinhalten: Man sollte Gott nicht als transzendierbar ansehen. Weiters sollte „[…] die unbedingte Bedeutung Gottes für das menschliche Dasein […]“ betont werden und die „[…] daseinskonstitutive Beziehung Gottes zu allem welthaft Seienden […]“ unterstrichen werden.78

3.2 GL A U B E N U N D RE L I G I O S I T Ä T

Zwischen den beiden Begriffen Glauben und Religiosität kann unterschieden werden, wobei es jedoch zu Überschneidungen kommt. In der christlichen Tradition wird seit Augustus (De Trin.

13,2 u.a.) „[…] zwischen dem Inhalt des Glaubenssystems, also dem, woran geglaubt wird (‚fides quae creditur‘), und dem Akt des Glaubens, dem existentiellen Vollzug (‚fides qua creditur‘) un- terschieden.“79 Der Glaube wurde schon immer als Gabe Gottes begriffen und ist unabhängig von Bibelkenntnissen und intellektuellen Fähigkeiten.

73 Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, hg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. 11. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck 1992, S. 560.

74 Friedrich Schleiermacher: Der christliche Glaube. New York/Berlin: De Gruyter 1960, S. 28.

75 Paul Tillich: Systematische Theologie Bd. 1, 3., überarbeitete Auflage. Stuttgart: Evangelisches Verlagswerk 1956, S. 273.

76 Vgl. Fricke, 2007, S. 73.

77 Wilfried Härle: Dogmatik, 2. Auflage. Berlin/New York: De Gruyter 2000, S. 212.

78 Härle, 2000, S. 212.

79 Klein, 2000, S. 24.

(27)

Der Begriff „Religiosität“ kann nach Stephanie Klein weitgefasst als „[…] die (Rück-)bezüglichkeit zur Transzendenz verstanden werden, als ‚religare‘, was so viel heißt wie an- oder zurückbinden.

Sie ist die Frage nach dem Sinn, nach dem, was dem Leben und dessen Prozessen zugrunde liegt, nach dem, was sich rational nicht aufrechnen lässt.“80

Demnach kann jeder Mensch als religiös bezeichnet werden. Aber was ist mit jenen Menschen, die explizit sagen, dass sie keine Religiosität besitzen, denen jedoch ebenso die oben erwähnten Fragen durch den Kopf gehen?

Religiosität könnte eng gefasst auch als die Beziehung vom Menschen zu Gott beschrieben wer- den. Jedoch gibt es Religionen, in denen diese Beziehung nicht von Bedeutung ist. Jacques Waardenburg (1993) hat sich mit dem Thema Religiosität auseinandergesetzt und vertritt die Auf- fassung, „[…] dass es nicht bestimmte Tatsachen bzw. Systeme sind, die an und für sich religiös sind, dass es also nicht an und für sich religiöse Erscheinungen und Religionen gibt, sondern dass es die Deutungen, die Interpretationen sind, welche die Tatbestände und Systeme ‚religiös‘

machen. Derselbe Tatbestand oder dasselbe System kann für den einen, in einer bestimmten Kultur oder Situation, eine religiöse Bedeutung haben und für den anderen, in einer anderen Kul- tur oder Situation, nicht. Wissenschaftlich gesehen gibt es keine Tatbestände, Phänomene oder Systeme, die an und für sich religiös sind.“81 Ein gezeichnetes Kreuz oder ein Rosenkranz be- deuten also nicht automatisch, dass Kinder eine Religiosität besitzen. „Es kann auch Ausdruck kindlicher Anpassungsleistung an eine vermutete Erwartungshaltung sein.“82 Will man herausfin- den, wie es mit der Religiosität einzelner Kinder bestellt ist, so muss man „[…] danach Ausschau halten und das nachvollziehen, wie ein Kind Dinge und Erlebnisse deutet.“83

80 Klein, 2000, S. 24.

81 Jacques Waardenburg, zitiert nach Klein, 2000, S. 25.

82 Klein, 2000, S. 25.

83 Ebda, S. 25.

(28)

4 K ÖNNEN K INDER ÜBERHAUPT EINEN G LAUBEN BESITZEN ?

Nach Waardenburg existiert eine kindliche Religiosität. Aber existiert auch ein kindlicher Glaube?

Wenn es nach Karl Barth und Rudolf Bultmann u. a. geht, ist Glaube „[…] Erwachsenenglaube, d.

h. eine bewusste Antwort auf das Evangelium, mit anderen Worten ‚Entscheidung‘, die neu ak- tualisiert werden muss.“84

Auch Kierkegaard konnte sich nicht vorstellen, dass Kinder im Sinne des Neuen Testaments ei- nen Glauben besitzen: „Für das Christentum der ‚Christheit‘ dreht sich alles darum, den Satz festzuschlagen: Man wird Christ als Kind; soll man richtig Christ werden, muss man als Kind wer- den, von Kind auf. Das ist die Grundlüge; dringt sie durch, dann gute Nacht […] Die Wahrheit ist:

Man kann nicht Christ werden als Kind, das ist ebenso unmöglich, wie es für ein Kind unmöglich ist, Kinder zu zeugen. Das Christwerden setzt (nach dem Neuen Testament) ein persönliches Bewusstsein der Sünde und von sich selbst als Sünder voraus. Da sieht man leicht, dass all dies mit dem Christwerden als Kind, ja dass man es gerade als Kind werden müsse, nicht mehr und nicht weniger als Gefasel ist …“85

J. J. Rousseau hält ebenso nichts davon, „[…] wenn man gedankenlosen und sprachlosen Kin- dern einen Glauben zueignen“86 möchte.

Die einen Kritiker meinen, dass ein echter Glaube von Kindern nicht möglich ist, da die Vernunft

„[…] unabdingbare Voraussetzung für den Glauben ist.“87 Andere meinen wiederum, dass den Kindern die selbstständige Entscheidungsfähigkeit, eine wichtige Basis für den Glauben, fehlt.

Friedrich Schleiermacher, Jean Paul, Johann Heinrich Pestalozzi, Christian Palmer und viele an- dere Religionspädagogen aus unserem Jahrhundert sind jedoch anderer Meinung. Für Friedrich Schleiermacher ist der Hauptort, in dem religiöse Erziehung stattfinden sollte, die Familie. Er ist der Überzeugung, dass „[…] Erziehung stets dem inneren Entwicklungsprozess zu folgen habe und ihr Ziel in der Entfaltung von Individualität und Eigentümlichkeit des Zöglings […]“88 liege. Der Eigenwert des Kindes und die Eigenbedeutung sind wichtig. Die Religion des Kindes ist für

84 Klaus Wegenast: Die kleinen Kinder und der liebe Gott. In: Vreni Merz (Hg.): Alter Gott für neue Kinder. Das tradi- tionelle Gottesbild und die nachwachsende Generation. Freiburg: Paulusverlag 1994, S. 62 ff.

85 Soren Kierkegaard, zitiert nach Wegenast, 1994, S. 62.

86 J. J. Rousseau, zitiert nach Wegenast, 1994, S. 62 f.

87 Wegenast, 1994, S. 63.

88 Ebda, S. 63.

(29)

Schleiermacher von Bedeutung, da sie ein wichtiges Stadium der Entwicklung des „[…] positi- ve(n) Bewusstsein(s) von der Relativität des Gegensatzes zwischen einem einzelnen Leben und der Totalität […]“89 ist. Mit Hilfe von Erfahrungen in der Familie können religiöse Vorstellungen lebendig aufgefasst werden, z.B. die Vorstellung von Gott als Vater.90

Auch Jean Paul91 ist der Meinung, dass es eine Religion des Kindes gibt. Eine Bildung dieser sei deshalb möglich, weil „[…] eine ganze religiöse Metaphysik träumend schon im Kinde […]“92 schlafe.

Nach Pestalozzi93 beruht der Glaube auf „[…] frühe und erste Grundlagen der Menschenbildung […] Glauben an meinen Vater, der Gottes Kind ist, ist Bildung meines Glaubens an Gott.“ Auch die Pflicht und die Sittlichkeit gehören für ihn in diesem Sinne zur Religion.

5 E NTWICKLUNG DES G LAUBENS : K LASSISCHE M ODELLE AUS DER

S ICHT DER P SYCHOANALYSE UND E NTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE

Um zu erfahren, wie Kinder überhaupt zu ihren Gottesvorstellungen kommen, führt kein Weg an den klassischen Modellen aus der Psychoanalyse und der Entwicklungspsychologie vorbei.

5.1 SI G M U N D FR E U D

Der Religionskritiker Sigmund Freud (1856 – 1939) war der Meinung, dass „[…] allein die psy- choanalytische Erforschung des einzelnen Menschen lehrt […], dass für jeden der Gott nach dem Vater gebildet ist, dass sein persönliches Verhältnis zu Gott von seinem Verhältnis zum leiblichen Vater abhängt, mit ihm schwankt und sich verwandelt und dass Gott im Grunde nichts anderes ist als ein erhöhter Vater.“94 Er war der Meinung, dass sich Religion auf den übermächtigen Vater

89 Schleiermacher, zitiert nach Wegenast, 1994, S. 63 f.

90 Vgl. Wegenast, 1994, S. 63.

91 Vgl. Jean Paul: Levana oder Erziehlehre. In: Norbert Miller (Hg.): Werke. Bd. 5, München: Hanser 1973, S. 515 ff.

92 Jean Paul, zitiert nach Wegenast, 1994, S. 64.

93 Pestalozzi, zitiert nach Wegenast, 1994, S. 64.

94 Sigmund Freud: Totem und Tabu. Herausgegeben und neu kommentiert von Hermann Westerink. Göttingen: V&R unipress GmbH 2012, S. 183.

(30)

der Kindheit zurückführen lässt und dass Religion eine kindliche und unreife Seite des Menschseins bleibt.95

Doch wie kommt es zu einem Glauben an Gott bzw. an Götter? Nach Freud ist es die kindliche Hilflosigkeit, das Bedürfnis nach Schutz, den der leibliche Vater zu stillen vermag. Diese „[…] Er- kenntnis von der Fortdauer dieser Hilflosigkeit durchs ganze Leben hat das Festhalten an der Existenz eines – aber nun mächtigeren Vaters – verursacht.“96 „Der Mensch kann nicht ewig Kind bleiben, er muss endlich hinaus ins 'feindliche Leben'. Man darf das 'die Erziehung zur Realität' heißen.“97

Freud war der Meinung, dass die Religion in der ödipalen Phase entstehe, in der der Sohn wie sein Vater sein möchte und eine Heirat mit der Mutter anstrebt, dies aber nicht darf. Die äußere Drohung des Vaters wird nach innen, ins Über-Ich, verlagert. Aus der Gewissensangst und dem Schuldgefühl entstehen schließlich die Neurose und die Religion aus dem Konflikt zwischen den eigenen Wünschen und dem Verbot des Vaters. Für Freud haben somit Neurose und Religion denselben Ursprung.98

Freud kam zu dem Schluss, dass es Zusammenhänge zwischen der Gottesvorstellung und den Eltern geben muss und dass religiöse Vorstellungen deshalb auch von den Eltern beeinflusst werden, die gerade in den ersten Lebensjahren in Kinderaugen ja „[…] mächtig wie Götter […]“99 erscheinen mögen. Jedoch gibt es nach Freud keine anderen Orte, Personen usw., die unser Gottesbild prägen, und er erwähnt auch keine möglichen Veränderungen der Gottesvorstellung im Laufe des Lebens. Für Freud war Religion nichts Positives und deshalb „[…] propagierte er das Überwinden der Religion.“100

Vor allem in der heutigen Gesellschaft, in der viele Kinder ohne ihre Väter aufwachsen, lässt sich Freuds Theorie vom allmächtigen Vater nicht bestätigen. Nach Durchsicht verschiedener Studien zum Thema „Zusammenhang von Elternbildern und Gottesbildern“ kommt Friedrich Schweitzer101

95 Vgl. Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Ju- gendalter. München: Kaiser 1987, S. 61.

96 Sigmund Freud: Gesammelte Werke. Bd. 14. London: Imago Publishing Co. 1948, S. 352.

97 Ebda, S. 373.

98 Vgl. Fricke, 2007, S. 14.

99 Vgl. ebda, S. 14.

100 Vgl. ebda, S. 14.

101 Vgl. Klein, 2000, S. 43.

(31)

zum Ergebnis, dass „die Erfahrungen der individuellen Lebensgeschichte darüber mitbestimmen, wie Inhalte aufgenommen werden, und dass umgekehrt die erlebte Rollenverteilung der Erwach- senen sowie die wirksamen Idealbilder die individuelle Herausbildung des Gottesbildes beein- flussen.“102

„Die Gottesbilder der Kinder werden sich erst in einem Maße ändern, in dem auch die Lebens- formen der Erwachsenen anders werden – und zwar nicht nur individuell oder privat im Rahmen einer Einzelfamilie, sondern im kirchlichen, religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Zusam- menhang.“103 Es lässt sich kein direkter Zusammenhang zwischen dem Elternbild und dem Got- tesbild feststellen. Gott ist somit nicht nur einfach wie die Mutter oder wie der Vater. „Hingegen werden latente und recht differenzierte Einflüsse der erlebten Eltern wie auch der Idealeltern auf die Religiosität und das Gottesbild sichtbar.“104

5.2 JAM E S FO W L E R

Nach Fowler gibt es eine stufenartige Entwicklung des Glaubens. Für ihn ist Glaube „[…] nicht immer religiös in seinem Inhalt oder Kontext. […]. Der Glaube ist die Art und Weise eines Men- schen oder einer Gruppe, in das Kräftefeld des Lebens einzutauchen. Er ist unser Weg, den viel- fältigen Kräften und Beziehungen, die unser Leben ausmachen, einen Zusammenhang und einen Sinn zu geben. Der Glaube ist die Weise, in der ein Mensch sich selbst in Beziehung zu anderen sieht, auf Basis eines gemeinsam anerkannten Sinns und gemeinsamer Ziele.“105 Weiters meint er: „Glauben […] ist ein universales Merkmal des menschlichen Lebens, überall erkennbar ähn- lich, […] eine Orientierung der ganzen Person, die ihren Hoffnungen und Bestrebungen, Gedan- ken und Handlungen Sinn und Ziel gibt.“106 Fowler führte narrative Interviews mit Kindern, Ju- gendlichen und Erwachsenen durch, in denen er nach „[…] Lebensgeschichte, Schlüsselerfah- rungen und –beziehungen, Werten und Überzeugungen und schließlich religiösen Erfahrungen, religiöser Praxis und Glauben fragte.“107

102 Klein, 2000, S. 43 f.

103 Friedrich Schweitzer, zitiert nach Klein, 2000, S. 44.

104 Klein, 2000, S. 44.

105 James Fowler: Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn.

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 1991, S. 26.

106 Ebda, S. 35 f.

107 Fricke, 2007, S. 15.

Referenzen

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