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Gibt es Räume ohne Punkte?

Ralf Meyer

Nachmittag der Mathematik 11.1.2007

1 Warum ist Mathematik so schwer?

Frage 1. Warum ist Mathematik so schwer

• zu lernen?

• zu erklären?

• Antwort-Vorschläge:

Mathematik braucht keine Werkzeuge.

Einmal bewiesene mathematische Sätze bleiben für immer wahr.

1.1 Fortschritt durch Technik

• Die heutigen Wissenschaftler sind im Wesentlichen nicht klüger als die vergangener Jahrhunderte.

Frage 2. Wie ist Fortschritt in den Naturwissenschaften möglich?

• Anstatt klüger zu werden, benutzen wir immer raniertere Werkzeuge.

• Neue Messgeräte und technische Verbesserungen erönen den Naturwis- senschaften laufend neue Spielwiesen.

• Oft sind die dabei auftretenden neuen Fragen mit der neuen Technik einfach zu beantworten und auch Laien leicht zu erklären.

Fortschritt durch Technik ein Beispiel

• Kürzlich erhielt Herr Prof. Dr. Stefan Hell den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten für die Entwicklung eines neuen Lichtmikroskops mit einer hohen Auösung, die man lange für unmöglich hielt.

• Es wird wohl nicht wesentlich schwerer zu benutzen sein als herkömmliche Mikroskope,

• aber zwangsläug neue Entdeckungen liefern.

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1.2 Fortschritt in der Mathematik

• Der Fortschritt der anderen Wissenschaften liefert auch der Mathematik ständig neue Fragen.

• Dies gilt besonders für die angewandte Mathematik, aber auch für theo- retisch anmutende Teildisziplinen wie die Zahlentheorie.

• Mein eigenes Arbeitsgebiet die nichtkommutative Geometrie wurde angestoÿen durch die Quantenmechanik.

• Die theoretische Mathematik hat ihre eigenen Probleme und Fragen, die wir um ihrer selbst willen untersuchen.

Frage 3. Welche Werkzeuge ermöglichen Fortschritt in der theoretischen Mathematik?

Wissen und Sprache.

• Hauptwerkzeug (und -exportartikel) der Mathematik ist die Sprache, die wir dauernd weiterentwickeln.

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• Mit neuen Begrien können wir nicht nur neue Fragen stellen, sondern auch alte Probleme besser verstehen und lösen.

• Leider entfernt dieser Fortschritt die mathematische Sprache von der All- tagssprache.

• Eine Übersetzung ist oft schwierig und mit Verlusten behaftet.

• Neue Sprachen zu lernen ist schwerer als neue Technik einzusetzen.

2 Räume ohne Punkte?

Hat der Wirkliche Raum Punkte?

• Bringt man Quantenmechanik und Relativitätstheorie zusammen, werden punktförmige Ereignisse unmöglich.

• Um ein Teilchen in einem kleinen Gebiet einzusperren, benötigen wir eine gewisse Mindestenergie.

• Ist das Gebiet kleiner als die Planck-Länge (10−35m), so erzeugt diese Energie ein schwarzes Loch, in das wir nicht hineinschauen können.

• Die theoretische Physik sagt also voraus, dass es im Wirklichen Raum keine Punkte gibt.

• Bisher verstehen wir den Wirklichen Raum noch nicht, aber die Schulgeo- metrie versagt auf jeden Fall.

• Ob Geraden, Kreise, Dreiecke all diese geometrischen Objekte sind de- niert als Mengen von Punkten.

• Herkömmliche Geometrie ist ohne Punkte sinnlos.

Was tun?

• Geometrie, die auf den Wirklichen Raum anwendbar sein soll, muss mög- lichst ohne Punkte auskommen.

• Die Planck-Länge ist allerdings so klein, dass sie selbst in der Atomphysik keine Rolle spielt.

• Wir erwarten also, dass wir den Wirklichen Raum

auf groÿen Längenskalen

durch einen gewöhnlichen Raum annähern können.

Frage 4. Was soll damit genau gemeint sein?

Wann sind zwei Räume auf groÿen Längenskalen gleich?

• Wir wollen aber auch den Wirklichen Raum selbst und nicht bloÿ Annä- herungen daran verstehen.

Frage 5. Wie beschreiben wir Räume ohne Punkte?

Welche Eigenschaften klassischer Räume übertragen sich?

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2.1 Algebraische Beschreibung von Räumen

Räume und Koordinaten

• Koordinaten beschreiben geometrische Objekte durch Zahlen und machen sie der Algebra zugänglich.

• Aber die Wahl eines Koordinatensystems ist willkürlich.

• Natürlicher ist es, einen RaumX durch die Menge aller gutartigen Funk- tionenX →Czu beschreiben.

• Hierbei bezeichnetCdie komplexen Zahlen.

• Je nach Geschmack heiÿt gutartig: stetig, dierenzierbar, oder Polynom- funktion.

• Punktweise Addition und Multiplikation liefert eine algebraische Struktur auf dem Raum der Funktionen, die im Begri derC-Algebra formalisiert wird.

• Dieser algebraische Zugang beschreibt klassische Räume, ohne ihre Punkte direkt zu verwenden.

• Solange eine Algebra kommutativ ist, können wir jedoch einen klassischen Raum zurückgewinnen.

Einfache Beispiele

Beispiel 6 (Raum mit nur zwei Punkten). 1 2 Funktionen auf dem Raum {1,2} mit nur zwei Punkten entsprechen Zahlenpaaren (x1, x2). Wir rechnen wie folgt:

(2,3) + (4,5) = (2 + 4,3 + 5) = (6,8), (2,3)·(4,5) = (2·4,3·5) = (8,15).

Beispiel 7 (Kreis). Der Polynomraum auf dem Einheitskreis inCwird von den Funktionenz7→znfürn∈Zaufgespannt und mitC[z, z−1]bezeichnet, weil er vonz undz−1erzeugt wird.

2.2 Äquivalenzrelationen

• Eine Äquivalenzrelation drückt aus, dass wir einige Punkte eines Raums als gleich auassen wollen.

Beispiel 8. Petra hat in ihrer Geldbörse zwei50-Cent- und eine 1-Euro- münze. Mögliche Kombinationen:

Die Kombinationen und sind gleichwertig.

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Dynamischer und statischer Zugang

• Es gibt zwei grundlegend verschiedene Arten, eine Äquivalenzrelation ma- thematisch zu beschreiben:

statisch Wir verkleinern die Funktionenalgebra und betrachten die Unteralge- bra der Funktionen, die auf äquivalenten Objekten jeweils denselben Wert haben

dynamisch Wir vergröÿern die Funktionenalgebra um weitere Elemente, die uns sagen, welche Punkte wir identizieren.

• Der dynamische Ansatz ist zwar komplizierter, funktioniert aber in viel mehr Beispielen.

• Der dynamische Ansatz führt immer auf nicht-kommutative Algebren, in denen das Produkt von der Reihenfolge abhängt:x·y6=y·x.

Beispiel 9. Wir wollen im Raum{1,2}die beiden Punkte identizieren.

statisch Wir betrachten die Unteralgebra der Paare(x, x), die isomorph zuC ist.

dynamisch Wir erhalten eine Algebra, die eine BasisE11, E12, E21, E22besitzt;

dabei deuten wirE12als einen Pfeil1→2, der die Äquivalenz von1und2 ausdrückt.

Deniert man die Rechenoperationen geeignet, so erhalten wir genau die Al- gebraM2×2(C)der2×2-Matrizen, wobei

aE11+bE12+cE21+dE22

a b

c d

.

Die beiden Ansätze liefern verschiedene, aber äquivalente Ergebnisse.

Ein interessanteres Beispiel

• Seiϑ∈[0,1]. Wir sehen zwei Punkte auf dem Kreis als gleich an, wenn sie sich nur durch eine Drehung um ein ganzzahliges Vielfaches des Winkels ϑ·360unterscheiden.

• Istϑirrational, so hat der Raum der Äquivalenzklassen keine Punkte.

• Er kann aber gut durch eine nichtkommutative Algebra beschrieben wer- den.

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2.3 Grobe Geometrie

• Die grobe Geometrie drückt präzise aus, wann metrische Räume oberhalb einer gewissen endlichen Längenskala gleichartig sind.

Beispiel 10. Die MengeRder Punkte auf einer Geraden ist grob äquivalent zur Teilmenge

Z={. . . ,−3,−2,−1,0,1,2,3, . . .}, nicht jedoch zur Teilmenge

{. . . ,−23,−22,−21,−20,0,20,21,22, . . .},

da diese beliebig groÿe Löcher hat.

• Viele für die Analysis wichtige Eigenschaften metrischer Räume sind grob:

sie unterscheiden nicht zwischen grob äquivalenten Räumen.

Zusammenfassung

• Dauerhafter Fortschritt in der Mathematik hängt ab von der Weiterent- wicklung ihrer Sprache und führt anders als technischer Fortschritt zu Übersetzungsschwierigkeiten.

• Der Wirkliche Raum hat keine Punkte.

• Die nichtkommutative Geometrie behandelt Räume ganz ohne Punkte.

• Grobe geometrische Räume haben zwar noch Punkte, aber diese spielen keine Rolle mehr.

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