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ZNotP 10/2015 Inhaltsverzeichnis

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ZNotP 10/2015 Inhaltsverzeichnis 321

Inhalt

Notarrecht

Aktuelle Rechtsprechung des III. Zivilsenats des BGH zur Notarhaftung . . . . 322 von Vizepräsident des Bundesgerichtshofs a.D. Wolfgang Schlick, Karlsruhe

Grundstücksrecht

Die Entwicklung des Wohnungseigentumsrechts . . . . 328 von Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bettina Brückner, Karlsruhe

Praktische Fälle

Das Angebot einer Auflassung zum Zweck der Herbeiführung des Annahmeverzugs –

Fallstricke und praktische Hinweise . . . . 335 von Notar Dr. Stefan Heinze, Moers

ZNotP-Fragezeichen

In dieser Rubrik möchten wir Sie auf mögliche Fehler- und Gefahrenquellen aufmerksam machen .

Die Antworten finden Sie auf S . 360 . . . . . 341

ZNotP-Rechtsprechungsreport

Grundstücksrecht

Kreditaufnahme durch Wohnungseigentümergemeinschaft

BGH, Urt. v. 25. 9. 2015 – V ZR 244/14 . . . 341 Wiederverwendung einer Grundschuld

BGH, Versäumnisurt. v. 27. 3. 2015 – V ZR 296/13 . . . 346 Familienrecht

Unterhaltsbedarf eines Elternteils

BGH, Beschl. v. 7. 10. 2015 – XII ZB 26/15 . . . 348 Betreuerbestellung nach Vollmachtswiderruf

BGH, Beschl. v. 19. 8. 2015 – XII ZB 610/14 . . . 352 Notarrecht

Grundschuldbestellungen durch Notarmitarbeiter

BGH, Beschl. v. 20. 7. 2015 – NotSt (Brfg) 3/15 . . . 354

ZNotP-Kostenecke

Entscheidungen zum Kostenrecht

Bemessung des Verfahrenswerts für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum

OLG München, Beschl. v. 26. 6. 2015 – 34 Wx 182/15 . . . 357

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* Es handelt sich um einen Vortrag, den der Autor – bis zum Eintritt in den Ruhestand am 31 .7 .2015 Vorsitzender des III . ZS des BGH – anlässlich der 13 . Jahresarbeitstagung des Notariats am 19 .9 .2015 in Berlin gehalten hat . Die Vortragsform wurde beibehalten .

merkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung des Wohnungsrechts für den Kläger und seinen Lebensgefähr- ten in das Grundbuch ein . Zum anderen wurde für das Land Niedersachsen eine Sicherungshypothek i .H .v . 36 .223,57 € eingetragen . Mit dieser Vorgehensweise wurde sicherge- stellt, dass sich trotz der bereits erfolgten Eintragung der Sicherungshypothek der Rang der beiden Rechte nach dem Zeitpunkt des Antragseingangs richtet, also wegen des zeit- lich früher gestellten Antrags auf Eintragung der Vorrang des Wohnungsrechts erhalten bleibt . Damit dieses spezielle gesetzliche Sicherungssystem greifen kann, ist freilich er- forderlich, dass das in der Zwischenverfügung bezeichnete Hindernis behoben und die Eintragung tatsächlich vorge- nommen wird . Wird dagegen das Hindernis nicht fristgemäß beseitigt und kommt es deshalb zur Zurückweisung des Ein- tragungsantrags, ist die Vormerkung wieder – ebenfalls von Amts wegen – zu löschen (§ 18 Abs . 2 Satz 2 GBO) . Diese Zusammenhänge haben sich wohl der beklagten Notarin nicht erschlossen, denn nach erfolgter Eintragung der Vor- merkung teilte sie dem Grundbuchamt mit, sie gehe davon aus, dass sich die Zwischenverfügung erledigt habe . Trotz Hinweis des Grundbuchamts, dass dem keineswegs so sei, erfolgte ihrerseits keinerlei Reaktion mehr, sodass es kam wie es kommen musste: Der Eintragungsantrag wurde zu- rückgewiesen und die Vormerkung gelöscht .

Nachdem die „Erstbeurkundung“ endgültig gescheitert war, beurkundete die Beklagte am 30 .7 .2010 eine geänderte Ein- tragungsbewilligung, die schließlich zur Eintragung des Wohnungsrechts in das Grundbuch führte . Diese „Repara- tur“ konnte freilich an dem eingetretenen Verlust des Vor- rangs gegenüber der Sicherungshypothek des Finanzamts nichts mehr ändern . Mit anderen Worten: Das Vorhaben des Klägers, seine Gläubiger von seinem Grundbesitz fernzuhal- ten, war misslungen .

Der Kläger, der sich etwaige ebenfalls bestehende Schadens- ersatzansprüche seines Lebensgefährten hatte abtreten las- sen, begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihm jeden Schaden zu ersetzen habe, der daraus entstehen wird, dass in der Bewilligungsurkunde v . 7 .12 .2009 das Berechtigungs- verhältnis nicht näher bezeichnet und anschließend eine er- gänzende Eintragungsbewilligung nicht fristgerecht beige- bracht wurde .

I. Nachrangiges Wohnungsrecht – Urt. v.

12.2.2015 – III ZR 29/14, ZNotP 2015, 184 = DNotZ 2015, 422 = WM 2015, 893

Das erste Urteil datiert v . 12 .2 .2015 . Es geht in dieser Ent- scheidung um die notariellen Amtspflichten im Zusammen- hang mit der Beurkundung eines Wohnungsrechts und den anschließenden Vollzug des Geschäfts . Allerdings bilden diese Pflichten nicht den Schwerpunkt des Falls . Rechtlich steht im Zentrum des Rechtsstreits vor allem die Frage, ob durch das amtspflichtwidrige Verhalten der beklagten Nota- rin überhaupt ein ersatzfähiger Schaden der Urkundsbetei- ligten entstanden ist .

1. Zum Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in einer niedersächsischen Gemeinde, das er zusammen mit sei- nem Lebensgefährten bewohnt . Im fraglichen Zeitraum 2009/2010 lebte er in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen und hatte insbesondere hohe Steuerschulden . Da sein Eigen- heim der einzige Vermögenswert von Bedeutung war, wollte er diesen Wert effektiv gegen Forderungen bzw . Zwangsvoll- streckungsmaßnahmen Dritter absichern . Gleichzeitig wollte er auch das Zusammenwohnen mit seinem Lebensgefährten auf eine rechtlich abgesicherte Grundlage stellen . Hält man sich diese Gesamtsituation des Klägers vor Augen, wird ohne Weiteres nachvollziehbar, warum der Kläger für sich und seinen Lebensgefährten ein lebenslanges Wohnungs- recht (als beschränkte persönliche Dienstbarkeit, vgl . § 1093 BGB) an seinem eigenen Hausgrundstück bestellen woll- te – eine in der notariellen Praxis sicherlich nicht alltägliche Konstellation . Am 7 .12 .2009 beurkundete die beklagte Nota- rin im Auftrag des Klägers die Bewilligung und Beantragung eines solchen Rechts, und zwar für den Kläger und seinen Lebensgefährten „als Gesamtberechtigte“ . Eine Woche spä- ter stellte sie beim Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung des Wohnungsrechts . Mit Zwischenvfg . v . 17 .12 .2009 unter- richtete das Grundbuchamt die Beklagte darüber, dass der Grundbucheintragung ein Eintragungshindernis entgegen- stehe, weil die in der Eintragungsbewilligung angegebene allgemeine Bezeichnung „als Gesamtberechtigte“ unzurei- chend sei . Ebenfalls am 17 .12 .2009 ersuchte das für den Klä- ger zuständige Finanzamt wegen (titulierter) Steuerschulden des Klägers das Grundbuchamt um die Eintragung einer Si- cherungshypothek .

Daraufhin nahm das Grundbuchamt wenige Tage später, am 21 .12 .2009, zwei Eintragungen vor: Zum einen trug es gem . §  18 Abs .  2 Satz  1 GBO von Amts wegen eine Vor-

Notarrecht

Aktuelle Rechtsprechung des III. Zivilsenats des BGH zur Notarhaftung

von Vizepräsident des Bundesgerichtshofs a.D. Wolfgang Schlick, Karlsruhe*

Seit meinem Vortrag im September 2014 hat der III. ZS des BGH zwei Urteile zur Notarhaftung gefällt, über die ich Ihnen berichten kann.

(3)

Notarrecht

ZNotP 10/2015 323

1 BGH, Urt . v . 14 .11 .1967  – VI  ZR 45/66, VersR 1968, 96, 97 und v . 15 .10 .1992 – IX ZR 43/92, VersR 1993, 1358, 1360 m .w .N .

2 Vgl . hierzu BGH, Urt . v . 13 .7 .1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314, 323 .

Daran ist richtig, dass bereits eine Rangverschlechterung als solche einen Schaden i .S .d . §§ 249 ff . BGB darstellen kann .1 Die Rangverschlechterung hätte allerdings, was das Beru- fungsgericht nicht hinreichend in den Blick genommen hat- te, dann zu keinem zurechenbaren Schaden geführt, wenn im Fall eines pflichtgemäßen Verhaltens der Beklagten der er- langte Rangvorteil des Wohnungsrechts durch die Ausübung eines Anfechtungsrechts nach Maßgabe der Vorschriften des Anfechtungsgesetzes wieder zunichtegemacht worden wäre .

a) Anfechtungsrecht

Zur Frage der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz ist zu bemerken:

Schon aufgrund des eigenen Sachvortrags des Klägers war offensichtlich, dass der „Hauptzweck“ des dubiosen Kons- trukts  – Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück – darin bestand, den Gläubigern des Klägers den Zugriff auf das Grundstück zu erschweren . Es lag daher auf der Hand, dass dem Land Niedersachsen als Gläubiger der Sicherungshypothek ein Anfechtungsrecht nach den Vor- schriften des Anfechtungsgesetzes zugestanden hätte, wenn das Wohnungsrecht aufgrund der notariell beurkundeten Be- willigung v . 7 .12 .2009 im Rang vor der zugunsten des Lan- des Niedersachsen eingetragenen Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen worden wäre:

Das Wohnungsrecht hätte in diesem Fall das Land Nieder- sachsen als Gläubiger i .S .v . § 1 Abs . 1 AnfG benachteiligt, weil es gem . § 44 Abs . 1 ZVG in das geringste Gebot aufzu- nehmen und vom Ersteigerer zu übernehmen gewesen wäre (§  52 Abs .  1 Satz  1 ZVG) mit der Folge eines geringeren Versteigerungsinteresses oder zumindest -erlöses .2

Bei der Bewilligung des Wohnungsrechts handelte es sich ausweislich der notariellen Urkunde v . 7 .12 .2009 um eine unentgeltliche Leistung des Klägers i .S .v . § 4 Abs . 1 AnfG . Das Land Niedersachsen wäre nach § 2 AnfG anfechtungs- berechtigt gewesen . In Anbetracht des Vortrags des Klägers zu seiner „chronisch schwachen Finanzlage“ ist davon aus- zugehen, dass die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen ohne Verwertung des Grundstücks nicht zu einer sofortigen vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hätte . Ein bei vorrangiger Eintragung des Wohnungsrechts be- stehendes Anfechtungsrecht des Landes Niedersachsen hätte im Fall seiner Ausübung dazu geführt, dass die Finanzver- waltung nach § 11 Abs . 1 AnfG von den Berechtigten des Wohnungsrechts als Anfechtungsgegnern hätte verlangen können, der Sicherungshypothek entsprechend § 880 BGB Vorrang gegenüber dem anfechtbar bestellten Wohnungs- Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die unentgeltli-

che Zuwendung des Klägers an seinen Lebensgefährten in Gestalt der Eintragung des Wohnungsrechts unterliege der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz, weil der Kläger mittels des Wohnungsrechts eine Vereitelung des Zugriffs von Gläubigern beabsichtigt habe . Ein Schaden des Klägers oder seines Lebensgefährten sei nicht erkennbar .

Das LG hatte die Feststellungsklage mangels hinreichender Darlegung eines Schadens abgewiesen, das OLG hatte ihr auf die Berufung des Klägers hin stattgegeben . Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht .

2. Notarielle Amtspflichtverletzung

Eine Haftung der beklagten Notarin nach § 19 Abs . 1 Satz 1 BNotO setzt voraus, dass die Notarin eine ihr gegenüber den Urkundsbeteiligten bestehende Amtspflicht schuldhaft ver- letzt hat . Diese Voraussetzungen waren vorliegend unprob- lematisch erfüllt .

Amtspflichtwidrig war schon, dass die Notarin in der Urkun- de v . 7 .12 .2009 die Art der gemeinschaftlichen Berechtigung des Klägers und seines Lebensgefährten nicht näher bezeich- net hatte . Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich ohne Weite- res aus § 47 Abs . 1 GBO . Nach dieser Vorschrift soll dann, wenn ein Recht für mehrere gemeinschaftlich eingetragen werden soll, die Eintragung in der Weise erfolgen, dass ent- weder die Anteile der Berechtigten in Bruchteilen angegeben werden oder das für die Gemeinschaft bestehende Rechts- verhältnis bezeichnet wird .

Darüber hinaus hatte die Beklagte – wie das Berufungsge- richt zutreffend erkannt hatte – die ihr gem . § 53 BeurkG ob- liegenden Pflichten verletzt, weil sie nicht dafür Sorge getra- gen hatte, dass das ihr vom Grundbuchamt mit Zwischenvfg . v . 17 .12 .2009 erstmals mitgeteilte Eintragungshindernis umgehend beseitigt wurde . Aufgrund dieses Versäumnisses wurde in der Folgezeit der Eintragungsantrag v . 7 .12 .2009 zurückgewiesen und die zugunsten des Klägers und seines Lebensgefährten nach § 18 Abs . 2 Satz 1 GBO eingetragene Vormerkung von Amts wegen wieder gelöscht (§ 18 Abs . 2 Satz 2 GBO) . Auf diese Weise wurde – wie bereits erwähnt – die rangwahrende Wirkung der Vormerkung gegenüber der für das Land Niedersachsen eingetragenen Sicherungshypo- thek wieder zunichtegemacht .

3. Zurechenbarer Schaden

Ein Schadensersatzanspruch nach § 19 Abs . 1 Satz 1 BNotO setzt weiter voraus, dass dem Kläger bzw . seinem Lebensge- fährten ein zurechenbarer Schaden entstanden ist . Nach Mei- nung des OLG war der Eintritt eines – ersatzfähigen – Scha- dens schon deshalb zu bejahen, weil sich die Vermögenslage objektiv verschlechtert habe . Diese Verschlechterung sei dadurch eingetreten, dass infolge der Pflichtverletzungen der Beklagten das Wohnungsrecht im Rang nach der Siche- rungshypothek im Grundbuch eingetragen worden sei .

(4)

3 BGH, Urt . v . 13 .7 .1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 322, 326 f .; Münch- Komm-AnfG/Kirchhof, 1 . Aufl ., § 11 Rn . 69, 74 .

4 IX ZR 116/95, NJW 1996, 3343 = DNotZ 1997, 70 .

5 BGH, Urt . v . 11 .7 .1996 – IX ZR 116/95, NJW 1996, 3343, 3345 = DNotZ 1997, 70, 77; s . dazu auch Wöstmann, in: Ganter/Hertel/Wöstmann, Hand- buch der Notarhaftung, 3 . Aufl ., Rn . 2207 .

6 BGH, Urt . v . 21 .11 .1996  – IX  ZR 220/95, WM 1997, 325, 327 und v . 17 .10 .2002 – IX ZR 3/01, NJW 2003, 295; Wöstmann (Fn . 5), Rn . 2208 . 7 Das Anfechtungsgesetz enthält keine Verbotsgesetze i .S .d . § 134 BGB und

ist im Verhältnis zu § 138 BGB die speziellere Norm mit besonderen, we- niger einschneidenden (keine Nichtigkeit) Rechtsfolgen (vgl . BGH, Urt . v . 7 .4 .2005 – IX ZR 258/01, NJW-RR 2005, 1361, 1362); demgemäß kann der Notar die Beurkundung eines nach Maßgabe der §§ 3 ff . AnfG anfecht- baren Rechtsgeschäfts grds . nicht ablehnen (Winkler, BeurkG, 17 .  Aufl .,

§ 4 Rn . 10) .

Vorliegend waren der Kläger und sein Lebensgefährte zum Zeitpunkt der Amtspflichtverletzung der Beklagten noch nicht einem Anfechtungsanspruch des Landes Niedersach- sen  – als möglicher Reserveursache  – ausgesetzt . Ein An- fechtungsanspruch wäre vielmehr erst mit der vorrangigen Eintragung des das Land Niedersachsen als Gläubiger be- nachteiligenden Wohnungsrechts im Grundbuch entstanden .

bb) Rechtmäßiges Alternativverhalten

Beim Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens geht es demgegenüber darum, dass sich der Schädiger darauf be- ruft, denselben Vermögensnachteil, den er pflichtwidrig ver- ursacht habe, hätte er auch durch Erfüllung einer anderen, von der verletzten Pflicht verschiedenen, selbstständigen Pflicht rechtmäßig herbeiführen können; tatsächlich hat der Schädiger dies aber unterlassen .6

Von einer solchen Konstellation konnte in unserem konkreten Fall nicht ohne Weiteres ausgegangen werden . Insbesondere hatten weder die Beklagte geltend gemacht noch das Beru- fungsgericht festgestellt, dass ein Notar die gewünschte Beur- kundung wegen ihres (wohl erkennbaren) Gläubiger benach- teiligenden Charakters hätte ablehnen müssen bzw . können .7 Die Frage, ob angesichts dieser Besonderheit dennoch von einer „Reserveursache“ oder eher von der Situation eines rechtmäßigen Alternativverhaltens auszugehen ist, bedurf- te keiner abschließenden Klärung . Der Sache nach handelt es sich jeweils um das Problem der Zurechnung des in dem Rangnachteil liegenden Schadens . Diese Zurechnung ist vor- liegend bei wertender Betrachtung zu verneinen, wenn sich feststellen lässt, dass die Finanzverwaltung ihr Anfechtungs- recht ausgeübt und somit einen etwaigen Rangvorteil wieder zunichtegemacht hätte . Der konstruktive Weg, der hier zum Ziel führt, ist dabei zweitrangig . Würde man demgegenüber eine Zurechnung bejahen, hätte die Beklagte im Ergebnis für die Steuerschuld des Klägers aufzukommen . Der Kläger würde sich besserstellen als ohne Amtspflichtverletzung, da er auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten die Be- friedigung der Steuerschuld im Wege der Zwangsvollstre- ckung durch eine vorrangige Eintragung des Wohnrechts – wie gezeigt  – nur vorläufig hätte verhindern können . Dass dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand .

recht einzuräumen .3 Die Berechtigten des Wohnungsrechts hätten mithin im Fall der Ausübung des Anfechtungsrechts im Ergebnis so gestanden, wie sie nunmehr infolge der Amtspflichtverletzung der Beklagten stehen .

b) Ausübung des Anfechtungsrechts – Reserve- ursache bzw. rechtmäßiges Alternativverhalten

Aufgrund des tatsächlichen Geschehensablaufs konnte es zur Geltendmachung eines Anfechtungsrechts gar nicht erst kommen  – die Frage ist dadurch obsolet geworden, dass durch das amtspflichtwidrige Verhalten der Beklagten der durch ein Anfechtungsrecht zu erlangende Gewinn für die Finanzverwaltung  – besserer Rang der Sicherungshypo- thek – ohnehin eingetreten ist . Daher ist zu fragen, wie sich die Finanzverwaltung verhalten hätte, wenn das Wohnungs- recht den Vorrang erhalten hätte, und wer  – was für den Ausgang des Prozesses von entscheidender Bedeutung sein kann – hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt . Durch das amtspflichtwidrige Verhalten der Beklagten ist ein Vermögensnachteil, nämlich die „Rangverschlechte- rung“, eingetreten . Allerdings wäre im Ergebnis dieser Schaden wieder „aufgehoben“ bzw . „neutralisiert“ worden, wenn das Finanzamt mit Erfolg sein Anfechtungsrecht gel- tend gemacht hätte . Diese Überlegung zeigt, dass es eigent- lich nur Sache der Beklagten sein kann, darzutun und zu beweisen, dass der bei einem pflichtgemäßem Verhalten ein- getretene Rangvorteil des Wohnungsrechts des Klägers und seines Lebensgefährten nicht von Dauer gewesen wäre . Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob – wie das Berufungsgericht gemeint hat  – es vorliegend um die Be- rücksichtigung einer „Reserveursache“ geht, oder eher von der Situation eines rechtmäßigen Alternativverhaltens aus- zugehen ist:

aa) Reserveursache

Was die Frage der Reserveursache angeht, gibt es für den Bereich der Notarhaftung das Grundsatzurteil des IX . ZS v . 11 .7 .1996 .4 Dort hatte eine Bank den Notar auf Schadens- ersatz in Anspruch genommen, weil er hinterlegte Gelder unter Verstoß gegen Treuhandauflagen ausgekehrt hatte . Hätte der Notar pflichtgemäß gehandelt, so wäre aufgrund der in diesem Zusammenhang zwischen den an dem Kredit- geschäft Beteiligten getroffenen Absprachen die Bank aller- dings (wie revisionsrechtlich zu unterstellen war) aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen worden . Hier gelangte der BGH zu dem Ergebnis, dass eine im Fall pflichtgemä- ßen Verhaltens des Notars erfolgte Inanspruchnahme aus der Bürgschaft als hypothetische „Reserveursache“ beachtlich sei, weil der Geschädigte der Bürgschaftsforderung bereits bei Eintritt des schädigenden Ereignisses ausgesetzt war und aus ihr ohne dieses Ereignis alsbald in Anspruch genommen worden wäre . Dabei hatte der IX . ZS den Ausnahmecharak- ter seiner Entscheidung betont, weil hypothetische Ereig- nisse, die zu einem späteren Zeitpunkt aus anderem Anlass eingetreten wären, grds . außer Betracht zu bleiben haben .5

(5)

Notarrecht

ZNotP 10/2015 325

8 S . dazu die zahlreichen Nachweise in Rn . 23 des Senatsurt . v . 12 .2 .2015 .

verträgen die Regelfrist des § 17 Abs . 2a Satz 2 BeurkG ein- zuhalten? In welchen Fällen kann bzw . darf der Notar ohne Verletzung seiner Amtspflichten von der Einhaltung der Frist absehen? Zu diesem Problemfeld hat der III . ZS am 15 .6 .2015 ein weiteres – zur Veröffentlichung in BGHZ vor- gesehenes – Grundsatzurteil gefällt, das sich mit der Frage befasst, inwieweit die Einräumung eines vertraglichen Rück- trittsrechts eine taugliche „Kompensation“ für die Nichtbe- achtung der Regelfrist von 2 Wochen darstellen kann .

1. Zum Sachverhalt

Der beklagte Notar beurkundete am 14 .10 .2006 einen Kauf- vertrag über eine Eigentumswohnung in Dresden zum Preis von 107 .590 € zwischen dem Kläger (Käufer) und einer „Im- mobilienhandelsgesellschaft“ . Vom Inhalt des Vertrags er- hielt der Kläger erstmals im Beurkundungstermin Kenntnis . Im Vertrag hieß es einleitend auf Seite 3:

„Der Notar belehrte über § 17 Abs . 2a Beurkundungsgesetz, wonach dem Käufer zwei Wochen vor Beurkundung der Vertragstext zur Verfügung gestellt werden soll . Der Käufer verzichtet hiermit auf die Einhaltung der 14-Tages-Frist und bestand auf sofortiger Beurkundung .“

Nach dem Inhalt des notariellen Vertrags waren beide Par- teien bis zum 20 .11 .2006 zum Rücktritt berechtigt . Die Aus- übung des Rücktrittsrechts war an keinerlei Voraussetzungen oder Bedingungen geknüpft („freies“ Rücktrittsrecht) . Am 11 .11 .2006 besichtigte der Kläger erstmals die streit- gegenständliche Wohnung . Anschließend unterschrieb er eine Erklärung, wonach er die Wohnung „für in Ordnung gemäß Notarvertrag“ befunden habe . In der Folgezeit zahl- te der Kläger den Kaufpreis und wurde im Grundbuch als Eigentümer eingetragen .

Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von Schadens- ersatz i .H .v . 107 .590 € Zug-um-Zug gegen lastenfreie Über- tragung des Eigentums an der gekauften Wohnung in An- spruch genommen . Der Beklagte sei ohne ausreichenden Grund von den nicht zur Disposition der Urkundsbeteiligten stehenden Vorgaben des § 17 Abs . 2a Satz 2 Nr . 2 BeurkG abgewichen . Bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten hätte er die Wohnung nicht gekauft .

Das LG hatte die Klage abgewiesen . Die hiergegen einge- legte Berufung hatte das OLG durch Beschluss gem . § 522 Abs .  2 ZPO zurückgewiesen . Hiergegen richtete sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers .

2. Regelfrist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG

§ 17 Abs . 2a BeurkG ist für jeden Notar die „zentrale Ver- braucherschutzvorschrift“ . Ihren Charakter als Sonderrege- lung für Verbraucherverträge hat sie durch Art .  25 Abs .  4

4. Aufhebung des Berufungsurteils

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf das Vorliegen einer beachtlichen Reserveursache bzw . auf das Eingreifen der Grundsätze über das rechtmäßige Alternativverhalten nicht erfüllt . Dies hielt der rechtlichen Nachprüfung durch den III . ZS nicht stand .

Das Berufungsgericht hat gemeint, aus dem Beklagtenvor- trag ergebe sich schon nicht, ob das Finanzamt die „Einre- de der Anfechtung“ überhaupt erhoben hätte . Zwar hat die Beklagte solches nicht ausdrücklich behauptet . Ihr Vortrag, die unentgeltliche Zuwendung des Wohnungsrechts wäre der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz unterworfen gewesen, ist jedoch ohne Weiteres dahin zu verstehen, dass die Finanzverwaltung im Fall einer anfechtbaren vorrangi- gen Eintragung des Wohnungsrechts von seinem Anfech- tungsrecht auch tatsächlich Gebrauch gemacht hätte . Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Finanzamt unstreitig im fraglichen Zeitraum bereits Zwangsvollstre- ckungsmaßnahmen gegen den Kläger eingeleitet hatte . Allerdings trifft es zu, dass die Beklagte keinen Beweis da- für angeboten hatte, dass die Finanzverwaltung sich so ver- halten hätte . Indes: Das Berufungsgericht hätte, bevor es die Beklagte als beweisfällig ansah, nach § 139 Abs . 1, 2 ZPO einen entsprechenden Hinweis geben müssen . Denn die Be- klagte hatte in erster Instanz obsiegt, wobei es aus Sicht des LG auf ihren Vortrag zur Anfechtbarkeit und  – hypotheti- schen – Anfechtung des Wohnungsrechts nicht angekommen ist . Da das Berufungsgericht die Rechtslage anders beurteilt hat als das LG und es infolge dessen auf die hypothetische Ausübung eines Anfechtungsrechts durch die Finanzverwal- tung ankam, hätte es dem Berufungsgericht obgelegen, die Beklagte zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung auf die Notwendigkeit ergänzenden Vortrags hinzuweisen .8 Demnach war das angefochtene Urteil aufzuheben (§  562 Abs . 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurück- zuverweisen (§ 563 Abs . 1, 3 ZPO) . Insbesondere wird das OLG „im zweiten Durchgang“ zu klären haben, ob die Fi- nanzverwaltung im Fall der gegenüber der Sicherungshypo- thek vorrangigen Eintragung des am 7 .12 .2009 bewilligten Wohnungsrechts von ihrem Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hätte . Bestreitet der Kläger die – hypothetische – Geltendmachung des Anfechtungsrechts durch die Finanz- verwaltung, wird aufgrund eines entsprechenden Beweis- angebots der Beklagten ggf . Beweis zu erheben sein, wobei allerdings in Anwendung des § 287 Abs . 1 ZPO ein reduzier- tes Beweismaß gilt .

II. Rücktrittsrecht und Regelfrist des § 17 Abs. 2a BeurkG – Urt. v. 15.6.2015 – III ZR 292/14, ZNotP 2015, 228 = NJW 2015, 2646

Die zweite Notarhaftungssache, die der III . ZS in diesem Jahr durch Urteil entschieden hat, betrifft einen „Dauerbren- ner“: Wie streng ist bei der Beurkundung von Verbraucher-

(6)

9 BGBl . I, S . 2850 . 10 BGBl . I, S . 2378 .

11 S . eingehend dazu BGH, Urt . v . 24 .11 .2014 – NotSt (Brfg) 3/14, BGHZ 203, 273 = DNotZ 2015, 314 = NotBZ 2015, 222 Rn . 16 .

12 Vgl . BT-Drucks . 14/9266, S . 50 zu § 17 Abs . 2a Satz 2 und 3 BeurkG . 13 III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 = DNotZ 2013, 552 = ZNotP 2013, 74 . 14 S . insoweit auch den – in ZNotP 2013, 362 veröffentlichten – Vortrag des

Verfassers an gleicher Stelle vor 2 Jahren .

wenn im Einzelfall nachvollziehbare Gründe  – auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers – es rechtfertigen, die dem Verbraucher zugedachte Schutzfrist zu verkürzen . Voraussetzung für die Nichteinhaltung der Frist ist deshalb ein sachlicher Grund für ihre Abkürzung .

Dies bedeutet auch, dass die Einhaltung der Frist nicht zur Dis- position der Beteiligten steht, d .h . auch ein ausdrücklicher Ver- zicht des Verbrauchers auf die Einhaltung der Frist ist rechtlich unbeachtlich . Dies gilt auch dann, wenn der Verbraucher aus- drücklich über die Rechtslage belehrt wird . Maßgeblich hier- bei ist die Überlegung, dass sich jemand, der sich überhastet zu einem Grundstückskaufvertrag überreden und unmittelbar die Beurkundung bei einem Notar durchführen lässt, ohne sich hinreichend mit dem Gegenstand des Vertrags vertraut zu ma- chen, auch dazu drängen lassen wird, auf die Einhaltung der Frist des § 17 Abs . 2a Satz 2 Nr . 2 BeurkG zu verzichten . Der vom Gesetzgeber bezweckte Verbraucherschutz ist daher nur dann ausreichend gewahrt, wenn dem Notar, so die Regelfrist von 2 Wochen nicht abgelaufen ist und die Zwecke dieser War- tefrist auch nicht anderweitig erfüllt sind, die Amtspflicht auf- erlegt wird, eine Beurkundung trotz eines entgegenstehenden Wunsches der Urkundsbeteiligten abzulehnen .

3. Einräumung eines freien Rücktrittsrechts

Im nunmehr zu entscheidenden Fall hatte vor der Beurkun- dung keine hinreichende Auseinandersetzung des Klägers mit dem Kaufvertrag stattgefunden . Irgendein sachlicher Grund dafür, warum vorliegend die Einhaltung der Frist entbehrlich gewesen sein könnte, war nicht erkennbar . Somit kam es ent- scheidend auf die Frage an, ob durch die Einräumung eines – hier: zeitlich die gesetzliche Regelfrist nicht nur erreichen- des, sondern sogar überschreitendes  – Rücktrittsrechts der gesetzlich geforderte Übereilungsschutz in ausreichendem Maße erreicht wird .

Das Berufungsgericht hat das bejaht und insoweit ausgeführt:

Der Kläger sei nach dem Inhalt des Vertrags berechtigt gewe- sen, bis zum 20 .11 .2006 vom Vertrag zurückzutreten . Dieses Recht habe es dem Kläger ermöglicht, sich in einem Zeitraum von über 5 Wochen nach Vertragsschluss einschränkungslos vom Vertrag zu lösen . Die Einräumung des Rücktrittsrechts sei erkennbar jedenfalls auch vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Kläger die Immobilie zum Zeitpunkt der Beurkun- dung noch nicht besichtigt habe . Ihm habe daher die Mög- lichkeit des Rücktritts nach erfolgter Besichtigung offen ste- hen sollen . Auch nach der Besichtigung v . 11 .11 .2006 habe der Kläger noch 9 Tage zur Abgabe einer Rücktrittserklärung Zeit gehabt . Angesichts dieses Umstands und unter Berück- Nr . 1 des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes v . 23 .7 .20029

erhalten . Danach soll der Notar bei Verbraucherverträgen da- rauf hinwirken, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers grds . von diesem persönlich vor dem Notar ab- gegeben werden . Weiter soll der Notar darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen;

bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach

§ 311b Abs . 1 Satz 1 und Abs . 3 BGB unterliegen – also ins- besondere beim Kauf eines Grundstücks oder einer Eigen- tumswohnung  – geschieht dies im Regelfall dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts 2 Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird . Die Bedeutung der Regelfrist als besondere Schutzbestim- mung für den Verbraucher ist durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsver- fahren v . 15 .7 .201310 weiter betont worden . Durch dieses Än- derungsgesetz sollten vorhandene Schutzlücken im Hinblick auf die Einhaltung der zweiwöchigen Frist zwischen Erhalt eines Urkundenentwurfs und dem Beurkundungstermin ge- schlossen werden . Für ein höheres Schutzniveau sorgen dabei insbesondere die bessere Kontrolle der Fristeinhaltung durch den Notar selbst sowie die Pflicht des Notars zur Dokumen- tation bei Abweichen vom Regelfall . Durch die nunmehr aus- drücklich an den Notar adressierte Pflicht der Überlassung des Entwurfs an den Verbraucher will der Gesetzgeber zudem bewirken, dass der Verbraucher den Notar als die für den Ver- trag und dessen Inhalt verantwortliche, als Ansprechpartner zur Verfügung stehende Person stärker wahrnimmt .11

Der Gesetzgeber verfolgte mit der Schaffung dieser Neurege- lung vor allem das Ziel, das „Aufklärungspotenzial“ des Be- urkundungsverfahrens im Sinne eines effektiven Verbraucher- schutzes voll auszuschöpfen . Ihm stand dabei vor Augen, dass die Möglichkeiten der Aufklärung durch den Notar anlässlich der Beurkundung nicht ausreichend genutzt werden, wenn (namentlich) Verbraucher unvorbereitet zum Notartermin er- scheinen . Das liege in einem Teil der Fälle daran, dass die Terminabsprachen sehr kurzfristig getroffen würden und die Beurkundung dann vorgenommen werde, ohne dass sich der Verbraucher mit dem Text des beabsichtigten Rechtsgeschäfts vertraut machen und sich überlegen könne, welche Fragen er an den Notar richten wolle . Oft erfahre der Verbraucher auch erst im Notartermin, dass der Notar einige für ihn ausschlag- gebende Fragen gar nicht zu prüfen habe . Viele Verbraucher scheuten sich dann, einen Termin „platzen zu lassen“ .12 Mit § 17 Abs . 2a BeurkG hatte sich der Senat erstmals mit Urt . v . 7 .2 .201313 zu befassen . In dieser für die notarielle Pra- xis wichtigen Grundsatzentscheidung hat der Senat folgende Leitlinien aufgestellt:14

Die Frist ist bewusst nur als Regelfrist ausgestaltet, d .h ., sie kann im Einzelfall auch unterschritten werden . Durch diese flexible Ausgestaltung kann und soll einerseits vermieden werden, dass sich die Zweiwochenfrist als unnötige „Beur- kundungssperre“ auswirkt . Andererseits darf der Gedanke des Verbraucherschutzes nicht in den Hintergrund treten . Ein Abweichen von der Regelfrist kommt nur dann in Betracht,

(7)

Notarrecht

ZNotP 10/2015 327

15 Vgl . nur Rundschreiben der BNotK Nr . 20/2003 v . 28 .4 .2003, S . 9; Ganter, in: Ganter/Hertel/Wöstmann (Fn .  5), 3 .  Aufl ., Rn .  1441; Soergel/Mayer, BGB, 13 .  Aufl ., Bd . 22, §  17 BeurkG Rn .  53; Staudinger/Hertel, BGB, Neubearb . 2012, Vorbem . zu §§  127a, 128 (BeurkG) Rn .  530; Winkler (Fn . 7), § 17 Rn . 182; Bücker/Viefhues, ZNotP 2008, 106, 107; Grziwotz, ZIP 2002, 2109, 2111 und ZfIR 2009, 627, 630; Rieger, MittBayNot 2002, 325, 335; großzügiger Armbrüster, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/

DONot, 6 . Aufl ., § 17 BeurkG Rn . 230; a .A . wohl Strunz, ZNotP 2002, 389 . 16 In den bisher an den Senat herangetragenen Fällen waren die Kosten der

Beurkundung – wie üblich – vom Käufer zu tragen . Zwar wäre denkbar, dass sich der Verkäufer dazu bereit erklärt, im Fall eines Käuferrücktritts die Notarkosten zu übernehmen . Das änderte freilich nichts daran, dass der Käufer im Verhältnis zum Notar Kostenschuldner bliebe, vgl . § 29 Nr . 1 GNotKG; dies kann durchaus praktisch werden, wenn sich der Verkäufer (bei Schrottimmobilienverkäufen durchaus realistisch) als nicht zahlungs- willig bzw . -fähig erweisen sollte .

17 Urt . v . 7 .2 .2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166 = DNotZ 2013, 552 = ZNotP 2013, 74 Rn . 25 .

nach der (erst) am 11 .11 .2006 erfolgten Besichtigung der ge- kauften Wohnung zurückzutreten .

4. Kausaler bzw. zurechenbarer Schaden

Im Wege einer Hilfsbegründung hatte das OLG auch die Kausalität der Amtspflichtverletzung des Klägers für den ent- standenen Schaden (Abschluss des Kaufvertrags) verneint und insoweit ausgeführt:

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass bei pflichtgemä- ßem Verhalten des Notars der Kaufvertrag nicht abgeschlos- sen worden wäre, trage der geschädigte Verbraucher . Auf einen Beweis des ersten Anscheins könne sich der Kläger nicht berufen . Bei Unterstellung der behaupteten Verletzung der Hinwirkungspflicht nach § 17 Abs . 2a Satz 2 Nr . 2 BeurkG bestehe lediglich eine Vermutung dafür, dass der Kläger die zweiwöchige Wartefrist in Anspruch genommen, aber nicht dafür, dass er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte . Für den Kläger hätten nach Ablauf der Wartefrist mehrere Entschei- dungsalternativen bestanden; die bloße Behauptung, dass er den Vertrag bei Nichtbeurkundung am 24 .10 .2006 nicht ab- geschlossen hätte, reiche insoweit nicht aus .

Auch diese Hilfsbegründung trug die Abweisung der Klage nicht .

Allgemein gilt: Zwischen der Amtspflichtverletzung des No- tars und dem geltend gemachten Schaden muss ein adäquater Ursachenzusammenhang bestehen (§ 249 Abs . 1 BGB) . Inso- weit ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemä- ßem Verhalten des Notars genommen hätten und wie sich die Vermögenslage des Anspruchstellers dann dargestellt hätte . Ob und in welchem Umfang ein Schaden eingetreten ist, ist sodann durch einen rechnerischen Vergleich mit der sich in- folge der Amtspflichtverletzung ergebenden Vermögenslage zu ermitteln (Differenzhypothese) . In der ersten Grundsatz- entscheidung zu § 17 Abs . 2a BeurkG bestand für den Senat keine Veranlassung, sich mit dieser Frage vertieft zu beschäf- tigen; er konnte sich mit der Feststellung begnügen, dass die vom Berufungsgericht geäußerten Kausalitätsbedenken nicht bestünden .17 In der Literatur wird, soweit sich dazu überhaupt Ausführungen finden, die Frage, ob es auch bei pflichtgemä- sichtigung der Tatsache, dass er das notarielle Vertragsexem-

plar zu diesem Zeitpunkt bereits 4 Wochen in Händen gehabt habe, sei eine ausreichende Bedenkzeit gegeben gewesen und der von § 17 Abs . 2a Satz 2 Nr . 2 BeurkG vorgeschriebene Übereilungsschutz gewahrt .

Dem ist der III . ZS nicht gefolgt . Er hat – in Übereinstimmung mit der ganz h .M .15 – entschieden, dass die Einräumung eines

„freien“ Rücktrittsrechts nicht genügt, um den Notar von der Einhaltung der Regelfrist von 2 Wochen abzuhalten:

Zweck des Gesetzes ist es, das Aufklärungspotenzial des Be- urkundungsverfahrens zu optimieren . Dem Verbraucher soll u .a . ermöglicht werden, sich frühzeitig mit den rechtlichen Besonderheiten des abzuschließenden Rechtsgeschäfts ver- traut zu machen und zu überlegen, welche Fragen und ggf . welche Änderungswünsche er in das Beurkundungsverfahren einbringen möchte . Auch kann bereits im Vorfeld der Beur- kundung durch solche Fragen geklärt werden, dass der No- tar für manche Bereiche – wie z .B . grds . für wirtschaftliche, steuerliche oder bautechnische Fragen – nicht zuständig ist, sodass der Verbraucher dann bei Bedarf versuchen kann, die- se noch rechtzeitig anderweitig zu klären . Das  – durch die (hier allerdings noch nicht maßgebende; die Beurkundung erfolgte 2006) Gesetzesänderung v . 15 .7 .2013 noch verstärk- te  – Ziel, dem Verbraucher im „Vorfeld der Beurkundung“

einen kompetenten Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen und so den Übereilungs- und Überlegungsschutz (noch) ef- fektiv(er) zu gestalten, kann durch ein Rücktrittsrecht nicht ausreichend nachträglich erfüllt werden .

Das dem Verbraucher insoweit eingeräumte Lösungsrecht hat eine andere Qualität („Alles-oder-Nichts“) als eine vorangehende Überlegungsfrist, die zur inhaltlichen Ge- staltung des beabsichtigten Vertrags genutzt werden kann . Auch ist durch den Vertragsschluss zunächst eine vertragli- che Bindung des Verbrauchers eingetreten, die der Gesetz- geber ohne entsprechende Vorbereitung des Verbrauchers gerade vermeiden will . Weder das Risiko einer Belastung mit den Kosten der Beurkundung16 noch eine psychologi- sche Hemmschwelle bestehen aber, wenn der Verbraucher den Vertragsentwurf vor der Beurkundung übersandt erhält . Auch trägt der Verbraucher anderenfalls das Risiko des recht- zeitigen Rücktritts . Dass sich der Gesetzgeber bei der Länge der Zweiwochenfrist des § 17 Abs . 2a Satz 2 Nr . 2 BeurkG an der Frist orientiert hat, die für die Widerrufsrechte des

§  355 BGB a .F . vorgesehen war, ist kein Argument dafür, dass durch ein Rücktrittsrecht die Belange des Verbrauches ausreichend gewahrt bleiben . Denn der Gesetzgeber hat sich zum Schutz des Verbrauchers gerade nicht für eine Rück- tritts- oder Widerrufslösung, sondern für die vorherige recht- zeitige Unterrichtung des Verbrauchers entschieden . Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht entscheidend darauf ankommen, dass  – worauf das Berufungsgericht abgestellt hat  – die (auch) dem Käufer eingeräumte Rücktrittsfrist deutlich großzügiger als die gesetzliche Regelfrist bemessen war, und er deshalb die Möglichkeit gehabt hätte, etwaige Fragen nach Vertragsschluss noch innerhalb der großzügigen Rücktrittsfrist zu klären oder auch (bei Nichtgefallen) noch

(8)

18 In diesem Sinne Soergel/Mayer (Fn .  15), §  17 BeurkG Rn .  53; Winkler (Fn . 7), § 17 Rn . 204; Sorge, DNotZ 2002, 593, 606 .

19 ZNotP 2013, 364 und 366 .

20 Vgl . Soergel/Mayer (Fn . 15), § 17 BeurkG Rn . 38 Fn . 308 . 21 Wöstmann (Fn . 5), Rn . 2206 .

1 Überarbeitete und ergänzte Fassung eines Vortrags anlässlich der 13 . Jah- resarbeitstagung des Notariats in Berlin; die Vortragsfassung ist abgedruckt in dem Tagungsband, S . 369 ff .

Allerdings dürfen die Anforderungen an die Beweisführung nicht überspannt werden; auch insoweit gilt (zugunsten des Schädigers) das herabgesetzte Beweismaß des § 287 ZPO .21

5. Aufhebung des Berufungsurteils

Da das OLG zu Unrecht eine Amtspflichtverletzung des Be- klagten und  – hilfsweise  – mit ebenfalls nicht tragfähiger Begründung den Kausalzusammenhang zwischen Pflichtver- letzung und Schaden (Vertragsschluss) verneint hatte, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das OLG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen . Das OLG wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Zurech- nungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Scha- den deshalb zu verneinen ist, weil der Kläger später (nach Ab- lauf der Regelfrist) den nämlichen Vertrag geschlossen hätte . In diesem Zusammenhang ist durchaus von Bedeutung, dass der Kläger von dem ihm vertraglich – mit einer die gesetz- liche Zweiwochenfrist um mehr als das Doppelte überschrei- tenden Frist – eingeräumten Rücktrittsrecht keinen Gebrauch gemacht hatte, und zwar auch dann nicht, als er sich durch Besichtigung einen eigenen Eindruck von der gekauften Woh- nung verschafft hatte . Diesem Umstand kommt, auch wenn – wie ausgeführt – die Einräumung eines Rücktrittsrechts der Wahrung der Regelfrist von 2 Wochen nicht gleichwertig ist, bei der Beantwortung der Frage, ob der Kläger bei gesetz- mäßigem Vorgehen des Beklagten die Wohnung 2  Wochen später gekauft hätte, durchaus eine gewisse Indizwirkung zu . ßem Verhalten des Notars später (also nach Ablauf der Re-

gelfrist) zum nämlichen Vertragsschluss gekommen wäre, als Kausalitätsproblem gesehen mit der Folge, dass sich Unsi- cherheiten darüber, ob es bei pflichtgemäßem Verhalten nicht doch noch zum Vertragsschluss gekommen wäre, zum Nach- teil des Verbrauchers gehen .18 Denn dieser trägt nach allge- meinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen eines Kausalzusammenhangs, wobei ihm freilich die Beweiserleichterungen des §  287 ZPO zugutekommen . Auch ich selbst habe in meinem Vortrag vor 2 Jahren die Fra- ge, ob auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Vertrag zustan- de gekommen wäre, als Kausalitätsfrage angesehen .19

Der Senat hat nunmehr klargestellt, dass es hier nicht um den Kausal-, sondern um den Zurechnungszusammenhang geht: Der Beklagte hätte, da am 14 .10 .2006 die Regelfrist von 2  Wochen nicht abgelaufen war und die Zwecke die- ser Wartefrist auch nicht anderweitig erfüllt waren, die ihm angetragene Beurkundung ablehnen müssen . Seine Amts- pflichtverletzung liegt mithin entscheidend darin, dass er die Beurkundung trotzdem durchgeführt hat . Zwischen dieser Amtspflichtverletzung und dem vom Kläger geltend gemach- ten Schaden – Abschluss des notariellen Kaufvertrags –, be- steht notwendigerweise ein kausaler Zusammenhang . Aller- dings geht der Zweck des Gesetzes zu verhindern, dass der Verbraucher durch einen übereilten Entschluss ein ihm nach- teiliges Geschäft abschließt, nicht soweit, den Notar sozusa- gen zum Ausfallbürgen des Verbrauchers für fehlgeschlagene wirtschaftliche Investitionen zu machen .20 Der Notar kann sich also darauf berufen, wenn er die Beurkundung abge- lehnt hätte, dann hätte sie der Käufer nach Ablauf der Regel- frist genauso wie geschehen vornehmen lassen . Für diesen hypothetischen Verlauf – wobei auch hier der Gedanke der Reserveursache bzw . des rechtmäßigen Alternativverhaltens herangezogen werden kann – trifft aber den Notar die Darle- gungs- und Beweislast, d .h . Zweifel gehen zu seinen Lasten .

Grundstücksrecht

Die Entwicklung des Wohnungseigentumsrechts

1

von Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bettina Brückner, Karlsruhe

Die Rechtsprechung des V. ZS zum Wohnungseigentumsrecht betraf in den letzten 2 Jahren eine ganze Reihe von Themen, die für Notarinnen und Notare von Interesse sind. Ende Juli 2015 erging eine grundlegende Entscheidung zum werdenden Wohnungseigentum. Weitere Schwerpunkte waren das Vorkaufsrecht des Mieters bei der Aufteilung, die gesellschaftliche Um- wandlung der verwaltenden Firma, Zweckbestimmungen in der Teilungserklärung und schließlich erneut das Vorrecht der WEG in der Zwangsversteigerung.

I. Werdender Wohnungseigentümer 1. Ausgangslage

In der Gründungsphase der Wohnungseigentümergemein- schaft bei der Aufteilung durch den Eigentümer – nament- lich den Bauträger – gem . § 8 WEG verzögert sich die Eigen-

tumsumschreibung auf die Erwerber häufig . Grund hierfür ist die Abwicklung von Gewährleistungsrechten zu einem Zeitpunkt, in dem die neu errichteten Einheiten bereits be-

(9)

Grundstücksrecht

ZNotP 10/2015 329

2 BGH, Beschl . v . 5 .6 .2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = ZNotP 2008, 369 Rn . 12 ff .

3 BGH, Beschl . v . 5 .6 .2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = ZNotP 2008, 369 Rn . 16 .

4 BGH, Urt . v . 11 .5 .2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 ff . = ZNotP 2012, 259 .

5 BGH, Urt . v . 24 .7 .2015 – V ZR 275/14, WuM 2015, 578 ff .

6 Vgl . BGH, Urt . v . 24 .3 .1983 – VII ZB 28/82, BGHZ 87, 138 ff .; Beschl . v . 1 .12 .1988 – V ZB 6/88, BGHZ 106, 113 ff .; Beschl . v . 18 .5 .1989 – V ZB 14/88, BGHZ 107, 285 ff .; Beschl . v . 5 .6 .2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = ZNotP 2008, 369 Rn . 18 .

7 BGH, Urt . v . 11 .5 .2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 ff . = ZNotP 2012, 259 .

denden Wohnungseigentümer vor dessen Eigentumserwerb, und zwar insbesondere die Verpflichtung zur Zahlung des Hausgelds . Insoweit bestimmt §  16 Abs .  2 WEG: „Jeder Wohnungseigentümer ist (…) verpflichtet, die Lasten des ge- meinschaftlichen Eigentums (…) nach dem Verhältnis seines Anteils (…) zu tragen .“

a) Normalfall: Zweiterwerb

Eine „normale“ Veräußerung von Wohnungseigentumsein- heiten erfolgt aus einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft heraus . Für diesen sog . Zweiterwerb hat der BGH die vorverlagerte An- wendung des WEG stets abgelehnt .6 Die Wohnungseigentü- mergemeinschaft soll durch einen Blick in das Grundbuch erfahren können, wer ihr Mitglied ist . Alles andere können und sollen die Vertragsparteien regeln .

b) Ein Zessionar als werdender Wohnungseigen- tümer?

Ist nun die Veräußerung durch den werdenden Wohnungs- eigentümer ein Zweiterwerb – oder geht die Rechtsstellung auf den Zessionar über?

aa) Sachverhalt

Die Klägerin in dem Senatsverfahren war erneut dieselbe WEG, die das Urt . v . 11 .5 .20127 erstritten hatte . Damals hat- te sie ohne Erfolg die Bauträgerin auf Zahlung rückständigen Hausgelds verklagt . Wenige Monate nach Verkündung jenes Urteils veräußerte die werdende Wohnungseigentümerin die Wohnung durch notariellen Vertrag an ihre Mutter, die mit ihr in der Wohnung lebte . Die Abtretung der Auflassungs- vormerkung wurde in das Grundbuch eingetragen . Darauf- hin verklagte die WEG die Mutter; sie hielt diese nunmehr für die werdende Wohnungseigentümerin .

bb) Bisherige Rechtsprechung

So ließ sich die bisherige Rechtsprechung des BGH auch verstehen . Denn im Jahr 1965 hatte der damals für das Woh- nungseigentumsrecht zuständige VII . ZS im Zusammenhang mit der Zuständigkeit entschieden, dass ein (aus heutiger Sicht) werdender Wohnungseigentümer durch eine Weiter- zogen wurden . Jedenfalls vor der Eintragung eines ersten Er-

werbers als Eigentümer gibt es noch keine Wohnungseigen- tümergemeinschaft . Gleichzeitig gibt es gerade wegen der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten einen Interes- sengegensatz zwischen Bauträger und Erwerbern . Diese Si- tuation regelt das Gesetz nicht; es trägt dem „Demokratisie- rungsinteresse“ der Erwerber nicht Rechnung . Mit Beschl . v . 5 .6 .2008 hat der V . ZS im Anschluss an eine verbreitete Auffassung entschieden, dass jedenfalls im Innenverhältnis zwischen dem teilenden Eigentümer und den Ersterwerbern eine vorverlagerte Anwendung des WEG geboten ist .2 Kurz gesagt werden die Erwerber vorzeitig als Wohnungseigen- tümer behandelt, nämlich dann, wenn sie

(1) eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzen und (2) Lasten und Nutzungen der Wohnung vertraglich auf sie

übergegangen sind . Voraussetzung hierfür ist, dass

(1) ein wirksamer Erwerbsvertrag vorliegt,

(2) eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden ist und schließlich

(3) der Besitzübergang auf den Erwerber erfolgt ist .

2. Wann endet die werdende Wohnungseigen-

tümergemeinschaft?

Die erworbene mitgliedschaftliche Stellung des werdenden Wohnungseigentümers entfällt nicht deshalb, weil ein Erwer- ber in das Grundbuch eingetragen wird; dies widerspräche dem Demokratisierungsinteresse der Erwerber .3 Mit Urt . v . 11 .5 .20124 entwickelte der BGH diese Rechtsprechung weiter und entschied, dass als werdender Wohnungseigentümer auch derjenige anzusehen ist, der seine Erwerbsposition erst nach Entstehung der Wohnungseigentümergemeinschaft rechtlich verfestigt . Anderenfalls käme es zu einer zufälligen Ungleich- behandlung der Erwerber . Zugleich wurde geklärt, dass der werdende Wohnungseigentümer einerseits die Mitwirkungs- rechte ausüben kann, andererseits die Kosten und Lasten des Wohnungseigentums allein zu tragen hat . Der Bauträger haf- tet also nicht gesamtschuldnerisch . Die mitgliedschaftliche Stellung eines Wohnungseigentümers lässt sich nicht in ihre verschiedenen Bestandteile aufteilen; wer das Stimmrecht hat, muss auch bezahlen – und umgekehrt . Noch offen ist aller- dings, wie lange eine Vorratshaltung des Bauträgers währen darf . Ist vielleicht ab einer gewissen Dauer der Bauträger als Ersterwerber anzusehen? Oder bleibt es unbegrenzt dabei, dass der erste Erwerber vom Bauträger werdender Wohnungs- eigentümer wird? Gegen Letzteres könnte sprechen, dass jedenfalls mit der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen der schärfste Interessenkonflikt entfallen ist .

3. Weiterveräußerung durch den werdenden Wohnungseigentümer

Eine schwierige Folgeentscheidung hatte der BGH am 24 .7 .20155 zu treffen . Sie betraf die Folgen einer Weiterver- äußerung der Wohnungseigentumseinheit durch den wer-

(10)

8 Besitzer wird man nicht allein durch die Aufnahme in die Wohnung; vgl . hierzu BGH, Beschl . v . 19 .3 .2008 – I ZB 56/07, NJW 2008, 1959 Rn . 16 . 9 BGH, Urt . v . 22 .11 .2013 – V ZR 96/12, BGHZ 199, 136 ff .

die Wohnung gemeinsam; wer Besitzer und wer ggf . Besitz- diener8 war, war für Außenstehende nicht zu erkennen .

3. Folgen für die Veräußerung des Sonder-

eigentums vor Eigentumserwerb

Veräußert ein werdender Wohnungseigentümer sein Sonder- eigentum, ist also künftig zu beachten, dass er sich hierdurch der Außenhaftung nicht entledigen kann . Umso wichtiger ist es, dass diesen Interessen bei der Vertragsgestaltung Rech- nung getragen wird . Im Wege eines Schuldbeitritts des Er- werbers muss ein eigenes Forderungsrecht der WEG hinsicht- lich der Lasten des Wohnungseigentums begründet werden . Dies sichert den Zedenten insofern ab, als die WEG in die Wohnung vollstrecken kann und insoweit das Vorrecht in der Zwangsversteigerung genießt . Der Zessionar sollte im Gegen- zug zur Ausübung des Stimmrechts ermächtigt werden .

II. Vorkaufsrecht des Mieters beim „Münchener

Modell“

1. Wann entsteht das Vorkaufsrecht?

Mit einem weiteren Problem im Zusammenhang mit der Entstehung von Wohnungseigentum befasste sich der V . ZS Ende 2012, nämlich mit der Frage, wann das Vorkaufsrecht des Mieters gem . §  577 BGB entsteht .9 Nach dieser Vor- schrift wird ein Vorkaufsrecht gewährt, wenn die Aufteilung während des Mietverhältnisses erfolgt, und zwar u .a . auch dann, wenn Wohnungseigentum „begründet werden soll“ .

a) „Münchener Modell“

Wie liegt es nun, wenn ein Mehrfamilienhaus an eine Er- werbergemeinschaft veräußert wird, die dessen Aufteilung durch Teilungsvereinbarung gem . §  3 WEG beabsichtigt  – also dem sog . „Münchener Modell“? Hierüber gingen die Meinungen auseinander .

Der BGH entschied dahin gehend, dass das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 Abs . 1 Satz 1, 2 . Alt . BGB bei dem Verkauf eines (noch) ungeteilten Mehrfamilienhauses im Grundsatz nur dann entsteht, wenn sich

(1) der Veräußerer vertraglich zur Durchführung der Auftei- lung gem . § 8 WEG verpflichtet, und

(2) die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Woh- nungseigentumseinheit in dem Vertrag bereits hinrei- chend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist .

Dass eine geplante Teilungsvereinbarung nicht ausreichen kann, ergibt sich vornehmlich aus systematischen Grün- den . Gegenstand des Vorkaufsrechts ist weder das gesamte Gebäude noch ein Miteigentumsanteil, sondern ein zwar veräußerung endgültig aus der Gemeinschaft der Wohnungs-

eigentümer ausgeschieden sei . Nach der Entwicklung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft im Wege der Rechtsfortbildung war diese Frage jedoch umstritten .

cc) Kein Übergang der Rechtsstellung durch Zession

Der V . ZS hat nunmehr unter Aufgabe der genannten Recht- sprechung des VII . ZS entschieden, dass der Zedent wer- dender Wohnungseigentümer bleibt und die Rechtsstellung nicht auf den Zessionar übergeht . Im Ausgangspunkt wird der immer noch im Grundbuch eingetragene Bauträger durch die Zession nicht zum Schuldner . Es ist ja gerade Sinn der Rechtsfortbildung, dem Bauträger die Entscheidungsbe- fugnisse zu nehmen . Ohnehin hat er mit der Zession nichts zu tun . Folglich ist das WEG weiterhin nicht direkt anzu- wenden . Als Schuldner kommen daher nur die Zedentin oder die Zessionarin ernsthaft in Betracht .

Für den Übergang der Rechtsstellung auf die Zessionarin spricht zunächst, dass diese begrifflich Ersterwerberin ist . Denn sie sollte das Eigentum unmittelbar von dem teilenden Eigentümer erwerben . Eine Auflassungsvormerkung kann bekanntlich nicht isoliert abgetreten werden . Sie geht nur dann in analoger Anwendung von § 401 BGB auf den Zes- sionar über, wenn die Abtretung des gesicherten Anspruchs auf Übertragung des Eigentums aus dem zwischen dem Bau- träger und dem Zedenten geschlossenen Kaufvertrag erfolgt . Ein gewichtiges Argument gegen den Übergang der Rechts- stellung ist jedoch, dass dem „Demokratisierungsinteresse“

der Erwerber hinsichtlich der betroffenen Einheit mit dem ersten Erwerb einer gesicherten Rechtsposition von dem Bauträger durch den Zedenten Genüge getan ist . Entschei- dend für die Lösung des V . ZS waren letztlich die gravieren- den praktischen Folgeprobleme . Ginge die Rechtsstellung über, könnte der Verband nicht mehr sicher erkennen, wer die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten innehat . Die Abtretung des Übereignungsanspruchs vollzieht sich außer- halb des Grundbuchs . Wird sie – wie hier – in das Grundbuch eingetragen, geschieht dies nur deklaratorisch im Wege der Berichtigung und kann daher den Übergang der Rechte und Pflichten des Wohnungseigentümers nicht bewirken . Nach außen nicht ohne Weiteres erkennbar ist auch der Besitzüber- gang, der erst die Annahme erlaubte, dass Nutzungen und Lasten auf den Zessionar übergegangen sind . Schon bei dem Erwerb vom Bauträger ist dieses Merkmal nicht unproble- matisch . Aber hier wird die Einheit regelmäßig im Anschluss an die Errichtung des Gebäudes ohne vorherige Eigennut- zung übergeben, was jedenfalls typischerweise anhand äuße- rer Merkmale feststellbar ist . Nach einer Zession ist das an- ders . Bei einer durchgehend vermieteten Wohnung liegt dies auf der Hand, da für die WEG nicht erkennbar ist, ob und wann Nutzungen und Lasten übergegangen sind . Infolgedes- sen wäre unklar, wer bspw . zu der Eigentümerversammlung einzuladen ist . Auch der zu entscheidende Sachverhalt zeig- te dies deutlich . Denn Zedentin und Zessionarin bewohnten

(11)

Grundstücksrecht

ZNotP 10/2015 331

10 BGH, Urt . v . 21 .1 .2015  – VIII  ZR 51/14, NZM 2015, 334  ff .; nach der neuen Geschäftsverteilung des BGH ist seit dem 1 .1 .2015 der VIII . ZS für das Vorkaufsrecht nach § 577 BGB zuständig .

11 BGH, Urt . v . 21 .2 .2014 – V ZR 164/13, BGHZ 200, 221 ff . = ZNotP 2014, 145 .

12 Gestützt wurde dies auf §  168 BGB analog (Erlöschen der Vollmacht);

§ 673 BGB analog (Tod des Beauftragten) .

13 BGH, Urt . v . 21 .2 .2014 – V ZR 164/13, BGHZ 200, 221 ff . = ZNotP 2014, 145 .

Mitteilungspflichten und entsprechende Vertragsgestaltung, etwa in Form von auflösenden Bedingungen .

III. Gesellschaftsrechtliche Umwandlung der ver- waltenden Firma

Als Verwalter von Wohnungseigentumsanlagen werden häu- fig juristische Personen eingesetzt . Einigkeit besteht darüber, dass der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage seine Befugnisse nicht rechtsgeschäftlich auf Dritte übertragen oder diesen zur Ausübung überlassen kann . Aber über die Folgen einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung hatte der BGH erstmals am 21 .2 .201411 zu entscheiden .

1. Verschmelzung

Nach bislang einhelliger Meinung in der Rechtsprechung des BayObLG und der Instanzgerichte sollen die Organ- stellung und der Verwaltervertrag durch eine Umwandlung enden . Begründet wurde dies mit dem persönlichen Vertrau- ensverhältnis; die Wohnungseigentümer müssten sich keinen anderen Verwalter aufdrängen lassen .12

Der V . ZS hat nunmehr im Hinblick auf die Verschmelzung mit einer in der Literatur verbreiteten Auffassung anders entschieden .13 Verwaltervertrag und Organstellung gehen bei der Verschmelzung von juristischen Personen gem . § 20 Abs . 1 Nr . 1 UmwG auf den übernehmenden Rechtsträger über . Diese Norm ordnet eine umfassende Rechtsnachfolge an . Eine analoge Anwendung von §  673 BGB  – Ende des Auftrags bei Tod des Beauftragten – scheidet mangels Rege- lungslücke aus . Die Gesellschaft wird gerade nicht liquidiert, sondern gesellschaftsrechtlich umstrukturiert . Die Auswir- kungen dieses Vorgangs sind umfassend gesetzlich geregelt . Berechtigten Bedenken der Wohnungseigentümer gegen den neuen Rechtsträger kann die Ausgestaltung des Kündigungs- und Abberufungsrechts Rechnung tragen; dies gewährleistet eine kontinuierliche Verwaltung, weil eine Abberufung und Kündigung des umgewandelten Verwalters mit der Bestel- lung eines neuen Verwalters verbunden werden kann . Insoweit hat der BGH entschieden, dass die Verschmelzung für sich genommen keinen wichtigen Grund i .S .v . §  314 Abs . 1 BGB darstellt, der die Kündigung rechtfertigt . Hier- für bedarf es besonderer Umstände, die die Fortführung der Verwaltung durch den übernehmenden Rechtsträger unzu- mutbar machen . Insoweit sind allerdings keine hohen Anfor- derungen zu stellen . Bspw . käme in Betracht, dass der Ver- walter infolge der Verschmelzung an einem anderen Ort als sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Ent-

stehung bereits angelegtes Wohnungseigentum . Daher muss die Auslegung des Kaufvertrags ergeben, dass die vollendete Aufteilung geschuldet ist . Dass die Erwerber die Aufteilung planen, reicht nicht, und zwar im Grundsatz auch dann nicht, wenn der Verkäufer hiervon Kenntnis hat und dafür Unter- lagen zur Verfügung stellt . Dies ist keine Besonderheit des

§ 577 BGB, sondern allgemein Voraussetzung für ein Vor- kaufsrecht .

b) Praktische Folgen

Im Ergebnis entsteht beim Münchener Modell also i .a .R . kein Vorkaufsrecht . Dies ist als mieterfeindlich gescholten worden . Es kann aber kaum als mieterfreundlich durchge- hen, wenn der Mieter Gefahr läuft, einen bloßen Miteigen- tumsanteil zu erwerben, ohne die Aufteilung unter Zuwei- sung seiner Mietwohnung beanspruchen zu können . Dies gilt umso mehr, als das Vorkaufsrecht ohne notarielle Beratung durch schriftliche Erklärung ausgeübt werden kann (§ 577 Abs . 3 BGB) . I .Ü . ist inzwischen der Kündigungsschutz bei der Veräußerung an eine Erwerbermehrheit verbessert wor- den (§ 577a Abs . 1a BGB) .

Für die notarielle Praxis ist jedenfalls geklärt, dass das Vor- kaufsrecht erst bei dem ersten Verkauf nach der Entstehung des Wohnungseigentums entsteht . Praktisch hat das für den Mieter den Vorzug, dass er weiß, was er zu welchem Preis kauft; nachteilig ist natürlich, dass ihm die Teilungsvereinba- rung zum Zwecke der späteren Eigennutzung den Kauf nicht ermöglicht und er nur durch die zeitliche Beschränkung der Eigenbedarfskündigung geschützt wird .

2. Schadensersatz

Dass das Vorkaufsrecht eine Haftungsfalle darstellt, zeigt eine Entscheidung des VIII . ZS v . 21 .1 .2015 .10 In dem zu- grunde liegenden Fall ging es etwas verkürzt darum, dass die Vermieterin nach Aufteilung alle Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus an ihre Tochter verschenkte . Diese ver- kaufte sie an eine Erwerberin, ohne die Mieter hiervon zu unterrichten und dabei  – wie es gesetzlich vorgeschrieben ist – auf das Bestehen des Vorkaufsrechts hinzuweisen . Die Erwerberin bot der Mieterin die Wohnung später zu einem deutlich höheren Preis an . Die Mieterin verlangte nunmehr von ihrer früheren Vermieterin den Ersatz der Differenz von Verkehrswert und Kaufpreis . Im Grundsatz zu Recht, befand der VIII . ZS . Er hat mit diesem Urteil zum einen geklärt, dass eine Schenkung unter nahen Angehörigen das Vorkaufs- recht bei einem nachfolgenden erstmaligen Verkauf nicht ausschließt . Zum anderen hat er entschieden, dass der Ver- mieter das Erfüllungsinteresse zu ersetzen hat .

Dies zeigt, wie wichtig es ist, das Entstehen von Vorkaufs- rechten bei der Veräußerung nach Aufteilung zu prüfen . Möglicherweise war das hier durch eine frühzeitige Auf- teilung, einen nachfolgenden Erbfall und schließlich die Schenkung aus dem Blick geraten . Dem Vorkaufsrecht muss Rechnung getragen werden, und zwar durch Erfüllung der

(12)

14 Näher Krampen-Lietzke, DNotZ 2014, 524, 528 .

15 BGH, Beschl . v . 4 .12 .2014 – V ZB 7/13, ZNotP 2015, 144 = DNotZ 2015, 362 Rn . 10; Urt . v . 11 .5 .2012 – V ZR 189/11, NJW-RR 2012, 1036 Rn . 9 . 16 BGH, Urt . v . 8 .5 .2015 – V ZR 178/14, NJW-RR 2015, 781 ff .

17 BGH, Urt . v . 10 .7 .2015 – V ZR 169/14 .

18 Vgl . zum Ganzen Timme/Dötsch, WEG, 2 . Aufl ., § 15 Rn . 219 m .w .N . 19 Ein Weinlokal in einem Laden hält für zulässig: AG Bremen, ZMR 2013,

749, 750 f .; weitere Nachweise zum Ganzen bei Timme/Dötsch (Fn . 18),

§ 15 Rn . 219 .

c) Laden gleich Gaststätte?

Für eine Flut von Rechtsprechung sorgt in diesem Zusam- menhang die Zweckbestimmung „Laden“ . Was ist ein La- den  – und vor allem: Was ist eine typischerweise gleich- wertige und damit zu duldende Nutzung? Jedenfalls ist eine Gaststätte kein Laden  – so hat es der BGH am 10 .7 .2015 entschieden17 –, was im Sinne einer objektiven und nächst- liegenden Auslegung der Teilungserklärung vielleicht keine große Überraschung darstellt . Aber ist eine Spielhölle ein Laden, eine Reinigung oder gar ein Café?18 Eine offene und umstrittene Rechtsfrage betrifft die Ladenöffnungszeiten . In immerhin acht Bundesländern sind die Ladenöffnungszeiten abgeschafft worden . Hier stellt sich zunächst die Frage, wie Läden in Wohnungseigentumsanlagen nunmehr genutzt wer- den dürfen . Kommt es auf den Zeitpunkt der Teilungserklä- rung an oder enthält diese im Zweifel eine dynamische Ver- weisung auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen – mit der Folge, dass in den betroffenen Bundesländern Läden rund um die Uhr geöffnet werden darf? Und wenn ja, dürfen die anderen Wohnungseigentümer den Teileigentümern durch Mehrheitsbeschluss andere Öffnungszeiten vorschreiben?

Und vor allem: Führt dies dann dazu, dass der Laden jetzt als Gaststätte genutzt werden darf, weil diese Nutzung sich nun typischerweise nicht mehr als störender erweist als der eigentlich vorgesehene Laden?

Früher wurde nämlich argumentiert, dass eine Gaststätte ty- pischerweise störender sei, da Läden anders als Gaststätten nachts nicht geöffnet sein dürften . Dieser Grund ist aber nun vielerorts mit der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten entfallen . Müsste dies die Sichtweise ändern? Problematisch sind hier insbesondere beliebte Mischformen wie Bistros und Stehimbisse .19

Diese im Einzelnen streitigen Fragen sind allesamt noch un- geklärt – der BGH musste sich mit diesen Problemen nicht befassen . Denn die Anlage, um die es am 10 .7 .2015 ging, liegt im Saarland, und dort müssen Läden um 20 Uhr schlie- ßen . Eines hat die Entscheidung aber klargestellt: obwohl der Laden im Saarland jahrzehntelang unbeanstandet als Gast- stätte genutzt wurde, durfte er nach der Lockerung der Sperr- stunde für Gaststätten nicht die ganze Nacht über geöffnet werden . Selbst wenn die auf das bislang geduldete Verhalten bezogenen Unterlassungsansprüche der übrigen Wohnungs- eigentümer verwirkt gewesen sein sollten, vermittelt dies dem Eigentümer der Teileigentumseinheit nicht allgemein die Rechtsposition, die er innehätte, wenn die Nutzung von der Teilungserklärung gedeckt wäre . Also bleibt ein Laden bisher ansässig ist, der von der Wohnungseigentumsanlage

deutlich weiter entfernt liegt . Denkbar ist es allerdings auch, dass die Umwandlung in der Gemeinschaftsordnung als Ab- berufungsgrund verankert wird .14

2. Ungeklärte Rechtsfragen

Offen ist noch, ob sich die Gesamtrechtsnachfolge auch bei der Verschmelzung von übertragenden Personenhandelsge- sellschaften auf den Verwaltervertrag erstreckt, und wie sich eine Spaltung – insbesondere die Ausgliederung eines ein- zelkaufmännischen Unternehmens – auswirkt .

IV. Rund um die Teilungserklärung 1. Zweckbestimmungen

Immer wieder sind Zweckbestimmungen in der Gemein- schaftsordnung der Auslöser von Rechtsstreitigkeiten, weil andere Wohnungseigentümer eine zweckwidrige Nutzung monieren . Solche Zweckbestimmungen sind Gebrauchs- regelungen kraft Vereinbarung i .S .v . § 15 Abs . 1 WEG; sie betreffen sowohl die Frage, ob das Sondereigentum Wohn- oder Teileigentum darstellt15 als auch insbesondere die Art der Nutzung von Teileigentumseinheiten .

a) Unterlassungsanspruch

Im Grundsatz können die übrigen Wohnungseigentümer die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung verlangen . Aber nach st . Rspr . des V . ZS kann auch eine nach dem vereinbar- ten Zweck ausgeschlossene Nutzung ausnahmsweise zuläs- sig sein . Dies setzt voraus, dass sie bei typisierender Betrach- tungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung . Entscheidend ist dabei, dass eine solche anderweitige Nut- zung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem ver- einbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist . Denn das Sondereigentum stellt nach der gesetzlichen Ausgestaltung

„echtes“ Eigentum dar, dessen Nutzung nicht über Gebühr eingeschränkt werden soll . Daher ist auch in Wohnräumen eine nicht störende gewerbliche Nutzung ohne Publikums- verkehr erlaubt .

b) Verjährung und Verwirkung

Räume, die nach der Teilungserklärung Nebenräume sind, dürfen nach diesen Grundsätzen jedenfalls dann nicht als Wohnräume genutzt werden, wenn die Anlage hierdurch um eine Wohneinheit erweitert wird . Im Mai 2015 hatte der BGH über eine Teileigentumseinheit zu entscheiden, die laut Teilungserklärung nur aus Nebenräumen bestand, aber seit Jahrzehnten als Wohnraum vermietet wurde .16 Eine neu hinzugekommene Sondereigentümerin verlangte Unterlas- sung – mit Erfolg . Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt bei einer fortdauernden Nutzung nicht, und auch eine Verwir- kung verneint der V . ZS jedenfalls dann, wenn – wie in dem zu entscheidenden Fall – noch in jüngerer Zeit Neuvermie- tungen stattgefunden haben .

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