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Meike Stommer: Europa-Skeptiker oder Europa-Pragmatiker? Die isländische Europapolitik zwischen Machtpolitik, nationalen Interessen und normativen Orientierungen.

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NORDEUROPAforum 22 (2012:1–2) 131

Meike Stommer: Europa-Skeptiker oder Europa-Pragmatiker? Die isländische Europapolitik zwischen Machtpolitik, nationalen Interes- sen und normativen Orientierungen. Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2012 (Schriften zur Europapolitik; 14), 314 S.

Im Zuge der isländischen Finanzkrise kam es 2009 in Island zu Neuwahlen, bei denen das Bündnis aus sozialdemokrati- scher Allianz und Links-Grüner Bewe- gung die absolute Mehrheit im Parlament gewann. Bereits wenig später beantragte die neue isländische Regierung die Auf- nahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Bisher konnte ein Drittel der Beitrittskonferenzen bzw.

Screeningverfahren abgeschlossen wer- den. Das eher als problematisch einzu- schätzende Kapitel Fischerei ist bisher nicht eröffnet worden. Die abschließende Frage wird aber ohnehin sein, ob die isländische Bevölkerung überhaupt für einen EU-Beitritt im vorgesehenen Refe- rendum stimmen wird oder ob die Ver- handlungen nur eine bürokratische Übung gewesen sein werden.

Meike Stommer untersucht in ihrer poli- tikwissenschaftlich angelegten, 2011 in Greifswald im Rahmen des interdis- ziplinären DFG-Graduiertenkollegs Kon- taktzone Mare Balticum vorgelegten Dis- sertation die Grundzüge der isländischen EU-Politik, worauf sie die isländische Europapolitik einengt. Ihre leitende Fra-

ge ist, warum Island, das sie am äußersten Rand von Europa verortet, in einigen Po- litikfeldern enge Beziehungen mit der EU entwickelt hat und in anderen nicht. Diese und die Frage nach der zukünftigen islän- dischen EU-Politik diskutiert sie im Rahmen des Theorieangebots der Interna- tionalen Beziehungen (IB) bzw. der Au- ßenpolitikanalyse. Neben ihrer leitenden Fragestellung möchte Stommer mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur Untersuchung der Kleinstaaten im Kräftefeld von Großmachtpolitik und ihrer wissenschaft- lichen Analyse leisten.

Als Erklärungsansätze der isländischen EU-Politik wählt sie Neoliberalismus, Liberalismus und Konstruktivismus, die sie einleitend systematisch diskutiert, um so ihren Erklärungswert bestimmen zu können. Die verschiedenen von ihr analy- sierten Politikbereiche Sicherheitspolitik, Wirtschafts- und Außenhandelspolitik sowie die isländische Kultur- bzw. Bil- dungspolitik ordnet sie diesen Theorien in einem weiteren Schritt in drei Kapiteln mit jeweiliger theoretischer Schwer- punktsetzung zu.

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Keinesfalls beschränkt sich ihre Arbeit auf einen Vergleich theoretischer Erklä- rungsansätze. In ihren Fallstudien unter- sucht sie vielmehr die relative Gewichtung einzelner politischer Faktoren und ihr Zusammenspiel, die im fünften und letz- ten Kapitel in der Gesamtheit beleuchtet werden.

Island verfolgt, so Stommer, eine am ehesten von gesellschaftlichen Normen geleitete pragmatische Außenpolitik, die sie in Übereinstimmung mit der konstruk- tivistischen Theorie als normengeleitete Politik charakterisiert (S. 286). Dieses Ergebnis ist nicht ganz überraschend und reflektiert den Stand der Forschung (Eirí- kur Bergmann Einarsson, „Hið huglæga sjálfstæði þjóðarinnar. Áhrif þjóðernis- hugmynda á Evrópustefnu íslenskra stjórnvalda: Diss., Reykjavík 2009 [Die ureigene Souveränität der Nation. Vom Einfluss nationalistischer Ideen auf die Europapolitik isländischer Regierungen;

Übersetzung des Rezensenten.]), wie sie selbst einräumt (S. 21). Stommer gelingt in ihrer methodisch-theoretisch fundierten Arbeit jedoch pointiert der Nachweis, dass sicherheitspolitische Erwägungen inner- halb der isländischen Europapolitik eine nur untergeordnete Rolle spielen, da Island auf verteidigungspolitischem Gebiet seit 1951 mit den USA über das amerikanisch- isländische Verteidigungsabkommen be- sondere Beziehungen unterhält, das auch nach dem Abzug der US-Garnison 2006

bisher weiterhin Bestand hat. Im Bereich der isländischen Luftraumkontrolle, Luft- sicherheit und Luftpolizeidienste unter- stützen zudem die europäischen NATO- Partner die isländischen Behörden spora- disch. An Erklärungskraft steht auch die Theorie des Liberalismus hinter der kon- struktivistischen Theorie zurück. Die is- ländischen Eliten verfolgen zwar eine Politik der Kooperation, letztlich sind sie aber im Bereich Wirtschaft und Handel auf ihre Eigeninteressen bedacht. Stom- mer charakterisiert die Politik als „Ge- winnpolitik“ (S. 284). Zudem agieren isländische politische Akteure in Bezug auf die staatliche Europapolitik abgeson- dert von öffentlichen Diskursen und ver- folgen in Einzelfällen ihre eigenen Inte- ressen. Stommers Arbeit empfiehlt sich nicht nur als gelungenes Beispiel, wie das Theorieangebot der IB methodisch sinn- voll auf die Analyse der Außenpolitik von Kleinstaaten angewendet werden kann, sondern auch als detaillierter Einblick in die Grundlagen und vielschichtigen As- pekte der isländischen Europapolitik.

In Hinblick auf das letzten Endes erforder- liche isländische Referendum zu einem EU-Beitritt wirft ihr Ergebnis einen dunk- len Schatten in Richtung Brüssel. Denn es erscheint fraglich, ob es der Minderheit an isländischen EU-Befürwortern kurzfristig gelingen wird, die Bedeutung von tradier- ten Vorstellungen von Unabhängigkeit, der zentrale Begriff im isländischen nati-

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onalen Narrativ, und Souveränität durch neue normative Leitvorstellungen zu er- setzen und damit die Mehrheit der Islän- der, die geologisch gesehen auf der nord- amerikanischen Kontinentalplatte lebt, von einer vollständigen Mitgliedschaft in der EU zu überzeugen. Da Island ohnehin in eine Vielzahl von Integrationsprozes- sen vorteilhaft eingebunden ist, besteht an sich auch wenig Anlass, diese durch et- waige Nachteile einer EU-Mitgliedschaft aufzuwiegen.

Michael Penk (Berlin)

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