GOETHES FAUST II IN PERSISCHER DICHTUNG
von Mahmud Kuros, Stuttgart
In meinem vorhergehenden Vortrag, den ich anläßlich der Orientalistentagung in
Freiburg gehalten hatte, wurden einige Schwierigkeiten bei der Übertragung der
deutschen Verse in persische Dichtung aufgezeigt. Ich berichtete darüber, wie die
genannten Schwieri^eiten notgedmngen durch Umgehung verschiedener Regeln
der persischen Poetik ausgeschaltet werden konnten*. Es handelte sich um ein Frag¬
ment aus dem ersten Teil Faust.
Heute möchte ich auf den zweiten Teil der Faustdichtung übergehen, nicht etwa
um zu verkünden, daß der erste Teil bereits in persische Dichtung übertragen ist,
sondern um andere Punkte zu besprechen, die im ersten Teil geringfügig waren und
doch im zweiten Teil einen größeren Umfang annehmen. Es handelt sich um die
Häufung von mythologischen Gestalten im zweiten Teil der Faustdichtung. Das
Fehlen mythischer Parallelen in persischer Sprache gestaltet die Übersetzung
schwierig, gleichgültig ob diese in Prosa oder in Poesie erfolgen soll. Um das Pro¬
blem zu diskutieren, bringe ich ein Fragment in persischer Dichtung. Es ist der Be¬
ginn des ersten Aktes: „Anmutige Gegend". Der menschenfreundliche Ariel singt:
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Nachdem Ariel die Geburt des neuen Tages meldet, erwacht nun Faust aus tiefem
Schlaf und, von Lebensfreude erfüllt, mft er aus:
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1 ZDMG, Supplement III, 2, XIX. Deutscher Orientalistentag 1975, S. 1053-1056.
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 In Erlangen
Goethes Faust II in persischer Dichtung 363
Was hier besprochen werden soll, ist die Übersetzung des mythischen Teils des Frag¬
mentes, hier die sagenhafte Gestalt der menschenfreundlichen Elfen. Hierfiir mußte ein passendes Wort eingesetzt werden, da die Benutzung der Originalbezeichnung
jjyü I in persischer Schrift weder verständlich noch phonetisch tragbar war. Weil
aber die Elfen eine gewisse Ähnlichkeit mitu-^ undiJj—i haben, lag mir die Ver¬
wendung dieser Figuren nahe; jedoch konnte die Bezeichnung (>-^als böser Geist
und iJj~( als weibliches Wesen nicht in Frage kommen; so kam ich auf-^^jrih; »eine
Gestalt, die als ein Sproß von Pari, die Eigenschaft eines gutmütigen Geistes darstel¬
len könnte. Es ist zu hoffen, daß später die Erhaltung solcher ähnlichen Figuren
möglich wird.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich hier noch eine Frage, die ich in meinen frühe¬
ren Aufsätzen und Vorträgen gestellt hatte, erörtern, das ist die Frage der Überset¬
zung der Faustdichtung in Poesie oder Prosa*. Bei der Analyse dieses wichtigen Pro¬
blems war ich zu dem Schluß gekommen, daß eine Übertragung in Versform besser
und zur Anregung der Leser für die geistigen Probleme der Faustdichtung erfolg¬
reicher ist und gleichzeitig eine größere Würdigung der genialen Dichtung darstellt als dies durch eine Prosaübertragung der Fall sein kann.
Um d a s zu demonstrieren, wird ein Teil der hier vorgelegten persischen Faust¬
dichtung noch in Prosa übersetzt. Es sind die Verse 4679-4690:
2 Vorträge des Seminars Lindich, 2. Folge, Tübingen 1975, S. 14 ff.
364 Mahmud Kuros
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Wir sehen, daß diese ziemhch genaue Prosaübersetzung, die auch etwas dichterisch retuschiert ist, nicht denselben Reiz hat wie die Versform der Übersetzung.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, der Übersetzung die Form einer ,J*rosa-
dichtung" zu geben, was auch oft geschieht. Dabei gewinnt man nicht viel, da
meistens die Übersetzer erheblich vom Urtext abweichen und dabei doch die Schön¬
heit und der Klang der Dichtung nicht erreicht werden kann. Hier als Beispiel eine solche Übersetzung der obigen Verse:
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Goethes Faust II in persischer Dichtung 365
Aus Raumgründen begnüge ich mich mit den ersten 8 Zeilen und ich hoffe, daß ein
Vergleich der verschiedenen Formen der Übersetzung die Vorzüge der dichterischen Gestaltung klar machen koimte.
Doch möchte ich hier vermerken, daß bei der Herausgabe des Gesamtwerkes
möglicherweise einige unbedeutende Stellen in Prosa übersetzt werden können, um
später durch Verse ersetzt zu werden. Ferner soll noch angedeutet werden, daß die
persischen Verse bei der endgültigen Ausgabe geändert werden können, falls eine
bessere dichterische Gestaltung sich herausstellt, denn groß ist ein Wert, „der sich vollendet".
ALLGEMEINE SITZUNGEN DER SEKTION IRANISTIK
LEITER UND BERICHTERSTATTER' W. LENTZ - MARBURG
am 4.10. nachm. (22 Teilnehmer aus 8 Ländern) und
am 5.10. nachm. (7 Teilnehmer aus 4 Ländern)
Erinnerung an Iranforschungen in Erlangen (Friedrich RÜCKERT — Friedrich
SPIEGEL - Wilhelm GEIGER - Kari HOFFMANN - Eugen WIRTH)
Totenehrung (Franz ALTHEIM, Emile BENVENISTE, Mojtaba MINOVI)
A I a) Bibliographie: Isolierung der Iranica aus der periodischen Berichterstattung des Berliner Zentralkatalogs für Orientalia gemäß Resolution der Sektion vom Frei¬
burger Orientalistentag 1975 technisch möglich - Durchführung lt. Auskunft des
Vorsitzenden der DNG auf der AUgemeinen Versammlung in Erlangen numnehr bei
Vorstand in Prüfung. — Die Studia Iranica — Paris werden künftig, um einen jähr¬
lichen Faszikel Abstracta Iranica' vermehrt, erscheinen.
c)* Buchbeschaffung: Die bereits umfangreichen ReUien J*ahlavi Codices and
Iranian Researches' und J*ahlavi Commemorative Reprint Series' nunmehr auch in
der Bundesrepuglik erhältlich.
1 Um Raum für den von Georg MORGENSTIERNE freundlichst zur Verfügung gestellten Be¬
richt über den Stand der Bearbeitung seines Dialekt-Materials zu gewinnen, hier nur Kurz¬
bericht nach dem Schema des Berichts der Sektion zum Freiburger Kongreß von 1975 auf Grund von Protokollen, die W. BEHN - Berlin und D. BLIESKE - Tübingen dankenswer¬
terweise zur Verfügung gestellt haben. Weitere Einzelheiten wolle man bei den Referenten erfragen, denen hier für ihre Mühe gedankt werden muß: D. BLIESKE - Tübingen (Litera¬
turbeschaffung der Sondersammelgebiete der UB Tübingen für Theologie und Orientalistik aus dem Orient und aus der Sowjetunion) - K. GRATZL - Graz (Internationale Forschung in Afghanistan heute: Aktuelle Berichterstattung und Archivierung ihrer Ergebnisse; vgl. die Abteilungen ,Kurzreferate' und ^^urzinformationen' in jedem Heft des seit 1974 erschei¬
nenden Afghanistan Journal) - O. KLIMA - Prag (Transkriptionsfragen des Buch-Pahlavi) - M. KUROS - Stuttgart (Deutsch-Iranische Gesellschaften; vgl. Beziehungen im Bereich von Bildung und Wissenschaften zwischen dem Lande Baden-Württemberg und dem Kaiser¬
reich Iran. Materialien zum Internationalen Kulturaustausch', hrsg. v. Institut für Auslands¬
beziehungen ~ Stuttgart, Bd. 3, 1976, hier zitiert als Beziehungen'), 122-25. - M. H.
MADANI (Seminare Lindich zur Ausbildung der Iraner in Deutschland für Iran; vgl. ,Geisti-
ge Zusammenarbeit' hrsg. v. Karl HUMMEL und Mir Hamid MADANI, seit 1970) - L.
REICHERT (Tübinger Attas des Vorderen Orients; vgl. ,Liste der Karten über Iran' aus dem TAVO in Beziehungen' 55-58) - F. WEIGEL - Wiesbaden (Beschaffung von persischer Literatur aus Iran).
2 Die hier nicht berücksichtigten Gliederungspunkte des Schemas von 1975 wurden in Erlan¬
gen nicht behandelt; Punkt d) kam neu hinzu.
XX. Deutscher Orientahstentag 1977 in Erlangen