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Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Von Julius Nemeth.
Die Rätsel des Codex Cumanicus gelangen in dem vorliegen¬
den Artikel zum vierten Male zur Ausgabe.
Das in verhältnismäßig gutem Zustande erhaltene Original be¬
findet sich auf Seite 60' und 60^ des Codex Cumanicus, den Graf
Geza Kuun herausgegeben hat^). In jener Ausgabe, die das primum
movens aller diesen Gegenstand betreffenden späteren Forschungen
bildet, Vierden die Rätsel (S. 143—148) mit Übersetzung und zahl¬
reichen Anmerkungen mitgeteilt , unter welch letzteren sich auch
viele kühne und — wie später ersichtlich — unannehmbare vor¬
finden. Graf Kuun ist allerdings das Verdienst zuzusprechen, als
Bahnbrecher den schwierigsten Teil der Aufgabe gelöst zu haben.
Das türkische Sprachmaterial des CC. hat auch W. Radi off
bearbeitet -); die Rätsel , die seiner Ansicht nach eine Entzifferung
zulassen, versucht er in der Vorrede seines diesbezüglichen Werkes
zu erklären. Seine umfangreichen Kenntnisse auf dem Gebiete der
türkischen Sprachen ermöglichten ihm, einen bedeutenden Teil der
bisher unerklärten Rätsel richtig zu deuten. Manchmal ist jedoch
die Lesart der einzelnen Wörter sehr willkürlich, was wahrschein¬
lich mit jener (meiner Ansicht nach unbegründeten) Annahme zu¬
sammenhängt, daß die uns vorliegende Handschrift ein der kuma-
nischen Sprache wenig kundiger Mönch kopiert habe.
Die dritte Ausgabe wurde voriges Jahr von W. Bang ver¬
anstaltet-^). Der Hauptvorteil neben der Klarheit der Darstellung
und der streng methodischen Behandlung dieser Ausgabe ist, daß
der Verfasser das Faksimile des Originals hinzugefügt hat. Die
kumanische Wortforschung bereichert Bang mit brauchbaren Be¬
merkungen, auch seine Beiträge zu den Realien können einen guten
1) Codex Cumanicus bibliotliecae ad templum divi Marci Venetiarum.
Primum ex integre edidit, prolegomenis notis et compluribus glossariis instruxit Comes Geza Kuun, Budapestini, editio Acad. Hung. 1880. [Geliürzt: CC]
2) Das türkische Sprachmaterial des Codex Cumanicus. Nach der Aus¬
gabe des Grafen Kuun von W. Radioff. St.-Petersburg, 1887. Mem. de
l'Acad. Imp. des Sciences de St.-Petersbourg. VII« serie. Tome XXXV, No. 6.
3) Über die Rätsel des Codex Cumanicus. Von Prof. W. Bang. Mit
zwei Tafeln. Sitzungsber. d. kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1912. XXI.
Zeitschrift der D. M. G. Bd. LXVII. 38
578 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Dienst leisten; aber der größte Teil seiner Erklärangen ist einer
Korrektur bedürftig.
Wer sich davon überzeugen will, wie unbrauchbar das Sprach¬
material des CC. in sprachgeschichtlichen Untersuchungen bei der
5 jetzigen Lage der Forschung erscheint, der möge das hier behandelte
Material in Betracht ziehen. Es unterliegt' jedoch keinem Zweifel,
daß durch fortschreitende Untersuchungen der CC. eine uner¬
schöpfliche Fundgrube für das Studium türkischer Sprachgeschichte werden wird.
10 Allgemeinere Fragen , Bemerkungen über die Stellung des
Kumanischen im Gemeintürkischen, phonetische und andere sprach¬
geschichtliche Einzelheiten will ich jetzt nicht in Betracht ziehen.
Von sicheren Ergebnissen sind wir noch zu weit entfernt. Ich muß
mich darauf beschränken, 1. eine ganz grobe Transkription, 2. eine
IS möglichst treue Übersetzung der Rätsel zu geben.
Fol. 60 r.
L (Z.i) 1—2.) tap tap tamyjiF
tamabtrgan tamijiF
to Folagaft
Fojebirgan tamyjtP.
ol FobeleF.
Bang's Übersetzung:
Knister-knaster Feuerbrand,
n Ein Feuerbrand [ist's], der tropfen kann.
Schatten [wirft er??];
Ein Feuerbrand [ist's], den man auflegen kann.
Auflösung: der gelbe Farbstoff.
Transkription :
10 Tap, tap! tamizfk.
Tamadirgan tamtzlk;
Kölägäsi bar, Kojidtrgan tamhlk.
ol: köbelek.
35 Die erste Zeile ist ganz klar. Das tap, tap ist kein Schall¬
wort, wie es Kuun, Radioff und Bang erklären , sondern der
Imperativ des Verbums tap- .finden , erhalten , festhalten". Die
ersten zwei nnd das letzte Wort des Bätsels (die Auflösung) geben
uns einen vollkommen sicheren Ausgangspunkt für die Erklärung.
' 40 Die Auflösung (köbelek) erklärt Bang folgendermaßen : .Das Wort
1) Zeilen des Originals.
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 579
findet sich CC. 222 im Verein mit bur (d. h. bür) = „en knospe"
und wird durch „en czue walde" interpretiert. In czue kann (man
vergleiche das vorhergehende „knospe') nur ein adjektivischer Ge¬
brauch von czu = „geschlossen" vorliegen, der also viel älter wäre,
als wir bisher angenommen haben ; walde ist die bekannte zum 5
Gelbfärben benutzte Pflanze Reseda luteola, jetzt Wau genannt;
dazu würde der Vergleich mit tamyzik vorzüglich stimmen".
Tatsächlich steht aber die Sache so, daß das „en czue walde"
nicht anders, als einfach „ein Zweifalter" zu fassen ist und damit
ist der Kern des Eätsels gefunden. „Erfasse (ihn) nur! es ist ein lo
Schmetterling".
Das zweite Wort wird weder „Tropfen", noch „Peuerbrand"
bezeichnen, da diese Bedeutungen hier nicht passen. Vielmehr ver¬
mute ich in diesem Worte ein Nomen verbale von tamtz- „Peuer
anzünden", in der Bedeutung „Plamme". 15
Das Wort tamadirgan der zweiten Zeile kann nicht anders
als mit einem Derivat des oben erwähnten Verbums tap- erklärt
werden. Das m ist entweder ein Schreibfehler (statt b) , der als
eine Wirkung der zwei vor- und nachstehenden tamiztk entstanden
ist, oder eine ganz regelrechte Form. so
Die dritte Zeile ist ganz unklar. Ich habe die Erklärung von
Bang (kolägä altar??]) nicht annehmen können, da ich nicht weiß,
ob in den Türksprachen dieser Ausdruck vorkommt. Übrigens ist
im Original noch eine Silbe si deutlich zu lesen. Doch ist die
Erklärung dieser Zeile fast gewiß unrichtig. «5
Übersetzung : Erfasse nur, es ist eine Flamme,
Eine Flamme, die man erfassen kann,
Sie hat Schatten,
Eine Plamme, die man loslassen kann. se
Auflösung: der Schmetterling.
JI. (Z. 3-4.) bitt bttt bttibt"
bc« agacga bttibi*
Fottefuu' juur&
F jibeFt' itrma&tm.
Bang's Übersetzung (nach Eadloff):
Einen Brief, einen Brief habe ich geschrieben.
Auf fünf Hölzer habe ich ihn geschrieben; 40
Mein Quecksilber habe ich geknetet.
Meine blaue (?) Seide herumgewickelt.
Auflösung: das Henna.
38»
a&
ol Fmobtr.
680 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Transkription : Biti-, biti-, bitidim, Beä agacga bitidim,
Konesuwum juwurdlm,
s Kök jibekim Hirmadtm.
oh kinä dir.
Die Erklärung ist im großen und ganzen richtig, nur zu den
zwei ersten Zeilen habe ich etwas zu bemerken. Das Wort biti
.Brief kommt im Kumanischen gewöhnlich als bitiv (<C bitik) vor.
10- Hier ist es vielleicht aus dem Zeitwort bit- .wachsen" abzuleiten.
Der Dativ vor bit- ist im Türkischen gewöhnlich. Vgl. das kumü-
kische Volkslied : bauya bitken gul edik .wir waren Kosen, die im
Garten wachsen" ^). So wären die ersten zwei Zeilen zu übersetzen :
„Auf fünf Bäumen bin ich gewachsen". Doch scheint mir die Er¬
ls klärung von Radioff (Bang) richtig zu sein.
III. (Z. 5.) ... . ta Fara Fula juDeapt».
ol jeliFbir.
B a n g 's Übersetzung ;
80 Auf .... ist der Schwarzfalbe zahm geworden.
Auflösung : rote Schminke.
Transkription :
. . . . tä kara kulä juwsap dh:
ol: tslfk dh:
26 Diese ofFenbar fehlerhafte Übersetzung wurde hauptsächlich
durch das Mißverständnis der Lösung verursacht. jSlik, d. h. islik,
ist nach Bang unverständlich; deshalb liest er nach Kuun iglik.
Es ist indessen ganz klar, daß das Wort als islik .Pfiff" zu fassen
ist. — Das zweite wichtige Wort des Rätsels ist juvsap. Dies ist
so nicht mit juwas , jawas zusammenzustellen , sondern mit jumusak,
juinsak .weich, angenehm". — Das Wort kula ist entweder ein
Dativ des Wortes kul .Diener" oder des Wortes kulak (kulaka >
kulaya > kulä) .Ohr" und ist in diesem Palle mit langem ä zu
lesen. Der Abschreiber fühlte vielleicht in dem einzeiligen Rätsel
SS keinen Rhj-fhmus, darum hat er die Länge unbezeichnet gelassen. — In
beiden Fällen ist kara in der Bedeutung On„ungebildet"O aufzufassen.
1) Keleti Szemle XII, 297.
yimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 581
Im ersten Worte ist gewiß eine sehr wichtige Ergänzung des
Rätsels verloren gegangen , doch ist es unbedenklich so zu über¬
setzen: Für ungebildete Ohren ist es angenehm.
Auflösung: der Pfiff.
IV. (Z. 6.) 6
jtip jttp jrgalmaf jJin&agi fayl>almaf.
Ol «ru Bang's Übersetzung:
Wenn du es auch stößt und stößt, so wird's doch nicht bewegt; lO
In seinem Innern wankt es nicht (wörtlich: wird's nicht bewegt).
Auflösung: der Samen.
Transkription : Ittp, itip irgalmäs,
loindägi iäjkalmäs. 16
ol : uruk.
Die Übersetzung des Rätsels ist zweifellos richtig, doch steht
die Auflösung besonders mit der ersten Zeile in offenem Wider¬
spruche. Ich glaube das Richtige zu treffen , wenn ich in uruk
eine weitergebildete oder vollkommener erhaltene Form des gemein- 20
türk. Mr, uru „Geschwulst' vermute. Die tobolische Form uru
weist ja mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Form uruk hin.
V. (Z. 7 und 8 rechts.) ftlouftn jagt (tlFtp bolmaf
ftrma tonu' bügüp . . . maf. »»
ol ju . . .
Bang's Übersetzung:
Mein Luchs(-farbenes) Fett (oder Ol) kann man nicht schütteln.
Meinen gesteppten Rock kann man nicht falten (zusammenlegen).
Auflösung: das Ei. sa
Transkription : Silöüsin jägi silkip bolmüs,
Sirma tonum bügüp bolmäs.
ol: jumurtka.
Das erste AVort, das mit großen Schwierigkeiten zu lesen ist, 35
liest Bang als silöüsin „Luchs'. Dies paßt aber gar nicht in das
4 3
582 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Rätsel, wenn wir (wie Bang) annehmen, daß das zweite Wort
mit Tilde zu lesen ist. Ich lese es also ohne Tilde und übersetze
die erste Zeile folgendermaßen :
Das Fett des Luchses kann man nicht schütteln.
6 VI. (Z. 8.)
af Füy, mami aüju jo^.
Ol jumurtFa.
Bang's Übersetzung:
Eine weiße Jurte, einen Eingang (Öffnung) habe ich nicht.
10 Auflösung : das Ei.
Transkription :
Ak hüj, mämi, awzu jok.
ol: jumurtka.
Die Wörter, die von entscheidender Bedeutung für die Er¬
ls klärung des ganzen Eätsels sind, vermute ich in mämi, avzu.
Bang's Erklärung ist nur unter der Annahme möglich, daß in
avzu die Tilde vergessen oder abgesprungen ist und daß mämi
eine undeutliche Schreibung für mänira ist. Dagegen habe ich ein¬
zuwenden: 1. die Formen des Pron. pers. I. kommen in den Rätseln
20 immer mit dem Vokal e vor, 2. es ist kaum anzunehmen, daß hier
auz in der Bedeutung „Tür" brauchbar wäre.
Ich schlage eine andere Erklärung vor. Das küj ist nicht
„Frauenjurte", wie es Bang übersetzt, sondern bedeutet soviel als
„Form, Beschaffenheit, Aussehen" '). — Das Wort mam ist mit dem
25 osmanischen bam in dem Ausdruck bam-täli „der Bart" zusammen¬
zustellen''). Endlich ist das avzu ganz richtig geschrieben.
Übersetzung :
Es ist weiß, hat keinen Bart und Mund.
Auflösung: das Ei.
1) In dem großen Wörterbuche von Eadloff ist diese Bedeutung des
Wortes nicht zu finden. Vgl. Baiint: Kazani tatdr nyelvtanulmänyok, Szötär S. 61, sowie mein kumiikisches Wörterverzeichnis; Keleti Szemle XII, 134.
2) Nicht hierhergehörig ist das von Radioff (Wb. IV, 1567) und Ahmed Vefik damit zusammengestellte hamhiriH „die dicke Saite eines Musikinstru¬
mentes". Letzterem liegt das persische „Baß, Baßsaite' (einer Geige) zu Orunde.
4 3
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 583
VII—VIII (Z. 9—12 und 13 rechts).
alan bulan tav turur
ayrt agai&a" jat) tamar Fula~ ala~ tut? turur
fu» agai&o~ jat) tamar »
fü~ altu'ban a\U feliyrir
fömi« fargitan feliyr
ay altu'Öa el« feliyr
altu~ fargita feliyr.
Ol 10
Bang's Übersetzung:
Es hängt eine bunte Fahne,
Von vielästigem Baume tropft Ol ;
Es hängt eine schillernde Fahne,
Von dürrem Baume tropft Ol. 16
Unter (?) der Sonne kommt ein Bote,
Aus silbernem Behälter (?) kommt er;
Unter dem Monde kommt ein Bote,
Aus goldenem Behälter (?) i^) kommt er.
Auflösung: der Wein. so
Transkription :
Alan bulan tuv turur,
Ajrt agacdän jav tamar,
Kulan alan tuv turur,
Kuv agacdän jav tamar, n
Kün altundän älci kelijir,
Komis kargUän kelijir,
Aj altundän elci kelijir Altun Icargitän kelijir.
ol: 80
An dieser Übersetzung ist viel auszusetzen. Das hier vor¬
kommende tuv bedeutet nicht „Fahne" {tü, tuy), sondern „Kugel", und alan-bulan nicht „scheckig", sondern „unordentlich*, vgl. 6agat.
alak-bulak „unpassend, konfus", alak-malak „unordentlich". Das
kulan-alan der dritten Zeile hat also damit gar nichts zu schaffen. 35
Das Wort, welches ich kargitän lese, liest Bang birgitän. Letzteres ist unmöglich.
Übersetzung:
Es sind Kugeln durcheinander.
Von vielästigem Baume tropft Ol, 40
I) Die Fragezeichen sind von Bang.
584 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Es sind bunte Kugeln,
Von dürrem Baume tropft Öl.
Von der Sonne kommt ein Bote,
Er kommt mit silbernem Pfeile;
B Von dem Monde kommt ein Bote,
Er kommt mit goldenem Pfeile.
Es ist ganz klar, daß wir bier zwei Rätsel vor
uns haben. Die Auflösung der ersten vier Zeilen, also des ersten
Rätsels, ist in der Handschrift nicht mehr vorhanden, da sie ganz
10 an den Rand des Blattes geschrieben wurde und abbröckelte. Auch
die Lösung des zweiten ist unlesbar. Die des ersten kann uzum
, Traube', die des zweiten „Strahl (der Sonne und des Mondes)' sein.
IX. (Z. 13.)
butu butu u;u~
16 butu~ba~ areF.
Ol nya".
Bang's Übersetzung:
Sein Schenkel, sein Schenkel ist lang,
Vom Schenkel an ist's mager.
20 Auflösung: die Rebe.
Transkription :
Butu, butu uzun,
Butumdün arek.
ol: uzum.
ti Die zweite Zeile ist zweifellos unrichtig übersetzt; — unrichtig
sowohl aus sachlichen, wie — und besonders — aus grammatischen
Gründen. Offenbar haben wir hier eine Komparation vor uns. ünd
wenn man die Tilde des butu"dän nicht n, sondern m liest, was
vollkommen zulässig ist, bekommt das Rätsel sofort einen klaren Sinn.
so Übersetzung :
Sein Schenkel, sein Schenkel ist lang.
Er ist magerer als mein Schenkel.
Auflösung: die Rebe.
X. (Z. 14.)
88 «p ac cU jaboDlt
ftltu* baeli col>m<;rlt.
ol turnftt».
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanictis. 585
B a n g 's Übersetzung :
Schneeweiße Hände : eine Decke ;
Ein goldener Kopf: eine Keule.
Auflösung: der Kranich.
Transkription : 5
Ap-ak ein, jabovli, Altun basli cohmarli.
ol: tuma dir.
Die Interpretation dieses Rätsels ist außer der Lösung durch¬
aus unsicher. 10
XL (Z. 15—16.) fe"t>a mc*btt jo^
fe*gtr tat)ba jo^
ütlü tagbtt iol>
FtpJaFba jo^. 15
Ol Fu8 föt t>ttr.
Bang's Übersetzung:
Nicht in dir und mir,
Nicht auf dem spitzen Berg,
Nicht im ausgehöhlten Stein, 20
Nicht in der Wüste.
Auflösung: Vogelmilch.
Transkription :
Sendä, mendä jok,
Sengir tawdä jok, 25
Ütlü taädä jok, Kipcakdä jok.
ol: kuS süt dir.
Hier ist nur an der Übersetzung der vierten Zeile etwas aus¬
zusetzen. Es ist nämlich unmöglich, anzunehmen, daß das Wort so
kipoak hier in ursprünglicher Bedeutung vorkäme, da das Wort
auch in den heutigen Türksprachen in dieser Bedeutung unbekannt
ist. Die Übersetzung der vierten Zeile lautet also : „In Kipöak ist
es nicht zu finden".
XII. (Z. 17—18 und 19 rechts.) S5
FoJFar müji FojütrmaF
FoiurmaFt>on Fojuf . . .
k 3 *
586 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
tega müji ttyrmaP tiyrmaFöatt tiyrmaE
muji beq
cPt ulnm.
fi Bang konnte dieses Bätsei nicht übersetzen.
Transkription : Kockar miizi kojurmak,
Kojurmakdän Icojurmak,
Tegä miizi tiyirmuk,
10 Tiyirmakdän tiyirmak.
ol: kockar müzi eki ucunä
der3 koj dur.
Das eki ucunä in der Lösung steht eigentlich nicht in diesem
Rätsel, sondern in dem nachfolgenden, dort ist es aber expungiert
16 und mit einem Striche nach müzi eingeführt. Es steht aber un¬
mittelbar unter der Lösung des jetzt behandelten Rätsels. In der
Behandlung des nachfolgenden sagt Bang: „Wie der .Abschreiber
dazu gekommen ist, für das Wort jüreginä sein eki uZunä ein¬
zusetzen, ist nur dann klar, wenn wir annehmen, daß sein Original
80 einen Text enthielt, der die Wörter eki ucunä in der Tat in einem
folgenden Rätsel bot.' Tatsächlich ist dies der Fall, doch gehören
die beiden Wörter nicht einem unbekannten nachstehenden, sondern
dem wohlbekannten vorherstehenden Rätsel an.
Der andere ümstand, der Bang von der Übersetzung absehen
«5 ließ , war die eigenartige , doch in den Türksprachen allgemein
übliche Konstruktion des Infinitivs im Ablativ, mit der Bedeutung:
„ohne zu . . . .*. Ich übersetze also das Rätsel :
Das Horn des Bockes stößt,
Wie stößt er ohne zu stoßen ?
so Das Horn des Bockes stößt.
Wie stößt er ohne zu stoßen?
Auflösung: Lege [den Gegenstand] auf
die zwei Spitzen der Hörner.
XIIL (Z. 19—20 und 21 rechts.) i)
»5 UJU* agai ba8t~t>o
urguul atli Fu« oltrur
ant fttm« ar FereF
juregiutt t FereF.
ol tü ■ . . .
1).Id der Ausgabe von Bang falschlich als „Z. 17—18 and 19 rechts' bezeichnet.
« 3 *
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cummicut, 587
Transkription :
Uzun agac baSindä
Urguw atli kuä oltrur;
Ani atma är kerek,
Jüreginä täk kerek. g
ol: turyuK.
Auch dieses Rätsel konnte Bang nicht übersetzen. Meines
Erachtens ist eine sinnfällige Übersetzung nicht schwierig. Wir
müssen voraussetzen, daß es sich hier um irgend einen Vogel und
nicht um eine Frucht handelt, wie dies Bang vermutet. Wie lo
gefährlich es ist, bei Rätseln dieser Art einen komplizierteren Ge¬
dankengang zu vermuten , habe ich dem Leser von vomherein bei
der Behandlung der Rätsel I und III dargestellt.
Das erste Wort der zweiten Zeile hat sicherlich einen Sinn;
es ist auch gewiß, daß es kein Vogelname ist. Ich glaube dieses i5
seltsame Wort auf folgende Weise deuten zu können : ur + kuw ;
das erste ist ein Imperativ (aus dem gemeintürkischen ur- „schlagen'),
das zweite auch ein Imperativ (aus dem Gemeintürkischen Li^;'
kü-, koy- „jagen, verjagen"). Die Entstehung des rg aus rk ist
ganz natürlich; schwieriger ist es, das lange ü {uwuT) und das *o
l der Handschrift zu erklären. Es entsteht hier eine zweifache
Möglichkeit. Entweder ist das guul ein Schreibfehler für kuw
(dafür spricht 1. der Rhythmus (!), 2. der ümstand, daß dieses
Wort dem Schreiber oder Abschreiber, wie gut er auch der kuma¬
nischen Sprache kundig sein mochte, unverständlich erschien — er «5
dachte, daß das Wort wirklich ein Vogelname sei —) oder wir
müssen es so zerlegen : ur -f- kuwul (passiver Ausdruck) , wonach
das ur statt urul stände, was wieder keine ünmöglichkeit wäre.
Doch scheint mir die erste Annahme richtiger zu sein. Daß solche
Imperative als spaßhafte Eigennamen besonders von Tieren und so
Pflanzen allgemein üblich sind," brauche ich nicht näher zu beweisen.
— Auch das ist wohl nicht zu kühn, daß ich in der Lösung turyurs
vermute. Erstens paßt es hier, was die Bedeutung betrifft, vor¬
trefflich, zweitens ist es ganz plausibel, da in diesem Falle der
wirkliche und der spaßhafte Name des betreffenden Vogels auch 3S
lautlich im Einklang sind.
Inbetreff des zweiten Wortes der vierten Zeile kann ich nur
soviel sagen, daß tärdkä (wie Bang vermutet) unter keinen Um¬
ständen hat dastehen können. B. sagt, das Metrum verlange an
dieser Stelle ein zweisilbiges Wort. Aber die ersten drei Zeilen ut
haben sieben Silben. Warum sollte gerade die vierte Zeile acht
Silben haben? Übrigens ist hier auch die Handschrift nicht gut
lesbar.- Ich lese das betr. Wort als täk (s. das Wörterbuch von
Radioff), obwohl ich damit nichts Bestimmtes sagen will. Diese
Zeile werden wir nur dann etwas sicherer deuten können , wenn *5
588 Nemeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
wir diesem Ausdrucke in anderen türkischen Texten (jüreginä
t . . . . kerek) begegnen werden.
Übersetzung :
An der Spitze eines langen Baumes
5 Sitzt ein Vogel, dessen Name ,schlage-jage" ist.
Ihn zu erschlagen ist ein tüchtiger Mann nötig,
Er soll furchtlos (edel?) sein.
Auflösung: die Krähe.
XIV. (Z. 21—22 und 23—24 rechts.)
10 UJU" aqaI basi'ba
ulu bitit» bitt&im
Fe*fan ot>Iu Feigay t>ep Fe~fa~ turup fal>la&t''.
Ol Fa ... . bilc baliF ...
j 5 B a n g 's Übersetzung :
An die Spitze eines langen Holzes
Habe ich eine große Schrift geschrieben ;
Da mein eigner Sohn sagte ,ich werde kommen", Stand ich selbst und wartete.
20 Auflösung: Angel(haken) und Fisch.
Transkription : Uzun agac basindä Ullu bitiw bitidim;
Kensün owium kelgaj dep
25 Kensün turup sahladim.
ol: kapkan bile balik.
Die Interpretation dieses Rätsels verursacht kein Kopfzer¬
brechen, die Auflösung möchte ich lieber: ,Der Angelhaken und
die Lockspeise" übersetzen.
80 XV. (Z. 23—25.)
aJ)ca Fayba Ftelamis Fa'li jerbtt Ftelamis Faitj ncctF iul>mamte l>ap ortaba Fielamie.
38 Ol Fart* jat» bir.
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 589
Bang's Übersetzung:
Das Weißliche wo hat's überwintert?
Auf blutiger Stelle überwinterte es;
Ihr Blut wie ist's nicht kleben geblieben,
Gerade in der Mitte überwinterte es [doch]. 8
Auflösung: das Bauchfett.
Transkription : Akcä kajdä kislämiS?
Kanli jerdä kiSlämis;
Kanl necik juhmamiS, Hap ortadä kislämii.
10
ol: karm Jawu dir.
Das Rätsel in dieser Übersetzung hat durchaus nichts von der
gewöhnlichen Klarheit und Einfachheit der türkischen Rätsel. Sehr
einfach gestaltet sich das ganze Rätsel, wenn wir unser Augenmerk i5
schärfer auf die Auflösung richten. Diese hat mit dem Bauchfett
gar nichts zu schaffen. Olfenbar ist die Lösung, wenn nicht falsch,
doch wenigstens nicht deutlich geschrieben ; Bauchfett heißt im
Türkischen kai-in jayi, jabi oder jalm. Ich glaube , daß hier das
b als wu oder wohl wü zu lesen ist. Die bilabiale Aussprache der 20
vorhergehenden Explosiva hat es mit sich gebracht, daß das u oder
ü in der Schrift undifferenziert blieb. Das auf diese Weise er¬
schlossene jawü ist aber nichts anderes als ein Derivat des Verbums jay- „fallen" (eigentlich „regnen"), zusammengezogen aus, jayuyu.
Daß solch eine Porm zusammengezogen wird, ist ganz selbstver- 25
ständlich, und daß solch eine Bildung möglich ist, beweist u. a.
das osm. azerb.ja/ls „Regen". So bedeutet die Auflösung: „Schnee¬
fallen". Daraus ergibt sich ganz deutlich die Übersetzung des
ganzen Rätsels. — Nebenbei will ich bemerken , daß das ortada
vielleicht als örtädä, örtüdä zu lesen ist. Doch das ist fast gleich- so
gültig.
Übersetzung :
Das Weißliche, wo war es im Winter?
Auf der blutigen (= nassen) Erde war es;
So viel Blut (= Wasser) sie hatte,
Alles war in der Mitte (= bedeckt) im Winter i).
35
Auflösung: Schneefallen.
1) Ich halte es fiir überflüssig, die Übersetzung der letzten zwei Zeilen näher zu begründen. Dem Kenner der türkischen Sprachen wird hier alles ohnehin ganz klar sein.
590 Nemeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
XVI. (Z. 26.) be« basU elci Feliyr.
ol etiF&a" be» barmaF ba. ..
Bang's Übersetzung:
5 Es kommt ein Bote mit fünf Köpfen.
Auflösung : die fünf Zehen ans dem Stiefel.
Transkription.
Beä baSli elci kelijir.
ol: etikdän beä barmak banr.
10 Im letzten Worte der Lösung vermutet Bang das Verbum
bar, setzt aber zwei Fragezeichen dahinter. Die Sache ist aber
ganz klar: ,Es kommen die fünf Zehen aus dem Stiefel". So
können wir 1. dem elci und kelijir des Rätsels, 2. dem etikdän
und 3. dem Ja ... . der Lösung gerecht werden.
15 XVIL (Z. 27 und 28 rechts.)
tat) uftt'ba talaematt tayagi bar be« batma"
tulFuiigitt tupu.
Bang's Übersetzung:
20 Auf dem Berge ist des Bösen Keule (Stock)
Fünf batman [wiegt] ihre Bundung.
Transkription : Taw üstindü talaäman, Tajagi bar beä batman.
25 ol: tülkücigin tupu dur.
Nicht ohne Grund hat Bang seiner Erklärung zugefügt, daß
sie ganz unsicher sei. Zuerst hat er nun den Rhythmus und die
ursprüngliche Form des Rätsels unbeachtet gelassen (s. meine Trans¬
skription) , zweitens hat er das n des Genitivs in tülkücigin nicht
30 bemerkt ; infolgedessen hat er die Auflösung nicht übersetzen können.
tup ist nicht , Boden", sondern „Schwanz" (~ tuy, tü).
Übersetzung.
Auf dem Berge steht der Böse,
Er hat einen Stock, der fünf Batman wiegt.
85 .Auflösung: der Schwanz des Fuchses.
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 591
XVIII. (Z. 28.)
«raba «aF
ta0 araba saF.
Transkription :
.... araba Sak, 5
taS araba Sak.
Dieses Fragment läßt sich nicht übersetzen.
XIX. (Z. 29.)
j . . . . Pola«t~ metti" Faru~a tueti.
Ol t .... to
Bang's Übersetzung:
Meine Braut sank in meine Arme.
Transkription ;
J . . . käläSim menim karumä tüSti.
ol: t . . , 15
Das erete Wort liest B a n g Jäwe, das letzte tövä (-bota). Die
Erklärung ist nicht durchaus sicher, doch annehmbar.
XX. (Z. 30.) ftyr firtt
Foy Foqa .. i. 20
Ol
B a n g 's Übersetzung : Die Kuh brüllte.
Das Schaf blökte.
Transkription : 25
£^ßr sirti Koj koKaki.
ol:
Bang's Erklärung (sirti < osm. sirit- „lachen, durch die
Zähne sprechen, murmeln") ist offenbar allzu gekünstelt; das zweite so
Wort der zweiten Zeile liest er — unter der Annahme, daß es
fehlerhaft geschrieben ist — als kordratti (wieder „murmelte").
592 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Ich lese das letzterwähnte Wort als „kowaki", was meines
Erachtens vollkommen zulässig ist. Nun läßt sich das ganze Eätsel
wohl übersetzen:
,Der Rücken der Kuh
6 Ist das Nachtquartier des Schafes."
Da die Auflösung dieses höchst eigentümlichen Eätsels fehlt, ist
jede weitere Erklärung überflüssig. (Vgl. in derselben Zeile : ol
keregi dir „das ist das Jurtengitter".) XXI. (Z. 31.)
10 a ul«l>i~ Fege'&a femtrrir.
ol l>uutt.
Bang's Übersetzung:
Mein schwarzes Lasttier wird auf meinem Misthaufen fett.
Auflösung: die Melone.
15 Transkription :
ulayini kögöndä semirrir.
ol: kowun.
Bei der Interpretation dieses Bätsels hat Bang wieder den
Fehler begangen, daß er die Tilde (statt als n) als m gelesen hat,
so wodurch fast der ganze Sinn des Eätsels verloren gegangen ist. —
Das erste Wort ist absolut unlesbar; karä (wie B. liest) ist es
unter keinen ümständen, da die Melone nie schwarz ist; es ist
übrigens auch in Zweifel zu ziehen, daß das Wort zu diesem Rätsel
gehört.
26 Übersetzung:
Mein Zicklein wird am Stricke i) fett.
Auflösung: die Melone.
XXII. (Z. 32.) .. . . ce Fiftr Fara ul«l>
»0 crtc FelWr Fara ulal>
tug.
1) Also nicht hiyimda „auf meinem Misthaufen" (wie Bang), sondern kögön „ein Strick, an dem die jungen Lämmer angebunden werden". Ich will hier die Behandlung von Fragen dieser Natur nicht aufnehmen, docli kann ich nicht unbemerkt lassen, daß die einzelnen Wortformen des CC. nicht nach der mehr oder weniger umständlichen Behandlungsweise des Interpretators auf dem Gebiete des gemeintürkisclien Wortschatzes zu lesen sind, sondern man muß in erster Linie die Rechtschreibung der Abschreiber in Betracht ziehen. Die mittelalterliche deutsche und oberitalienische Orthographie ist ja keine terra incognita. Hier will ich noch bemerken , daß meine Trauskription — da das mir zu Gebote stellende Material für derartige Uutersuchungei;i viel zu dürftig war — für sprachgeschichtliche Untersuchungen nicht zu gebrauchen ist. Noch weniger die vou Bang.
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 593
B a n g 's Übersetzung : Spät geht das schwarze Lasttier,
Früh kommt das schwarze Lasttier.
Transkription :
Käoe kirir kara ulak, 5
Erte kelir kara ulak.
Nach Bang ist die Auflösung unleserlich. Mir scheint aber,
daß das in der Ecke des Blattes stehende Wort als tuy , tug zu
lesen ist. Dieses Wort kommt nun im Köktürkischen vor und
bedeutet „Wegsperre'. Es ist hier vielleicht im Sinne von „Riegel' 10
(oder in ähnlicher Bedeutung) gebraucht.
Fol. 60 V.
XXIIL (Z. L)
bucu Fie Ftelar
bucu jay jaylar. 18
Ol ftriF.
Bang's Übersetzung:
Halb ist's im Winterlager (d. h. im Wasser),
Halb ist's im Sommerlager (d. h. in der Luft).
Auflösung: die Angelrute. 20
Transkription : Bucu kis kiSlär, Bucu jäj jäjlär.
ol: sirik.
Bang's Vermutung, daß vor dem bucu der ersten Zeile noch 2s
etwas gestanden haben könne, ist völlig unbegründet. Auch wenn
es so wäi-e, gehörte das Wort nicht zu. diesem Rätsel.
XXIV. (Z. 2.) olturgani" ob« jer
b«fFani~ b«gir ^anaF. »0
Ol üje'gi.
Bang's Übersetzung (nach Radioff):
Mein Sitz eine bergige Stelle, Mein Tritt eine kupferne Schale.
Auflösung: (Sattel und) Steigbügel. 35
Zeitschrift der D. M. G. Ed. LXVII. 39
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Transkription : Olturgantm oba jer,
Bashanim bagir cänäk.
ol: üzerBgi.
XXV. (Z. 3.) latflali^ «ftu'ba la^lAlVi.
ol I>amts bir.
Bang's Übersetzung:
Über dem Fäßcben ein Fäßchen.
Auflösung: das Schilfrohr.
Transkription :
öäpcacik ustundä cäpcacik
ol: haraiS dir.
XXVI. (Z. 4.) jajba jaqi Feli' jugunabir.
ol |>ami0 basibir.
Bang's Übersetzung.
Auf der Ebene verbeugt sich die neue Schwiegertochter.
Auflösung: die Schilfähre.
Transkription : Jäzdä jäm kelin jugunädir.
ol: hatniS baSi dir.
Wir können vielleicht die Übersetzung von Eadloff annehmen
In der Ebene kokettiert (dreht sich) eine junge Braut.
XXVII. (Z. 5.)
jajba jaüli toFmaF jatir.
ol Firpibir.
Bang's Übersetzung (nach Eadloff):
Auf der Ebene liegt ein fetter Hammer.
Auflösung: der Igel.
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 595
Transkription : jazdä jawli tokmak jatlr.
ol: kirpi dir.
An der Interpretation von Bang ist das Wort „Hammer'
unbedingt zu bemängeln. Der Igel läßt sich ja mit dem Hammer s
auf keine Weise in Zusammenhang bringen. Dazu ist noch in
Erwägung zu ziehen , daß die Bedeutung „Hammer" aller Wahr¬
scheinlichkeit nach sekundär ist. Im Tschuvaschischen bedeutet
das Wort: 1. „ein dicker Schlegel mit langem Stiel von demselben
Holz'; 2. „Wolf. 10
Übersetzung :
Auf der Ebene liegt ein fetter Schlegel.
Auflösung: der Igel.
XXVIII. (Z. 6.)
jajba jat>Ii ^aye jattr. i5
Ol ylan t>ir.
Bang's Übersetzung (nach Radioff):
Auf der Ebene liegt ein fetter Biemen.
Auflösung: die Schlange.
Transkription : «o
Jazdä jawli hajU jatir.
ol: jilan dir.
Bang zitiert dazu: Proben III, 322, 13—14: ,ai dalada
diel' arqan, dzylanyüyz bolmasa? „In der Steppe der PüUen-
strick. Ist's nicht eure Schlange?" Wir können noch das osma- 25
nische Rätsel hinzufügen (Kunos: Oszm.-tör. n6pk. gyüjt. II, 161):
jer altSnda jäli kajis (jilari) „Unter der Erde weilt ein fetter
Riemen (Schlange)"
XXIX. (Z. 7.)
lltv jer 30
jnin« Firer.
Ol btJaF t>ir.
Bang's Übersetzung (nach Radi off):
Er trinkt und ißt und geht in seine Höhle.
Auflösung: das Messer. ss
39*
596 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Transkription : leer, jer
Ininä Icirer.
ol: bicah dir.
6 XXX. (Z. 8.)
f*lp Feetm fanftf ol)u~.
Ol FoFbtle julbuf t>tr.
Bang's Übersetzung:
10 Gewaltig ist mein Köcber, zabllos meine Pfeile.
Auflösung: Himmel und Sterne.
Transkription : Salp kesim,
Sanstz okum.
15 ol: kök bile juJduz dur.
„salp — nacb Bang — wohl zu sal-, wie aip- zu al-; etwa
„ausgedehnt, gewaltig"?? Oder ist an cag. usw. salt „seul, unique"
zu denken?" Gewiß ist nur die letzte Vermutung anzunehmen:
1. Das verlangt ganz klar der Sinn. 2. In der Behandlung der
«0 Verschlußlaute , besonders des auslautenden -t, -k, -p finden wir
im Kumanischen Eigentümlichkeiten , die den übrigen Dialekten
fremd sind.
Übersetzung :
Ich habe einen einzigen Köcher
16 Und zahllose Pfeile darin.
Auflösung: Himmel und Sterne.
XXXI. (Z. 9.) buru~fif buj tcöcr.
Ol Foy bogu.
30 Bang's Übersetzung:
Ohne Schnabel hackt es (durchlöchert es) das Eis auf.
Auflösung: der Schafmist.
Transkription : Burunsiz buz teser.
35 ol: koj bogu.
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 597
XXXII. (Z. 10.) oqlu folulu ayrga"
otuf tümc~ oneyt» . . n.
ol Fuja« ay jul . . .
Bang's Übersetzung:
Rechts und links ein einzelner, 300 000 in ihrer Mitte.
s
Auflösung: Sonne, Mond und Sterne.
Transkription : Orslu, solulu^) ajirgan,
Otuz tümen o mejdan.
10
ol: kujaS, aj, julduz.
Das letzte Wort des Rätsels ist nicht klar zu deuten, orta-
smda, wie Bang annimmt, kann es nicht sein: 1. weil es mit
dem Rhythmus nicht übereinstimmt; 2. weil es von dem Geschrie- is
benen sehr weit abweicht; 3. weil hier davon keine Rede ist, was
zwischen den beiden Himmelskörpern zu finden ist. Ich lese das
Wort : 0 mejdan. (Dieses Fremdwort war vielleicht für den Ab¬
schreiber unverständlich.) Ich übersetze also das Rätsel folgender¬
maßen : 20
Rechts und links ein einzelner.
Ungeheuer groß ist der Platz (wo sie zu finden sind).
Auflösung: die Sonne, der Mond und die Sterne.
1) Dazu Bang's Bemerkung: ,In oulu, solulu haben wir das bekannte koordinierende Suffix -Ii usw. , das unter den älteren Dialekten zunächst im Köktürkischen und dann besonders in der Sprache der Turfanfragmente auf¬
tritt". Ganz richtig. Dasselbe können wir fast von sSmtlichen grammatischen Formen des CC. — nebst den sämtlichen gemeintürkischen Sprachen — feststellen.
XXXIII. (Z. 11 und 12 rechts.)
altu* ayrga~ tura tüeer
al torl>an ja . . It tüser.
Ol bey Flu~lagan.
Bang konnte dieses Eätsel nicht übersetzen.
Transkription :
Altun ajrrgan iura tüSer,
AI türgan jawlt tüier.
ol: bej klunlagan.
so
598 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Das Rätsel kommt mir übrigens ganz klar vor. Wir haben zwei
parallele Zeilen vor uns , deren Sinn aus der Lösung folgt. Das
Wort ja . . U liest Bang als jäjli (ein b oder y • artiges Zeichen
ist in der Handschrift über dem a des Wortes geschrieben) und
6 stellt es mit dfm gemeintürk. jajlak „Sommersitz" zusammen. —
Das tura der ersten Zeile ist er geneigt, durch „Haus" zu erklären.
Demgegenüber ist das tura nichts anderes als das osm. krim. tura
.Bündel, Paket, Ballen, Rolle" und jawli = „das Peuchte".
Übersetzung :
10 Den vorderen Teil trennt man, das Bündel fällt heraus;
Den vorderen Teil trennt man, das Peuchte fällt heraus.
Auflösung: Pohlen.
XXXIV. (Z. 12—13.)
oy otemi« otemt«
16 jiy Fol&a Ftelamte.
ol tt t>tr; at>ju~ arttna fol>up ujur.
Bang's Übersetzung:
Die Niederung passiert es, passiert es.
Am heißen (?) See überwintert er.
10 Auflösung : der Hund, denn er steckt die Schnauze
in den Hintern und schläft.
Transkription : Oj öteniis, ötemis, Ui Jcoldä kiilamti.
n ol: it dir; awzun artinä sokup ujur.
Die erste Zeile ist zweifellos unrichtig übersetzt, obwohl
Bang hinzufügt, daß dieses Rätsel der Beobachtungsgabe seines
Erfinders alle Ehre macht; unrichtig aus dem einfachen Grunde,
da das Wort oj „Niederung" mit o beginnt, das zweite dagegen
soauch nach Bang entschieden mit ö (das verlangt ja auch das e
der zweiten Silbe). Wenn es so ist, so kann das erste Wort nur
<5j „Geschrei" bedeuten. öt- „einen Laut geben" (von Tieren).
Wenn wir diese Zeile so erklären, paßt auch die Verdoppelung des
Verbums viel besser. — Das erste Wort der zweiten Zeile ist
85 zweifellos falsch geschrieben; Bang liest es isi, issi; annehmbarer
ist vielleicht ilt „warm" zu lesen, da sich auf diese Weise der
Fehler des Abschreibers viel leichter begreifen läßt. Beide Zeilen
des Eätsels beziehen sich natürlich auf die Schnauze des Hundes.
♦ 4
Nemeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 599
Übersetzung:
Es bat fortwährend geschrieen,
ünd überwinterte am warmen See.
Auflösung : der Hund ; er steckt die Schnauze
in den Hintern und schläft. 5
XXXV. (Z. 14).
tum« tübim
tütga~ga falbt~.
Ol xif bir.
Bang's Übersetzung.
Einen Knoten habe ich geknotet
Und auf das Geknotete gelegt.
10
Auflösung: der Verstand.
Transkription :
Tümä tüdim,
Tütgärsga saldim.
ol: IIS dir.
Auch bei diesem Bätsei ist im ersten Augenblicke klar, daß
die Übersetzung unrichtig ist. Sie ist zu abstrakt, zu gekünstelt.
Zuerst verlangt die Lösung nicht ms „Verstand", sondern ts „Rauch", so
Entweder ist das us ein Schreibfehler oder eine andere Form des
Wortes; der Wechsel von I m ist ja in gemeintürkischen Dia¬
lekten ganz gewöhnlich. Bang bemerkt: „Die Auflösung selbst
macht schon insofern Schwierigkeiten, als its der einzig vollständig
abstrakte Begriff wäre, der in unsern Rätseln vorkäme". — Das 25
zweite wichtige Wort ist tütgän (? tücgän), das Bang aus der
Wurzel des in der ersten Zeile zweimal vorkommenden Verbums
erklärt, „obwohl die Erhaltung des Gutturals große Schwierigkeiten
bereitet. Allerdings würden wir ja aucb tütgän lesen dürfen, tüt-
seinerseits scheint jedoch in keiner der bekannten Bedeutungen so
herzupassen". Meines Erachtens paßt nur tüt- „rauchen" her.
Übersetzung : Einen Knäuel habe ich zusammengeknäuelt
Und auf den Rauchfang gelegt.
Auflösung: der Rauch. 35
XXXVL (Z. 15—16.)
fafartFi^e Fa~ ta'mie Fara ulufga jayliiti«.
ol ot bir.
600 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
6
Bang's Übersetzung:
(Goldgelb) wie die Eidechse ist das Blut herabgetröpfelt
Und hat sich über das schwarze Land verbreitet.
Auflösung: das Feuer.
Transkription :
Kasartkice kan tammiS,
Kara ulusgä jüjilmiS.
ol: ot dir.
Wieder eine Übersetzung, die an Klarheit und Genauigkeit
10 viel zu wünschen übrig läßt. Zuerst wollen wir bemerken, daß in
dem Original nach dem Bätsei kasartkice sare altu'a zu lesen ist.
Gehören diese Worte zum Rätsel? Das ist fast unmöglich. Sind
sie ein Kommentar? Dies wäre wahrscheinlicher, doch ist noch
immerhin zu bedenken, daß 1. der Kommentar im Rätsel XXXV
15 durch einen ganzen Satz ausgedrückt ist, 2. daß diese drei Wörter
eigentlich keinen Sinn haben. Sie sind vielleicht zu übersetzen :
,auf dem gelben Unterteil der Eidechse . . . (aber was ist denn
hier das -Je ?). Mag sein, daß es eigentlich der Anfang eines neuen
Rätsels sein wollte.
20 Die erste Zeile ist ein Gleichnis, und zwar ein vortreflFlich
gelungenes Gleichnis zur Veranschaulichung der Verbreitung des
Feuers. (Schon hier will ich betonen, daß es sich hier ganz klar
um Feuerbrand handelt.) Nicht das kasartkice bezieht sich auf
die Farbe des Feuers, sondern das kan „Blut*. Das kasartkice
25 veranschaulicht die Schnelle (und vielleicht das kaum bemerkbare
Umsichgreifen) des Feuers. — Das in der zweiten Zeile befindliche
kara ulus ist gleichbedeutend mit dem gemeintürk. kara ^alk (d.h.
^alk ist arab. , iJ.i>) = „ungebildetes, arm"«, -«lendes Volk".
30
Übersetzung :
Das Blut tröpfelte so schnell, wie die Eidechse sich bewegt,
ünd hat sich auf das arme Volk verbreitet.
Auflösung: Feuerbrand.
35
XXXVIL (Z. 17—18.)
diu' wju~ ftrgalaF itcuna bcyri jtrgalaF Ftjga Ftj ftrgalaF FritJttta öeyrt ftrgalaF.
ol btcaF bile b . . . .
40
Übersetzung : Eine lange, lange Rutschbahn,
Bis zu seinem Anfang eine Eutschbahn ;
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 601
Eine kurze, kurze Rutschbahn,
Bis zu seinem Ende eine Rutschbahn.
Auflösung: Messer und Schleifstein.
Transkription :
Uzun-uzun sirgalak, &
Ucuna dejri sirgalak;
Kizga, Mzga sirgalak, Krivinä dejri sirgalak.
ol: bicak bile bileü.
Es ist mir nicht klar, warum Bang Radloff's treffliche lo
Erklärung abgelehnt hat (zweite Zeile) : ,Man gleitet bis zum Ende
der Rutschbahn*, (vierte Zeile): ,Man gleitet bis zum Rande der
Rutschbahn'. D. h. ist die Rutschbahn lang, so gleitet man der
Länge nach ; ist die Rutschbahn kurz , so gleitet man der Quere
nach (Langer und kurzer Schleifstein). 16
XXXVIIL (Z. 19.)
bu barbt ijt joi).
ol Fem« btr.
Bang's Übersetzung (nach Radioff):
Dies geht und hat doch keine Spur. so
Auflösung: das Schiff.
Transkription : Bu bardi, izi jok.
ol: kemä dir.
XXXIX. (Z. 20). SS
trtp «rtt'ba Farp.
Ol efiF bir.
Bang's Übersetzung (nach Radioff):
Knarr ! dann krach !
Auflösung: die Tür. so
Transkription :
Tap, artinda karp.
ol: esik dir.
Auch dieses ganz klare Rätsel wurde von den sämtlichen Aus¬
legern mißverstanden. Sie haben die Wörter tap und karp als 85
4 4 *
602 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Onomatopoeta aufgefaßt; wie wenig doch das Geräusch der Tür
mit diesen Worten nachzuahmen ist und wie wenig (ja sogar nichts)
Charakteristisches sie in sich bergen, beweist die deutsche Über¬
setzung. Pür tap s. Rätsel I. karp ist das gemeintürk. karba-
s ,mit den Händen fassen, packen" usw. Das Wort „karp [Kom.]
,das Geräusch (sie) des Zuschlagens der Tür*" ist also aus dem
Radio ff'sehen Wörterbuche zu streichen.
Übersetzung :
Zuerst finde es, dann packe es.
10 Auflösung: die Tür.
XL. (Z. 21/22 rechts).
at)}u~ aJfa" opFam Foruntr.
Ol eeiF acja ot Foru'ga' t»tr.
Bang's Übersetzung (nach Radi off):
15 Wenn du meinen Mund öffnest, ist meine Lunge zu sehen.
Auflösung: Wenn man die Tür öffnet, erscheint das Peuer.
Transkription :
Awzutn acsäm öpkäm korunir.
ol: eSik aisa ot korungan dir.
so XLI. (Z. 22.)
al fabrt ia'Ugi'
altt topram aeFme*.
Ol i>Oi.
Bang's Übersetzung:
16 Ein roter Bug meine Tasche,
Ein goldenes Bröckchen mein Speischen.
Auflösung: die Nuß.
Transkription : AI sawri jänoigim,
so AM towratn aäkinim.
ol: koz.
Wieder ist ein ganz einfaches Rätsel unrichtig übersetzt. Hier
haben wir ein mahnendes Beispiel dafür, welche Fehler man durch
methodologische Ungenauigkeit begehen kann. Ich habe schon
85 hervorgehoben (S. 596), daß die Geschichte der Verschlußlaute im
Kumanischen im großen und ganzen noch nicht aufgeklärt ist.
Dennoch sagt Bang: „savri entspricht also lautgesetzlich
4 i *
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 603
dem cag. usw. sayri ,Bug"", obwohl man nur soviel sagen könnte:
an Stelle des gemeintürk. / erscheint manchmal b (= to?).
Mehr kann nicht behauptet werden. Wie hier das Lautgesetz zu
formulieren wäre, ist noch völlig dunkel. Bang übersetzt sabri mit
,Bug', und doch ist es nichts anderes als der Akkusativ des Wortes 5
sabir (arab. ^aaa) „Geduld", al sawri = „sei geduldig", was zur
Auflösung vortrefflich paßt. — Auch das Wort jancigim ist nicht
aus dem gemeintürk. janvik „Seitentasche" herzuleiten, sondem aus
dem Verbum janJ- „durchbrechen, zerschmettern". Es ist ein ge¬
wöhnliches, mit -k gebildetes Nomen verbale. — Nach Bang ist lo
alti Fehler des Abschreibers für altun. Nein, es ist das Zahlwort
„sechs". — Was endlich das aikinem betrifft, dies ist kein Demi¬
nutiv aus aS „Speise", sondern das gemeintürkische Wort aäkin
jüberschreitend, übertreffend".
Übersetzung : 16
Sei geduldig, mein Aufbrecher,
Ich bin (ich enthalte) mehr als sechs Bröckchen.
Auflösung: die Nuß.
XLIL (Z. 23/24 und 25/26 rechts.)
feq fcq ayrt baet*t»a »
fegtj Foyan jni bar
fe~ ant tapmafaq feneF tyn ylagtl afluqbtle tapmafaq
aprup tyn ylagtL «
ol F . . mtc &tr.
Bang konnte dieses Bätsei nicht übersetzen.
Transkription : Sen-seK ajri baMndä
Segiz kojan ini bar. so
Sen ani tapmäsärs, Senek ijin' ile gil;
Awlurdbile tapmäsärs, awruw ijin' ile gil.
ol: kamic dir. S6
Dieses Bätsei bereitet wirklich manche Schwierigkeiten, doch
ist es im großen und ganzen klar. Die Auflösung ist zweifellos
kamU „Hülse", vgl. osm. kaM^ak „Hülse". Dazu paßt das erste,
lautnachahmende Wort ganz gut. Auch die 2. und 3. Zeile ist
deutbar. Das ylagil der 4. und 6. Zeile kann man nur so er- 40
604 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
klären, daß hier zwei Wörter zusammengeschrieben sind. Diese
sind ile „mit' und gil „komme'. Daß das yla dem bile der 5. Zeile
entsprechen soll, ist nicht zu bezweifeln. Man darf auch den Um¬
stand nicht außer acht lassen , daß das zweite yla als yla ge-
5 schrieben ist, was Bang als ile liest ; doch beweist dieser Umstand
wenigstens soviel, daß das Wort dem Abschreiber nicht ganz klar war.
Übersetzung :
In jedem einzelnen Kopfe des setä-seta
Ist ein Nest von acht Hasen,
10 Wenn du es nicht finden kannst.
Komme mit dem Besitzer einer Gabel,
Wenn du es mit der Hacke nicht findest.
Komme mit dem Besitzer eines Gewichts.
Auflösung: die Hülse.
16 XLIII. (Z. 25/26.)
teqrt&ait tüsgen toFmaciF
bort ayaFU maymactF.
ol Ftrpt.
Bang's Übersetzung:
so Ein vom Himmel gefallenes Hämmerchen,
Ein vierfüßiges Stiefelchen.
Auflösung: der Igel.
Transkription : Tänridän tüsgen tokmactk,
S5 Dört ajäkli mäjmacik.
ol: kirpi.
Auch hier liegt (ebensowenig wie S. 595) keine Verbindung
dieses Wortes mit Igel vor, woraus eine willkürliche Charakterisie¬
rung abzuleiten wäre für das „Stiefelchen". Dafür sei aus Kata-
sorinskij's Kirgisischem Wörterbuche zitiert: majmak „iiacryna-
loiuiä iie Ha KoiiLira, a na crynHH, Kaitt nanp. peSenoKi. h.ih
Eepö.iioaceiioKB tojijKO 'ito poAiiumifiea; icpiiBOHoriil, Kocojiaiitifi ; M.ieKoiiHTaiomee acHBOTHoe et KpuuLiMH iioraMH" (junggeborenes,
schwaches Tierchen, dessen Füße noch schwach sind). Dazu braucht
85 man keinen Kommentar hinzuzufügen.
Übersetzung : Ein von Gott-') gegebener Schlegel, Ein vierfüßiges, krummbeiniges Tierchen.
Auflösung: der Igel.
1) Zu tewri will ich nebensächlich bemerken, daß dieses Wort vielleicht
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 605
XLIV. (27—29 und die Auflösung.)
ol tutgan fisiöic bugorli
buganaFli tavt tereF
0' FifFaila Filaga^bitr
buga to~guf Fielamt«
ol fol)rangan öic
.... bugaft Fürlami«
Ol ana\'i vlagan öic
Fuime~ Fara ^iqlamis
ol efi fa ... . x'lagan bir eFi fa . . . fctelar fete tübü bürFülöar.
Bang hat dieses Eätsel nicht übersetzt.
Transkription : Bügänakli cart terek.
ol: tutgan kisi dir, hugawli.
Buga toragus kislämis.
ol: kiskanca kilägan dir.
Küc bugasi kürlämii:
ol: atasi sokraragan dir.
Kucmen kara iivlämis.
ol : anasi jilagan dir.
Eki sayat setelär.
ol: eki sayat jilagan dir.
Sete tübü bürküldär.
Ein komplizierteres, poetisches Eätsel, von dem jede Zeile auf¬
gelöst ist. Darum klingt es kurios, wenn Bang beklagt, daß die
Auflösung fehlt. Den Hauptteil der Auflösung bildet die 1. Zeile:
„Das ist : ein gefangener, gefesselter Mensch". Das cart der 2. Zeile
ist falsch geschrieben , das t gehört nicht zu ihm (es wurde nur so
hingeschrieben unter der Wirkung des folgenden terek). ^q>. (cer)
„agile, jeune" (vgl. S. 283 des Cagataischen Wörterbuchs von
Pavet de Courteille). — Das kiäkata (nach Bang) der 2. Zeile
ist unverständlich. Es ist ganz klar als Mskac (kfskanc?) zu
lesen, khyan- bedeutet z. B. im Kasanischen soviel als „bemit- ss
leiden" (Bälint: Kaz. tat. szötär 53); das Nomen davon fast
gewiß „Mitleid". Das kilagan hat mit kUa- „schnarchen, röcheln"
nichts zu schaffen, wie Bang meint; es heißt soviel als „kommend".
— Pür das sohrangan vgl. Badl., Wb. IV. 523. — In der 9. und
dasjenige der Itumanisclien Spraciie ist, welches sich am längsten lebendig er¬
halten hat. In meiner Heimat (Karezag in „Groß-Cumanien") haben wir als Kinder viel darüber gelacht, daß ein alter Mann kumanisch so betete: ten- geri, tengeri, dmen. {tengeri bedeutet im Ungarischen „Mais".)
6
10
80
606 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
10. Zeile befindet sich ein unleserliches Wort {aa . . . .). Ich lese
es für sayat, will damit objektiv nichts behaupten. — sete kommt
aus dem gemeintürk. sit (< stylt) „Gejammer, Klage', tübü der
letzten Zeile übersetze ich mit „Grund, Ursache', obwohl es in den
5 heutigen gemeintürkischen Sprachen in dieser Bedeutung — soviel ich
weiß — nicht vorkommt. Doch ist hier eine auf der Hand liegende
Metapher gegeben, so daß ich es ohne Gewissensbisse tun konnte
Übersetzung :
Es ist ein geki'ümmter junger Baum.
10 Auflösung: ein gefangener, gefesselter Mensch.
Es sind ein Stier und ein Schwein. (Ein männliches und ein
weibliches Tier.)
Auflösung: das sind, die ihn bemitleiden.
Es murmelte der starke Stier.
15 Auflösung: sein Vater weint.
Es schrie das geschätzte Tier.
Auflösung: seine Mutter weint.
Sie weinten zwei- Stunden lang,
Den Grund des Jammers haben sie verborgen.
to
ii
XLV. (Z. 29-33.)
jogactm Feigan neFjiF
jolabarc Fi|F beeirlor
jotaftncu fu ..
tama Fellir beeirlar.
Füjürtin Feigan neFjtF
Fulabarc Ft|F beeirler Fuvn>l)uncu fu \i'lu tama FelUr beeirlar.
ol bejerge'btr.
so Bang konnte dieses Eätsel nicht übersetzen,
Transkription :
Joqartin kelgan ne kjikf
jolabarc kijk, deSirlär jotasincu su jincu,
35 tama keüir, desirlär.
küjürtin kelgan ne kjikf
kulabarc kijk, deSirlär.
kujruguncu äu jiniu, tama kellir, desirlär.
40 ol: bezergendtr.
Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus. 607
Hier Hegt, wie ersichtlich, ein in tadellosem Zustande erhaltenes
Rätsel vor und dürfte doch zu übersetzen sein !
jogartin und küjürtin sind ganz klar: „oben", , unten". Auch
das nekjik bereitet keine Schwierigkeiten. Die beiden Wörter
wurden infolge des Akzentes zusammengeschrieben : ne : kjik, aus 5
demselben Grunde ist auch das i aus kijik geschwunden : vgl. kijk
in der 2. Zeile „was für eine Kleidung?" — jola = „gestreift,
gewürfelt (von Stoffen)" vgl. kirg. ^olak id. (kirg. 5- <C gemein¬
türk. j-). — Ich irre wohl nicht, wenn ich im Worte bare (bars?) eine
Form des gemeintürk. baria „ein Seidenzeug" vermute. Der Schwund 10
des auslautenden a ist jedenfalls verdächtig. — Für das deSirlär
vgl. Radi, Wb. III. 1687. — Die 3. Zeile bezieht sich auf die
Breite (Länge?) des Stoffes (auch in der 2. Strophe): jotasincu,
kujruguncu „wie ein Schenkel" (vielleicht ein Maß?), „wie ein
Schwanz", jiniu = „so breit, so lang", kellir = keltir, eine 15
ganz gewöhnliche Art von Assimilation.
Übersetzung :
„Was braucht ihr für eine Kleidung oben?"
„Gestreiftes Seidenzeug", sagen sie,
„Dessen Breite ,ein Schenkel' ist; so
„Bringe Baumwollenzeug her!" sagen sie.
„Was braucht ihr für eine Kleidung unten?"
„Braunes Seidenzeug", sagen sie,
„Dessen Breite ,ein Schwanz' ist;
„Bringe Baumwollenzeug her!" sagen sie. ss
Auflösung: der Kaufmann.
XLVI—XLVII. (Z. 34—35.)
beltir&agt bee FuüluF beeibtle Fulu'lamte
far .. bagt fare aygtr so
fat)lat)lati tienamie.
Ol Faj.
Bang hat nicht wahrgenommen , daß wir hier zwei Rätsel
vor uns haben, und hat das Ganze folgendermaßen übersetzt:
An der Flußmündung haben fünf Stuten (?) S5
Zu fünf Füllen geworfen;
Im Schlosse hat der gelbe Hengst
Heimlich (?) gewiehert.
Auflösung: der Kessel.
608 Nimeth, Die Rätsel des Codex Cumanicus.
Transkription : biltlrdägi beS kuwluk besibile kulunlamis.
ol: ßl kelgan dir.
t
Die Klarheit der Fassung dieser Rätsel macht jede weitere
Erklärung überflüssig. Die Auflösung des ersten Rätsels befindet
10 sich (der Mönch hatte schon keinen Raum mehr) über dem kuwluk.
Bang hat es als eine Glosse aufgefaßt und mit „dies bedeutet
das Herauskommen der Luft" übersetzt. Zu kuwluk, das Bang
als unbekannt bezeichnet, vgl. kirg. küluk taj „ein junges Füllen'.
In der Ausgabe des CC. von Graf Kuun sind diese Rätsel
noch ein unverständlicher Wirrwarr. Radloff's Arbeit kenn¬
zeichnet schon einen großen Fortschritt, auch die Studie Bang's.
Und jetzt haben wir schon kaum mehr Unverständliches in den
2."i Rätseln. Wir können die besten Hoffnungen hegen , einmal den
CC. auch für sprachgeschichtliche Untersuchungen brauchen zu
können. Soviel ich weiß, beabsichtigt Bang den ganzen CC.
herauszugeben. Je eher, desto besser.
Mir' scheint, daß der CC. eine mit dem Aufgebot großer
30 Sorgfalt und umfp,ngreichen Wissens geschriebene Handschrift ist.
Soviel steht allerdings fest, daß der Mönch, der ihn schrieb, mehr
Kumanisch verstand als wir alle zusammen.
[Nachvyoft zum letzten Absatz. — Als diese Arbeit
schon gesetzt war, habe ich Gelegenheit gehabt, in die Originalhand-
35 Schrift zu 'Veiiedig einen Einblick tun zu dürfen , wofür ich dem
II. Bibliothekar der Biblioteca Nazionale Marciana, Herrn Dr. Giulio
Monti, auch hier meinen aufrichtigsten Dank ausspreche.]
16
Übersetzung :
Fünf Füllen vom vorigen Jahre
Haben zu fünf Füllen geworfen.
Auflösung: die künftigen Jahre.
10
Im Schlosse hat der gelbe Hengst
Als man ihn geschlagen hat, gewiehert.
Auflösung: der Kessel (die Glocke?).
609
Indologische Analekta.
Von Johannes Hertel
In den folgenden Zeilen sollten ursprünglich im Anschluß an
■die Kritik, welche Ausgabe und Übersetzung des Tanträkhyäyika
in den eingehenden und — wie ich dankbar hinzufüge — wohl¬
wollenden Besprechungen von Sylvain Levi, Speyer und Win ter -
nitz erfahren haben, nur einige Fragen grundsätzlicher Art 5
•erörtert werden, deren Beantwortung nicht nur für den Text des
Tanträkhyäyika, sondern für die kritische Behandlung
indischer Texte überhaupt, für die Beurteilung und
Benutzung solcher Texte und infolgedessen für
den Aufbau der indischen Literaturgeschichte vonio
größter Wichtigkeit ist. Der bekannte Mangel an histo¬
rischem Sinn, der ein so charakteristisches Merkmal des indischen
Geistes ist, hat es verschuldet, daß auf dem Gebiete der indischen
Literaturgeschichte Zustände herrschen, wie sie wohl in keiner
a,nderen Philologie zu finden sind. Wir können Verhältnis- 15
mäßig nur bei wenig Werken die Abfassung datieren und die
Heimat der Autoren bestimmen. Wo das nach glaubwürdiger Über¬
lieferung möglich ist, müssen wir natürlich mit unserer Arbeit ein¬
setzen ; wo uns die Überlieferung fehlt, bietet uns strengste philo¬
logische Methode ein Mittel, sie mehr oder weniger zu ersetzen. 20
Diese Methode hat sich natürlich nach der Art des indischen
Schrifttums und seiner Überlieferung zu richten und kann nur an
ihm studiert werden. Die Gesichtspunkte, auf die es dabei an¬
kommt, wii«d der einzelne dadurch gewinnen, daß er selbst einmal
die gesamte hs. Überlieferung eines Werkes nach Aszendenten und 25
Deszendenten eingehend studiert. Zieht er auch die Drucke
mit in das Bereich solcher Studien , so ist das insofern für ihn
nützlich, als er einsehen wird, auf welchem Flugsand zum großen
Teil das Gebäude der indischen Literaturgeschichte aufgeführt ist,
und wie bitter not uns wirklich kritische Ausgaben als einzig zu- so
verlässige Grundlagen derselben tun. Unter einer kritischen Aus¬
gabe verstehe ich natürlich mehr, als die üblichen Textabdrucke
mit den Varianten von ein paar Handschriften , noch dazu , wenn
Zeitsohrift der D. M. G. Bd, LXVII. 40