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EPO erhöht die Mortalität bei Krebspatienten

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Die Therapie mit erythropoetinstimu - lierenden Substanzen kann die Mortali- tät bei Krebspatienten erhöhen. Das zeigt eine Metaanalyse, die kürzlich im «Lancet» publiziert wurde. Die Autoren fordern bei der Therapieentscheidung ein sorgfältiges individuelles Abwägen zwischen Nutzen und Risiken.

T H E L A N C E T

Krebspatienten leiden nicht selten an einer Anämie. Diese beruht oft auf der Tumorkrankheit selbst, sie kann sich aber auch unter einer Chemo- oder Strahlentherapie verschlimmern. Folgen der Blutarmut sind Beschwerden wie Tachykardie oder Müdigkeit und eine herabgesetzte Lebensqualität, mitunter kann die Anämie aber auch lebens - gefährliche Ausmasse annehmen. Bei bestimmten malignen Tumoren, etwa im Mund- und Rachenraum, bedeutet die Anämie einen ungünstigen prognos - tischen Faktor, auch weil der Krebs schlechter auf Radio- oder Chemothera- pie anspricht. Während früher schwere Tumoranämien mit Erythrozytentrans - fusionen behandelt wurden, kommen seit Längerem erythropoesestimulierende Substanzen (ESA) wie Epoetin alfa, Epoetin beta oder Darbepoetin alfa zum Einsatz, die bei Krebspatienten die Not- wendigkeit für Erythrozytentransfusio- nen reduzieren und die Lebensqualität von Krebspatienten verbessern können.

Seit Jahren gibt es allerdings Berichte, wonach diese Behandlung das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöht und womöglich auch das Tumorwachs- tum anzuregen vermag. Es ist unsicher,

ob und wie ESA die Überlebensrate be- einflussen können. Sicherheitsfragen waren deshalb in der US-amerikani- schen Food and Drug Administration

(FDA) und der Europäischen Arzneimit- telagentur (EMEA) wiederholt Gegen- stand von Diskussionen.

Bisherige literaturbasierte Metaanalysen wurden aus Studien mit kombinierten heterogenen Mortalitätsendpunkten vor- genommen. Damit liess sich aber schwer feststellen, ob die Effekte beispielsweise in Abhängigkeit vom Ausgangshämo - globin differieren. Um diese methodi- schen Mängel zu überwinden, hat eine Autorengruppe, zu der auch Forscher des Berner Instituts für Sozial- und Präven- tivmedizin gehörten, eine Metaanalyse

ARS MEDICI 15 2009

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S T U D I E R E F E R I E R T

EPO erhöht die Mortalität bei Krebspatienten

Ergebnisse einer Metaanalyse

Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten

Die Erkenntnis von Paracelsus aus dem Jahr 1538, etwas modifiziert, trifft eben auch auf die EPO-Präparate zu: Alles wird zum Gift, wenn man es unvernünftig einsetzt. Als die ersten Studien zeigten, dass EPO, wenn es sehr hoch dosiert verabreicht wird, in der Lage ist, bei Tumorpatienten Anämien zu korrigieren und diese Korrektur sich, wen wundert es, einen günstigen Einfluss auf die Lebensqualität hat, wurden die Erythropoe- tinpräparate manchenorts sehr grosszügig eingesetzt. Es entstand der Reflex: Tumor- krankheit und Anämie gibt EPO. Vor allem die USA hatten diesbezüglich den Spitzen- platz inne. Dank mehrerer kontrollierter, randomisierter Studien erkannte man mit der Zeit, dass EPO-Präparate durchaus ge- fährlich sein konnten. Entgegen den Erwar- tungen erhöhte sich die Sterblichkeit der mit EPO behandelten Patienten verglichen mit den unbehandelten Kontrollpatienten.

Warum dem so ist, bleibt unsicher. Wie in der Nephrologie, dürfte sich ein übermässiges Anheben des Hämoglobins ungünstig auf die Rheologie und damit auf kardiovasku- läre Risiken auswirken. Zudem könnte EPO auch einen proliferationsfördernden Effekt auf die Tumorzellen haben.

Trotzdem sollte man das Kind nun nicht mit dem Bade ausschütten.

Hält man sich strikt an die in der Schweiz zugelassene Indikation (Hämoglobin unter 105 g/l wäh- rend einer Chemotherapie), kann EPO zweifellos ein nützliches Me- dikament sein. Durch die Chemo- therapie wird die Tumorzellproliferation unterdrückt. In der diskutierten Metaana- lyse verliert denn auch, wenn man nur die Studien mit simultaner Chemotherapie ana- lysiert, das Risiko die Signifikanz. Ohnehin wird die Aussagekraft dieser Metaanalyse wegen den beträchtlichen Unterschieden der verwendeten Studien bezüglich Ein- schlusskriterien und Endpunkten etwas ein- geschränkt. Gerade bei Patienten unter einer palliativen Chemotherapie kann man sehr oft eine symptomatische Anämie mit EPO verhindern. Dies führt zu einer besse- ren Lebensqualität, was das oberste Ziel der palliativen Behandlung ist. Der alternative Weg, Bluttransfusionen vorzunehmen, nimmt grössere Hämoglobinschwankungen und da mit Anämiesymptome in Kauf, da man für die Transfusion jeweils eine Hämoglobin- schwelle unterschreiten muss. Die Kosten der Transfusion und der Erythrozyten - konzentrate sind durchaus mit dem Preis der EPO-Präparate vergleichbar. Nicht ein- setzen sollte man EPO-Präparate bei Tu - mor anämien ohne laufende Chemotherapie.

Grosse Zurückhaltung ist bei Patienten mit kurativem Therapieansatz, zum Beispiel bei adjuvanten Chemotherapien, am Platz.

K O M M E N T A R

Dr. med. Thomas von Briel, Zürich

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an hand indivi dueller Patientendaten vor- genommen, die aus 53 randomisierten Studien mit knapp 14 000 Patienten ent- nommen wurden. In 38 der 53 Studien war begleitend eine Chemotherapie, in 3 eine Strahlen- und in 5 eine Strahlen- und Chemotherapie durchgeführt wor- den. 28 Studien waren plazebokontrol- liert. Ziel der Metaanalyse war es, den Effekt der ESA auf die Sterblichkeit zu ermitteln. Die Autoren analysierten die Sterblichkeitsrate während der aktiven Stu diendauer wie auch während des je- weils verfügbaren längsten Nachunter- suchungszeitraums. Studien von Her- stellerfirmen und unabhängige Untersu- chungen kamen dabei zur Aus wertung.

Vertreter der Herstellerfirmen waren im Advisory Board vertreten, hatten aber der Publikation zufolge keinen Einfluss auf das Studiendesign sowie die Analyse und Interpretation der Studie.

Insgesamt starben 4933 Patienten, da - von 1530 während der aktiven Studien- phase. Die Auswertung, die von zwei Ar- beitsgruppen unabhängig voneinander durchgeführt wurde, ergab, dass die ESA

mit 17 Prozent zu einem relativen An- stieg der Sterblichkeit während der akti- ven Studie beitrugen. Eine Analyse von 38 Studien, die 10 441 nur mit Chemo- therapie behandelte Krebspatienten um- fassten, ergab, dass der relative Anstieg der Sterblichkeit, der den ESA zugeord- net werden konnte, bei 10 Prozent lag.

Die Art der angewandten Krebs therapie lieferte bezüglich der Behandlungsergeb- nisse keine Unterschiede.

Die Autoren vermerken, dass in Studien mit guter Qualität die Effekte tendenziell stärker hervortraten. Sie halten es für gut möglich, dass Hb-Konzentrationen über 150 g/l «die Tumorkontrolle verschlechtert und das Risiko tödlicher thrombo embo - lischer und kardiovas kulärer Ereignisse erhöht.» Allenfalls schwache Evidenz ergab sich für einen Zusammenhang zwischen der Mortalität und der ein - gesetzten erythropoetinstimulierenden Substanz und deren Dosis sowie dem Hb- Wert zu Therapiebeginn. Patienten mit einem geringen Hämatokrit zu Beginn der Behandlung hatten unter ESA eine erhöhte Sterblichkeit, was die Autoren

nicht nur auf den Einsatz der Medika- mente, sondern auch auf die vermutlich fortgeschrittene Krebskrankheit zurück- führen. Ihr Fazit lautet: «Die Ergebnisse zeigen, dass erythropoesestimulierende Substanzen die Sterblichkeit bei allen Krebspatienten erhöhen. In der klini- schen Praxis sollten die gesteigerten Risi- ken für Tod und thromboembolische Er- eignisse gegen den Nutzen der ESA-Be- handlung abgewogen werden, indem sämtliche klinische Umstände und die Wünsche der einzelnen Patienten be- rücksichtigt werden. Weitere Daten be- züglich der Auswirkungen dieser Medi- kamente auf Lebensqualität und Tumor- wachstum sind notwendig.» Uwe Beise

Bohlius J., et al.: Recombinant human erythropoiesis-stimula- ting agents and mortality in patients with cancer: a meta-ana- lysis of randomised trials. Lancet 2009; 373: 1532—1542.

Interessenlage: Ein Teil der Autoren gibt Zuwendungen von ver- schiedenen Firmen an, die auf diesem Gebiet wirtschaftliche Interessen haben.

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S T U D I E R E F E R I E R T

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