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DIE THEOLOGISCHE ERKLÄRUNG DER GÖTTLICHEN LITURGIE

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KAPITEL X

DIE THEOLOGISCHE ERKLÄRUNG DER GÖTTLICHEN LITURGIE

1. Auf dem Wege zu einer theologischen Erklärung der Göttlichen Liturgie Die Theologie der Historischen Schule steht zwischen der endgültigen und gegenüber Ivan Dmitrevskijs Ansätzen vertieften Erkenntnis der Dimension des Historischen und einer weithin in den althergebrachten Bahnen weitergeführten systematisch-theologischen Behandlung der Eucharistie. Systematisch-theologische und praktische Konsequenzen werden von den historisch-kritischen Auslegern nur selten, vorsichtig und wenn, dann eher indirekt gezogen. Für die Frühzeit mag diese Zu- rückhaltung mit der notwendigen Rücksicht auf die Zensur begründet werden können. Die Schwierigkeiten, denen Evgenij Golubinskij (1834-1912) und Nikolaj Feodorovic Kapterev (1847-1917) bei ihrer historisch-kritischen Arbeit ausgesetzt waren, lassen die Grenzen, de- nen historisch-kritische Forschung zunächst einmal unterworfen war, genügend deutlich werden.

1

Aber die Radikalität der theologischen Kritik Aleksandr Golubcovs und der Thesen Ivan Karabinovs zeigt an- dererseits auch, was nach der Lockerung der Zensur zu Anfang unseres Jahrhunderts an kritischer Analyse möglich wurde.

So ist die Zurückhaltung beim Aufweis praktischer und systemati- scher Konsequenzen nicht allein mit dem Hinweis auf die Zensur zu er- klären: Die russische historisch-theologische Schule teilt diese Zurück- haltung mit der westlichen liberalen Theologie. Historische Forschung wurde in Ost und West in einem von systematisch-theologischer Refle- xion und kirchlicher Praxis meist wenig berührten Freiraum geführt.

1 I. Smolitsch, Geschichte I 676; V. Pleyer, Das russische Altgläubigentum 20. - Zur Fol- gezeit vgl. dagegen: K. Ch. Felmy, Die Auseinandersetzung mit der westlichen Theolo- gie in den russischen theologischen Zeitschriften zu Beginn des 20. Jh.s = ZKG 94/1983/1-2, 66-82.

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Zwar setzt kurz vor der Katastrophe von 1917 in Rußland auch eine Erneuerung der systematischen Theologie ein. Aber sie ist wesentlich später anzusetzen als der Aufbruch in der Historischen Schule.

Die Erneuerung beginnt zunächst bei den Problemen der Soteriolo- gie, mit dem Versuch einer Abkehr von juridischen Kategorien und den Konsequenzen einer so erneuerten Soteriologie für die Moraltheologie.

Die Göttliche Liturgie erhielt in dieser neuen Schule der systematischen Theologie dagegen zunächst keinen wichtigen Platz.

2

Die zu Anfang unseres Jahrhunderts an den russischen orthodoxen Geistlichen Akademien geleisteten systematischen Arbeiten harren noch immer der ihnen gebührenden Würdigung. Die Namen von Pavel Svetlov, Maksim Tareev (1866-1934) und Viktor Nesmelov (1830-1920) und ihr Werk müßten längst der fast völligen Vergessen- heit entrissen werden. Und die Hierarchen Antonij (Chrapovickij;

1864-1936) und Sergij (Stragorodskij; 1867-1944) sollten nicht mehr ausschließlich als Kirchenpolitiker, sondern auch als Theologen gewür- digt werden.

3

Nur, zur Deutung der Göttlichen Liturgie haben diese Theologen tatsächlich nichts Nennenswertes beigetragen. Hier ist der Beitrag der russischen Laientheologie, der heute im Vergleich zu der an den Aka- demien getriebenen »Schultheologie« sonst eher zu hoch eingeschätzt wird, tatsächlich höher zu bewerten. Die folgende Aussage Aleksej Chomjakovs, des ersten in der Reihe dieser Laientheologen, wäre im Munde der erwähnten Akademietheologen kaum denkbar:

»Die Kirche nimmt jeden Ritus an, welcher den geistigen Drang zu Gott ausdrückt, ebenso wie sie das Gebet und die Ikone annimmt; aber höher als alle Riten gilt ihr die heilige Liturgie, in der die ganze Fülle der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Gei- stes zum Ausdruck kommt, nicht in konventionellen Zeichen und Symbolen, sondern in einem von oben eingeflößten Wort des Lebens und der Wahrheit. Nur der versteht die Kirche, der die Liturgie begreift«.4

2 Hierzu und zum Folgenden vgl. G. Florovskij, Puti 452 ff.; P. Evdokimov, Christus im russischen Denken 141-173.

3 Wenigstens Antonijs Arbeit an einem russischen Katechismus hat Peter Hauptmann, Die Katechismen der Russisch-orthodoxen Kirche, Göttingen 1971, in seine Untersu- chungen einbezogen. Einen Eindruck von dem Denken russischer Theologen dieser Epoche vermittelt Liverij Voronov, Das Dogma der Auferstehung in der Orthodoxie = Der auferstandene Christus und das Heil der Welt 112-145; vgl. a. Paul R. Valliere, The Problem of Liberal Orthodoxy in Russia, 1905 = SVTQ 20/1976/3, 115-131.

4 A. S. Chomjakov, Die Einheit der Kirche 25.

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3 9 2 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

Eine Theologie, die dieser Erkenntnis Rechnung trug, sollte seit 1925 in dem in Paris gegründeten Orthodoxen Theologischen Institut des hl.

Sergij von Radonez Heimat finden.

5

Hier am »Institut St. Serge« kam es zu einer großartigen Verbindung der Religionsphilosophie und Laientheologie

6

mit den Erkenntnissen der russischen Akademietheolo- gie. Hier wurden die Forschungsergebnisse der Historischen Schule, so weit möglich, rezipiert, aber gleichzeitig vornehmlich von Sergij Bulga- kov das Denken der Religionsphilosophen, insbesondere in der Form der Sophiologie Vladimir Solov'evs (1853-1900) und Pavel Florenskijs (1882-1943), in die an dieser Akademie gelehrte Theologie übernom- men.

Der wichtigste von einem Theologen des Orthodoxen Theologischen Instituts des hl. Sergij verfaßte Liturgiekommentar ist Archimandrit Ki- prians Buch »Evcharistija«. Wir haben es im voraufgehenden Kapitel behandelt, weil sich die Besonderheit der am Theologischen Institut des hl. Sergij in Paris gelehrte Theologie nur in geringem Maße in ihm spiegelt.

7

Aber in einer Theologie, die bewußt zurücklenkt zur liturgi- schen Uberlieferung der Orthodoxen Kirche des Ostens werden die Grenzen zwischen Liturgiekommentar und theologischem Traktat wie- der fließend, wie sie es in der Frühzeit gewesen waren. So müssen auch andere Werke, die keine Liturgiekommentare im eigentlichen Sinne darstellen, in die Betrachtung der Geschichte der russischen Liturgie- deutung einbezogen werden, zumal ihre Ergebnisse bald darauf auch in die Liturgiekommentare im strengen Sinne aufgenommen werden.

5 Zur Gründung des Orthodoxen Theologischen Instituts und zur Charakteristik der wichtigsten Lehrer seiner Anfangszeit vgl. Evlogij [Georgievskij], Put' moej zizni 446-453. Zur Theologie der Pariser Schule vgl. A. Schmemann, Russian Theology:

1920-1972. An Introductory Survey = SVTQ 16/1972/4, 172-194.

6 Mit dem Begriff »Religionsphilosophie« läßt sich die Laientheologie Aleksej Chomja- kovs z. B. nicht charakterisieren. Wir gebrauchen darum beide Begriffe nebeneinander.

7 Die für die Pariser Schule charakteristische höhere Bewertung des Gottesdienstes auch für die Theologie, nicht aber einzelne Besonderheiten der Pariser russischen Theologie spiegeln sich auch in: Zakon Boiij, vtoraja kniga o Pravoslavnoj vere, Paris 1963, 109-233.

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2. Die Göttliche Liturgie in der Theologie Georgij Florovskijs

Der am wenigsten von Laientheologie und Religionsphilosophie beein- flußte Theologe dieser Schule war Georgij Vasil'evic Florovskij (1893-1979), der von 1926-1948 am Orthodoxen Theologischen Insti- tut in Paris gelehrt hatte, bevor er in die Vereinigten Staaten auswan- derte.

8

Von der früheren Akademietheologie unterschied sich sein theo- logisches Denken durch das Programm der Rückkehr der Orthodoxen Theologie zum Erbe der griechischen Väter, zu einer Form von »christ- lichem Hellenismus«.

9

Der von ihm in seinem Hauptwerk »Die Wege der russischen Theologie«

10

apostrophierte »christliche Hellenismus«

sei »in der Kirche gewissermaßen verewigt, eingefügt in das Gewebe der Kirchlichkeit selbst, als ewige Kategorie der christlichen Existenz«

und besonders eindrücklich nachweisbar in der orthodoxen Liturgie und Ikonenmalerei. Kein vernünftiger Mensch könne darum auf den Gedanken kommen, Theologie und Gottesdienst zu >enthellenisie- ren<.

n

Damit ist aber auch schon das Programm einer neuen Wertung der Göttlichen Liturgie als Quelle der liturgischen Erkenntnis angedeu- tet, wenn sich in ihr neben der Ikonenmalerei der ursprüngliche Kir- chenväter-»Hellenismus« besser erhalten hat als in anderen Äußerun- gen des Glaubens. Wird aber die Göttliche Liturgie zur Quelle theologischer Erkenntnis, dann wird auch die Grenze zwischen theolo- gischer Abhandlung und Liturgiekommentar notwendig fließend.

An der Grenze zwischen Liturgiekommentar und theologischem Trak- tat steht vor allem Georgij Florovskijs in jüngster Zeit neu abgedruckte Arbeit »Eucharistie und Sobornost'«, die er 1929 in der Zeitschrift »Put'«

erstmals veröffentlichte.

12

Hier hat Georgij Florovskij bereits die The- men angeschlagen, die die russisch geprägte Liturgieerklärung der Ge- genwart vor allem bestimmen: das Verhältnis von Eucharistie und Ekkle- siologie sowie das Verhältnis von Eucharistie und kosmischer Eschatolo- gie. Der Spürsinn, mit dem Georgij Florovskij die Themen aufgreift, die

8 Vgl. K. Fotiev, Pamjati prot. Georgija Florovskogo = VRChD 130/1979/4, 26-28;

W. A. Visser T'Hooft, Fr. Georges Florovsky's Role in the Formation of the WCC = SVTQ 23/1979/3-4, 135-138; I. Meiendorf, »Puti russkogo bogoslavija« o. G. Flo- rovskogo = VRChD 132/1980/3-4, 42-46.

' G. Florovskij, Puti 509.

10 Puti Russkago Bogoslovija, Paris 1937.

11 G. Florovskij, Puti 509.

12 G. V. Florovskij, Evcharistija i Sobornost' = Put' 19/1929, 3-22; VRChD 130/1979/4, 29-41.

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3 9 4 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

die russische Liturgiedeutung bis heute vor allem beschäftigen, ist umso erstaunlicher, als seine Arbeit zunächst den Eindruck erweckt, sie sei weitgehend allein aus Zitaten der Göttlichen Liturgie selbst und den Schriften des Nikolaos Kabasilas zusammengesetzt, und so zunächst nicht sonderlich originell wirkt. Das Ergebnis seiner Untersuchung aber scheint viel eher zu belegen, daß sich das Programm einer Rückkehr zu den Vätern und ihrem theologischen Ansatz für die Deutung der Göttli- chen Liturgie bereits zu bewähren beginnt.

Die Eucharistie, die »um des Essens [und Trinkens] willen«

13

vollzo- gen wird und »vor allem Mahl«

14

ist,

15

bringt der Priester dar »vom ganzen Volk, von der Kirche, von der Versammlung der Gläubigen. Im Namen der Kirche, im Namen des ganzen Kirchenvolkes bringt er das heilige Opfer dar; und er betet nicht von sich aus, sondern vom Volk aus, wie vom Volk auch die auf dem Altar vorliegenden Gaben darge- bracht werden«.

16

Dabei bleibt das Volk nicht passiv, sondern »spricht durch den Mund des Geistlichen«, der seine Würde zwar nicht vom Volk, sondern vom Heiligen Geist in apostolischer Sukzession emp- fängt, »aber für das Volk«, »als Gabe des Dienstes, als eine der Gaben in der Mannigfaltigkeit der kirchlichen Gaben«.

17

Georgij Florovskij nimmt hier Aussagen über die Funktion des Am- tes in der Eucharistie auf, die wir bereits aus anderen Zusammenhän- gen kennen,

18

die aber in der russischen Theologie zunehmend an Ge- wicht gewinnen sollten.

19

Doch führt er den Gedanken Chomjakovs, nur der verstehe die Kirche, der die Liturgie begreift, in einer Weise weiter, wie sie für die Theologie der russischen Kirche bis dahin unbe- kannt war:

»In der Eucharistie wird unsichtbar, aber wirklich die Fülle der Kirche geoffenbart.

Jede Liturgie wird in Verbindung mit der ganzen Kirche vollzogen und gewissermaßen in ihrem Namen, nicht nur im Namen des vor [dem Altar] stehenden Volkes [. . .]

Denn jede >kleine Kirche< ist nicht nur ein Teil, sondern das konzentrierte Bild der ganzen Kirche, untrennbar von ihrer Einheit und Fülle. Und deswegen ist in jeder Li- turgie mystisch, aber real die ganze Kirche mit gegenwärtig und nimmt mit an ihr teil«.20

13 Radi vkuJenija.

14 Prezde vsego trapeza.

15 G. Florovskij, Evcharistija i Sobornost' 6 (zitiert wird aus der Zeitschrift »Put'«).

16 G. Florovskij, Evcharistija 10.

17 G. Florovskij, Evcharistija 10.

18 S.o. S. 328ff.

19 S.u. S. 405ff.

20 G. Florovskij, Evcharistija 14.

(6)

Besonders deutlich ausgedrückt und dargestellt sieht Georgij Florovskij diese Teilnahme der ganzen Kirche an der Liturgie einer Ortskirche im Partikel-Ritus der Proskomidie.

21

Er hat mit seinen Ausführungen in nuce bereits die »eucharistische Ekklesiologie« Nikolaj Afanas'evs vorweggenommen

22

und seine Sicht der Kirche wie dieser auf 1 Kor 12,27 gestützt.

23

Der Einfluß Flo- rovskijs auf die eucharistische Ekklesiologie Nikolaj Afanas'evs kann deshalb trotz des Fehlens unmittelbarer Beweise für eine literarische Einwirkung auf Afanas'ev und trotz der Unterschiede höher einge- schätzt werden, als in der Arbeit Peter Planks über Afanas'evs euchari- stische Ekklesiologie geschehen ist,

24

war doch Afanas'ev eine Zeitlang gemeinsam mit Florovskij theologischer Lehrer am Orthodoxen Insti- tut in Paris. Daß daneben auch andere Faktoren für Afanas'ev entschei- dend waren, hat Plank u. E. richtig gesehen.

Auch das andere Haupt-Thema der modernen Liturgiedeutung, die Eschatologie, schlägt Georgij Florovskij in der zitierten Arbeit bereits an, wenn er die Eucharistie als »Erstling des neuen Himmels und der neuen Erde« bezeichnet. In der Eucharistie werde die Erde schon zum Himmel.

25

Wegweisender als solche bereits aus der Uberlieferung der Liturgiedeutung bekannten Aussagen sind andere, die in die Richtung einer kosmischen Eschatologie weisen.

26

Dazu zählen folgende Äuße- rungen Florovskijs:

»Die Eucharistie ist das Bild der ganzen göttlichen Ökonomie. Deshalb umfaßt das Gedächtnis des Dankes die ganze Fülle der Schöpfung, die ganze Fülle der Werke der Göttlichen Weisheit und Liebe. Die liturgische Betrachtung ist übervoll von kosmi- schem Pathos; denn in Christus, in der Inkarnation des Wortes und in der Auferste- hung des Gottmenschen wurde der vorewige Ratschluß Gottes über die Welt erfüllt und vollendet. In der Inkarnation des Wortes vollzog sich die Heiligung der Materie, und wir bringen die Erstlinge der Materie dar, von den Getreidehalmen und der Frucht des Weinstocks für die eucharistische Heiligung«.27

Und nach Erwähnung der in den Heiligen sichtbaren, vergöttlichenden Kraft der Liturgie und der in ihr erlebbaren Einheit der Kirche auf Er- den mit den Engeln im Himmel fährt Florovskij fort:

21 G. Florovskij, Evcharistija 16; Die Göttliche Liturgie 13 ff.

22 S.u. S. 405ff.; Die Göttliche Liturgie 63.

23 G. Florovskij, Evcharistija 16.

24 Peter Plank 79 f.

25 G. Florovskij, Evcharistija 5 f.

26 Zu der von uns gewählten Begrifflichkeit vgl. die Einleitung.

17 G. Florovskij, Evcharistija 18.

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3 9 6 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

»So vereinen sich und überschneiden sich in der Eucharistie alle Ebenen des Seins: die kosmische, die menschliche, die serafische. In ihr offenbart sich die Welt als echter Kosmos, als einer und vereinigter, als versammelter und katholischer.28 Das Denken steigt auf zum Anfang der Welt und folgt ihrem Geschick. >Du hast uns aus dem Nichtsein in das Sein hinübergebracht und hast uns, die wir gefallen waren, wieder aufgerichtet und nicht nachgelassen, alles zu tun, bis du uns in den Himmel gebracht und uns das zukünftige Reich verliehen hast<," betet die Kirche. Und es wird in Chri- stus für alle der Weg zur >Fülle des Reiches< geoffenbart«.30

In der Zukunft sollte diesen hier von Georgij Florovskij aufgewiesenen Bezügen gesteigerte Aufmerksamkeit gewidmet werden.

3. Die Liturgie in der Theologie Sergij Bulgakovs

Sergij Nikolaevic Bulgakov (1871-1944),3 1 aus priesterlichem Hause, war auf dem Umweg über den Marxismus als Professor für National- ökonomie in Kiev (1901-1906) unter dem Einfluß der Werke Vladimir Solov'evs und der bleibenden Eindrücke aus seiner Jugendzeit zum Christentum zurückgekehrt. Pfingsten 1918 ließ er sich von Patriarch Tichon zum Priester weihen,32 nachdem er schon vorher Delegierter auf dem Konzil der Russischen Orthodoxen Kirche von 1917/1918 ge- wesen war. Seit 1925 lehrte er am Orthodoxen Theologischen Institut in Paris. Seine Sophiologie wurde, anders als die Sophiologie Pavel Florenskijs, 1935 von Metropolit Sergij von Moskau abgelehnt, ein Ur- teil, das der Russischen Orthodoxen Kirche, in der das Werk des ande- ren großen Sophiologen, Pavel Florenskij, weithin rezipiert worden ist, den offiziellen Zugang zu Sergij Bulgakov lange Zeit erschwert hat.

Mit der früheren russischen Laientheologie teilen auch Pavel Flo- renskij und Sergij Bulgakov eine Hinwendung zum Gottesdienst der Orthodoxen Kirche in der theologisch-philosophischen Reflexion, die

28 Sobrannyj i sobornyj. - Das durch die slawische Übersetzung des Wortes »katholisch«

mit dem vom Stamm >s-br< (versammeln) abgeleiteten »sobornyj« ermöglichte Wort- spiel läßt sich im Deutschen nicht wiedergeben.

29 Die Göttliche Liturgie 63.

30 G. Florovskij, Evcharistija 19. - Vgl. a. G. Florovskij, Ways of Worship . . . II Ortho- dox 53-65. Hier nimmt Florovskij die weitere Entwicklung der Theologischen Litur- gieerklärung mit auf.

31 Vgl. die Einführung zu Sergej N. Bulgakov, Sozialismus im Christentum? Eingeleitet, übersetzt und herausgegeben von Hans-Jürgen Ruppert, Göttingen 1977.

32 S. Bulgakov, Avtobiograficeskija Zametki (Posmertnoe izdanie). Predislovie i prime- canija L. A. Zandera, Paris 1946, 41.

(8)

die alte Akademietheologie so nicht gekannt hatte. Der Gottesdienst als Sitz im Leben für das Dogma, die liturgische Uberlieferung im wei- teren, westlichen Sinne von >liturgisch<, wird sowohl in der Theologie Florenskijs als auch in der Theologie Sergij Bulgakovs zum eigentli- chen theologischen Fundament. Während aber Pavel Florenskij zwar Schriften verfaßt hat, die entweder in Beziehung zum Gottesdienst all- gemein oder zu bestimmten gottesdienstlichen Vollzügen, nicht aber zur Göttlichen Liturgie speziell stehen,

33

finden sich unter den Schrif- ten Sergij Bulgakovs auch solche mit einem speziellen Bezug zur Gött- lichen Liturgie.

In seiner Dissertation über »Die Kosmodizee S. N. Bulgakovs als Problem der christlichen Weltanschauung« bestätigt Hans-Jürgen Rup- pert

34

die Unterscheidung, die Alexander Schmemann

35

zwischen Sergij Bulgakovs Sophiologie und der von ihm erhobenen sophiologischen Fragestellung trifft. Alexander Schmemann vertrete die zutreffende Auffassung, »daß letztlich in der grundlegenden >sophiologischen Ein- stellung^ in Bulgakovs lebendigem Selbstbewußtsein, das seine Person trägt, und das in seiner >Theologie< nur einen Ausdruck unter anderen gefunden hat, mehr von seiner Wirklichkeit zu finden ist als in seinem wissenschaftlichen System, in das er diese Grunderfahrung der Sophio- logie - der Verbindung von Gott und Welt - zu fassen versucht hat«.

36

Mit Recht spreche Alexander Schmemann von einem aus der Erfah- rung der Kirche und der Kirchlichkeit geschöpften »>Kosmismus< von einer geradezu sanftmütigen Art gegenüber der Schöpfung Gottes«.

37

Dieser Kosmismus Bulgakovs wurzele in seiner liturgischen Theologie.

»Denn die Theologie Vater Sergijs ist eben und vor allem, in ihrer letz- ten Tiefe, >liturgisch< - die Entfaltung einer Erfahrung, die im Gottes- dienst gegeben wird, die Übertragung jener geheimnisvollen >Herrlich- keit<, die ihn durchdringt, jenes >Mysteriums<, in dem er verwurzelt ist und dessen >Epiphanie< er ist. Die Erscheinung Gottes, deshalb aber auch der Welt und ihrer göttlichen Urerschaffenheit, der göttlichen Wurzeln der Schöpfung, die dazu bestimmt ist, daß Gott sie erfüllt und

33 P. Florenskij, Ikonostas = BoTr 9/1972, 80-148; ders., Iz bogoslovskogo nasledija = BoTr 17/1977, 85-248; ders., Slovesnoe Sluzenie = Z M P 1977/4, 63-75.

34 H.-J. Ruppert, Die Kosmodizee S. N. Bulgakovs als Problem der christlichen Weltan- schauung, Diss. Heidelberg 1977.

35 A. Smeman, Tri Obraza = VRStChD 101-102/1971, 9-24.

36 H.-J. Ruppert 92.

37 Zitat aus A. Smeman, Tri obraza 15.

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3 9 8 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

>alles in allem< ist«. Diese »liturgische Erfahrung« liege dem Ringen Sergij Bulgakovs um eine religionsphilosophische Formulierung zu- grunde.

38

Uns scheint es allerdings, als habe Alexander Schmemann hier ein Stück weit seine eigene kosmisch-eschatologische Sicht des Gottesdien- stes in Bulgakovs Werk hineininterpretiert, wenngleich sich Ansätze zu dieser kosmisch-eschatologischen Sicht der Göttlichen Liturgie tatsäch- lich in Sergij Bulgakovs Arbeit »Das eucharistische Dogma«

39

finden lassen.

Er kritisiert in dieser Arbeit die Transsubstantiationslehre, die über die 1642 von der Synode in Ia§i angenommene Confessio Orthodoxa des Petr Mogila in die orthodoxe Theologie eingedrungen war. Dage- gen hatten auch die kritischsten Vertreter der Historischen Schule diese Lehre noch unreflektiert mitgeschleppt. Die mit der Transsubstantia- tionslehre auf eine bestimmte Weise beantwortete Frage nach dem

»Wie« der eucharistischen Wandlung zählt zu den Fragen, die, der von uns vorgenommenen Eingrenzung gemäß, nicht in den Rahmen der Li- turgieerklärung gehören. Tatsächlich werden solche Fragen in den Li- turgiekommentaren auch in der Regel nicht behandelt. Der Ort dieser Frage ist das dogmatische Lehrbuch, nicht der Liturgiekommentar. Das zeigt auch Sergij Bulgakovs Aufsatz insofern, als in seiner Uberschrift das Wort »Liturgie« fehlt, dagegen das Wort »Dogma« begegnet. Doch hat die Ablehnung der Transsubstantiationslehre durch Bulgakov so einschneidende Konsequenzen für die kosmisch-eschatologische Deu- tung der Göttlichen Liturgie, daß wir sie, um diese Konsequenzen ver- ständlich zu machen, hier in Kürze darstellen wollen. Das auch, weil die Grenzen zwischen dogmatischer Reflexion und Liturgiedeutung in der neueren orthodoxen Theologie fließend geworden sind.

Nach Sergij Bulgakovs Deutung ist »das Wunder der Wandlung der heiligen Gaben« »kein physisches, sondern ein metaphysisches«.

40

Es vollzieht sich nicht wie das Wunder von Kana als Verwandlung einer Materie in eine andere, vielmehr besteht bei der >metabole< der euchari- stischen Gaben »eine Art Identität des terminus a quo mit dem terminus ad quem«,

41

eine »Identifizierung des Nicht-Identischen, eine Vereini- gung des Verschiedenen«.

42

Die eucharistische Wandlung schließt eine

38 A. Smeman, Tri obraza 19.

" S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat = Put' 20/1930, 3-46; 21/1930, 3-33.

40 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,3).

41 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,4).

42 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,9).

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physische Verwandlung, wie sie die Transsubstantiationslehre be- haupte, geradezu aus.

43

Denn nach orthodoxer Lehre bleiben die

>Brot-< und >Weinhaftigkeit< (chlebnost' bzw. vinnost') der Gaben auch nach der Wandlung bestehen

44

, während nach thomistischer Lehre, wie sie Bulgakov interpretiert, die Wandlung das Wunder der Vereinigung des akzidenzienlosen Leibes und Blutes Christi mit dem ihrer Substanz beraubten Brot und Wein ist. Demgegenüber bewirkt die eucharistische Wandlung mehr: auch die Akzidenzien werden von der Verwandlung betroffen; denn das eucharistische Brot als Brot und der Wein als Wein, die Schöpfungsgaben als solche, erhalten eine neue Qualität durch die Wandlung.

45

Abgesehen von der unzulässigen Festlegung auf eine Philosophie, die der theologischen Fragestellung eher im Wege sei als sie zu fördern,

46

versagt nach Bulgakovs Uberzeugung die katholische Theologie an der Frage, was sich an der Materie von Brot und Wein in der Eucharistie ändert,

47

wie sich das Brot zum Leib und der Wein zum Blut Christi verhalten. Die Theologie der ersten vier Jahrhunderte habe zwar dar- über geschwiegen, was mit Brot und Wein in der Eucharistie geschieht;

jedoch daß das Brot als Brot und der Wein als Wein Leib und Blut Chri- sti seien, sei feste Uberzeugung der Väter der ersten Zeit gewesen,

48

wie es Irenäus bezeugt: »das Brot aus der Erde, das die Anrufung Got- tes aufgenommen hat, ist nicht mehr gemeines Brot [. . .], sondern Eu- charistie, aus zwei Dingen bestehend, einem irdischen und einem himmlischen«.

49

D.h. die eucharistische Wandlung hat nach der Theo- logie der Väter, wie sie Sergij Bulgakov sieht, den Charakter des Brotes als Brot und des Weines als Wein nicht aufgelöst.

50

Das ist wichtig, weil es im Mysterium nicht um die Auflösung der Kreatur, sondern um de- ren kosmisch-eschatologische Verklärung geht. In der Eucharistie ge-

43 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,4).

44 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,10).

45 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,13).

46 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,15f.).

47 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,22).

48 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,22).

49 Irenäus, Contra haereses IV 18,5 = PG 7, 1028 f.; S. Bulgakov, Evcharisticeskij dog- mat (Put' 20,24).

50 Nach der Auffassung von John H. Erickson, Leavened and Unleavened, Some Theolo- gical Implications of the Schism of 1054 = SVTQ 1 4 / 1 9 7 0 / 3 , 155-176, habe die Or- thodoxe Kirche im Unterschied zur abendländischen am Gebrauch von gesäuertem Brot für die Eucharistie festgehalten, um damit auszudrücken, daß die Kreatürlichkeit durch die Wandlung des Brotes nicht aufgehoben wird.

(11)

4 0 0 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

schieht - und hier wird Bulgakov zu einem der ersten Vertreter der kos- misch-eschatologischen Liturgieerklärung - ansatzweise, antizipato- risch die Verklärung, die metamorphösis der Welt. »Diese Verklärung

51

der Schöpfung, die der zweiten Ankunft des Erlösers entspricht, voll- zieht sich in der Göttlichen Eucharistie mysterienhaft, d. h. offenkun- dig nur für die Augen des Glaubens, unter der eucharistischen Materie.

Das, was sich am Mysterium vollzieht, wird sich am Ende der Zeiten an der ganzen Welt vollziehen, die der Leib der Menschheit ist, und der letztere ist der Leib Christi«.

52

Bulgakov drückt das auch in sophiologischen Kategorien aus: »Die Wandlung der heiligen Gaben kann als Verweisheitlichung

53

der irdi- schen Materie« verstanden werden, weil in ihr die »Kraft der göttlichen Sophianität« beschlossen ist, die »den himmlischen Leib und die irdi- sche Materie vereint«.

54

Die Sakramentalität des Kosmos - wir bezeich- nen mit diesem Wort die der Materie innewohnende Möglichkeit, sa- kramental gebraucht zu werden - begründet Bulgakov also nicht ausschließlich schöpfungstheologisch, sondern heilsgeschichtlich da- mit, daß der Kosmos der Leib der von Christus in der Inkarnation an- genommenen Menschheit ist.

55

Die Lehre von der >metamorphösis< der Materie in der Göttlichen Li- turgie gründet Sergij Bulgakov auf die Unterschiedenheit der euchari- stischen Gegenwart Christi von seiner materiellen Gegenwart vor der Himmelfahrt. Wegen dieser Unterschiedenheit untersage die »Lehrun- terweisung« die Kommunion, wenn nach der Wandlung der Christus- knabe auf dem Diskos erscheint, wenn also statt der metaphysischen eucharistischen eine physische Wandlung stattgefunden hat.

56

Den Un- terschied zwischen der leiblichen Gegenwart Christi auf Erden vor Himmelfahrt und der eucharistischen danach habe Johannes von Da- maskus zu Recht hervorgehoben, wenn er betont: » . . . nicht, daß der aufgefahrene Leib vom Himmel herabkommt, sondern daß eben das Brot und der Wein selbst in Leib und Blut Gottes verwandelt wer-

51 Preobrazenie.

52 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 21,33).

53 Osofienie.

54 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 21,32).

55 Vitalij Borovoj hat die hier referierten Gedanken S. Bulgakovs in einem leider zu we- nig beachteten und seinerzeit auch kaum diskutierten Referat »Das Opfer Christi nach der Heiligen Schrift« 1976 in einem mit der EKD geführten Gespräch für den Dialog fruchtbar zu machen versucht (s. Literaturverzeichnis).

" S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 20,5).

(12)

den«.

57

Für Bulgakov bedeutet das, daß die Gläubigen in der Euchari- stie »nicht ein Stück des Leibes und Blutes in ihrer Naturgestalt essen, sondern daß sie an der einen und unteilbaren Leiblichkeit des Herrn kommunizieren, sich dadurch mit ihm leiblich, aber damit auch geist- lich vereinen«.

58

Die Unterschiedenheit von Leib und Blut des ge- schichtlichen Jesus Christus und der Eucharistie ist Bulgakov so wich- tig, daß er sie auch in anderem Zusammenhang hervorhebt.

59

»Wir könnten überhaupt nicht an dem geistlichen verherrlichten Leib und Blut des Herrn kommunizieren, wenn er sie nicht im Mysterium seiner Leiblichkeit für uns materiell gemacht hätte. Als der [auferstandene]

Herr vor seinen Jüngern Nahrung zu sich nahm, erwies er die Materie dieser Welt als vereint mit seinem verherrlichten Leib; im Mysterium aber geschieht das Gegenteil. Er gibt sich zu essen, indem er sich mit der Materie dieser Welt vereint«.

60

Neben diesen Ansätzen zu einer kosmisch-eschatologischen Sicht der Eucharistie finden sich in Bulgakovs Aufsatz auch Äußerungen, die den Mahlcharakter der Göttlichen Liturgie stärker hervorheben als die klassische Dogmatik. Die Transsubstantiationslehre löst nach Bulga- kovs Auffassung den Zusammenhang von Wandlung und Kommunion auf, da sie die Wandlung unabhängig von der Kommunion lehre. Die Leiblichkeit Christi werde in der Liturgie aber nicht absolut gegeben, sondern zum Verzehr. Eine Wandlung »nicht zur Kommunion« wie in der Römisch-katholischen Kirche gebe es nach orthodoxer Lehre nicht.

Auch wenn Gaben aufbewahrt würden, geschehe dies zum Zweck der Kommunion. »In der Eucharistie haben wir eine Erscheinung Christi auf Erden, allerdings auch nur begrenzt auf das Ziel der Kommunion.

Wir verehren die heiligen Gaben im Mysterium der Kommunion; denn in ihnen ist Christus gegenwärtig, der sich den Kommunikanten gibt;

aber wir können in ihnen Christus nicht >anrühren<

61

und suchen ihn nicht festzuhalten in unserer Gemeinschaft«.

62

Unseres Erachtens hat Sergij Bulgakov mit dieser Aussage die Intention der lutherischen Lehre von der Begrenzung der Realpräsenz auf den usus sacramenti

63

" Johannes von Damaskus, De fide orthodoxa IV 13 = PG 94, 1144f.; S. Bulgakov, Evcharistiteskij dogmat (Put' 21,15).

58 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 21,6).

" S. Bulgakov, Svjatyj Graal 6.

60 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 21,6 f.).

" Vermutlich Anspielung auf Joh 20,17.

62 S. Bulgakov, Evcharisticeskij dogmat (Put' 21,18).

63 Solida Declaratio VII 14 = BSELK977.

(13)

4 0 2 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

richtiger verstanden als Theologen, die hier eine zeitliche und nicht eine sachliche Begrenzung sehen.

Die zweite große eucharistische Arbeit Sergij Bulgakovs ist auf Joh 19,34 bezogen.

64

Dieser Vers wird, wie auch Bulgakov nicht zu er- wähnen vergißt,

65

in der Proskomidie beim Eingießen von Wein und Wasser in den Kelch gesprochen.

66

Die für die neuere orthodoxe Theo- logie bezeichnende Verbindung von Liturgieerklärung und dogmati- scher Reflexion zeigt sich darin, wie Sergij Bulgakov die Doppeldeutig- keit der Proskomidie als Darstellung von Geburt und Leiden Christi in seine Überlegungen einbezieht. Während die alten Kommentare hier die rememoratio zweier Ereignisse der Heilsgeschichte bzw. die Abbil- dung des einen Ereignisses selbst und die Abbildung der prophetischen Vorausschau des anderen sahen; während die Vertreter der kritischen Schule diese sich überlagernden Deutungen als sekundäre »mystische«

Zufügungen ignorierten oder abtaten, entdeckt Sergij Bulgakov in die- ser Doppeldeutigkeit einen theologischen Sinn: die Liturgie ist die »ana- mnetisch wiederholte Menschwerdung Gottes«,

67

zugleich ist das eu- charistische Blut »substantiell eins und identisch mit dem am Kreuz vergossenen«.

68

Eigentliches Ziel der Arbeit »Der heilige Gral« ist aber nicht die Er- klärung eines einzelnen Aktes der Eucharistie, sondern der Hinweis auf die kosmische Eschatologie, die Bulgakov bereits in dem Aufsatz über

>das eucharistische Dogma< gelehrt hat. Die Gralssage versteht Bulga- kov als Symbol einer Gegenwart der Leiblichkeit Christi auf Erden, die von der eucharistischen unterschieden ist. Die ganze Welt nämlich ist zum heiligen Gral geworden, als sie mit dem am Kreuz vergossenen Wasser und Blut aus der Wunde Jesu getränkt wurde.

69

Nur weil die Welt so bereits das Blut Christi empfangen hat, ist die eucharistische Wandlung möglich.

70

»Die Materie der Welt, die sich als würdig erwie-

64 S. Bulgakov, Svjatyj Graal (Opyt dogmaticeskoj ¿kzegezy Io. XIX 34) = Put' 32/1932, 3-42.

65 S. Bulgakov, Svjatyj Graal 29 u. ö.

" Die Göttliche Liturgie 13.

67 Vospominatel'no povtorjaemoe bogovoploäcenie (S. Bulgakov, Svjatyj Graal 12). Vgl.

die von Johannes von Damaskus vorgenommene Parallelisierung von Inkarnation und eucharistischer Wandlung (s.o. S. 127).

68 S. Bulgakov, Svjatyj Graal 12.

" S. Bulgakov, Svjatyj Graal 24.

70 Die kirchliche Eucharistie wird so von dem Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern unter- schieden. Auch Nikolaj Afanas'ev wird später die erste Eucharistiefeier der Kirche

(14)

sen hat, Blut und Wasser Christi aufzunehmen, ist würdig auch der my- sterienhaften Verwandlung ihrer Elemente in der Eucharistie«.

71

Die Mischung von Wein und Wasser in der Proskomidie, deutlicher noch die Beimischung von heißem Wasser, dem Zeon, in den Kelch zu dem bereits gewandelten Wein

72

macht das deutlich: Nur weil die Materie des Wassers bereits des aus der Seitenwunde geflossenen Blutes und Wassers Christi teilhaftig geworden ist, kann sie in den bereits geheilig- ten Kelch eingegossen werden.

73

Die Eucharistie ist so Ausdruck und Bestätigung einer Christus-Erfülltheit des Kosmos, einer Christus-Er- fülltheit, die im Mysterium ihre größte Deutlichkeit und Zuspitzung er- fährt, aber nicht auf das Mysterium beschränkt ist.

Es ist deutlich, daß Sergij Bulgakov hier wieder von der Soteriologie und nicht allein von der Schöpfung her argumentiert, auch wenn die soteriologische Argumentation stark mythisch geprägt erscheint. Bei späteren Auslegern wird dagegen zusammen mit dem soteriologischen Bezug auch der Anteil mythischer Symbolik an Gewicht verlieren. Der mythische Charakter der Aussage Bulgakovs weist auf die Möglichkeit, daß er hier anthroposophisches Gedankengut aufgenommen hat. In Emil Bocks Darstellung des Urchristentums heißt es zum Karfreitags- geschehen u.a.: »Der Christus geht, indem er stirbt, geradenwegs auf die Erde zu. Das Blut strömt aus seinen Wunden, seine Seele geht mit.

Mit dem Blut aus den Wunden des Gekreuzigten strömt seine Seele über den Leib der Erde. [. . .] Die Erde empfängt Leib und Blut Christi.

Sie empfängt die große Kommunion, weil der Tod keine Macht über den hat, der am Kreuze stirbt. Damit ist allem Erdendasein ein Ferment einverleibt, die Arznei der Durchgeistigung alles irdisch-materiellen Daseins«.

73a

Der Nachweis, daß diese Gedanken schon von Rudolf Steiner stammen und Bulgakov bekannt sein konnten, müßte freilich erst noch erbracht werden.

Ein dritter Aufsatz zur Göttlichen Liturgie »Das eucharistische Op- fer« ist unveröffentlicht geblieben. Lev Aleksandrovic Zander, der Schüler Sergij Bulgakovs, hat in seinem Werk über die Weltanschau- ung Vater Sergij Bulgakovs<

74

diesen Aufsatz referiert. Wegen der

nicht mit dem Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern, sondern mit der pfingstlichen Mahlfeier identifizieren: N. Afanas'ev, L'Église qui préside dans l'Amour 30.

71 S. Bulgakov, Svjatyj Graal 26.

72 Die Göttliche Liturgie 76.

73 S. Bulgakov, Svjatyj Graal 27.

7)» Emil Bock 291 f.

74 L. A. Zander, Bog i Mir (Mirosozercanie otca Sergija Bulgakova), T. 1, 2, Paris 1948.

(15)

404

Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

Wichtigkeit des Aufsatzes, der wieder die beiden Haupt-Themen der Eucharistie-Lehre Bulgakovs, Kommunion und kosmische Eschatolo- gie, aufgreift, stärker aber das Ganze der Göttlichen Liturgie im Blick behält als die bisher untersuchten Arbeiten, wollen wir Zanders Referat hier im folgenden wiedergeben. Beachtlich ist vor allem die Weise, in der Sergij Bulgakov erneut die rememorative Liturgieerklärung auf- nimmt und für seine Ziele fruchtbar macht.

»Der handschriftliche Aufsatz >Das eucharistische Opfer< (140 S.) entfaltet Themen der eucharistischen Theologie in Verbindung sowohl mit grundlegenden religiösen Ka- tegorien, die mit der Eucharistie verbunden sind (Opfer, Gedächtnis, Erlösung, Ver- göttlichung), als auch mit anderen dogmatischen Wahrheiten (mit der Lehre von der Hl. Dreieinigkeit, von der Inkarnation Gottes, von der Mutter Gottes). Das Myste- rium der Kommunion, das oft getrennt von der Eucharistie betrachtet wird, ist in Wirklichkeit von ihr nicht zu trennen. Die Kommunion ist eines der Momente des eu- charistischen Opfers, der Selbstidentifizierung des Kommunikanten mit ihm, auf dem Wege, daß man es ißt. Deshalb sind Schlachtung und Essen, - Erlösung und Vergöttli- chung - Grundmomente der eucharistischen Opferdarbringung, die ein f ü r allemal die es vorabbildenden natürlichen (heidnischen) und alttestamentlichen Opfer ablöste. Der M o m e n t seiner Stiftung ist das Mystische Abendmahl, das gewissermaßen die Prosko- midie von Golgatha ist. Jede Eucharistie ist Gedächtnis-Anamnesis - nicht als psycho- logisches Durchleben des Vergangenen (Totengedächtnis),75 sondern als ontologische Einwurzelung im Ewigen, real Gegenwärtigen und Lebendigen in allen seinen zeitli- chen Erscheinungen. Objekt des eucharistischen Gedächtnisses ist dabei nicht nur Gol- gatha, sondern die ganze Gott-Inkarnation, das ganze Leben Christi - als Einheit sei- ner Kreuzestat/6 Die Eucharistie ist irdisches und himmlisches Opfer. Das Hoheprie- stertum Christi ist ursprünglich und ewig, denn der Sohn bringt sich immer dem Vater zum Opfer dar. Und in diesem Sinne hängt es nicht mit dem Sündenfall zusammen, mit dem nur das Blut, die Leiden und die Rufe um Gnade7 7 verbunden sind. Aber das Bild der himmlischen Eucharistie ist >hier auf Erden befestigt: Das ist »dieses Brot und dieser Kelch<. Sie bleiben, wobei sie ihre irdische Natur (und nicht nur ihre >Gestal- ten<) behalten, als solche, die dieser Welt angehören, ihrer Natur, und dennoch gehö- ren sie ihr bereits nicht mehr an als gewandelte, mit der gottmenschlichen Natur Chri- sti vereinte< (S. 43). Die letzten Seiten des Aufsatzes sprechen von der Verbindung der eucharistischen Theologie mit der Eschatologie und der Lehre von der Mutter Gottes.

>Beilagen< betrachten vom Standpunkt des eucharistischen Opfers aus die Natur der Liturgie der Vorgeweihten Gaben«.78

Eine Uberschrift, die an die Liturgiedeutung erinnert, trägt auch der 1927 in einem Sonderheft der »Una Sancta« veröffentlichte Aufsatz Sergij Bulgakovs »Le Ciel sur la Terre« (Der Himmel auf Erden), eine

75 Pominki.

76 Kak edinstvo Ego krestnogo podviga. — So wird hier erneut ein Hauptanliegen der re- memorativen Liturgieerklärung aufgenommen.

77 Umilostivlenija.

78 L. A. Zander, Bog i Mir I 149 f.

(16)

Bezeichnung, die, angefangen mit dem Liturgiekommentar des Germa- nos,

79

immer wieder als Bezeichnung des Gotteshauses und des in ihm vollzogenen Gottesdienstes begegnet.

80

Indessen spricht Bulgakov hier nicht allein von Gottesdienst und Gotteshaus. Thema seines Aufsatzes ist vielmehr das finitum capax infiniti, dessen zentrales Geschehen zwar die Göttliche Liturgie ist, das seinen Ort aber nicht allein im Gottes- dienst, sondern in dem ganzen Mysterium der Kirche hat. Dieses My- sterium ist allerdings nicht nur ohne den Gottesdienst, sondern - für Bulgakov ist das ein wichtiger Gedanke - auch ohne das Geheimnis der Gottesmutterschaft Mariens undenkbar.

Ein Liturgiekommentar ist die Arbeit »Le Ciel sur la Terre« also we- niger als die anderen bisher untersuchten Arbeiten Sergij Bulgakovs zu liturgischen Fragen. Doch für das neue Verständnis der Liturgie in der durch Bulgakov vor allem geprägten Pariser Schule ist entscheidend, daß nun von der Kirche nicht mehr anders geredet werden kann, als daß man von ihrem Gottesdienst redet und die Kirche als »Himmel auf Erden« im gottesdienstlichen Raum dargestellt sieht. Hier gilt nun end- lich das, was von der Orthodoxen Kirche allgemein, oft zu stark verall- gemeinernd gesagt wird: der Gottesdienst ist Zentrum und Lebensnerv der Kirche, und die Orthodoxie versteht sich zu allererst als die Kirche des Lobpreises und der Liturgie.

4. Die eucharistische Ekklesiologie Nikolaj Afanas'evs als Liturgiedeutung

Stärker als bei Sergij Bulgakov haben sich in der Theologie Nikolaj Afanas'evs (1893-1966)

81

die Ergebnisse der historischen Liturgieerklä- rung niedergeschlagen. Die eucharistische Ekklesiologie Afanas'evs,

79 Germanos: PG 98, 381.

80 S. Boulgakoff, Le Ciel sur la Terre = Ostkirche. Sonderheft der »Una Sancta«, Stutt- gart 1927, 42-63; Germanos: PG 98, 381.

81 Vgl. Peter Plank, Die Eucharistieversammlung als Kirche. Zur Entstehung und Entfal- tung der eucharistischen Ekklesiologie Nikolaj Afanas'evs (1893-1966), Würzburg 1980; P. Hauptmann, Die ekklesiologische Neubesinnung in der russischen Theologie des 20. Jahrhunderts - Kyrios X / 1 9 7 0 / 4 , 225-234; Hans-Jürgen Ruppert, Das Prinzip der Sobornost' in der russischen Orthodoxie = KO 16/1973, 22-56; K. Ch. Felmy, Eucharistie, Gemeinde und Amt. Ein Neuansatz in russischer Orthodoxie und Luther- tum = KuD 18/1972/2, 139-160; ders., Gemeinschaft am Heiligen = ÖR 1974/3, 332-344. - Zur Biographie Afanas'evs vgl. A. Smeman, Pamjati otca Nikolaja Afa- nas'eva = VRStChD 82/1966/4, 65-68 und die Einführung Mariamna Afanas'evas zu N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo, Paris 1971.

(17)

406

Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

die wir nun kurz skizzieren wollen, ist nicht denkbar ohne die folgen- den von den historisch-kritisch arbeitenden Liturgieerklärern gefunde- nen Einsichten:

1. daß Änderungen im liturgischen Vollzug im Zusammenhang ste- hen mit Änderungen in der Theologie;

2. daß die aktive Beteiligung aller gläubigen Laien am Gottes- dienst,

82

insbesondere der gemeinsame Kommunionempfang der Gläu- bigen, in der Alten Kirche selbstverständlich war;

3. daß insbesondere Struktur und Verständnis des Amtes in der Al- ten Kirche tiefgreifenden Änderungen unterworfen waren.

83

Während die Vertreter der Historischen Schule diese Veränderungen lediglich festgestellt haben, hat Nikolaj Afanas'ev durch die Entdek- kung bzw. Wiederentdeckung der eucharistischen Ekklesiologie die Gründe für die wesentlichsten Änderungen im Gottesdienstverständnis und gleichzeitig auch das wesentlichste Ziel einer ekklesiologisch-litur- gischen Erneuerung benannt.

In einem Aufsatz »Zwei Ideen der Universalen

84

Kirche«,

85

dann fortlaufend in einer Reihe von Aufsätzen

86

und schließlich in der gro- ßen Monographie

87

»Die Kirche des Heiligen Geistes« hat Nikolaj Afa-

82 N. Zaozerskij, Ierarchiceskij princip v cerkovnoj organizacii = BV 1911/1, 63-103 lehrt bereits die Konzelebration der Laien und die daraus folgende Notwendigkeit, die Göttliche Liturgie mit geöffneten Königlichen Pforten zu zelebrieren und ihre Gebete laut zu sprechen: N. Zaozerskij 94, Anm. 2.

8S Vgl. bes. A. N. Lebedev, Po voprosu o proischozdenii pervochristianskoj ierarchii = BV 1907/3, 460-474; vgl. a. S. Bulgakov, Ierarchija i Tainstva = Put' 49/1935, 23-47.

84 Zwar lehrt Afanas'ev zwischen »eucharistischer« und »universalistischer« Ekklesiolo- gie zu unterscheiden. Doch meint er, wenn man schon auf einer Ubersetzung des Wor- tes >katholisch< bestehe, könne er »annehmen, daß >katholisch< >universal< bedeutet, wenn man darunter einen inneren Universalismus versteht« (N. Afanas'ev, Kafolice- skaja Cerkov' [ = PravMysl XI/1957, 17-44] 40). So übersetzen wir das Wort »kafoli- ceskij« in Afanas'evs Gebrauch mit »katholisch«, »vselenskij« aber mit »universal«.

85 N. Afanas'ev, Dve idei Vselenkoj Cerkvi = P u t ' 44/1934, 16-29.

86 Am wichtigsten: L'Église qui préside dans l'Amour, in: N. Afanassieff u.a., La pri- mauté de Pierre dans l'Église Orthodoxe, Neuchâtel 1960 ( = BOrth 1), 7-64 (Die deutsche Übersetzung ist, wie bereits die Übertragung des Titels erkennen läßt, voll von Fehlern und Mißverständlichkeiten: Das Hirtenamt der Kirche - in der Liebe der Gemeinde vorstehen [!] = N. Afanassieff u. a., Der Primat des Petrus in der Orthodo- xen Kirche, Zürich 1961 = BOTK, Bd. 1, 7-65); vgl. a. Trapeza Gospodnja, Paris 1952 = Pravoslavie i Sovremennost' 2-3. - Ein vollständiges Verzeichnis der Werke Afanas'evs findet sich in Peter Plank, Die Eucharistieversammlung als Kirche 41-47.

87 Nikolaj Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo, Paris 1971; französisch: N. Afanassieff, L'Église du Saint-Esprit. Traduit du russe par M. Drobot. Préface de Dom O. Rous- seau, Paris 1975, Rezension: K. Ch. Felmy: KO 19/1976, 172-174.

(18)

nas'ev wiederholt die eucharistische Ekklesiologie dargestellt, präzi- siert, von der herrschenden »universalistischen« abgehoben und Konse- quenzen aus ihr gezogen.

Schlüssel zu dem von Nikolaj Afanas'ev entwickelten Verständnis ist die Entdeckung, daß Paulus, wenn er 1 Kor 10,16 f. das eucharistische Brot, 1 Kor 12,27 aber die Orts-Kirche als Leib Christi bezeichnet, beide Male dasselbe meint und beide Male einen gleichen Grad an Rea- lität im Auge hat: »das eucharistische Brot ist folglich der wirkliche Leib Christi [. . . Und] jede Ortskirche ist die Kirche Gottes in Chri- stus; denn Christus wohnt in seinem Leibe, in der eucharistischen Ver- sammlung, und dank der Kommunion am Leib Christi werden die Gläubigen Glieder seines Leibes«.

88

Die Eucharistie ist demnach nicht - wie es die scholastische Akademie-Theologie gesehen hatte - ein My- sterium in der Kirche, sondern das Mysterium der Kirche.

89

Sie ist ek- klesial, nicht individualistisch zu verstehen. Von daher wendet sich Ni- kolaj Afanas'ev radikaler als alle anderen orthodoxen Theologen vor ihm gegen die Praxis der seltenen Kommunion. »Die Vereinigung mit Christus ist die Vereinigung mit allen Gläubigen, und die Vereinigung mit allen Gläubigen ist die Vereinigung mit ihm«.

90

Der Gemein- schafts-, Kirchen-Charakter der Eucharistie ist so wesentlich, daß für Nikolaj Afanas'ev der von den Vertretern der Historischen Schule und von Ioann Kronstadtskij erhobene Ruf nach häufigerem Kommunion- empfang unzureichend erscheint. Es geht ihm um die Rückgewinnung des kirchlichen Verständnisses der Eucharistie, nicht um die Häufung des individuellen Kommunionempfangs. »Vor allem und eher als alles andere, müssen wir uns lossagen von der Individualisierung der Eucha- ristie und der Mysterien«. Die häufigere individuelle Kommunion räumt dagegen den Defekt an ekklesialem Bewußtsein nicht aus.

91

Denn dieser liegt nicht in mangelnder Frömmigkeit begründet, sondern in einem falschen individualistischen Verständnis der Eucharistie, dem durch die Häufung der Liturgiefeiern nur Vorschub geleistet wird.

92

Ist aber die Eucharistie nicht individuell, sondern nur von der Kirche her zu verstehen, dann ist umgekehrt auch die Kirche nur von der Eu- charistie her zu begreifen. In jeder eucharistischen Versammlung ist der

88 N. Afanas'ev, L'Église qui préside dans l'Amour 27.

89 N. Afanas'ev, Trapeza Gospodnja 56, 63, 70.

, 0 N. Afanas'ev, Trapeza Gospodnja 90.

91 N. Afanas'ev, Trapeza Gospodnja 90 f.

92 N. Afanas'ev, Trapeza Gospodnja 92.

(19)

4 0 8 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

ganze Leib Christi präsent, nicht ein Teil des Leibes Christi. Ebenso ist nun auch die eucharistische Versammlung selbst die ganze Kirche, nicht ein Teil von ihr. Es gibt nach Afanas'evs Verständnis deshalb keine Teilkirchen. Sondern jede Ortskirche, die unter der Leitung ihres

>proestös< die Eucharistie vollzieht, ist durch die Eucharistie die ganze, die katholische Kirche, allerdings nur sofern sie in >koinönia< mit den anderen Ortskirchen steht. Denn, so galt es in der Alten Kirche: »Nicht eine Kirche konnte sich lostrennen von einer anderen oder den ande- ren, da sie sich nicht von Christus lostrennen konnte«.

93

Das Verhältnis der Ortskirchen zueinander ist aber nicht das verschiedener Summan- den, sondern das der Identität. Deshalb lassen sich die einzelnen Orts- kirchen auch nicht zu einer Summe zusammenzählen. »In der Ekklesio- logie könnten wir ruhig die Ortskirchen zusammenzählen; wir würden stets eine Summe erhalten, die nicht größer wäre als jeder einzelne Summand. Tatsächlich, in der Ekklesiologie ergibt eins plus eins immer eins. Jede Ortskirche manifestiert die ganze Fülle der Kirche Gottes;

denn sie ist die Kirche Gottes und nicht nur ein Teil dieser letzteren«.

94

»Wo Christus ist, da ist die universale (katholische)

95

Kirche«, zitiert Nikolaj Afanas'ev aus dem Smyrnäer-Brief des Ignatius von Antio- chien.

96

Und auf das Verständnis des Ignatius vor allem stützt Afa- nas'ev seine eucharistische Ekklesiologie, dient das Wort aus dem Smyrnäer-Brief doch bereits als Aufsatz-Motto,

97

das Afanas'ev im fol- genden in dem von uns skizzierten Sinne auslegt.

98

Von Ignatius übernommen ist auch der Gedanke der Einheit der Eu- charistie in der Ortskirche und der Ablehnung aller Privat-, Haus- und Sonder-Eucharistiefeiern." Von Ignatius übernommen ist aber vor al- lem auch das Idealbild der Struktur der Ortskirche: Die Feier des Her- renmahles »kann nicht bestehen ohne Vorsteher (>proestös<), denn die Lehre von der Eucharistie schließt den Gedanken der Leitung der eu- charistischen Versammlung durch einen in sich«,

100

wie auch »die Idee der Herde den Dienst des Hirtenamtes« voraussetzt.

101

»Der, der dar-

93 N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 5.

94 N. Afanas'ev, L'Église qui préside dans l'Amour 28.

95 Vselenskaja (kafoliceskaja).

96 Ignatius, Smyrn. 8,2 = Funk-Bihlmeyer 108.

97 N. Afanas'ev, Dve idei 16.

98 N. Afanas'ev, Dve idei 24 ff.

99 N. Afanas'ev, Trapeza Gospodnja 22 u. ô.

100 N. Afanas'ev, L'Église qui préside dans l'Amour 30.

(20)

bringt, ist immer einer, aber alle übrigen konzelebrieren ihm. In der Eucharistieversammlung [der Alten Kirche] hat die heilige Handlung stets der vollzogen, der den zentralen Platz in ihr eingenommen hat. Er brachte die »Danksagung« dar, an der alle teilnahmen, stets einer und stets ein und derselbe, aber stets zusammen mit allen. Weder konnte das Volk Gottes ohne ihn die heilige Handlung vollziehen, noch konnte er die heilige Handlung vollziehen ohne das Volk, da nicht nur er, sondern alle Gott dem Höchsten Priester waren«.

102

Wir kennen diese Sicht des kirchlichen Amtes bereits aus den Litur- gieerklärungen Golubcovs und anderer Vertreter der Historischen Schule. Deutlicher als bei ihnen aber ist bei Afanas'ev die Ausrichtung an Ekklesiologie und Amtslehre des Ignatius.

103

Doch hat Afanas'ev, wie schließlich das posthum veröffentliche Werk »Die Kirche des Heili- gen Geistes«

104

zeigt, in der Amtslehre des Ignatius nur die legitime Entfaltung eines älteren Ansatzes, nicht das Spiegelbild der ursprüngli- chen Ordnung gesehen. Ursprünglich sei die Eucharistiefeier von dem ersten der Presbyter geleitet worden. Das eucharistische Leitungsamt der Urkirche sei weder mit dem Bischofsamt der Zeit des Ignatius noch mit dem späteren Presbyteramt identisch gewesen. Vielmehr lasse der wechselnde Gebrauch der Begriffe im Titusbrief erkennen, daß noch zur Zeit seiner Abfassung Presbyter- und Bischofsamt ein Amt gewesen seien und sich der ursprüngliche erste Presbyter, der in der Regel die Eucharistie geleitet habe, von den anderen Presbytern nicht anders un- terschieden habe als durch den von ihm eingenommenen Platz in der Liturgie. Die ursprüngliche grundsätzliche Gleichheit der Presbyter und Bischöfe erkläre die Mehrdeutigkeit der neutestamentlichen Aussa- gen über das Leitungsamt, die Tatsache, daß das eucharistische Dank- gebet dann in aller Regel doch von ein und demselben Presbyter ge- sprochen worden sei, die rasche Herausbildung des bischöflichen Amtes, so wie es Ignatius bereits bezeugt.

105

Afanas'ev hat hier Aussagen über das eucharistische Leitungsamt ge- macht, die wir so aus der Historischen Schule noch nicht kennen. Da- gegen haben wir dort aber Ansätze für das Verständnis der Laien ge-

101 N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 5.

102 N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 6.

103 Vgl. bes. N. Afanas'ev, Trapeza Gospodnja 29 ff.

104 Hierzu und zum Folgenden vgl. N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 139 ff.

105 N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 237 ff.

(21)

410

Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

funden, die der Theologie Afanas'evs entsprechen.

106

Nikolaj Afanas'ev aber hat diese Aussagen in Beziehung zur eucharistischen Ekklesiologie gesetzt. Er sieht nämlich einen Zusammenhang zwischen der Tatsache, daß aus dem Mysterium der Kirche ein Mysterium in der Kirche wurde, und der anderen, daß die Konzelebration des Volkes verdunkelt wurde.

In seiner Arbeit »Die Kirche des Heiligen Geistes« behandeln darum auch drei von acht Kapiteln den Dienst der Laien in der Kirche. Und in seiner Arbeit »Das Mahl des Herrn«

107

wendet er sich darum gegen die Konzelebration der Geistlichen, weil sie die Konzelebration der Laien verdecke und ebenso auch die Besonderheit des Leitungsamtes. Die Ordnung der Göttlichen Liturgie dagegen setzt die Konzelebration des ganzen Gottesvolkes voraus.

108

Nikolaj Afanas'ev weist dazu auf die Abfassung der alten Eucharistiegebete in der 1. Person pluralis,

109

auf das von Justin so stark hervorgehobene »Amen« der Gemeinde,

110

auf die Herabrufung des Heiligen Geistes auf das ganze Volk

111

und beson- ders auf die Aussage der Chrysostomus-Anaphora: »Wir danken dir auch für diese Liturgie, die du aus unseren

112

Händen anzunehmen ge- ruhst, obgleich vor dir Tausende von Erzengeln und Zehntausende von Engeln stehen«.

113

Vor allem ist ihm die Kommunion ein, ja der wich- tigste Akt der Konzelebration der Laien und deswegen unverzichtbarer Bestandteil der Göttlichen Liturgie.

Kein anderer Ausleger vor Afanas'ev hat so stark den Gemeinschafts- charakter der Göttlichen Liturgie hervorgehoben wie er. »Das Chri- stentum«, sagt er, »ist der Antipode der individuellen Religion oder so- gar mehr. Es ist keine Religion in dem Sinne, in dem wir gewöhnlich dieses Wort verstehen. Wir haben Zugang zu Gott nicht jeder in Abge- sondertheit und nicht für sich selbst und nicht durch Vermittler, son- dern nur durch Christus, wenn wir uns in seinem Leibe befinden, zu dem wir durch den Geist getauft sind«.

114

Diese Einheit wird in der Eu-

106 Am weitesten von der üblichen orthodoxen Amtslehre abgewichen ist unter dem Ein- fluß Harnacks unseres Wissens A. N. Lebedev, Po voprosu o proischozdenii pervo- christianskoj ierarchii = BV 1 9 0 7 / 3 , 460-474.

107 Trapeza Gospodnja.

ios Ygi z u m Folgenden N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 47.

109 N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 47.

110 N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 48; Justin, Apologie I 65 = PG 6, 428.

111 Die Göttliche Liturgie 65; N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 47.

112 Hervorhebung durch uns.

113 Die Göttliche Liturgie 63; N. Afanas'ev, Cerkov' Ducha Svjatogo 47.

114 N. Afanas'ev, Trapeza Gospodnja 87; vgl. 1 Kor 12,13.

(22)

charistie sakramental aktualisiert, in der Göttlichen Liturgie aber auch symbolisch abgebildet: »Die eucharistische Versammlung macht die Kirche sichtbar, bildet sie ab. Auf dem eucharistischen Diskos ist die ganze Kirche versammelt, die irdische und die himmlische«.

115

Dies ist die einzige uns bekannte Stelle, an der Afanas'ev ein Mo- ment aus dem besonders stark von symbolischen Deutungen durch- wirkten Proskomidieritus aufnimmt. Denn hier spielt er eindeutig auf die Ordnung der symbolischen Partikeln in der Göttlichen Liturgie an.

116

Sonst bleibt sein Reden von der Göttlichen Liturgie in aller Regel auf Eucharistiegebet und Kommunion beschränkt. Dennoch ist seine

»eucharistische Ekklesiologie« Liturgiedeutung, bezogen nicht auf die dogmatischen Fragen von Realpräsenz, Wandlung und Früchten des Kommunionempfangs, wie es der 4. Mystagogischen Katechese Ky- rills

117

entspricht, sondern auf die Synaxis der Gemeinde zur Euchari- stie, wie sie die 5. Mystagogische Katechese Kyrills beschreibt und deu- tet. Nur verzichtet Afanas'ev in aller Regel auf eine mystagogische Erklärung, die er vielmehr durch eine theologische ersetzt: die euchari- stische Versammlung am Ort ist die Kirche und damit die Göttliche Li- turgie, die von Afanas'ev allerdings nicht in ihren Einzelheiten, son- dern von ihrer eucharistischen Mitte her erklärt wird. Auch eine so bestimmte Liturgiedeutung konnte auf die Dauer allerdings nicht auf die Ausdeutung der einzelnen wichtigsten Vollzüge verzichten. In der Liturgie-Auslegung einer stark von ihm bestimmten theologischen

>Schule< sollte eine solche Ausdeutung von Einzelzügen dann auch wie- der ihren Platz finden.

5. Der Niederschlag der theologischen Liturgiedeutung in den Kommentaren Alexander Schmemanns und Pavel Evdokimovs Die starke Prägung der Liturgiedeutung durch die eucharistische Ek- klesiologie zeigt sich vor allem in zwei Werken, die sich wieder eindeu- tig als Liturgiekommentare geben und ähnlich wie die byzantinischen Vertreter dieser Gattung die Göttliche Liturgie ihrem Ablauf folgend auslegen. Das erste dieser Werke ist die Arbeit Pavel Evdokimovs »La

115 N. Afanas'ev, Cerkovnye Sobory i ich proischozdenie (unveröffentlicht) I, 3, zitiert nach Peter Plank, Die Eucharistieversammlung als Kirche 155.

116 Die Göttliche Liturgie 13 ff.

117 S. unsere Einleitung.

(23)

4 1 2 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

Prière de 1' Église d' Orient, La Liturgie byzantine de saint Jean Chry- sostome«, Mulhouse-Paris-Tournai 1966. Ahnlich wie Ivan Dmi- trevskijs Liturgiekommentar teilt sich Evdokimovs Auslegung auf in ei- nen allgemeineren einführenden und einen speziell die einzelnen Stücke erklärenden Teil. Dazwischen geschoben ist der Text der Göttli- chen Liturgie in französischer Ubersetzung.

Alexander Schmemann hat in der Zeitschrift der russischen christli- chen (Studenten-) Bewegung eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, die nach ihrem Abschluß zu einem Buch vereint werden sollen. Alle Aufsatzüberschriften - in dem geplanten Buch werden es Kapitelüber- schriften sein - beginnen mit dem Wort »Mysterium«, mit dem in der Orthodoxen Kirche auch die Sakramente bezeichnet werden. Auf die- sen Sachverhalt wollen wir noch zurückkommen.

1 1 8

Die Titel der bisher veröffentlichten Aufsätze lauten: »Das Mysterium der Versammlung«,

»Das Mysterium des Reiches«, »Das Mysterium des Einzugs«, »Das Mysterium des Wortes«, »Das Mysterium der Gläubigen«, »Das My- sterium der Darbringung«, »Das Mysterium der Einheit«, »Das Myste- rium des Opfers«, »Das Mysterium der Danksagung«, »Das Mysterium des Gedächtnisses«.

119

Einige Worte zu der Frage, warum es sich hier um russische Liturgie- deutung handelt:

120

Pavel Evdokimov (1901-1970) hat die meisten sei- ner Werke in französischer Sprache geschrieben und die längste Zeit seines Lebens in Frankreich gelebt. Dennoch gehören er und sein Werk voll und ganz in den Rahmen der russischen Theologiegeschichte.

Denn Evdokimov studierte am Orthodoxen Theologischen Institut des hl. Sergij in Paris zu einer Zeit, als es noch ausschließlich russisch ge- prägt war und sämtliche Vorlesungen von russischen Dozenten in russi- scher Sprache gehalten wurden. Auch als er hier 1953 Professor wurde, war der russische Einfluß an diesem Institut noch vorherrschend.

118 S.u. Abschnitt 6.

A. Smeman, Tainstvo Sobranija = VRStChD 107/1973/1, 15-28; ders., Tainstvo Carstva = VRStChD 108-110/1973/2-4, 24-35; ders., Tainstvo Vchoda = VRStChD 111/1974/1, 33-44; ders., Tainstvo Slova = VRChD 112-113/1974/2-3, 40-53; ders., Tainstvo Vernych = VRChD 114/1974/4, 13-28; ders., Tainstvo Prino- Senija = VRChD 116/1975/2-4, 8-35; ders., Tainstvo Edinstva = VRChD 119/1976/3-4, 56-70; 122/1977/3, 29-44; ders., Tainstvo Voznoäenija = VRChD 124/1978/1, 11-20; ders., Tainstvo Blagodarenija = VRChD 130/1979/4, 8-28;

ders., Tainstvo Vospominanija = VRChD 132/1980, 24-41.

120 Zum Folgenden vgl. Oliv'e Kleman ( = Olivier Clement), Pamjati P. E. Evdokimova

= PravMysl 14/1971, 95-97; In memoriam P. Evdokimov (1901-1970) = SVTQ 15/1971/1-2, 89.

(24)

Lange Zeit war er Sekretär der russischen christlichen Studentenbewe- gung. Seine theologischen Arbeiten sind zwar französisch geschrieben, aber doch nur dazu, um der französischsprachigen Umwelt und der französischsprachigen orthodoxen Jugend russischer Abkunft etwas vom Geist der russischen Theologie und Spiritualität zu vermitteln.

Etwas schwieriger ist der Fall bei Alexander Schmemann. Alexander Schmemann, der aus einer russifizierten baltischen Familie stammt, war zunächst noch als Professor am Orthodoxen Institut St. Serge mit der russischen Sprachtradition verbunden. Nach seinem Wechsel an das St.

Vladimir's Theological Seminary in Crestwood-Tuckahoe N.Y. aber war er bewußt um die Errichtung einer amerikanischen Orthodoxie be- müht, ein Bemühen, das eine erste Krönung in der Verleihung der Au- tokephalie an die bis dahin russische Metropolie durch das Moskauer Patriarchat im Jahre 1970 gefunden hat. Seitdem sind Reminiszenzen aus der russischen Vergangenheit aus der Selbstbezeichnung der »Or- thodox Church in America« verschwunden.

Dennoch, bei allem Bemühen um eine amerikanische Orthodoxie, hat Alexander Schmemann nie die russische Prägung seines theologi- schen Denkens verleugnen können oder wollen und seine Verbunden- heit mit der russischen Orthodoxie durch regelmäßige Beiträge in der Zeitschrift der russischen christlichen (Studenten-) Bewegung

121

in sei- ner Muttersprache bezeugt. Als Beiträge zu dieser russischen Zeit- schrift sind auch seine Aufsätze über »die Mysterien« der Göttlichen Liturgie erschienen.

Pavel Evdokimovs, mehr noch Alexander Schmemanns Liturgieer- klärungen fußen wie die Beiträge Bulgakovs und Afanas'evs auf den Erkenntnissen der Historischen Schule. Ohne selbst historisch-kritisch zu forschen, nehmen sie die Ergebnisse der russischen, aber auch der westlichen Liturgiewissenschaft in ihre Arbeiten auf. So enthält das Li- teraturverzeichnis der Liturgieerklärung Evdokimovs u. a. folgende Werke: A. Baumstark, Liturgie comparée, Chevetogne 1939; F. E.

Brightman, Liturgies Eastern and Western, Oxford 1896;

122

Gregory Dix, The Shape of the Liturgy, 1945; R. Janin, Les Églises orientales et les rites orientaux, Paris 1955; Joachim Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen 1935; Hans Lietzmann, Messe und Herrenmahl, Bonn 1926; E. Renaudot, Liturgiarum Orientalium Collectio. Daneben stützt

121 Vestnik Russkogo [bis 1974 zusätzlich: Studenceskogo] Christianskogo Dvizenija.

121 Dieser und die anderen von uns benutzten Titel finden sich vollständig im Literatur- verzeichnis.

(25)

4 1 4 Die theologische Erklärung der Göttlichen Liturgie

sich Evdokimov auf folgende russischsprachige Werke:

123

Nikolaj Afa- nas'ev, Trapeza Gospodnja, Paris 1952; Kiprian [Kern], Evcharistija;

Ivan Karabinov, Evcharisticeskaja Molitva; auf Erzbischof Veniamins Novaja Skrizal', auf M. Orlov, Liturgija svjatago Vasilija Velikogo so- wie auf A. Dmitrievskijs Typikon-Ausgabe.

124

Pavel Evdokimov hat auch Ergebnisse der historischen Forschung re- zipiert. Doch ist sein historisches Interesse geringer als das Archiman- drit Kiprians in dessen Liturgik. Sein eigentliches Interesse gilt der theologischen, in gewissem Maße auch der erbaulichen Liturgie-Ausle- gung, nicht historisch-kritischer Forschung.

In dieser Zielsetzung stimmt Alexander Schmemann mit Pavel Evdo- kimov überein. Als Professor für Liturgik am St. Vladimir's Theologi- cal Seminary kann Schmemann seine detaillierten Kenntnisse und sein liturgiegeschichtliches Interesse aber nicht verleugnen, zumal liturgie- wissenschaftliche Kenntnisse Voraussetzung jeder theologischen Deu- tung sind, die tatsächlich an Text und Vollzug der Göttlichen Liturgie orientiert ist. Insofern spielen Ergebnisse der Liturgiewissenschaft in seiner Liturgieerklärung eine größere Rolle als bei Pavel Evdokimov.

Doch bleibt auch er in dieser Hinsicht vor allem Sammler und Vermitt- ler, der hauptsächlich aus der westlichen Liturgiewissenschaft schöpft.

So ist z.B. seine Feststellung, die Pontifikalliturgie habe mehr ur- sprüngliche Elemente bewahrt als die von einem Priester vollzogene (insbesondere gilt das beim Kleinen Einzug, der den ursprünglichen Li- turgiebeginn markiert),

125

eine Übertragung des von Anton Baumstark entdeckten >Gesetzes der Erhaltung des Alten in liturgisch hochwerti- ger Zeit<

126

auf den »hochwertigeren« Gottesdienst, wie sie von J. A.

Jungmann bereits für die römische Messe vollzogen wurde.

127

Wie schon andere Liturgiewissenschaftler verweist Schmemann darauf, daß die Proskomidie ursprünglich vom Diakon vollzogen wurde.

128

Ebenso wenig neu ist der Hinweis, daß der Gesang der drei Antiphonen mit den zwischen sie eingelagerten Gebeten und Ektenien ursprünglich dem Prozessionsgottesdienst entstammt.

129

Auch hier konnte Alexan-

123 Die folgenden schon oben zitierten Titel finden sich im Literaturverzeichnis.

124 Gemeint ist vermutlich A. Dmitrievskij, Opisanie Liturgiceskich Rukopisej I—III.

125 A. Smeman, Tainstvo Sobranija 19; vgl. Tainstvo Vchoda 35; Tainstvo PrinoSenija 26.

126 A. Baumstark, Das Gesetz der Erhaltung des Alten in liturgisch hochwertiger Zeit = JLW 7/1927, 1-23.

127 J. A. Jungmann, Missarum Sollemnia I 254.

128 A. Smeman, Tainstvo Sobranija 19; s.o. S. 340.

12' A. Smeman, Tainstvo Vchoda 34; J. Mateos, passim.

Referenzen

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